Eigentlich sollte es uns heute ja um den möglicherweise künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten gehen und den geradezu filmreifen Schuß ins Ohr. Allein – was heißt hier filmreif? Jeder seriöse Drehbuchautor hätte so etwas, falls es ihm denn eingefallen wäre, wohl stante pede als zu unrealistisch in den Papierkorb geknüllt. Nun denn – ein andermal.
Dafür wollen wir ein Streiflicht auf ego-geboosterte Weltverbesserungsanmaßungen werfen, wie sie in den letzten Jahren zunehmend um sich greifen. Mehr als streifen wird dabei nicht möglich sein. Dafür ist das Thema zu monströs. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend.
Wollte man – rein zur Orientierung – die hier gemeinte Entwicklung an einem Datum festmachen, dann wäre 1999 vielleicht nicht die schlechteste Wahl. Damals gab der seinerzeit amtierende Außenminister die Losung aus: „Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz.“ Also doch wieder Krieg! Zwar hat er das so nicht zu Ende gesagt – aber genau das war gemeint. Und schon waren wir im Namen des Guten in einen – heute würde man sagen – völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Kosovo verstrickt.
Muß man zuweilen böse sein, um Gutes zu bewirken? Oder kann man sich dabei nur böse in die Tasche lügen?
Jürgen Habermas hat seinerzeit in der ZEIT einen Beitrag zum Thema verfaßt und kommt dabei fast notwendigerweise auf Carl Schmitt, den ebenso umstrittenen wie wirkungsmächtigen Staatsrechtler des 20. Jhd. Der meinte seinerzeit, der naturwüchsige Kampf der Nationen sei, wenn schon nicht schön, so doch unvermeidbar. Allerdings solle man darauf achten, daß das nicht auch noch in einen heillosen „Kampf gegen das Böse“ ausarte. Wenn man sich also aus rein naturgegebenen Gründen schon bekriegen muß, dann doch bitteschön wenigstens sine ira et studio (ohne Zorn und Eifer) – also jedenfalls ohne übertriebenes moralisches Gedöns.
In diesem Zusammenhang meint Habermas, wenn, so wörtlich, „terroristische Zweckentfremdung staatlicher Gewalt“ aus einem Bürgerkrieg ein Massenverbrechen mache, dann sei es nur gerecht, den jeweiligen Verantwortlichen ordentlich auf die Mütze zu geben – herkömmliches Völkerrecht hin oder her.
Und da, wo immer gehobelt wird, sprichwörtlich auch Späne fallen, ist der ein oder andere „Kollateralschaden“ natürlich nicht zu vermeiden. Immerhin waren die Leute damals noch auf einem zivilisatorischen Niveau, das ihnen nahelegte, selbiges zum Unwort des Jahres zu küren.
So richtig überzeugt ist Bolle von all dem bislang nicht. Im Gegenteil: Bolle fragt sich, was eigentlich passiert, wenn man den ganzen Schlamassel auf innenpolitische Zusammenhänge überträgt.
Darf ein Politiker (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), der (zwar nicht wirklich, aber doch angeblich) vom Volke gewählt und damit eben nicht – wie manche meinen – dessen Häuptling ist, sondern vielmehr dessen Diener, und sich dabei verpflichtet fühlen sollte, des Volkes Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden – darf ein solcher Politiker mit seinem Tun auch nur in die Nähe möglicher Zweckentfremdung staatlicher Gewalt geraten? Bolle meint ja eher Nein. Auch nicht im Namen des Guten – etwa um dem „Gedanken der Völkerverständigung“ Geltung zu verschaffen. Gutgemeinte Weltoffenheit kann nämlich sehr leicht umschlagen in regelrechte Welt b e s offenheit.
Der Weg zur Hölle ist nun mal nicht nur mit guten Vorsätzen, sondern wohl auch mit guten Absichten gepflastert. Und ungelernte Fachkräfte machen die Sache nun mal nicht gerade besser. Womit wir umstandslos bei Dörner wären (vgl. Fr 23-04-21: Vive la France!):
Meines Erachtens ist die Frage offen,
ob ›gute Absichten + Dummheit‹
oder ›schlechte Absichten + Intelligenz‹
mehr Unheil in die Welt gebracht haben.
Denn Leute mit guten Absichten
haben gewöhnlich nur geringe Hemmungen,
die Realisierung ihrer Ziele in Angriff zu nehmen.
Was Churchill hier Demokratie nennt, wäre nach unserer Begrifflichkeit allerdings eher ein Verfassungsstaat – also ein Staat, der nicht nur demokratisch und rechtsstaatlich organisiert ist, sondern auch wirksame Mechanismen gegen staatliche Übergriffigkeiten kennt – also in etwa das, was namentlich die Angelsachsen seit dem 18. Jhd. liberale Demokratie nennen. Zu wissen, es ist nur der Milchmann, wäre manchem schon so manches wert. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.