
De ratione belli? Vom Sinn des Krieges? Ja, kann ein Krieg denn sinnvoll sein?
Soweit Bolle das überblicken kann, würden die meisten – namentlich die sogenannten einfachen Leute – ein ruhigeres und friedliches Leben, gern auch mit kleineren Höhen und Tiefen, einer aufregenden beziehungsweise aufreibenden Existenz als Kriegsheld durchaus vorziehen.
Natürlich gibt es auch ganz andere. Als ebenso prominentes wie klassisches Beispiel mag uns Achilleus dienen. Vor die freie Wahl gestellt, ein kurzes, aber ruhmreiches Leben zu leben oder aber ein langes ohne sonderliche Fährnis und Gefahr, hatte er sich seinerzeit in jungen Jahren schon ausdrücklich für ersteres entschieden. Und so kam es dann auch. Obschon – ähnlich wie Sigfried in der Nibelungensage – praktisch unverwundbar, traf ihn vor den Toren von Troja der Pfeil des Paris – und zwar ausgerechnet an seiner sprichwörtlichen Achillesferse. Exitus. Heldentod.
Andererseits: Hätte Achilleus sein Leben in seiner thessalischen Heimat in ruhigen Bahnen verlebt, so wüßten wir heute rein gar nichts von ihm. Von hinnen geschieden wäre er, Stand hier und heute, allerdings so oder so.
Hatte also Bob Dylan nicht ganz Unrecht, als er 1963 seine Frage nebst sibyllinischer Antwort in die Welt geworfen hatte?
Yes, and how many times must the cannonballs fly
Before they’re forever banned?
The answer, my friend, is blowin‘ in the wind.
The answer is blowin‘ in the wind.
Nur wenig später – in den 1970er Jahren – kam Jane Goodall, eine britische Ethologin, dann aber mit ihren Schimpansenkriegen. Schimpansen bekriegen sich unter bestimmten Umständen kaum weniger mies und fies als wir Menschen in unserer Rolle als deren entwicklungsgeschichtliche Nachfahren. Einer von Goodalls Kollegen hat das wie folgt auf den Punkt gebracht: Wenn die Gewehre hätten – sie würden sie benutzen.
Unser Bildchen haben wir übrigens in Steingarts Morning-Briefing gefunden. Es ist offenkundig angelehnt an das „historische“ Bild der Jalta-Konferenz gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Für alle, denen das Original nicht unmittelbar vor Augen stehen sollte – hier ist es:

Das Bild zeigt die seinerzeit wesentlichen Akteure Churchill, Roosevelt und Stalin. Von den Franzosen wollen wir hier stille schweigen. Vor allem aber Adi, der große Diktator, war damals ganz und gar nicht dabei. Und so – genau so – ergeht es jetzt dem, wie die Yanks das neuerdings sehen, kleinen ukrainischen Diktator. Möglicherweise haben sie damit sogar Recht. Oder, wie Bolle manchmal zu bemerken pflegt: Augenhöhe gibt es nur unter gleichen.
Krieg ist Streit. Und Streite wollen entschieden sein. Alles andere führt zu einem nicht-enden-wollenden Hickhack. Dabei gibt es, grosso modo, rein sozialpsychologisch drei beziehungsweise vier Ebenen für einen Streit-Entscheid –

… wobei die Ebenen in dieser Reihenfolge Wirkung entfalten. Wenn also zum Beispiel einer einen Streit argumentativ beziehungsweise kognitiv austragen will, der andere aber mit einer Tracht Prügel droht: Wer wohl wird sich durchsetzen?
Ist das schön? Oder gerecht? Natürlich nicht. Immerhin ist es klar. Und darin mag ein großer und nicht zu unterschätzender Vorzug liegen. Nichts anderes wohl hat Karl von Clausewitz gemeint mit seinem Diktum:
Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
An dieser Stelle wäre einiges zu vertiefen. Beschränken wir uns auf das Unverzichtbare: Wenn man es mit jemandem zu tun hat, der einem (um im Bild zu bleiben) eine Tracht Prügel (oder schlimmeres) androht, dann macht ein Rücksprung auf eine der höheren Ebenen so rein gar keinen Sinn. „Ich akzeptiere aber nicht, daß Du mich prügeln willst.“ Das wäre einfach nur lächerlich – und nichts als lächerlich.
Natürlich kann man ankündigen, den großen Bruder zu rufen, und der haut Dich dann. Das allerdings funktioniert, wenn überhaupt, nur dann und nur solange man einen großen Bruder zur Hand hat, der wirklich groß und stark ist und überdies aufgeschlossen mitzuspielen.
Hier hat sich, vergleiche unseren Beitrag letzte Woche (So 16-02-25 Die Erwachsenen sind zurück) über Nacht ganz Entscheidendes getan. Wieso und warum läßt sich vorläufig nur erahnen. Zeitgeist, vielleicht? Bei Clausewitz liest sich das so:
„Wir sehen also, wie von Hause aus das Absolute, das sogenannte Mathematische, in den Berechnungen der Kriegskunst nirgends einen festen Grund findet …“. Mit anderen Worten: Shit happens, mitunter.
Seit 1879 übrigens schon ist der folgende, meist fälschlicherweise Bismarck zugeschriebene Spruch belegt: Es wird nie mehr gelogen als vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd. Von ›Nach der Jagd‹ weiß Bolle wenig zu berichten. Von ›Während des Krieges‹ so einiges – und zwar seit 2008. Von ›Vor der Wahl‹? Sagen wir so: Die professionellen Seelenmasseure (siehe die Übersicht ›Streit-Entscheid‹) sind rührig unter uns. Auf die Gefahr hin, uns zu wiederholen: Wählt weise – zumindest aber wohlbedacht. Die Fakten liegen sämtlich auf dem Tisch – wenn auch gelegentlich durch eine Serviette mehr oder minder geschickt verdeckt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.