Do 04-03-21 Direkte Demokratie

Direkte Demokratie.

Viel los ist zur Zeit ja nicht – jedenfalls nüscht, was mehr wäre als ein tagesaktueller Uffreger. Mit derlei aber wollen wir uns im Rahmen unserer agnostisch-kontemplativen Bestrebungen nicht weiter beschweren. Wenden wir uns also Dingen zu, die auf mittlere Sicht echtes Knaller-Potential haben – auch wenn wir sie hier und heute nur anreißen können.

»Demokratie« bedeutet wörtlich ›Herrschaft des Volkes‹. Das indes ist schon deshalb wenig trefflich, weil es „das Volk“ nun mal nicht gibt – und, zumindest in größeren Staatsgebilden, wohl auch gar nicht geben kann (vgl. dazu etwa Fr 08-01-21 Corönchen-Sendepause oder auch Do 14-01-21 Derangierte Demokraten). Bleibt die ›Herrschaft der Mehrheit‹ oder, wenn man es lieber etwas sonniger mag, die ›Herrschaft der Guten‹. Wenn in Bolles lästerlichem Lexikon von der ›Unterwerfung der Minderheit durch die Mehrheit‹ die Rede ist, dann ist das natürlich technisch gemeint und bezieht sich auf die Schwarz’schen Konfliktlösungsstufen, denen zufolge sich rein ethologisch außer Flucht, Vernichtung, Vertreibung, Unterwerfung, Delegation, Kompromiß und schließlich Konsens wenig Möglichkeiten bieten, Konflikte zu bereinigen bzw. zu entscheiden – also nichts, was man Bolle vorwerfen könnte. Wir werden darauf zu gegebener Zeit zurückkommen.

Dabei sind sich entwickeltere Länder spätestens seit Thomas Hobbes (1588–1679) überwiegend darin einig, daß das Volk sich einen Anführer bzw. seine Anführer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) wählen soll. Etwa 100 Jahre später kam die Einsicht dazu, daß es nicht schaden kann, dem Volk zu erlauben, seine Anführer regelmäßig wiederzuwählen oder aber abzuwählen, um übertriebene Abgehobenheit der herrschenden Schichten im Keime zu ersticken. Das hat sich im großen und ganzen auch recht gut bewährt. Keinesfalls aber soll das Volk sich erfrechen, sich direkt in politische Entscheidungen einmischen zu wollen. Das traut man ihm dann doch eher nicht zu – und vielleicht ist das auch gut so. Zwar heißt es in der Verfassung: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen […] ausgeübt. (Art 20 II GG). Die Abstimmungen – also das Direkte an der Demokratie – wurde von der Zunft der Rechtsgelehrten allerdings rucki-zucki gleich wieder wegdiskutiert.

Kurzum: Die Demokratie braucht einen gewissen Schutz vor unqualifiziertem Volk. Bei inhaltlichen Entscheidungen ist das weithin anerkannt. Wie aber sieht es an der Quelle, also an der Wahlurne aus? Kann man hier nicht – muß man hier nicht – im Vorfeld versuchen zu verhindern, daß das Volk die Falschen wählt? Man kann – und man versucht es auch immer wieder, mit mehr oder weniger subtilen Mitteln. Ein unrühmliches Beispiel aus jüngerer Zeit wäre etwa der Versuch der amerikanischen „Demokraten“ (hört! hört!), einen längst ausgeschiedenen Präsidenten per Impeachement aus dem Amt zu kegeln – mit dem alleinigen erkennbaren Zweck, dem Volk in vier Jahren eine entsprechende unqualifizierte Entscheidung zu ersparen. Das ist nach Bolles liederlichem Lexikon direkte Demokratie: Sicherstellung der ›Herrschaft der Guten‹, indem die weniger Guten gleich im Vorfeld ausgemustert werden – und zwar voll am Volk vorbei. Ähnliches ereignet sich zur Zeit gerade auch hierzulande. Wir können und wollen an dieser Stelle nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber die stärkste Oppositionspartei zum Auftakt eines „Superwahljahres“ als potentiellen Hort politisch Krimineller darzustellen, die dringend der Aufsicht durch die Guten bedarf, ist bei Lichte betrachtet schon ein starkes Stück. Bolle meint: Wenn das mal gutgeht …

Und? Was macht der Journalismus 2.0? Ganz überwiegend Schweigen im Walde – wenn nicht gar „klammheimliche Freude“. Da muß Bolle erst auf die Neue Zürcher Zeitung zurückgreifen, um zu erfahren, daß Verfassungsschützer keine Meinungsmacher im Wahlkampf sein sollen, bzw. daß der Inlandsgeheimdienst die Verfassung schützen soll – und nicht die etablierten Parteien. Immerhin: Auch Gabor Steingart findet es anscheinend irritierend, auf diese Weise eine Partei anzugehen, die „mancherorts die stärkste parlamentarische Kraft“ ist. Bolle meint: Wenn’s aber doch der Herrschaft der Guten dient? Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Do 11-02-21 Hehre Helden — durch und durch …

Hehre Helden — durch und durch.

Wie wir gestern bei der Lektüre von Gabor Steingarts Morning-Briefing erfahren konnten, feierte „der wahrscheinlich größte Volksdichter unseres Landes“ seinen Geburtstag. Sagen wir so: Er hätte (seinen 123. Geburtstag übrigens) womöglich gefeiert, wenn er nicht seit bereits 65 Jahren tot wäre. Tot sein aber drückt doch mächtig auf die Feierlaune. Von solchen Restriktionen – vor denen auch die meisten Helden nicht gefeit sind – einmal abgesehen, wurde er als „Volksdichter“ gewürdigt, gar als „einer der fleißigsten Menschen, die der Literaturbetrieb hierzulande hervorgebracht hat“.

Ein Held der Literatur, also. Und? Wie steht’s um den privaten Helden? Auf der einen Seite haben wir da seine kaum verhohlene Stalin-Verehrung. Auf der anderen Seite aber wissen wir zum Beispiel auch von seiner Forderung, daß die Hälfte des Preisgeldes für den »Stalinpreis für Frieden und Verständigung zwischen den Völkern« auf ein Konto in der Schweiz (!) überwiesen werden sollte. Im wirklich privaten Bereich könnte man vielleicht sagen: Brecht war schwer gewöhnungsbedürftig. Und? Ist das jetzt schlimm? Tut das dem Heldentum Abbruch? Hier liegt die Antwort voll und ganz im Auge des Betrachters.

Ähnliches gibt es, nur zum Beispiel, von Michael Jackson zu berichten: Ein Held der Musik – im privaten Leben in den Augen mancher aber voll der Kinderschänder.

Betreten wir die politische Bühne und nehmen wir, nur zum Beispiel, George Washington, den 1. Präsidenten der Vereinigten Staaten (1789–1797). Der Mann war Sklavenhalter! Oder nehmen wir Thomas Jefferson, den 3. Präsidenten der Vereinigten Staaten (1801-1809). Der Mann hatte glatt ’ne halbe Armee an Sklaven – 600 an der Zahl. Alles Panne-Helden im Privaten?

Oder nehmen wir einen weiteren Jubilar, keinen geringeren als Martin Luther, der 1517 seine 95 Thesen rausgehauen hat, und 1520 seine 30 Thesen zur Freiheit eines Christenmenschen. Das alles nur, um kurz darauf (1525) »Wider die Mördischen und Reubischen Rotten der Bawren« zu wettern und damit den grauseligen Tod von zehntausenden von Bauern auszulösen. Oder, wiederum nur wenig später (1543), zur Versklavung oder zumindest Vertreibung der Juden aufzurufen. Nach neueren Forschungsergebnissen soll das allerdings kein „Rassismus“ und auch kein „Antisemitismus“ gewesen sein, sondern lediglich Spiegel seiner „antijudaistischen Theologie“. Bolle meint: Na, dann geht’s ja.

Oder nehmen wir Pippi Langstrumpf – die in jüngerer Zeit von interessierten Kreisen geradezu zur Emanzipations-Ikone hochgejubelt wurde – dabei aber ihren eigenen Vater „Negerkönig“ genannt hat, und sich damit privat klar als „Rassistin“ geoutet hat. Nun ist Pippi eine literarische Figur. Anders als Astrid Lindgren – die sich zeitlebens geweigert hat, einer Umfirmierung – etwa zum „Südseekönig“ – zuzustimmen. Als ob es in der Südsee „Neger“ gäbe. Doch das nur am Rande. Erst ihre Erben konnten nach zähen Verhandlungen (und wohl auch angesichts drohender Verluste aus den Lizenzeinnahmen) vom Zeitgeist weichgeklopft und veranlaßt werden, einer entsprechenden Umfirmierung zuzustimmen. Wer ist hier wahrhaft heldenhaft? Die aufrechte Autorin? Oder ihre ertragsgeneigten Epigonen? Auch das liegt wohl, wie immer, vornehmlich im Auge des Betrachters.

Kurzum: Haben wir es hier mit Huldigung des hehren Heldentums zu tun? Oder nicht doch eher mit genuinem Geschichts-Gegacker? Anders gefaßt: Stimmt da mit dem Heldentum an sich was nicht? Oder liegt das Problem nicht doch eher bei den Helden-Huldigern, die sich – ein wenig naiv vielleicht, aber bitteschön – hehre Helden höchster Huld wünschen? Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Do 14-01-21 Derangierte Demokraten

Esse vera — wirklich wahr?

Bolle, sollen wir das übersetzen? Unbedingt!

Weiter ist aber auch das Wissen erforderlich,
daß alles das, was wir
klar und deutlich einsehen,
und in eben der Weise, wie wir es einsehen,
wahr ist.

Zugegeben: Das läßt noch Spielraum für die Wahrheitsfindung.

Was allerdings die Demokraten in God’s own country sich derzeit leisten, sprengt jede Grenze zwischen Wahrheit und Wahnsinn. Da wird allen Ernstes wenige Tage vor dem Ablauf der Amtszeit eines vom Volke gewählten Präsidenten unter Bemühung an den Haaren herbeigezogener Verfassungszusätze ein Amtsenthebungsverfahren initiiert. Mit dem gegenwärtigen Präsidenten kann das schon rein aus Zeitgründen nichts zu tun haben. Was dann? Es geht ganz offensichtlich und ganz allein um den möglichen 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten im Jahre 2025 – Mr. Donald Trump, schon wieder. Horror horribilis. Kann man so sehen – muß man aber nicht. Natürlich steht es jeder Partei frei, ihre politischen Widersacher zu bekämpfen. Aber völlig ohne Maß und Mitte? Und voll am Volk vorbei – indem man potentiell aussichtsreiche Kandidaten gleich im Vorfeld abschießt? Und das ausgerechnet von Leuten, die sich „Demokraten“ nennen? Schon Aristoteles etwa hätte so etwas vor 2.300 Jahren, vorsichtig gefaßt, wohl eher als untugendhaft empfunden.

Letztlich muß man sich wirklich fragen, wessen Demokratie-Verständnis am krassesten unterentwickelt ist: Das von Trump, das der Demokraten, das von Twitter und Konsorten („Twitter & Co.“) – oder womöglich gar das der Presse?

Wenn eine private Firma wie Twitter dem amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Maulkorb verpaßt, dann heißt es in den Systemsendern, für Trump habe es sich „ausgezwitschert“. Ein bemerkenswertes Verständnis von Meinungsfreiheit und Demokratie.

In der Tat hat es nach der Sperrung des Twitter-Accounts Tage gedauert, bis sich die nachdenklicheren, und wohl auch klügeren, Vertreter der schreibenden Zunft zum Beispiel wie folgt geäußert haben (Garbor Steingarts Morning-Briefing vom 12. Januar):

[…] die Meinungsfreiheit ist unter die Räuber gefallen. Diese Räuber bleiben auch dann Räuber, wenn sie sich selbst dem Publikum als Samariter vorstellen.

Aber auch zuvor schon, fast 300 Jahre zuvor, haben ganz offenkundig hellere Geister – wie zum Beispiel Alexis de Tocqueville in seinem Werk „Die Demokratie in Amerika“ (1835 / 1840) – vor der „Tyrannei der Mehrheit“ gewarnt.

Derlei indes kann zeitgenössischen Journalismus 2.0 kaum anfechten. Hier geht es überwiegend darum, wer aufgrund welcher Mehrheitsverhältnisse welche Chancen hat, mit welcher Missetat durchzukommen. „Schwimmflügel-Journalismus“ nennt Bolle das: alles tun, um immer hübsch an der Oberfläche zu bleiben. Ist ja auch sicherer. Das hat man nun davon, wenn man – seinerzeit aus guten Gründen, übrigens – einen ganzen Berufsstand von jeglichem Ausbildungserfordernis freistellt. Aber das ist dann doch schon wieder wohl ein anderes Kapitel.

Nachtrag in eigener Sache: agenda 2028  wird heute 9 Jahre alt. Allet Jute zum Jeburtstach! Hoch sollse leben!

Mo 09-11-20 Seid umschlungen Millionen!

Seid umschlungen Millionen!

Bevor wir loslegen: Wo auf dieser Skala würden Sie „1 Mio“ einzeichnen? Probieren Sie es in erster Näherung „gefühlt“ bzw. „spontan“. Rechnen kann jeder. Na ja – fast (no offence). Warum ist „gefühlt“ wichtig? Weil die Meinungsmacher dieser Welt offenbar auch nicht anders vorgehen – wie das folgende Beispiel, einmal mehr, illustrieren mag.

Die Zinspolitik der EZB hat Auswirkungen auf die Rentner im Land. Laut Regierungsbericht muss die Deutsche Rentenversicherung bis 2022 rund 230 Millionen Euro an Negativzinsen zahlen. Die Kollegen vom Hauptstadt-Team wissen mehr. Ihre ausführlichen Informationen finden Sie unter […].

Gefunden in Garbor Steingarts heutigem Morning-Briefing. Bolle hat nachgerechnet: 230 Mio bei 20 Mio Rentnern macht 11,50 Euro pro Rentner. Verteilt auf 3 Jahre („bis 2022“, gemeint ist bei solchen Angaben meist „einschließlich“) macht das 3,80 Euro pro Rentner pro Jahr bzw. stattliche 32 Cent (!) pro Rentner pro Monat. Zugegeben: Die Renten sind deprimierend dürftig. Aber 32 Cent als erwähnenswerte „Auswirkungen“ zu bezeichnen scheint Bolle dann doch ein wenig überzogen. Kann das noch als „Facts“ durchgehen? Oder haben wir es nicht doch eher schon mit „Fakes“ zu tun? Bolle tippt auf letzteres.

Was Bolle wirklich ein wenig bekümmert: Wir haben es hier mit „gefühlten Fakes“ zu tun. Es ist ja (hoffentlich) wohl nicht so, daß „die Kollegen vom Hauptstadt-Team“ solche Meldungen raushauen, um ihre Leserschaft zu veräppeln. Ein Begriff wie „Lügenpresse“ wäre demnach also durchaus unangebracht. Lügen kann man nur absichtlich bzw., fachsprachlich ausgedrückt, vorsätzlich. Bolle schlägt daher den Begriff „Hypno-Presse“ vor. Die dahinterliegende „Finderegel“ (vornehm: „Heuristik“) stellt sich Bolle in etwa wie folgt vor: (1) Negativzinsen: doof, weil paßt nicht ins kapitalistische Weltbild. (2) Rentner: schützenswert (bzw. neudeutsch seit Corönchen: „vulnerable Gruppe“). Und schon wird im Rahmen eines kognitiven Überschwanges aus der „Zinspolitik der EZB“ ein Angriff – zumindest aber „Auswirkungen“ – auf „die Rentner im Land“. Daß das ganze rechnerisch nicht haltbar ist, spielt dabei „gefühlt“ keine Rolle.

Was tun, sprach Zeus? Vielleicht sollte man, wenn man sich schon zum Meinungsmacher berufen fühlt, gelegentlich mehr nachdenken oder gar nachrechnen – und nicht jedem kognitiven Überschwange erliegen. Damit wäre schon viel erreicht, meint Bolle.

Abschließend noch die Auflösung unseres „gefühlten“ Rätsels von oben: Eine Million ist ein Tausendstel von 1 Milliarde. Damit liegt die Million auf der Skala praktisch an der gleichen Stelle wie die Null. Der Abstand zur Null beträgt weniger als die Strichstärke eines sehr feinen Schreibwerkzeuges (die dünnste Strichstärke nach ISO 9175 beträgt 0,13 mm). Wer hätte das gedacht? Kurzum: Bolle kann sich die einschlägige Textstelle allenfalls mit einer „Mio / Mrd“-Konfusion erklären. Im übrigen zieht sich Bolle ab heute in seine agnostische Weihnachtsmupfel zurück und meditiert. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Do 08-10-20 Das Aufstiegserbrechen

Wer unten ist, bleibt unten. Nach Berechnungen der Industrieländerorganisation OECD ist der Aufstieg in Deutschland schwieriger als in fast allen anderen westlichen Staaten. Demnach dauert es bis zu sechs Generationen, bis die Nachkommen einer einkommensschwachen Familie das Durchschnittseinkommen des Landes erreichen. Das sind mehr als 150 Jahre.

So läßt Garbor Steingarts heutiges Morning-Briefing verlauten. Bolle ist entzückt. Da ist es wackeren Forschern doch glatt gelungen, Erwerbsbiographien bis in die Mitte des 19. Jhd. zurückzuverfolgen – und das ganze auch noch auf die Zukunft hochzurechnen. Respekt. Andererseits: Geologen ist es neuerdings ja auch gelungen, das Verhalten von Salzstöcken zwecks Endlagerung von Atommüll auf 1 Million Jahre hochzurechnen. Das ist noch sehr viel mehr als 150 Jahre. Um das ganze noch zu toppen, haben sie uns im Namen der Wissenschaft auch gleich noch erklärt, warum ihre Entscheidung für Gorleben von vor 50 Jahren heute nicht mehr gilt. Nun sind 50 Jahre sehr viel weniger als 1 Million Jahre. Bolle meint: Solche Berechnungen haben wohl mehr mit Voodoo zu tun als mit Wissenschaft. Die Botschaft hört er wohl. Allein: ihm fehlt der Glaube.

Weiterhin erfahren wir, daß „16 liberale Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und Unternehmer“ ein Buch mit dem Titel „Aufstieg: 16 Vorschläge für die Zukunft Deutschlands“ vorgelegt haben.

16 Autoren, 16 Vorschläge: Das klingt ja richtig systematisch. Ein Glück, daß ick meine Lesebrille verlegt hab, meint Bolle. Dabei ist das alles doch nicht soo kompliziert:

Stellen wir uns eine kleine Volkswirtschaft mit 15 Personen vor, von denen sich 5 auf „Level V“ befinden, 4 auf „Level IV“, und so weiter bis ganz oben. Wenn jetzt einer, zum Beispiel A, aufsteigen will, Pfeil (1a), dann muß notwendigerweise jemand anderes Platz machen, Pfeil (1b), und jemand Drittes muß nachrücken, Pfeil (1c). So ist das bei einer sich nach oben verjüngenden Pyramide. Kurzum: Zwar ist es möglich, daß A aufsteigt – es ist aber mathematisch unmöglich, daß das gesamte Level V aufsteigt. Noch kürzer: Jeder kann aufsteigen. Aber es kann nicht jeder aufsteigen. Komplizierter ist es an dieser Stelle nicht. Allerdings wäre es möglich, Pfeil (2), daß man die Definition, was „oben“ ist und was „unten“, modifiziert. Wenn man also Level III zu „auch oben“ zählt, dann können sich manche, die vorher „unten“ waren, „oben“ zugehörig fühlen. Davon wurde ja auch reichlich Gebrauch gemacht, zunächst wohl von Helmut Schelsky mit seiner „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“. Das war 1953 und hat als ernstzunehmende Beschreibung auch nicht länger gehalten als die Berechnungen der Geologen, was Gorleben als Endlager angeht. Also Schwamm drüber. Was man aber, drittens, in der Tat machen könnte, wäre ein „Anbau nach unten“. Das wäre bei einer sich nach oben verjüngenden Pyramide in der Tat mathematisch durchaus möglich.

Zwar wäre Level V auf diese Weise in keiner Weise „aufgestiegen“. Gleichwohl könnten sich die Betroffenen damit trösten, daß sie jetzt nicht länger „ganz unten“ sind. Kurzum: Die perfekte Aufstiegs-Illusion. Das aber hat mehr mit Psychologie denn mit Mathematik zu tun. Klassische Kandidaten für Level VI sind dabei „Hartzer“, Aufstocker und nicht zuletzt auch sog. „Solo-Selbständige“.

Fassen wir zusammen: Möglichkeit #1, Aufstieg für alle, kann rein mathematisch nicht funktionieren. Bei Möglichkeit #3, der Aufstiegs-Illusion durch „Anbau nach unten“, dürfte es sich um einen klaren Fall von Zweckverfehlung handeln. Bleibt Möglichkeit #2: Die Absenkung der „Oben/Unten“-Grenze soweit nach unten, daß sich jeder, oder fast jeder, zumindest wirtschaftlich einigermaßen „auch oben“ fühlen kann — zumindest aber nicht allzu weit unten. Den meisten würde das ja schon reichen. Solange sich aber Leute wie etwa Friedrich Merz gerade mal eben zur „oberen Mittelschicht“ zählen, bleibt es wohl beim „Aufstiegserbrechen“. Nun ist Bolle doch ein ganz klein wenig gespannt, was die 16 Autoren auf immerhin 283 Seiten zum Besten gegeben haben mögen. Vermutlich die alte „Leistung muß sich wieder lohnen“-Leier — was bei Lichte betrachtet ja wohl auf eine „Verhöhnung“ (wie das neudeutsch gerne heißt) der braven Werktätigen hinausläuft. Vielleicht findet Bolle seine Brille ja bald wieder. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Fr 18-09-20 Panne-Prozente

Wenn etwas um 50 Prozent zurückgegangen ist, dann muss es um 100 Prozent steigen, um dort hinzukommen, wo man vorher war.

Gefunden in Steingarts Morning-Briefing von heute. Wer hat’s verkündet? Der BDI-Präsident Dieter Kempf. Ach was, meint Bolle, kiek ma eener an. Ist das jetzt auch wahr? Oder spielt uns hier die Mathematik einen Streich?

Wie wäre es, wenn wir „Prozent“ beispielsweise durch „Äpfel“ ersetzen? „Wenn etwas um 50 Äpfel zurückgegangen ist, dann muß es um 100 Äpfel steigen, um dort hinzukommen, wo man vorher war.“ Das ist offenkundiger Unsinn: Wenn etwas um 50 Äpfel zurückgegangen ist, dann muß es (auch nur) um 50 Äpfel steigen, um dort hinzukommen, wo man vorher war. Oder ersetzen wir die Prozente durch Prozentpunkte. Wenn etwas um 50 Prozentpunkte zurückgegangen ist, dann muß es (auch nur) um 50 Prozentpunkte steigen, „um dort hinzukommen, wo man vorher war“. Kurzum: die Prozente tanzen unbotmäßig aus der Reihe. Dürfen die das? Oder „spalten“ sie damit gar die Mathematik? Weiter heißt es dort:

Das scheinen manche in der aktuellen Diskussion zu vergessen.

Was bitteschön hat das mit „vergessen“ zu tun? Kann man Mathematik (eigentlich ja eher Arithmetik, also „Rechenkunst“) einfach so „vergessen“? Oder ist es nicht doch eher so, daß man derlei immer schon verdrängt und noch nie ernstlich gewußt hat? Zu verwirrend, das alles? Brauchen wir eine Rechen-Reform – als konsequente Fortsetzung der Rechtschreib-Reform von 1996? Damals ging es darum, mit einer aufwändigen (mit „ä“, wegen „Aufwand“) Reform Sein (üble orthographische Kenntnisse der Schüler) und Sollen (bessere Noten in Deutsch-Diktaten) wieder besser zusammen zu bringen (oder nicht doch besser „zusammenzubringen“?). Dürfen wir zulassen, daß jetzt die Prozente derart kontraintuitiv aus der Reihe tanzen?

Was Herr Kempf uns sagen will, ist möglicherweise folgendes: „Wehret den Abstiegen. Denn der Aufstieg ist aufwendiger.“ Zumindest in Prozent gemessen ist das so. Was er allerdings zu übersehen scheint, ist die erfreuliche Kehrseite der Medaille: Jede Firma, die einen Rückgang von (nur) 50 Prozent erfahren mußte, kann sich, falls sie wieder „dort hinkommt, wo sie vorher war“, eines Zuwachses von spektakulären 100 Prozent rühmen. Und das ist doch auch was wert. Also sollten wir uns das mit der Rechen-Reform doch noch mal gut überlegen – zumal die Mathematik längst nicht so duldsam ist wie die Philologie. Philolog non calculat – aus gutem Grunde wohl.

Was Herr Kempf übrigens völlig außen vor läßt: Warum in alles in der Welt will er denn unbedingt wieder „dort hinkommen, wo er vorher war“? Soo toll war das weiß Gott ja wohl auch wieder nicht. Die einzige Linie, die Bolle einleuchten würde: (1) die „nachhaltige“ Steigerung der Arbeitsproduktivität (das passiert sowieso) nebst (2) eines Verteilungsverfahrens, das dafür sorgt, daß das allen – und nicht nur einigen – zugute kommt. Die damit verbundenen Probleme sind übrigens längst gelöst – man müßte nur noch zur Tat schreiten. Die Umstände sind, Corönchen sei Dank, alles in allem recht günstig. Ein doch eher uninspiriertes back to the past scheint Bolle nach allem ein wenig aus der Zeit gefallen. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Fr 06-12-19 Banker und Zinseszins

Europa will das Weltklima retten – und zwar mit der Notenpresse. Whatever it takes.

Gefunden in Garbor Steingarts Morning Briefing. Bolle meint: Irgendwas gibt es schließlich immer zu retten. Aktuell dann eben „das Weltklima“. Dabei findet sich die folgende Graphik:

Sieht irgendwie schon etwas beunruhigend aus. Noch beunruhigender – oder gar gruseliger –  wird das ganze jedoch, wenn wir es in eine konventionelle Darstellung übersetzen. Und die geht so:

Hier finden wir – Stand März 2015 – den Ausgangswert der von der EZB ins System gepumpten 115,6 Mrd Euro. Hier und heute – Stand November 2019 – wären wir bei 2.673 Mrd Euro („Sternchen“). Wenn wir die Wachstumsrate der „Geld-Flutung“ berechnen – derartige Prozesse folgen oft und gerne einer sog. „geometrischen Progression“ – dann kommen wir auf stattliche 96%. Das heißt, die EZB verdoppelt Jahr für Jahr die Knete, die sie in „die Märkte“ pumpt. Wenn sie so weitermachen würde, dann wären wir nach 10 Jahren, also bereits demnächst, im März 2025, bei knapp 97.000 Mrd Euro (Sternchen oben). „Whatever it takes“ (Mario Draghi, EZB-Präsident, in einer Rede in London 2012), eben. Stellt Euch vor, Ihr hättet ein stattliches Jahreseinkommen von 100.000 Euro. Wie lange müßtet Ihr arbeiten, um 97.000 Mrd Euro zusammenzusparen? Die Antwort: 970 Millionen Jahre. Irgendwas von der Knete ausgeben gildet dabei natürlich nicht. Bolle meint: Das ist für einen normalen Werktätigen kaum zu schaffen. Selbst ein Dinosaurier – ausgestorben vor etwa 65 Millionen Jahren, das Antlitz der Erde erblickend über einen Zeitraum von immerhin 170 Millionen Jahren – hätte mit solchen Größenordnungen durchaus seine Probleme. Nun ist Bolle wohl bewußt, daß der ganz überwiegende Teil der Menschheit – Bolle schätzt so an die 99,9% – keinen sonderlichen Plan von e-Funktionen hat. Auch Banker machen da wohl keine Ausnahme – obwohl sie mit e-Funktionen traditionellerweise den Löwenanteil ihrer Gewinne erzielen. Schließlich ist die „Zinseszins“-Rechnung nur eine kleine Untersparte in der Abteilung „e-Funktionen“. Kurzum: Wenn wir den Wert für März 2025 – und das erleben wir in bereits 5 Jahren – einzeichnen wollten, dann müßten wir die Skala um mehr als den Faktor 5 erweitern (18.000 mal 5 macht 90.000). Das aber dürfte – da ist sich Bolle ziemlich sicher – die Grenzen jedweden „Whatever it takes“ absehbar sprengen – zumal das mit der realwirtschaftlichen Entwicklung so rein gar nichts mehr zu tun hat. Was dann? Kasino-Kapitalismus in Reinkultur. Nun könnte man sagen: Let them have their fun – die wollen doch nur spielen. Dummerweise aber gibt es sehr wohl realwirtschaftliche Auswirkungen. Die für die meisten „Normalos“ bedeutendste dürfte dabei die Mietpreis-Explosion sein bzw., allgemeiner, die Explosion der Grund- und Boden-Preise. Grund und Boden ist eines der wenigen Wirtschaftsgüter, die potentiell nicht vermehrbar sind – was dazu führt, daß steigende (auch spekulativ begründete) Nachfrage sich ausschließlich in steigenden Preisen (und nicht etwa, wie im Lehrbuch, in zusätzlichem Angebot) niederschlägt. Kurzum: Kasino-Kapitalismus meets Normalo-Haushalt. Immerhin: Im „Probleme-Vertagen“ werden wir immer besser. Vor knapp 100 Jahren hätte eine solche „Bastardisierung der Verhältnisse“ (Gabor Steingart) noch zu einer veritablen Wirtschaftskrise einschließlich aller bekannten Folgen (Adi, der große Diktator, nebst seiner „willigen Helfer“, etc. pp.) geführt. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Di 12-11-19 Die Bahn

Viel helfe nicht viel, denn: Dem Bund fehlten Informationen über den tatsächlichen Zustand des eigenen und von der Bahn betriebenen Netzes. Richard Lutz als James Dean der Bahn AG: Denn sie wissen nicht, was sie tun.

Gefunden in Garbor Steingarts Morning Briefing. Dabei geht es …

… um die sogenannte „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III“, die der Bahn AG für ihre gebrechliche Infrastruktur ein Budget von gut 58 Milliarden Euro zur Verfügung stellen soll.

58 Milliarden Euro, offenbar einmalig auszuschütten: Das entspricht in etwa den jährlichen Kosten für die „Schutzsuchenden“ (vgl. Mo  11-11-19 Proportionen). Klarer Fall: Wir schaffen das, meint Bolle. Doch das nur am Rande. Interessanter scheint Bolle der folgende Punkt:

Der Managementzirkel.

Bolle ist immer wieder fasziniert, wie praktisch kleine, aber feine Systemdarstellungen doch sein können. Während üblicherweise die schiere Zieldefinition dem Volk bereits als „Durchbruch“ verkauft wird – ohne einen Hauch von »Plan« oder gar »Check der Mittel« (aktuell ist das bei der Grundrente so) –, verhalten sich die Dinge hier genau umgekehrt: »Check der Mittel« ist gebongt – 58 Milliarden eben. Dafür fehlen der »Plan« und sogar die »Ist-Analyse«. So wird aus Garbor Steingarts „Denn sie wissen nicht, was sie tun (sollen)“ unvermittelt: Denn sie wissen nicht, wo sie stehen. Eine erfrischende Variante im Management-Reigen. Bolle fragt sich zweierlei: (1) Wofür werden die eigentlich bezahlt? und, konstruktiv gewendet: (2) Könnte man sämtlichen Damen und Herren Entscheidern den Managementzirkel nicht einfach auf die Stirn kleben, auf daß sie sich in ihren langen „nächtlichen Verhandlungsrunden“ gegenseitig daran erinnern mögen, was genau ihr eigentlicher Job ist? Platz genug wäre ja. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Mo 11-11-19 Proportionen

Bis zu 1,5 Millionen Menschen können künftig eine Grundrente erhalten, die höher liegt als die vom Sozialamt gewährte Grundsicherung. […] Die Gesamtkosten belaufen sich auf bis zu 1,5 Milliarden Euro.

Gefunden in Garbor Steingarts Morning Briefing. Gleich oder ähnlich lautend findet sich die Meldung allerdings im gesamten Blätterwald. Aber bei Steingart liest es sich nun mal am amüsantesten. Überschlagen wir die Proportionen: 1,5 Milliarden bei 1,5 Millionen Rentnern macht, easy, 1.000 Euro pro Rentner und Jahr – mithin also 83 Euro pro Monat. Na toll, meint Bolle. Voll der „Meilenstein“ bei der Bekämpfung der Altersarmut. Da wir schon mal bei Proportionen sind: Vergleichen wir die abgehängten Rentner mit einer anderen schwer diskriminierten Gruppe – den Flüchtlingen bzw., wie es neuerdings heißt, den „Schutzsuchenden“. Bolle fragt sich: Welche Sprach-Designer sind hier eigentlich am Werk? Und vor allem: Wer bezahlt die? Aber das ist ein anderes Kapitel. Der Vergleich von „abgehängten Rentnern“ und „Schutzsuchenden“ bietet sich schon deshalb an, weil sie größenordnungsmäßig gaanz vorsichtig geschätzt in etwa gleich stark sind: etwa 1,5 Millionen. Das erleichtert den Vergleich. Deren jährliche Kosten allerdings belaufen sich nach mehreren mehr oder weniger übereinstimmenden Quellen auf etwa 50 Milliarden jährlich – mithin also auf das über 30-fache (!). Bolle sieht das ganz pragmatisch, wenn er meint, daß er der seinerzeit ausgegebenen Losung „Wir schaffen das“ mehr Glauben würde schenken können, wenn die Proportionen nicht derart unproportioniert wären. Entweder wir sind „ein reiches Land“, wie es in diesem Zusammenhang immer heißt. Oder wir sind ein dann doch nicht ganz so reiches Land, das es nötig hat, seine „abgehängten Rentner“ mit 83 Euro pro Monat abzuspeisen und das dem Volk als „sozialpolitischen Meilenstein“ zu verkaufen – vor allem vor dem Hintergrund solcher Proportionen. In diesem Zusammenhang muß Bolle oft an die Geschichte vom barmherzigen Samariter denken (Lukas 10, 25-37). Was wäre gewesen, fragt er sich, wenn „die Mörder“ nicht nur einen, sondern zehn, oder hundert – oder noch viel mehr – hätten „halbtot liegen lassen“? Irgendwann, so sein vorläufiger Schluß, wird sich auch der warmherzigste Samariter entscheiden müssen, ob er seinem ethischen Impuls („alle retten“) oder seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten wird folgen wollen oder müssen. Im Bibel-Beispiel ging es um „zwei Groschen“ (plus der Option auf Begleichung weiterer Auslagen des zur Pflege eingespannten Wirtes, Lukas 10, 35). Somit – und das ist Bolles zweiter Schluß – dreht sich die gesamte Kontroverse, die Deutschland seit nunmehr mindestens vier Jahren quält, im Kern um die Frage: Schaffen wir das – oder schaffen wir das dann doch eher doch nicht? Wenn ich abgehängter und abgespeister Rentner wäre, so Bolle, würde ich wohl eher auf letzteres tippen – und mich dabei schwer dagegen verwahren, allein deswegen von bessergestellten Kreisen als „Nazi“ oder zumindest „Fremdenhasser“ diffamiert zu werden. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Do 07-11-19 Thüringer Brandmauer

Noch hält die Brandmauer

So titelt Spiegel Online heute unter der Dachzeile »Verhältnis von CDU und AfD im Osten«. Bolle fragt sich: Wieso eigentlich „Brandmauer“? Brennt’s denn im Osten?

Was ist da bloß los in Thüringen? Und, genereller: Was ist da los bei der Ost-CDU?

Generell, genereller, am generellsten. Na toll! „Qualitätsjournalismus“, eben. Das hat man davon, wenn man einen ganzen Berufsstand für alle öffnet, die meinen, hinreichend ambitioniert zu sein und dabei in der Lage, ein paar Zeilen zu Papier bringen zu können. Garbor Steingart meinte kürzlich, und zwar völlig zutreffend: „Aus Journalisten sind Aktivisten geworden.“ Großes Herz – nicht ganz so großes Hirn. Na toll, zum zweiten.

Immer mehr Politiker an der Basis versuchen, Steine gegen die Brandmauer zu werfen, die die CDU gegenüber der AfD errichtet hat.

„Steine gegen die Brandmauer werfen“. Soll das ein Topos sein? Dazu kommt es zu selten vor – eigentlich überhaupt nicht, bislang. Eine Metapher? Dazu ist es erstens nicht ausdrucksstark genug und zweitens viel zu schräg. Eine Brandmauer ist keine Burgmauer, die man mit Steinen zu Fall bringen könnte. Was dann? Wir wissen es nicht. Aber geschenkt. Wichtiger ist die Frage: Wer eigentlich soll das sein –  „die CDU“? Die „Funktionäre“ – also „die da ohm“ bzw., in ostdeutscher Diktion, „die Bonzen“ – oder nicht doch eher „die Basis“. Werfen wir einen Blick in die Verfassung. Das Demokratieprinzip verlangt in einer repräsentativen Demokratie eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den staatlichen Organen. Zwar ist eine Partei kein „staatliches Organ“. Gleichwohl gelten hier die gleichen Regeln: „Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen“ (Art. 21 I S. 3 GG). Das bedeutet im Kern die Mißbilligung eines „Führerprinzips“ bzw., positiv gewendet, eine Willensbildung „von unten nach oben“. Kurzum: „die CDU“, verstanden als „Club der Funktionäre“ hat genau das zu tun, was „die Basis“ will – und nicht etwa „Brandmauern“ gegen ihre eigene Basis zu errichten. „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Kennen wa ja seit 1961, meint Bolle. Also haltet Euch dran, Ihr aufrechten Demokraten. Aber das ist ein anderes Kapitel.