Kenner werden es erraten haben: Bei unserem heutigen Schildchen handelt es sich um einen Ausschnitt aus der Partitur zu Bachs Oster-Oratorium. Das ist sozusagen die Bach’sche Kurzfassung (etwa eine dreiviertel Stunde) zur Einstimmung auf das Osterfest. Wer es ausführlicher mag, sei auf die Matthäus-Passion verwiesen (etwa 2¼ Stunden). Beides läßt sich leicht und locker auf YouTube finden – das Oratorium in der von Bolle geschätzten Interpretation von Sir John Eliot Gardiner etwa hier:
Die Geschichte – oder das „Narrativ“, wie man heute sagen würde – ist hinlänglich bekannt. Der Heiland der Christenmenschen in spe wurde zwei Tage zuvor, übrigens auf Veranlassung jüdischer Kleriker, von den Römern wegen Häresie an ein Kreuz genagelt, um dort erwartungs- und bestimmungsgemäß zu verscheiden. Allein damit sollte es nicht sein Bewenden haben. Zwei Tage später war der Heiland fort. Mögliche Erklärungen: a) Leichenraub oder eben b) Auferstehung.
Während die jüdischen Hohenpriester eindeutig die Version a) favorisierten, fanden Jesu Anhänger Version b) plausibler. Wörtlich heißt es dazu bei Matthäus 28, 12 ff. (in der Fassung der Lutherbibel 1912):
„Und sie kamen zusammen mit den Ältesten und hielten einen Rat und gaben den Kriegsknechten Gelds genug und sprachen: Saget: Seine Jünger kamen des Nachts und stahlen ihn, dieweil wir schliefen.“ Mehr noch: „Und sie nahmen das Geld und taten, wie sie gelehrt waren. Solches ist eine gemeine Rede geworden bei den Juden bis auf den heutigen Tag.“ (Matth. 28, 15).
Hier haben wir es also einmal mehr nicht nur mit einem frühen Fall von Korruption zu tun, sondern auch mit einem Anwendungsbeispiel unserer „Wirklich wahr“-Matrix:
Sind die Gläubigen nun Verschwörungsopfer, weil sie Unsinn für wahr halten? Oder sind, im Gegenteil, die Hohenpriester Verblödungsopfer, weil sie die Wahrheit („Jesus lebt“) nicht wahrhaben wollen?
Da tut es gut zu wissen, daß man sich als Agnostiker nicht zwischen „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ entscheiden muß. Vielmehr bleibt einem eine durchaus wohltuende dritte Möglichkeit: ME: „Wer bin ich, das zu entscheiden?“ Damit kommt man der Wahrheit nicht selten am nächsten. Das alles ist dann aber doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Ostern, also! Glaubt doch, was Ihr wollt!