Fr 01-12-23 Das erste Türchen …

Schwester Ethik in Hochform.

Hurra! Es weihnachtet wieder. Die Christenmenschen dieser Welt bereiten sich auf die Mensch-Werdung ihres Heilandes vor – falls sie nicht mit Geschenke koofen bzw. die „perfekte“ Weihnachtsfeier organisieren vollends ausgelastet sind. Und so wollen wir nicht versäumen, uns selbst und hoffentlich auch unserer geneigten Leserschaft die Weile bis zum Feste mit unserem agnostisch-kontemplativen Elektro-Adventskalender ein wenig zu erhellen.

Zwar hat Bolle für dieses Jahr das Motto ›Glühwürmchen-Bashing‹ ausgegeben. Aber lasset uns – der Jahreszeit entsprechend – friedlich beginnen.

Gestern erst war Bolle auf der Rolle – Nikolausi-Präsenterl verschicken. Und schon ergab sich eine erste vorweihnachtliche Gelegenheit, sich edel, hülfreich und gut zu zeigen. Und das ging so: Vor die Aufgabe eines Packerls hat der Herr (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) in seinem unergründlichen Ratschlusse die Warteschlange gesetzt. Und die kann – namentlich in der Weihnachtszeit – dramatisch lang sein. In dieser Warteschlange – und eben nicht im Walde – stand ein Männlein, ganz still und stumm. Außerdem recht klein, ziemlich dürr und offenkundig etwas angeschlagen. Das Männlein bat eine Frau, die direkt hinter ihm (und direkt vor Bolle) in der Schlange stand, ihm den Warteschlangen-Platz freizuhalten. Er müsse sich einen Moment setzen und ausruhen: „Meine Gesundheit. Sie wissen schon.“ Gesagt, getan.

Nun hat auch die ärgste Schlange einmal ein Ende, Bolles Packerl war auf dem Weg in den Westen, und Bolle wollte sich ein Gläschen Glühwein gönnen zur Stärkung. Und? Wer stand da immer noch in der Schlange? Das besagte Männlein. Bolle nicht faul: „Sie stehen ja immer noch hier in der Schlange.“ (Eigentlich hätte er ja zwei Plätze vor Bolle an der Reihe sein müssen – und damit längst fertig).

Bolle nahm das Männlein am Arm und geleitete es, ebenso frech wie nicht faul, unter Hintanstellung sämtlicher etablierter Schlangenregeln direkt an den Schalter. Ein kurzes Wort zur Erklärung an die Postangestellte, das wohl eher durch die Entschlossenheit des Vortrages denn durch inhaltliche Brillanz überzeugt haben mag  – und das Männlein hatte seinen vorweihnachtlichen Sisyphos-Zirkel für diesmal durchbrochen.

Erstaunlich fand Bolle die Reaktion der Leute: Null. Niemand, wirklich niemand, hatte auch nur ansatzweise aufgemuckt. „Na also, geht doch“, kam es Bolle durch den Sinn.

Sozialpsychologen nennen eine solche Vorgehensweise übrigens ›Door in the Face‹-Technik. Bolles liebe gute alte Großmama nannte es ›Frechheit siegt‹. Bolle selbst nennt es nach einem ausgedehnteren Aufenthalt im benachbarten Ausland: Leckt‘s mi do am Oasch. Soweit zu Goethes Göttlichem. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 14-05-23 Muttertag

Muttertag (Symbolbild, of course).

Heute wollen wir unser agnostisch-kontemplatives Frühstückchen auf einen Aspekt richten, der hier bislang noch nie Erwähnung gefunden hat. Warum dem so ist, müssen wir an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

Bekanntlich kann man sich seine Mutter nicht aussuchen. Im Umkehrschluß bedeutet das aber nicht weniger als das: die Mutter, die man hat, ist die beste Mutter, die man hat. Bolle für sein Teil findet ja, daß er an dieser Stelle wenig zu meckern hat. Er hatte in jungen Jahren stets ein Dach über dem Kopf – und zu essen war auch immer da. Zwar mußte er sich ein Zimmer mit seinem Bruderherz teilen – was natürlich nicht ohne den ein oder anderen sprichwörtlichen Bruderzwist abgehen konnte. Allerdings bleibt zu bedenken, daß etwa das Motto der französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – zumindest partiell kaum noch verstanden werden würde, wenn wir alle als Einzelkinder aufwachsen würden. Was das Essen angeht: Natürlich gab es oft nur schlichtes Futter. Allerdings hatte das den höchst erfreulichen Nebeneffekt, daß Bolle bis heute weder mit Laktose- noch mit sonstigen ernährungsbedingten „Intoleranzen“ je zu tun gehabt hätte. Also auch hier: Alles richtig gemacht, liebe Mama.

Bolles Mama jedenfalls hatte eines Tages ob der vorherrschenden patriarchalischen Grundstimmung in der Gesellschaft das Schnäuzchen gestrichen voll. Also hat sie ihre drei Kinder unter den Arm gepackt und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Weite gesucht. Als Vaddern von der Arbeit heimkam, war er entsprechend baff, of course. Muttern weg, Kinder weg, Wohnung weitestgehend leergeräumt. Das wünscht man ja keinem. Aber so kann’s gehen, wenn man es zu dolle treibt mit dem Patriarchat bzw. es an einem Mindestmaß an Umgangsformen bzw. auch an Kontemplation mangeln läßt.

Na, und denn – ? (Tucholsky 1930). Dann ging es darum, sich eine Erwerbsarbeit zu suchen, um die Kinder durchzubringen. Ausgestattet mit einem IQ in der Größenordnung von Einstein sollte das ja wohl kein Problem sein. Sollte man meinen. Wenn da nur die Verhältnisse nicht wären. Doch die Verhältnisse, sie sind bekanntlich nicht so (Brecht 1928). Also hat sich Muttern wacker durchgekämpft und für die Kinder – die für sowas seinerzeit noch so rein gar keinen Sinn hatten – streckenweise heimlich auch noch die Krankenkassenbeiträge einbezahlt. „Schneeflöckchen“ jedenfalls – also Leute, die sich bei jedem Pups gleich angepißt bzw. gar „diskriminiert“ fühlen – waren noch nicht en vogue.

Mütter sind schon seltsame Wesen. Rein ökonomisch jedenfalls macht das alles rein gar keinen Sinn. Gleichwohl ist es, wie es scheint, ständige Übung bei den Müttern dieser Welt. Auch wirkt derlei bis in die Gegenwart fort: Da zieht man drei akademische Klugscheißer groß – nur um sich selber das Gefühl zu geben, daß man ja nur über einen schlichten Hauptschulabschluß verfüge – und sich damit selber sehr viel kleiner macht, als man bei nüchterner Betrachtung tatsächlich ist. Als ob es darauf – in welcher Weise auch immer – ankommen würde. „Geist“ – und vor allem auch Haltung – sind wohl das letzte, was Universitäten moderner Prägung zu vermitteln vermögen.

Ein wenig ist es mit dem Muttertag wie mit Weihnachten. Man kann solche Tage weitgehend sinnentleert als „Mitläufer“ verleben – indem man etwa Geschenke verteilt oder Blumen verschickt. Man kann sie gar als Ausdruck „kapitalistischer Konsumlogik“ oder, je nach Gusto, „sozialistischer Propaganda“ schmähen – und sich so in seiner selbstgebastelten Hölle auf Erden häuslich einrichten. Oder man kann den Muttertag zum Anlaß nehmen, einmal mehr ein wenig in sich zu gehen – und das geflissentlich auch zu zeigen. Nichts anderes bedeutet ja ›Kontemplation‹: leben aus der Kraft der Mitte (japanisch Ki bzw. chinesisch Chi). Eines jedenfalls scheint Bolle evident: Sic crustula friatur – wenn der Keks erst mal zerbröckelt ist – dann ist es definitiv zu spät. Also: Lasset die Bräsigkeit fahren, und das Ego gleich mit – und bewegt Euren sprichwörtlichen Arsch. Now! Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Ostersonntag 09-04-23 Frohe Ostern, urbi et orbi!

Lachen und Scherzen // Begleitet die Herzen, // Denn unser Heil ist auferweckt.

Kenner werden es erraten haben: Bei unserem heutigen Schildchen handelt es sich um einen Ausschnitt aus der Partitur zu Bachs Oster-Oratorium. Das ist sozusagen die Bach’sche Kurzfassung (etwa eine dreiviertel Stunde) zur Einstimmung auf das Osterfest. Wer es ausführlicher mag, sei auf die Matthäus-Passion verwiesen (etwa 2¼ Stunden). Beides läßt sich leicht und locker auf YouTube finden – das Oratorium in der von Bolle geschätzten Interpretation von Sir John Eliot Gardiner etwa hier:

Die Geschichte – oder das „Narrativ“, wie man heute sagen würde – ist hinlänglich bekannt. Der Heiland der Christenmenschen in spe wurde zwei Tage zuvor, übrigens auf Veranlassung jüdischer Kleriker, von den Römern wegen Häresie an ein Kreuz genagelt, um dort erwartungs- und bestimmungsgemäß zu verscheiden. Allein damit sollte es nicht sein Bewenden haben. Zwei Tage später war der Heiland fort. Mögliche Erklärungen: a) Leichenraub oder eben b) Auferstehung.

Während die jüdischen Hohenpriester eindeutig die Version a) favorisierten, fanden Jesu Anhänger Version b) plausibler. Wörtlich heißt es dazu bei Matthäus 28, 12 ff. (in der Fassung der Lutherbibel 1912):

„Und sie kamen zusammen mit den Ältesten und hielten einen Rat und gaben den Kriegsknechten Gelds genug und sprachen: Saget: Seine Jünger kamen des Nachts und stahlen ihn, dieweil wir schliefen.“ Mehr noch: „Und sie nahmen das Geld und taten, wie sie gelehrt waren. Solches ist eine gemeine Rede geworden bei den Juden bis auf den heutigen Tag.“ (Matth. 28, 15).

Hier haben wir es also einmal mehr nicht nur mit einem frühen Fall von Korruption zu tun, sondern auch mit einem Anwendungsbeispiel unserer „Wirklich wahr“-Matrix:

Sind die Gläubigen nun Verschwörungsopfer, weil sie Unsinn für wahr halten? Oder sind, im Gegenteil, die Hohenpriester Verblödungsopfer, weil sie die Wahrheit („Jesus lebt“) nicht wahrhaben wollen?

Da tut es gut zu wissen, daß man sich als Agnostiker nicht zwischen „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ entscheiden muß. Vielmehr bleibt einem eine durchaus wohltuende dritte Möglichkeit: ME: „Wer bin ich, das zu entscheiden?“ Damit kommt man der Wahrheit nicht selten am nächsten. Das alles ist dann aber doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Ostern, also! Glaubt doch, was Ihr wollt!

Sa 04-02-23 1.000 Tage Dämlichkeit …

Total so!

Kürzlich war Bolle bei einem Neujahrsempfang mit angeschlossener Mitgliederversammlung. Kur und Kür aufs Innigste verwoben, sozusagen. Im Grunde kommt man da ja gerne. Nach drei Jahren Corönchen-Exzeß war sich Bolle allerdings unschlüssig, ob er die Kür nicht lieber sausen lassen und die Kur der neuen Verbandsfürsten nicht lieber per Stimmübertragung erledigen sollte. Eine Party mit Maske vorm Mäulchen wäre nämlich so ziemlich das letzte, was Bolle zu goutieren weiß. Wie soll man da gepflegt ein Zigarettchen rauchen? Von anderen diversen Kalamitäten bzw. Unwürdigkeiten mal ganz zu schweigen.

Allein es sollte anders kommen. Nicht nur, daß auf der Party niemand was von Masken-Mätzchen wissen wollte. Vor allem hatte die Verkehrsgesellschaft ihre „Zutritt nur mit Maske“-Schildchen nach genau 1.011 Tagen (!) pünktlich zur Party endlich wieder abmontiert. Freie Fahrt für freie Bürger! – um mal einen ADAC-Slogan von 1974 in einen zeitgemäßen Zusammenhang zu stellen. Immerhin hat die schiere Zahl der Tage (wer zählt sowas eigentlich?) Bolle zur heutigen Titelfindung inspiriert – in Anlehnung an Gabriel García Márquez‘ Roman aus ebenjener Zeit (1970), of course.

Im übrigen findet Bolle: Stoa – nie war sie so wertvoll wie heute. Begründet um 300 v. Chr., sollte es noch etwa 2.000 Jahre dauern, bis es Friedrich von Logau gelingen wollte, die Quintessenz auf fünf schlanke Zeilen zu verdichten. Bolle hält ebendiese fünf Zeilen für ein geradezu magisches Gegengift gegen das „Miep, wir werden alle sterben“-Mantra der Corönchen-Schisser jedweder Couleur (und beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course). Aber vielleicht sieht Bolle das auch zuu streng.

Der Stoa-Slogan jedenfalls hat sich geschmeidig in Anlehnung an einen Werbeslogan für Schnaps-Ersatz aus dem Jahre 1925 ergeben. Daran kann sich Bolle noch lebhaft erinnern – wenngleich er auch damals schon einen ehrlichen Whisky als Muskel- bzw. Seelenrelaxans vorgezogen hat. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 15-01-23 agenda 2028: 11 Jahre nun schon – and still going strong …

Form und Fügung.

Hier eine Jubelmeldung in eigener Sache: agenda 2028 hat gestern ihren 11. Geburtstag gefeiert. Zwar war sie damals noch nicht „e.V.“ – also als Person noch nicht gaanz für voll zu nehmen. Das nämlich sollte noch fast zwei Jahre dauern. Aber was soll’s? To be or not to be (Shakespeare 1594) – das ist schließlich ein Unterschied, der einen Unterschied macht.

Das Schildchen zur Feier des Tages enthält unbestreitbar gewisse Gaga-Elemente – wenn auch durchaus mit aktuellem Bezug. Allein – mit 11 darf man sich sowas, wie wir finden, durchaus schon mal leisten. Verglichen mit dem Film, der in den letzten 3 Jahren „pandemisch“ abgespult wurde – und jederzeit wieder frisch aufgelegt werden kann –, will uns der Gaga-Faktor durchaus noch harmlos erscheinen.

Übrigens: Wem es auch um das leibliche Wohlergehen der jungen Dame bestellt ist, der mag sich gerne dem Freundeskreis anschließen. Mit äußerst wohlfeilen 5 oder 10 Euro pro Monat – jeder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) wie er mag – ist man dabei. Email an Bolle genügt. Für heute aber ist das doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 01-01-23 Ein gutes Neues Jahr Euch allen!

Ode an die Leude …

So, Ihr Lieben. Wieder ist ein altes Jahr von hinnen geschieden. Hier zur Einstimmung auf das Neue Jahr ein Verschen für Euer virtuelles Poesiealbum. Der Text hat sich Bolle neulich regelrecht aufgedrängt zwischen einer Last-Minute-Weihnachtsgans und einer rein jahreszeitlich doch etwas deplazierten Geburtstagsfeier. Gesungen wird es nach der Melodie von „Was müssen das für Bäume sein …“, of course.

Das Jahr 2022 war ja nicht zuletzt wohl auch ein Jahr der Sprüche – namentlich was die Volksbeglückung seitens der Politik-Prominenz angeht. Wenn man schon nichts – oder doch nur wenig – kann, dann muß man den Leuten wenigstens versuchen einzureden, daß man im Grunde doch voll toll ist. Bei „63%“ – so der einschlägige Code auf Twitter – mag das sogar fruchten. Der Rest vom Volk muß dafür um so mehr leiden ob solcher leistungsfreien Anmaßungen.

Was den Text unseres Liedchens angeht, mußten wir im Interesse größtmöglicher Nähe zum Original einige harte Kompromisse eingehen. Aber was soll’s. Wobei die ›Zwiebelfische‹ übrigens gar nicht mal so unpassend sind, wie man auf den ersten und möglicherweise doch eher flüchtigen Blick hin vielleicht meinen könnte. Im engeren Sinne handelt es sich bei ›Zwiebelfischen‹ um unpassende Lettern, wie sie sich beim Bleisatz mitunter ergeben haben – etwa weil der Stift (so hießen die Lehrlinge früher) es beim Zurücklegen der einzelnen Lettern in die passenden Schachteln an der nötigen Sorgfalt hat mangeln lassen und dabei etwa ein kursives „s“ in der Schachtel für die normalen „esse“ gelandet ist – was dem Gesellen beim Setzen eines frischen Textes unmöglich auffallen konnte. Von der ursprünglichen Wortbedeutung her meint ›Zwiebelfisch‹ allerdings ›minderwertige Ware‹. Von hier aus aber ist es nicht allzuweit zur Übertragung auf ›Leute, vor denen man nicht allzu ehrerbietig den Hut zu ziehen braucht‹. Damit ist eine rein sachliche Feststellung gemeint, of course, und nicht etwa ein wie auch immer gearteter möglicher Mangel an „Wertschätzung“ per se im weitesten Sinne. Bolle ist schließlich altmodisch genug zu meinen, daß Wertschätzung etwas ist, das man sich erwerben muß – und nicht etwa leistungsfrei und mit frecher Stirn mal eben so „einfordern“ kann.

Und damit wären wir mittenmang beim ›Demokraten-Profil‹ (vgl. Mi 21-12-22 Das einundzwanzigste Türchen …). Dort hatten wir (1) Urteilsfähigkeit, (2) Souveränität und (3) Freiheit von übertriebener Bangbüchsigkeit als das Holz bestimmt, aus dem sich Demokraten schnitzen lassen. An dieser Stelle liegt – davon ist Bolle mehr denn je überzeugt – wohl doch noch einiges im Argen. Aber nächstes Jahr wird ja bekanntlich alles besser, of course.

Soviel für heute. Wir wünschen Euch ein gutes Neues Jahr. Auch werden wir, versprochen ist versprochen, in Bälde wieder voneinander hören – falls uns bis dahin nicht der Himmel auffen Kopp fallen sollte. Möglich wär’s sehr wohl – beim gegenwärtigen Zustand von Volk und Vaterland (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course). Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 24-12-22 Das vierundzwanzigste – und für dieses Jahr letzte – Türchen …

Die Welt von gestern …

So schnell kann’s gehen. Auch die längsten 24 Tage des Jahres – das gilt zumindest, wenn wir die Welt durch Kinderaugen betrachten – gehen einmal vorüber. Heute schon also feiern die Christenmenschen die Menschwerdung ihres Heilandes.

Und so wollen wir schwer hoffen, daß die letzten Wochen Euch in der Grundstimmung eher besinnlich waren denn übermäßig turbulent – auch wenn das wohl nicht immer ganz einfach sein mag. Aber so ist das nun mal mit dem Seelenfrieden. Er stellt sich nicht von alleine ein. Vielmehr muß man andauernd was dafür tun. Aber wir arbeiten ja dran.

Gestern jedenfalls war Bolle Ente essen – oder war es Gans? Der Unterschied hat sich ihm bislang nicht so recht erschließen wollen – wohl weil es bislang an einem Direktvergleich gemangelt hat und die Erinnerung, wie dieses gemundet hat und wie jenes, im Laufe der Monate in Bolles Hirn so sehr verblaßt, daß ihm eine klare Unterscheidung bislang noch nicht gelungen ist. Heute vormittag jedenfalls steht der traditionelle Weihnachtsbummel an: Hände tief in die Manteltaschen und dort belassen. Ohne jegliches Gepäck – und vor allem ohne jede Absicht, irgendwas zu tun – außer den Leuten dabei zuzusehen, wie sie last minute ihre letzten Besorgungen erledigen.

Wie dem auch sei. In erster Linie geht es Bolle um die Würdigung der Jahreszeit. Ähnlich wie er zumindest versucht, im Sommer wenigstens einmal Erdbeeren zu essen (mit Schlagsahne, of course, und nur mit Schlagsahne), im Herbst Zwetschgenkuchen nach dem Rezept seiner lieben guten alten Großmama – und so fort.

Wir wünschen Euch also frohe und besinnliche Weihnachten und allen Menschen auf Erden – gleich, was sie sonst so glauben mögen – ein Wohlgefallen.

Hier noch ein Hinweis in eigener Sache: Im abgelaufenen Jahr haben wir Euch neben dem agnostisch-kontemplativen virtuellen Adventskalender ja nur zweimal ein Frühstückchen serviert – einmal im Januar und einmal im April, zum Osterfeste. Das ist natürlich äußerst dürftig und soll keinesfalls so bleiben. Wir hoffen also, daß wir im kommenden Jahr – falls uns nicht der Himmel auf den Kopf fällt, of course – etwas öfter voneinander hören werden.

Übrigens: Das letzte mal, daß Bolle ›Die Welt von gestern‹ gelesen hat, muß wohl mindestens schon vorgestern gewesen sein. Aber darauf kommt es nicht wirklich an. Wichtiger ist es wohl, einen gewissen Abstand zum Gewühle der Welt zu pflegen und sich zu bewahren. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 23-12-22 Das dreiundzwanzigste Türchen …

Ein Unterschied, der einen Unterschied macht …

Zwar ist noch lange nicht Silvester – die guten Vorsätze können also noch warten. Gleichwohl kann es kaum schaden, über die besinnlichen Weihnachtstage hinweg agnostisch-kontemplativ nicht ganz untätig zu bleiben – falls das nicht ein Widerspruch in sich ist. Nicht umsonst unterscheiden sich seit alters her vita contemplativa und vita activa, das tätige Leben. Bolle allerdings meint: papperlapapp! die Unterscheidung ist ein reines Konstrukt – ohne dabei rasend konstruktiv zu sein. Und wer würde sich schon ausgerechnet zum Fest der Liebe mit Bolle anlegen wollen?

In jüngeren Jahren hatte Bolle einmal eine Disputation mit seiner Yoga-Schülerschar (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) über die Frage, ob es möglich sei, daß ein Yogi Manager sein könne. Bolle meinte seinerzeit: Wenn nicht der – wer dann? Die Geschichte endete damit, daß Bolle einen nicht unerheblichen Teil seiner Lebenszeit als selbiger verbracht hat – ohne seine Yoga-Schülerschar dabei zu vernachlässigen, of course.

Aber all das soll heute nicht unser Thema sein. Vielmehr wollen wir ein weihnachtliches Lichtlein auf die kleinen Shit-happens-Momente werfen, wie sie etwa die allfälligen Besorgungen mit sich bringen können.

Daß es Menschen gibt, die ihrer Zeit am liebsten immer in etwa 10 Minuten voraus wären, hatten wir schon erwähnt (vgl. dazu So 04-12-22 Das vierte Türchen – der 2. Advent …). Von solchen Anfängerfehlern einmal abgesehen, kann man gleichwohl einiges erleben – auch im Weihnachtstrubel.

Dieses Jahr zum Beispiel hat sich die Post nebst ihrer Späti-Derivate recht unvorteilhaft hervorgetan. Da sollte etwa ein Päckchen, das an Herrn „Dipl.-Ing. Müller“ adressiert war, an „Ina Mühler“ ausgeliefert werden. Aus dem „Ing.“ wurde also „Ina“ – und was man bei „Müller“ falschmachen kann, wollte sich Bolle rein gar nicht erschließen. Obwohl – das läßt sich toppen: So wurde ein Päckchen, daß nach „Glinde“ in Schleswig-Holstein gehen sollte, nach „Indien“ verschickt. Zumindest fast. Irgendein Postler muß dann doch noch geschnallt haben, daß Glinde kaum in Indien liegen wird – auch wenn es rein phonetisch eine gewisse Ähnlichkeit geben mag. Auch war das Päckchen ganz regulär mit Inlandsporto versehen.

Über derlei könnte man sich amüsieren – wäre es nicht so, daß man sich doch wünschen würde, daß die Weihnachtsschoki spätestens zum Feste ihren Bestimmungsort erreicht und nicht etwa unter der heißen Sonne Indiens dahinschmilzt.

Ein dritter Vorfall – bleiben wir bei der Post als vorweihnachtlichem Abenteuer-Spielplatz: Bolle stand in einer (langen) Schlange, als vor ihm am Schalter ein rechter Rüpel seinen Unmut laut vernehmlich in die Schalterhalle ergoß. Der Grund: „aus technischen Gründen“ sei eine Bezahlung mit Bargeld „heute leider nicht möglich“. So stehe es auch auf einem Schild am Eingang. Man könne aber gerne mit der Bankkarte bezahlen. Natürlich hatte auch Bolle nur Bargeld dabei – zum Glück aber seine Weihnachtsgrüße in Heimarbeit schon ausreichend frankiert. Das war noch einmal gutgegangen. Knapp verfehlt ist schließlich auch getroffen.

Beim Rausgehen hatte Bolle in der Tat besagtes Schild gefunden. Man konnte es klar erkennen – sofern man wußte, daß es da hängt. Laßt uns also froh und munter sein bei den letzten Weihnachtsvorbereitungen und uns in der Kunst der Kontemplation im richtigen Leben üben. Im Detail wär das dann aber doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 22-12-22 Das zweiundzwanzigste Türchen …

Wat den eenen sin Uhl …

Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall. Die Einsicht ist, wie’s scheint, uralt. Die Geschmäcker sind nun mal so verschieden, daß es wenig Sinn macht, darüber zu streiten: de gustibus non est disputandum.

Wir haben hier eine x-beliebige Eigenschaft – nennen wir sie ›ping‹ – nebst ihrem Gegenteil – nennen wir es ›pong‹ – nebst deren möglichen Ausprägungen, ›maßvoll‹ vs. ›extrem‹, in eine 4-Felder-Tafel einsortiert. Die Technik läßt sich übrigens bis mindestens auf Aristoteles zurückverfolgen – auch wenn der, soweit wir wissen, noch keine 4-Felder-Tafeln benutzt hat.

Im Beispiel gehen wir davon aus, daß jemand von Haus aus ein vorsichtiger Mensch ist, ›ping‹. Das Gegenteil, ›pong‹, wäre demnach, mutig zu sein. Wir hätten übrigens ebensogut ›Yin und Yang‹ sagen können. Das allerdings sind keine Adjektive im engeren Sinne. Bleiben wir also bei ›ping‹ und ›pong‹ für Teil und Gegenteil.

Das interessante an dieser Stelle: Jemand, der sich selbst als vorsichtig einstufen würde, würde jemanden, der das Gegenteil verkörpert, also eher „mutig“ ist, keinesfalls als mutig einstufen, sondern eher als – leichtsinnig. Umgekehrt würde jemand, der sich selbst für eher mutig hält, sein Gegenstück nicht etwa vorsichtig nennen, sondern eher „ängstlich“. Kurzum: Es gibt eine gewisse Neigung, alles, was uns fremd oder zumindest unverständlich anmutet, zumindest sprachlich abzuwerten. Daß eine solche pejorative Kategorisierung wenig der Toleranz und erst recht nicht der Akzeptanz förderlich sein kann, dürfte unmittelbar einleuchten. Und doch scheint es so zu sein.

Hier ein Beispiel aus dem richtigen Leben. Bolle war zu einer Geburtstagsparty eingeladen. Die Party wurde über eine WhatsApp-Gruppe organisiert. Nach Wochen des kommunikativen Hin und Her’s kam dann der erste damit raus, daß ja wohl alle getestet sein würden. Sonst könne er, leider, leider, nicht kommen. Aus seiner Sicht offenbar der Typ ›vorsichtig‹. Aus Bolles Sicht natürlich eher der Typ ›ängstlich‹. Also, was tun?  Helwigs Werte (so heißen solche 4-Felder-Tafeln) in der WhatsApp-Gruppe ausdiskutieren? Absehbar wenig erfolgversprechend und damit sinnlos. Bleibt wegbleiben. Mit oder ohne Abmeldung? Die guten Sitten verlangen nach einer Abmeldung – der Erhalt der guten Laune spricht allerdings dagegen.

Wie allgemein damit umgehen? Alles zu unterlassen, was irgend jemanden (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auch nur stören könnte, kann aus rein mathematischen Gründen nicht die Lösung sein. Es gibt nun mal absehbar dermaßen viele Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten, daß die Lösungsmenge rucki-zucki auf die leere Menge zusammenschnurren würde. Eine Diskussion darüber zu führen, ob es „besser“ ist, vorsichtig zu sein oder ob es besser ist, mutig zu sein, ebensowenig. Wir befinden uns hier in der Domäne von Schwester Ethik (vgl. dazu So 24-01-21 Dreschflegel) – und die ist für Argumente nun mal völlig unzugänglich.

Und so wurde die Spaltungsdynamik, hier im ganz Kleinen schon, um einen weiteren Fall bereichert. Eine grundsätzliche Lösung ist, wie’s scheint, nicht in Sicht. Das soll uns aber nicht die Weihnachtsstimmung verderben – und wäre im übrigen auch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 21-12-22 Das einundzwanzigste Türchen …

Die Grenzen der Demokratie …

Hier der Vollständigkeit halber zunächst der ›Schiller‹, auf den sich Blumenthal gestern bezogen hatte (vgl. Di 20-12-22 Das zwanzigste Türchen …), im Zusammenhang. Wir wollen Euch das nicht vorenthalten – auch wenn es in dieser Verdichtung etwas deprimierend klingen mag.

Was also wären die Anforderungen, die an das Volk zu stellen sind, damit Demokratie, die mehr ist als nur ein Partizipations-Placebo oder gar nur eine fluffige Umschreibung für ›Herrschaft der Guten‹, funktionieren bzw. „gelingen“ kann – wie es in anderen Zusammenhängen in herrlichem Neusprech immer so schön heißt?

Eigentlich sind es, auf den Punkt gebracht, nur drei Zutaten, die nicht nur höchst wünschenswert wären, sondern die uns nachgerade unverzichtbar erscheinen wollen.

Zum einen bräuchte das Volk eine hinreichend ausgebildete Urteilsfähigkeit. Hierbei handelt es sich im Grunde nur um einen altmodischeren Ausdruck für das, was wir gestern ›prognostische Kompetenz‹ genannt haben.

Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Bolle hat einige Jahre in Folge bei Einführungsveranstaltungen für Erstsemester den folgenden running gag zum Besten gegeben: „Im wesentlichen geht es hier um Lesen, Schreiben, Rechnen.“ Damit hatte er erst mal einen Lacher. Einen leicht irritierten Lacher zwar – aber immerhin einen Lacher. Aber wie so oft ist auch hier der Scherz das Loch, durch das die Wahrheit pfeift. Urteilsvermögen fällt nicht vom Himmel und wächst auch nicht auf Bäumen. Vielmehr muß es sich entwickeln. Und das kann ganz schön dauern.

Zum zweiten bräuchte es eine gewisse Souveränität. Im Grunde liegt das mehr als nahe. Schließlich ist das Volk der Souverän. Und was wäre ein Souverän ohne Souveränität? Für den Anfang wäre schon einiges mit hinreichender Resistenz gegen Gruppendruck sowie einem gesunden Mißtrauen gegenüber aufgeblasenen Autoritäten gewonnen. Wenn alle (oder furchtbar viele) mit den Wölfen heulen, so sollte das für einen souveränen Souverän noch lange kein Grund sein einzustimmen. Und Autoritäten kochen schließlich auch nur mit Wasser.

Und drittens und letztens schließlich wäre eine hinreichende Freiheit von Bangbüchsigkeit – wir könnten auch sagen: Freiheit von Schissertum – wünschenswert. Genau so, wie es Friedrich von Logau (1605–1655) seinerzeit so trefflich auf den Punkt gebracht hat (vgl. dazu auch unser Türchen vom letzten Jahr: Mo 20-12-21 Das zwanzigste Türchen …).

Leb ich / so leb ich!
Dem Herren hertzlich;
Dem Fürsten treulich;
Dem Nechsten redlich;
Sterb ich / so sterb ich!

Warum ist das so? Nun – wer Schutz durch seinen Nächsten sucht, wird vor allem Herrschaft ernten.

Fassen wir zusammen: Urteilsfähigkeit, Souveränität sowie Freiheit von übertriebener Bangbüchsigkeit. Das in etwa ist das Holz, aus dem sich Demokraten schnitzen ließen, die mehr sind als nur gelegentliche Kreuzchen-Macher. Man könnte es auch so formulieren: Ein Demokrat braucht unbedingt ein Mindestmaß an agnostisch-kontemplativer Grundstimmung. Damit aber sind wir – Bolle meint, man kann das schwerlich anders sehen – himmelweit von den Zuständen in der hierzulande real existierenden Demokratie entfernt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.