Reden wir über Normen. Und fassen wir uns kurz und beschränken uns zunächst auf soziale Normen. Unter Normen versteht man anerkannte und als verbindlich geltende Verhaltensregeln, die sich in einer Gesellschaft herausgebildet haben.
Dabei beruhen soziale Normen im Wesentlichen auf Werten (im Sinne von ›Allgemeines Für-richtig-halten‹). Die Werte wiederum sind, grob gesagt, Ausfluß der Sozialisation, die einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) erfahren hat. Spötter meinen ja, Sozialisation sei, wenn man so wird wie die Leute um einen herum – wobei wir nicht vergessen wollen, daß oft der Scherz das Loch ist, durch das die Wahrheit pfeift. Kurzum: Man hält sich in der Regel an soziale Normen, weil man sie verinnerlicht hat. Man handelt, um es mit Max Weber zu sagen, traditional, also aus eingelebter Gewohnheit bzw., in Bolles Sprache, aus der Mappa mundi vitiosa heraus (vgl. dazu etwa So 25-08-24 Denkmal zur Wahl). So pinkelt man, um nur ein Beispiel herauszugreifen, als zivilisierter Mitteleuropäer üblicherweise nicht einfach an den nächsten Baum – auch dann nicht, wenn man ganz dringend mal muß.
Auch kann es nicht schaden, sich klarzumachen, daß soziale Normen recht regional sind. Sie reichen gerade mal so weit wie die relevante Gruppe, deren Zusammenhalt sie dienen. So ist es etwa in Bayern völlig „normal“ (im Sinne von normgerecht), gleich zum zweiten Frühstück ein Bierchen zu trinken. Auf dem Wochenmarkt hier im Dörfchen mußte Bolle sich exaktemente deswegen aber schon mal anpampen lassen – allerdings nur von einem Zugereisten, versteht sich. Natürlich hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert.
Welche Norm ist nun die „richtige“? Nun, es liegt im Wesen des allgemeinen Für-richtig-haltens, daß es hier kein „richtig“ gibt – und auch nicht geben kann. Wenn die Leute in Bayern ein Bierchen zum Frühstück trinken und das allgemein in Ordnung finden, dann ist das ebensowenig zu beanstanden, wie wenn das in der Herkunftsregion unseres Zugereisten eben nicht so ist.
Dumm wird es nur, wenn die Zugereisten meinen, daß das, was sie allgemein für richtig halten, bitteschön auch für alle anderen zu gelten habe. Mehr noch: wenn die Zugereisten meinen, daß diejenigen, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen, deswegen (!) schlechte Menschen seien, und folglich (!) abgekanzelt gehören. Die Briten übrigens haben hierfür eine sehr schöne Wendung: When in Rome, do as the Romans do – Wenn Du in Rom bist, benimm dich, wie ein Römer sich benimmt.
Nun wird man einen einzelnen Zugereisten verschmerzen können. Richtig dumm wird es allerdings, wenn sich im Zuge überschäumender Globalisierung die Völkerscharen schneller durchmischen als die sozialen Normen auch nur ansatzweise hinterherkommen können. Dabei geht der Trend dahin, alles zu verbieten, was nicht das Zeug zu einer weltumspannenden sozialen Norm hat – was allerdings nicht zuletzt unserer Grundannahme widersprechen würde. Aber was kümmert das ein Glühwürmchen mit heißem Herzen und hinkendem Hirn. Schaut Euch um auf der Welt. Genau das ist es, was zur Zeit passiert. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.