So 14-05-23 Muttertag

Muttertag (Symbolbild, of course).

Heute wollen wir unser agnostisch-kontemplatives Frühstückchen auf einen Aspekt richten, der hier bislang noch nie Erwähnung gefunden hat. Warum dem so ist, müssen wir an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

Bekanntlich kann man sich seine Mutter nicht aussuchen. Im Umkehrschluß bedeutet das aber nicht weniger als das: die Mutter, die man hat, ist die beste Mutter, die man hat. Bolle für sein Teil findet ja, daß er an dieser Stelle wenig zu meckern hat. Er hatte in jungen Jahren stets ein Dach über dem Kopf – und zu essen war auch immer da. Zwar mußte er sich ein Zimmer mit seinem Bruderherz teilen – was natürlich nicht ohne den ein oder anderen sprichwörtlichen Bruderzwist abgehen konnte. Allerdings bleibt zu bedenken, daß etwa das Motto der französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – zumindest partiell kaum noch verstanden werden würde, wenn wir alle als Einzelkinder aufwachsen würden. Was das Essen angeht: Natürlich gab es oft nur schlichtes Futter. Allerdings hatte das den höchst erfreulichen Nebeneffekt, daß Bolle bis heute weder mit Laktose- noch mit sonstigen ernährungsbedingten „Intoleranzen“ je zu tun gehabt hätte. Also auch hier: Alles richtig gemacht, liebe Mama.

Bolles Mama jedenfalls hatte eines Tages ob der vorherrschenden patriarchalischen Grundstimmung in der Gesellschaft das Schnäuzchen gestrichen voll. Also hat sie ihre drei Kinder unter den Arm gepackt und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Weite gesucht. Als Vaddern von der Arbeit heimkam, war er entsprechend baff, of course. Muttern weg, Kinder weg, Wohnung weitestgehend leergeräumt. Das wünscht man ja keinem. Aber so kann’s gehen, wenn man es zu dolle treibt mit dem Patriarchat bzw. es an einem Mindestmaß an Umgangsformen bzw. auch an Kontemplation mangeln läßt.

Na, und denn – ? (Tucholsky 1930). Dann ging es darum, sich eine Erwerbsarbeit zu suchen, um die Kinder durchzubringen. Ausgestattet mit einem IQ in der Größenordnung von Einstein sollte das ja wohl kein Problem sein. Sollte man meinen. Wenn da nur die Verhältnisse nicht wären. Doch die Verhältnisse, sie sind bekanntlich nicht so (Brecht 1928). Also hat sich Muttern wacker durchgekämpft und für die Kinder – die für sowas seinerzeit noch so rein gar keinen Sinn hatten – streckenweise heimlich auch noch die Krankenkassenbeiträge einbezahlt. „Schneeflöckchen“ jedenfalls – also Leute, die sich bei jedem Pups gleich angepißt bzw. gar „diskriminiert“ fühlen – waren noch nicht en vogue.

Mütter sind schon seltsame Wesen. Rein ökonomisch jedenfalls macht das alles rein gar keinen Sinn. Gleichwohl ist es, wie es scheint, ständige Übung bei den Müttern dieser Welt. Auch wirkt derlei bis in die Gegenwart fort: Da zieht man drei akademische Klugscheißer groß – nur um sich selber das Gefühl zu geben, daß man ja nur über einen schlichten Hauptschulabschluß verfüge – und sich damit selber sehr viel kleiner macht, als man bei nüchterner Betrachtung tatsächlich ist. Als ob es darauf – in welcher Weise auch immer – ankommen würde. „Geist“ – und vor allem auch Haltung – sind wohl das letzte, was Universitäten moderner Prägung zu vermitteln vermögen.

Ein wenig ist es mit dem Muttertag wie mit Weihnachten. Man kann solche Tage weitgehend sinnentleert als „Mitläufer“ verleben – indem man etwa Geschenke verteilt oder Blumen verschickt. Man kann sie gar als Ausdruck „kapitalistischer Konsumlogik“ oder, je nach Gusto, „sozialistischer Propaganda“ schmähen – und sich so in seiner selbstgebastelten Hölle auf Erden häuslich einrichten. Oder man kann den Muttertag zum Anlaß nehmen, einmal mehr ein wenig in sich zu gehen – und das geflissentlich auch zu zeigen. Nichts anderes bedeutet ja ›Kontemplation‹: leben aus der Kraft der Mitte (japanisch Ki bzw. chinesisch Chi). Eines jedenfalls scheint Bolle evident: Sic crustula friatur – wenn der Keks erst mal zerbröckelt ist – dann ist es definitiv zu spät. Also: Lasset die Bräsigkeit fahren, und das Ego gleich mit – und bewegt Euren sprichwörtlichen Arsch. Now! Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 15-01-23 agenda 2028: 11 Jahre nun schon – and still going strong …

Form und Fügung.

Hier eine Jubelmeldung in eigener Sache: agenda 2028 hat gestern ihren 11. Geburtstag gefeiert. Zwar war sie damals noch nicht „e.V.“ – also als Person noch nicht gaanz für voll zu nehmen. Das nämlich sollte noch fast zwei Jahre dauern. Aber was soll’s? To be or not to be (Shakespeare 1594) – das ist schließlich ein Unterschied, der einen Unterschied macht.

Das Schildchen zur Feier des Tages enthält unbestreitbar gewisse Gaga-Elemente – wenn auch durchaus mit aktuellem Bezug. Allein – mit 11 darf man sich sowas, wie wir finden, durchaus schon mal leisten. Verglichen mit dem Film, der in den letzten 3 Jahren „pandemisch“ abgespult wurde – und jederzeit wieder frisch aufgelegt werden kann –, will uns der Gaga-Faktor durchaus noch harmlos erscheinen.

Übrigens: Wem es auch um das leibliche Wohlergehen der jungen Dame bestellt ist, der mag sich gerne dem Freundeskreis anschließen. Mit äußerst wohlfeilen 5 oder 10 Euro pro Monat – jeder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) wie er mag – ist man dabei. Email an Bolle genügt. Für heute aber ist das doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 20-12-22 Das zwanzigste Türchen …

Mehr oder minder …

Wir haben uns in diesem Jahr an dieser Stelle ja vergleichsweise gründlich mit der Klärung der Dreifaltigkeit ›Demokratie / Rechtsstaat / Verfassungsstaat‹ befaßt – einer der ersten Mehrteiler in unseren agnostisch-kontemplativen Frühstückchen überhaupt – und dabei festgestellt, daß da begrifflich doch noch einiges im Argen liegt. Wie aber soll konfusem bzw. diffusem Denken jemals klares Handeln entspringen?

Wir wollen unsere Trias morgen mit einem vierten Teil abschließen und uns dabei zweierlei fragen: Erstens, wie kann es sein, daß eine Trias aus vier Teilen besteht? Nun, das ist leicht erklärt: Seit Douglas Adams 1992 – also vor nunmehr 30 Jahren schon – den gar fünften Teil seiner Trilogie ›Per Anhalter durch die Galaxis‹ herausgegeben hat, sollten wir uns an derlei längst gewöhnt haben. Der Konfusionen gibt es durchaus drastischere.

Zweitens und vor allem aber wollen wir uns fragen, wie wir uns den Dreh- und Angelpunkt einer Demokratie (im weiteren Sinne) vorstellen wollen – den leibhaftigen Souverän. Ist das einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), der einen Stift halten und ein Kreuzchen machen kann? Oder sollten wir die Latte hier nicht vielleicht ein wenig höher legen?

Begnügen wir uns für heute mit einem kleinen Gedankenexperiment. Stell Dir vor, Du seiest Mitglied eines 11-köpfigen Mikrokosmos und ihr habet Euch voll und ganz der Demokratie-Idee verschrieben. Alle Entscheidungen werden ausnahmslos per Mehrheitsbeschluß getroffen. Alles, was mindestens 6 Stimmen auf sich vereinigen kann, wird also gemacht. Alles andere nicht. Stimmengleichheit sei ausgeschlossen, da alle, so wollen wir annehmen, aus guter demokratischer Überzeugung an jeder Abstimmung teilnehmen und Stimmenthaltungen völlig verpönt sind und nie vorkommen.

So weit, so gut. Nun stell Dir vor, einer von Euch verfüge über eine geradezu überschießende prognostische Kompetenz. Der Einfachheit halber wollen wir annehmen, daß Du selbst das bist – obwohl es hierauf nicht ankommt. Not unlike Kassandra ist Dir immer klar, welche Konsequenzen eine bestimmte Entscheidung kurz-, mittel- und auch langfristig haben wird. Unter diesen Umständen wäre es gar nicht so einfach, Euch ein, sagen wir, trojanisches Pferd unterzujubeln.

Allerdings liegt hier die Betonung auf „wäre“. Annahmegemäß unterliegt ja auch diese Entscheidung dem Mehrheitsbeschluß. Was aber, wenn der Rest Deines Mikrokosmos von der netten Geste des Absenders völlig entzückt ist oder von der filigranen Maserung des Holzes fasziniert – und sich nach dem Motto „Ein Pferd ist nie verkehrt“ durchaus für die Aufnahme selbigens in Eure heiligen Hallen erwärmen kann?

Hier hilft kein Zetern und kein Schreien, kein Haareraufen und kein Kleidzerreißen (wie es bei Esra 9, 3 in einem ähnlich gelagerten Fall heißt). Wenn es Dir also nicht gelingt, wenigstens fünf Deiner Stammesbrüder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) von Deiner besseren Einsicht zu überzeugen, dann steht es schlecht um die Entwicklungsperspektiven Eures Stammes.

Natürlich ist ein solches Verfahren zumindest anstrengend – zuvörderst für Dich, letztlich aber auch für Deine Sippe. Geschmeidige Entschließung stellt sich Bolle anders vor – von „Effizienz“ gar nicht zu reden. Kurzum: ob und inwiefern Du für Dich und Deinen Mikrokosmos Erfolg haben wirst mit Deiner prognostischen Kompetenz, hängt nicht allein von Deinen Fähigkeiten ab – die wir hier im Gedankenexperiment als gegeben unterstellt haben – sondern gleichermaßen von der Einsichtsfähigkeit des Dich umgebenden Volkes.

Das aber wirft unmittelbar die Frage auf, welche Anforderungen an das Volk zu stellen sind, damit Demokratie, die mehr ist als nur ein Partizipations-Placebo oder gar nur eine fluffige Umschreibung für ›Herrschaft der Guten‹, funktionieren kann. Das wollen wir morgen kurz skizzieren. Für heute nämlich wär das doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 18-12-22 Das achtzehnte Türchen – der vierte Advent …

Murphy totalmente …

Bekanntlich gibt es immer zwei Möglichkeiten. Zumindest in einer dichotomen Welt ist das so. Gleichzeitig bedeutet das, daß es in einer zweidimensionalen dichotomen Welt immer vier Möglichkeiten gibt. So auch hier. ›Etwas‹ – in der 4-Felder-Tafel etwas hochtrabend ›System‹ genannt – kann entweder funktionieren oder nicht funktionieren. Und es ist möglich, daß man weiß, warum es funktioniert oder nicht funktioniert. Oder man weiß es eben nicht.

Wenn etwas funktioniert und man weiß warum (Fall #1), ist alles fein. Der Fall, daß etwas nicht funktioniert, man aber weiß, warum das so ist (Fall #2), ist weniger schön. In diesem Fall muß man den Fehler halt beheben, das System reparieren. Wenn etwas nicht funktioniert und man weiß nicht warum (Fall #4), dann ist die sprichwörtliche Kacke am Dampfen. So etwas führt unmittelbar zu innerer Unruhe. Hier hilft es nur, solange zu insistieren, bis man weiß, warum es nicht funktioniert. Rücke vor zu Fall #2, sozusagen. Oft genug allerdings reichen die eigenen Fähigkeiten nicht aus und man ist auf fremde Hilfe angewiesen. Immerhin ist das allemal besser als mit nicht-funktionierenden Systemen zu arbeiten – was ja schließlich per se sinnlos wäre.

Eine sehr eigenartige Konstellation ist Fall #3. Etwas funktioniert, wir haben aber keine Ahnung, warum. Hier scheiden sich die Geister. Während die einen froh sind, daß es überhaupt funktioniert und die Gründe hierfür Gründe sein lassen, gibt es andere, die so etwas schier in den Wahnsinn treibt. Es soll so mancher schon bei der Erklärungssuche so lange am System rumgefummelt haben, bis es schließlich nicht mehr funktioniert hat. Immerhin wußte er (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) dann, warum und fühlte sich gleich besser. So weit würde Bolle – bei aller Aversion gegen Fall #3 – dann allerdings lieber doch nicht gehen wollen. Manchmal muß man eben einfach ganz pragmatisch die sprichwörtlichen Fünfe gerade sein lassen.

Natürlich gibt es im richtigen Leben oft doch noch mehr Möglichkeiten als in der binären Logik. So kann es etwa sein, daß etwas nicht funktioniert und man weiß nicht, daß es nicht funktioniert. Die Warum-Frage stellt sich hier also gar nicht erst. Genau das ist uns vorgestern abend passiert. Die Ankündigungs-Email war geschrieben, ins System eingetütet – und tschüß. Sollte man meinen. Daß sie aber nicht ankommen würde wie vorgesehen, hatte sich erst am nächsten Morgen herausgestellt. Und schon waren wir wieder in vertrauten Bahnen – in diesem Falle Fall #4. Nach ein bißchen Insistieren sind wir dann über Fall #2 zu Fall #1 gekommen: es funktioniert und wir wissen, warum. Zumindest wollen wir davon bis zum Erweis des Gegenteiles ausgehen.

Was das alles mit der Adventszeit, der Ankunft des Heilands der Christenmenschen zu tun hat? Nun, wenn wir uns zu Weihnachten nicht zuletzt auch ›Frieden‹ wünschen, sollten wir nicht vergessen, daß es beim Navigieren durch die 4-Felder-Tafel auch um eine Art von Frieden geht, die wir aus rein kontemplativen Gründen niemals geringschätzen sollten: Den Seelenfrieden – wie ihn unseres Wissens Robert M. Pirsig in seinem ›Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten‹ (1974) präsentiert und popularisiert hat. Wir werden morgen oder in den nächsten Tagen darauf eingehen. Für heute aber wär das dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 09-12-22 Das neunte Türchen …

Weihnachtsmarkt klassisch …

Wir hatten ja gestern (Do 08-12-22 Das achte Türchen …) schon leise angedeutet, daß Bolle dazu neigt, vieles immer gleich demokratie- bzw. staatsorganisationstheoretisch zu sehen. Zwar soll man auch hier nichts übertreiben. Allerdings finden wir angesichts der allgemeinen Lage – die ja langsam chronische Züge annimmt –, daß es nicht schaden kann, wenn wir uns im Rahmen unserer vorweihnachtlichen agnostisch-kontemplativen Bestrebungen in den nächsten Tagen in loser Folge wenigstens dreier Dinge klarer werden, als das bisher vielleicht der Fall sein mag: was wollen wir unter ›Demokratie‹ verstehen? Was unter ›Rechtsstaat‹ und was unter ›Verfassungsstaat‹? Bolle glaubt ja nach wie vor an den Hobbes‘schen Nominalismus, so wie ihn ihm Bertrand Russell in seiner ›Philosophie des Abendlandes‹ (1945) völlig zu Recht untergejubelt hat: „Vernünftiges Denken gleicht dem Rechnen und sollte mit Definitionen beginnen.“

Aber keine Sorge. Wir werden zusehen, daß wir uns gewohnt knapp halten. Gestern jedenfalls war Bolle das erste mal wieder auf einem Weihnachtsmarkt. In seinem Dörfchen, of course. Warum denn in die Ferne schweifen? Wie auch? Das Auto paßt schließlich schlecht zum obligatorischen Glühwein, Fahrrad ist zu kalt, und die Öffis nerven mit ihrer Masken-Manie. Bleibt nur klassisch zu Fuß – also Dörfchen. Überhaupt verläßt der Berliner nur ungern seinen Kiez. Für Bolle war es übrigens der erste Weihnachtsmarkt seit 2019, bevor also Corönchen – wie weiland der Heiland der Christenmenschen – in den Augen der Welt das Licht der Welt erblickt hat. Da gab es alles, was für Bolle zu einem anständigen Weihnachtsmarkt dazugehört: Bratwurst, Glühwein, eine gewisse weihnachtliche Kühle – und dazu passend sogar ein Plätzchen am Feuer. Bolle gehört nämlich nicht zu denen, die meinen, daß Glühwein am besten schmeckt, wenn man sich dabei den sprichwörtlichen Arsch abfriert. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 08-12-22 Das achte Türchen …

Schlag nach bei Churchill …

Der Scherz ist oft das Loch, durch das die Wahrheit pfeift (vgl. dazu auch Fr 25-10-19 Besorgte Demokraten). Die Chinesen wußten das schon immer. Nur daß der Scherz mitunter als regelrechter Schmerz rüberkommt. So auch gestern. Bolle war mal wieder kurz ein paar Wege besorgen. Nichts Großes: Nur Shoyu und Schrippchen fürs vorweihnachtliche Frühstückchen. Und es begab sich Folgendes: Der halbe Liter Shoyu sollte 6,99 Euro kosten. Bolle wollte mit einem Zehner bezahlen und der Kassierer richtigerweise 3,01 Euro rausgeben. Da fiel Bolle auf, daß er noch ein 2-Euro-Stück im Kleingeldfach hatte. Also schob er das dem Kassierer rüber. Der blickte nur halb verwundert und halb irritiert. Da half auch Bolles Hinweis nichts, daß sich so das Wechselgeld geschmeidiger gestalten ließe. Nach einer kurzen Erläuterung wartete der Kassierer mit dem Argument auf, er habe nur noch wenige 5-Euro-Scheine. Also! Woraufhin Bolle einen weiteren 5-Euro-Schein zum Besten bot. Das aber war jetzt wirklich zu viel. Unter Schmerzen trennte sich der Kassierer lieber von einem seiner letzten 5-Euro-Scheine. Damit hätte die Shoyu-Transaktion finanziell abgeschlossen sein können. Gleichwohl bot Bolle an, nunmehr zwei 5-Euro-Scheine gegen einen Zehner zu tauschen. Da sich die Sachlage für unseren Kassierer jetzt doch wieder deutlich übersichtlicher gestaltete, ging er gerne darauf ein. So kam es, daß Bolle unter dem Strich eine Rechnung über 6,99 Euro unter Hingabe von 17 Euro beglichen, dafür portjuchhe-schonende 10,01 Euro Wechselgeld erhalten und gleichzeitig die 5-Euro-Not des Kassierers zumindest ein wenig gelindert hat.

Auf mögliche Weiterungen wollen wir hier und heute gar nicht eingehen. Bolle sieht so etwas ja immer gleich demokratie- bzw. staatsorganisationstheoretisch. Wenn hinreichend viele Bürger im Lande ähnlich helle sind – und manches spricht nach 50 Jahren Bildungskatastrophe sehr dafür – wie wollen die dann jemals ernstliche Probleme lösen oder auch nur wählen gehen? Wir werden darauf zurückkommen.

›Portjuche‹ ist übrigens ein „richtiges“ Wort. Wie kann man das wissen? Nun, indem man etwa bei DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) nachschlägt. Dort heißt es, der Begriff sei ›umgangssprachlich, scherzhaft, veraltend‹ für ›Portemonnaie‹ und im übrigen sehr selten. Allerdings hat Bolle eine ausgesprochene Schwäche für aussterbende Wörter. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 07-12-22 Das siebte Türchen …

Schoki für die Kleenen – Glühwein für die Größeren …

Nach unserem gestrigen Ausflug in die Welt der Adler und Lateiner ist unser heutiges virtuelles Türchen strikt lebenspraktisch service-orientiert. So geht Glühwein alter Schule:

1 Flasche Rotwein (trocken, of course)
1/2 l Wasser (sonst wird’s zu heftig)
1 Zimtstange dazu und 3 Nelken (alles bio, of course)

Alles in einen Topf geben, erhitzen und kurz vor dem Kochen in eine Kanne umfüllen und auf ein Stövchen stellen. Falls Deine Geschmacksknospen es zulassen: dieser Glühwein kommt ohne weiteres ohne Zucker aus. Orangenschalenabrieb und/oder Orangenscheiben überhaupt kann, muß aber nicht.

Daß Bolle ausgesprochen klassisch tickt, ist ihm selber durchaus klar. Gleichwohl freut sich der Mensch über gelegentliche Bestätigung. Hier ein Rezept, daß wir in einem Kochbuch für ›alte Rezepte aus Grossmütters Küchenschubladen‹ gefunden haben. Dort heißt es:

„(aus Kochbuch von 1932): 1 Flasche Rotwein, 1/2 Liter Wasser, 1/2 Pfd Zucker, 1 fingerlanges Stück Zimt, 6 Nelken. – Das Wasser wird mit den Gewürzen und Zucker 1/4 Stunde gekocht. Dann wird der Wein hineingegeben, die Flüssigkeit recht heiss gemacht, in erwärmte Gläser gegossen und heiss gereicht.“

Die Zubereitung ist also geringfügig aufwendiger. Die Zutaten allerdings sind, wenn wir von dem Zucker einmal absehen wollen, exaktemente identisch. Auch kommt Bolle mit 3 statt 6 Nelken aus, weil sie bei seiner Easy-cooking-Technik genügend Zeit haben, sich zu entfalten.

Hier für alle Freunde der kanonischen Kochkunst der Link: https://doazmol-rezepte.ch/archive/6846

Die Glaskanne gibt’s übrigens bei Ikea unter dem Suchwort „Ikea 365+ Glaskanne“ für wohlfeile 10 Euro, das Stövchen bei amazon unter „NP Bamboo Nary Stövchen“ für nicht minder wohlfeile 25 Euro. So, damit wären wir unseren Influencer-Pflichten für heute aufs Getreulichste nachgekommen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 06-12-22 Das sechste Türchen  – Nikolausi …

Genießen oder nutzen – das ist hier die Frage.

Und schon sind wir bis Nikolausi vorgerückt – und haben damit bereits ein Viertelchen unseres virtuellen agnostisch-kontemplativen Adventskalenders hinter uns gebracht. Was uns natürlich nicht davon abhalten muß, gelegentlich in das eine oder andere vergangene Türchen reinzulinsen. Heute wollen wir – weil auch das irgendwann einmal gesagt werden muß – einen kurzen Blick auf das altehrwürdige und meist schwer mißverstandene ›Carpe diem‹ werfen.

›Carpe diem‹ ist – sozusagen als Tüchtigkeits-Tugend – bis weit in Kreise vorgedrungen, die mit Latein ansonsten eher weniger am Hut haben. Da sind konzeptionelle Mißverständnisse durchaus nicht auszuschließen. So wird die Wendung in aller Regel mit „Fasse den Tag“ übersetzt – wobei „fassen“ soviel heißen soll wie ›ergreife ihn, nutze ihn, mach was draus – sei tüchtig‹.

Genau das meint die Wendung aber nicht. Carpe ist der Indikativ 2. Person Singular von carpere ›pflücken, necken‹. ›Fassen, fangen, ergreifen‹ dagegen heißt im lateinischen captare – wie zum Beispiel in dem Sinnspruch aquila non captat muscas – ›ein Adler fängt keine Mücken‹.

›Fasse den Tag‹ müßte demnach also zumindest cape diem heißen – also ohne „r“. Allerdings heißt es in der 2. Person Singular Präsens Imperativ Aktiv capta (und nicht cape). Damit würde ›Fasse den Tag‹ capta diem heißen müssen – und keinesfalls carpe diem.

Was hat das mit uns zu tun? Nun – carpe diem hat wohl mehr mit „verbringe den Tag im agnostisch-kontemplativen Gleichgewicht“ zu tun als mit irgendwelchen Tüchtigkeitsregeln: Springe nicht über jedes Stöckchen, das dir irgendein Dösbaddel vor die sprichwörtlichen Füße hält. Verbringe Deine Tage nicht damit, unentwegt 10 Minuten in der Zukunft zu leben (vgl. dazu So 04-12-22 Das vierte Türchen – der 2. Advent …) . Lebe Dein Leben nach Deiner Fasson. Tüchtig sein kannst Du nebenbei immer noch – weil das eine das andere natürlich nicht ausschließen muß bzw. sogar bedingen kann. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mo 05-12-22 Das fünfte Türchen …

Not kennt kein Gebot.

Weihnachtszeit ist nicht zuletzt auch Geschenkezeit. Dumm nur, daß Geschenke nicht selten mit einem gewissen pekuniären Aufwand verbunden sind. Aber keine Sorge: Deine Bank weiß Rat – Bonität vorausgesetzt, wie es immer so schön im Kleingedruckten heißt. Und so konnte Bolle nicht umhin, bei einer Routineüberweisung über eine Anzeige zu stolpern: „Endlich wieder Wünsche erfüllen!“ – garniert mit Symbolbildern freudestahlender Christenmenschen unterm Weihnachtsbaume.

Das „Endlich wieder“ übrigens fand Bolle alles andere als stimmig. Paßt es doch eher zu Zeiten des Aufschwunges und weniger mitten in eine ökonomische Dauerkrise, die nunmehr schon fast drei Jahre andauert und deren Ende alles andere als absehbar ist – und die wir uns, vollgepumpt mit Moralintoxin, auch noch selber eingebrockt haben.

Daß es auch würdevoller geht, können wir in Erich Kästners ›Modernem Märchen‹ nachlesen:

Zu Weihnachten malten sie kurzerhand
Geschenke mit Buntstiften an die Wand.
Und aßen Brot, als wär‘ es Konfekt.
Und spielten: wie Gänsebraten schmeckt. –

Das Gedicht findet sich in ›Morgen, Kinder, wird’s nichts geben‹ und kann allen, die es lieber etwas zartbitterer als zu süßlich mögen, nur ans vorweihnachtliche Herz gelegt werden. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 04-12-22 Das vierte Türchen – der 2. Advent …

Trial and error.

Gestern war Bolle einkaufen. Nur ganz kurz, of course. Immerhin hat es gereicht, um – wie alle Jahre wieder – ein paar vorweihnachtliche Eindrücke aufzufrischen. Von Kontemplation war da nicht allzu viel zu spüren – auch nicht im weiteren Sinne. Mehr so ein Gedrängele und Geschiebe. Bolle hatte den Eindruck, die Leute leben auf kurze Sicht so in etwa 10 Minuten in der Zukunft. An der Fleischtheke stehen? Wird gleich vorbei sein. An der Kasse stehen? Das gleiche Bild. Irgendwo stehen oder gehen? Dito. Immer sind die Leute nur fast da, wo sie eigentlich sein wollen. Als Gegenbild können wir uns vielleicht Kassiopeia vorstellen, Meister Horas Schildkröte in Michael Endes Momo. Die konnte zwar ein viertel Stündchen in die Zukunft sehen. Bewegt hat sie sich aber in der Gegenwart – und nur in der Gegenwart. Bolle meint: Das hat das deutlich höhere Kontemplationspotential. Auf mittlere Sicht ergibt sich nichts anderes. Jetzt steuern die Leute das Fest der Christenmenschen an. Sind aber nur fast da. Aber dann! Und so weiter, und so fort …

Ob man dagegen sein Leben rückwärts zumindest „verstehen“ kann, hängt natürlich schwer davon ab, was man unter ›verstehen‹ verstehen will. Aus agnostischer Sicht handelt es sich dabei vielleicht einfach nur um eine Form von sich das eigene Leben, bildlich gesprochen, gewissermaßen schönzusaufen – wobei »schön« hier nicht viel mehr als ›stimmig‹ bedeuten soll. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.