So 18-05-25 Die Grenzen des Unsäglichen

Das Wichtigste schon mal geklärt.

Oh Zeiten, oh Sitten. Manchmal muß man sich ja wirklich fragen, ob man es nicht genießen soll, in vergleichsweise bewegten Zeiten zu leben, oder ob man das mit der Bewegung nicht auch übertreiben kann. Bolle, von Haus aus eher genügsam, findet ja, frei nach dem ›Vorspiel auf dem Theater‹ in Goethes Faust (1808):

Des Chaos ist genug gewesen,
Laßt mich auch einen Lichtblick sehn!

In den letzten Jahren ist aber auch wirklich alles schiefgelaufen. Wollte man bestimmen, ab wann, müßte man eigentlich schon passen. Wenn’s läuft, dann läuft’s. Wenn’s schiefläuft, dann auch. Dabei ist es schwierig bis unmöglich, bei „exponentiellen“ Entwicklungen – um mal ein Modewort aus der Corönchenzeit zu bemühen – einen Anfangspunkt zu bestimmen. Exponentielle Entwicklungen haben nun mal keinen „Anfangspunkt“. Alles, was sie haben, ist Eigendynamik. Versuchen wir es dennoch, grob und überschlagsweise.

Im Jahre 2015 kam das Migrationsdebakel über das Land. Nun könnte man sagen – und viele tun das auch: Tja, da kannste nüscht machen. Seit 2018, also gut zwei Jahre später, durften wir erleben, wie sich die Klimakrise breitmacht auf der Welt. Damals ging das los mit den Sitzstreiks einer gewissen Greta Thunberg, die sehr schnell und sehr gründlich Popstar-Status erlangen sollte. Wiederum zwei Jahre später, 2020, beglückte uns die Welt dann mit Corönchen, einem hochgehypten Schnupfen – der der ganzen Welt drei Jahre lang die Luft zum Atmen nahm. Und abermals zwei Jahre später, 2022, erfrechte sich ein russischer Imperator, sein Nachbarland zu überfallen, und brachte damit die bräsige Welt des Westens vollends durcheinander.

Kurzum: eine Katastrophe jagt die nächste – so ziemlich im Zwei-Jahrestakt. Wobei die Katastrophen einander nicht etwa ablösen – konsekutive Katastrophen, also. Nein, sie schichten sich übereinander. In Bolles Kreisen spricht man hier auch von kumulativen Katastrophen.

Liegt das nun an einer kosmischen Katastrophen-Konstellation, Hummer in Saturn etwa, oder so – Bolle kennt sich hier wirklich ganz schlecht aus –, gegen die man nun mal nichts machen kann? Oder liegt es einfach an schlichter Überforderung der Polit-Prominenz nebst ihrer Statthalter oder doch zumindest Steigbügelhalter in Presse, Funk und Fernsehen, was den Umgang mit derlei angeht? Bolle tippt definitiv auf letzteres.

Die dominante Problemlösungsstrategie – eine für alle beziehungsweise, neudeutsch, one fits all – scheint Bolle eine fortgeschrittenere Form von Konstruktivismus, gewürzt mit einer tüchtigen Portion Monetarismus zu sein.

Die Grundidee des Monetarismus, im weiteren Sinne, of course, geht ja wie folgt: es gibt kein Problem auf der Welt, das man nicht mit einer gehörigen Portion Penunse oder Pinkepinke zuscheißen könnte – um es mal lutherisch-derb auszudrücken. Die Grundidee des Konstruktivismus dagegen muß wohl lauten: Es gibt kein Problem auf der Welt, das man nicht mit gehöriger semantischer Raffinesse solide wegsäuseln könnte. Beide Grundideen tragen nicht, of course – jedenfalls nicht „nachhaltig“. Eher geht der Krug zum Brunnen, bis er bricht. Dann kommt es, wie immer, zu den üblichen langen Gesichtern und der herzergreifenden Versicherung, das habe man nicht wissen können. Bolle, streng wie selten: Habe man wohl!

Umgekehrt übrigens funktioniert diese Form von forschem Konstruktivismus genauso: Es gibt kein Problem auf der Welt, das sich nicht herbeireden ließe. Das jüngste Elaborat des BfV, das Bolle – semantisch sehr viel sauberer – nur noch ›Bundesamt für Volkserziehung‹ nennen mag, ist hierfür wohl nicht das schlechteste Beispiel. Aus der „Verschiebung der Grenzen des Sagbaren“, die man der AfD so gerne unterstellt, wurde da eine Verschiebung der Grenzen des Unsäglichen. Klingt ganz ähnlich – ist aber nicht das gleiche. Und das Volk schaut staunend zu – und freut sich oder wundert sich. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 11-05-25 Muttertag

Ich ging im Garten so für mich hin …

Neulich lief ›Let It Be‹ in Mutters Radio – ein alter Beatles-Song von 1970. Da werden natürlich Erinnerungen wach, of course. Neben dem Lied an sich mußte Bolle daran denken, wie seinerzeit ein vielleicht doch ein wenig klugscheißerischer Radiomoderator meinte zum Besten geben zu müssen, daß er sich nicht sicher sei, ob das wirklich „words of wisdom“ seien, die da gewispert wurden – wie es im Text heißt.

Nun, die Antwort hängt natürlich nicht zuletzt schwer davon ab, ob man unter ›let it be‹ ein abgeklärtes ›So-sein-lassen‹ verstehen will oder ein eher resignatives ›Bleibenlassen‹ im Sinne von widerspruchs- und tatenlos hinnehmen. Im Grunde verhält es sich wie mit dem ›Gelassenheitsgebet‹ in Bolles agnostisch-kontemplativer Fassung (vgl. dazu Fr 23-12-22 Das dreiundzwanzigste Türchen …).

Wenn Du etwas ändern kannst auf der Welt −
dann sei tüchtig in dem, was Du tust.
Wenn Du aber etwas nicht ändern kannst,
dann mach Dir klar: Shit happens −
und verliere darüber nicht Dein Gleichgewicht.
Zuweilen braucht es großen Seelenfrieden,
die beiden Fälle zu unterscheiden.

In ganz jungen Jahren war es in Bolles Kreisen üblich, der Mama zum Muttertag ein Bild zu malen. Große Kunst wird das kaum gewesen sein. Allein es kam von Herzen – und die Mütter dieser Welt haben viele dieser Werke getreulich aufbewahrt.

Mit zunehmender Adoleszenz setzte dann oft ein gewisses Abgrenzungsbedürfnis ein: Man versucht herauszufinden, wer man selber ist, was man gutfindet und was nicht. Dabei ist das, was man selber gutzufinden meint, selten das, was auch die Eltern – namentlich die Frau Mama – gutfinden. Oft genug im Gegenteil. Das muß natürlich zu gewissen Spannungen führen. Jedenfalls werden keine Bilder mehr gemalt – und auch ersatzweise passiert oft recht wenig.

Immerhin darf Bolle sich zugutehalten, daß er nie so doof war, irgendwelchen Ideologen auf den Leim zu gehen, die zum Beispiel meinten, der Muttertag sei ja wohl eine Nazi-Erfindung und schon von daher abzulehnen. Im Gegenteil: Bolle kann sich noch lebhaft an eine Sternstunde seines Sozialkundeunterrichtes in der Oberstufe erinnern, als sein Studienrat, ein alter 68er immerhin, meinte: „Die haben pubertäre Probleme und machen ein politisches Konzept daraus.“ Bolle – damals wohl im Kern schon agnostisch-kontemplativ – war entzückt.

Die originär-adoleszente Abgrenzung funktioniert ja in etwa wie folgt: Ein Jüngling (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) verfährt nach dem Motto ›I am o.k.‹ – das muß wohl so sein als gesunde pubertäre Grundeinstellung – und weiterhin ›Du bist folglich not o.k.‹, wenn Du nicht meiner Meinung bist oder meine Werte (im Sinne von ›allgemeines Für-richtig-halten‹) nicht teilen willst. Damit aber lehnt er alles ab, was er als vorgesetzt oder gar als aufgesetzt empfindet. Mit der Ablehnung ist regelmäßig eine entsprechende Abwertung verbunden, of course. Schließlich steht man ja noch ziemlich am Anfang der Menschwerdung. Und wer oder was würde sich hier besser als Projektionsfläche eignen als die eigene Mama?

Fortgeschrittenere Adoleszenz – man könnte auch sagen: Altersmilde – dagegen besteht wohl darin, daß man andere, also nicht zuletzt die eigene Frau Mama, in ihrem So-Sein so lassen kann, wie sie nun mal ist – ohne nervig-penetrant stets Wahrheit für andere meinen haben zu müssen. Letztlich ist das wohl weniger eine Frage der Überzeugung als vielmehr eine Frage der Haltung. Ohne ein gewisses Maß an Haltung aber windet man sich wohl im Wesentlichen als Würmchen durch das Weltgeschehen. Und wer will das schon – bei Lichte betrachtet?
 

Paul McCartney übrigens meinte zur Entstehungsgeschichte seines ›Let It Be‹, mit ›Mother Mary‹ sei in der Tat seine eigene Frau Mama gemeint gewesen, die ihm in rauhen Zeiten – die Beatles waren seinerzeit in Auflösung begriffen – im Traum erschienen sei. Dabei fügte er hinzu: „Sie starb, als ich 14 war. Folglich hatte ich ziemlich lange wenig von ihr gehört.“ Bolle findet, hier wie auch sonst so oft: Gebraucht der Zeit – sie eilt so schnell von hinnen. Später ist es oft zu spät – und führt dann regelmäßig zu den üblichen langen Gesichtern. Nicht nur, was den Muttertag angeht. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 04-05-25 Die trauen sich was

Jeder, wie er kann. Ist ja auch am einfachsten.

Was nicht laut ist und schreit, was nicht schrill ist und grell, findet einfach unsere Aufmerksamkeit nicht mehr.

So beendet Liessmann in seinem Bändchen ›Lob der Grenze‹ (2012) den Abschnitt zum Thema ›Lärm‹ – mit dem durchaus nicht ganz unpassenden Untertitel ›An der Grenze des Erträglichen‹.

Dabei handelt es sich übrigens um eben jenen Liessmann, der sich in seiner ›Kritik der politischen Urteilskraft‹ – so der Untertitel des Werkes – veranlaßt gesehen hatte, Selbstverständliches wie etwa das Folgende festzuhalten:

Ein Stuhl wird nicht diskriminiert,
wenn man feststellt, dass er kein Tisch ist.
Eine Grenze kategorial zu ziehen,
bedeutet noch nicht, zu werten.

Vergleiche dazu etwa unser Sonntagsfrühstückchen von vor geraumer Zeit (Fr 15-01-21 Von Tischen und Stühlen) – das übrigens kurioserweise an einem Freitag erschienen war. Doch das nur am Rande.

Jedenfalls meinte unsere scheidende Regierung – Gott hab sie selig – ihren Abgang nicht nur lärmend, sondern geradezu dröhnend gestalten zu müssen. Wie sonst, siehe oben, soll man denn auch Aufmerksamkeit erregen? Auf den letzten Metern, die Türklinke schon in der Hand, hat man dem staunenden Wahlvolk verkündet, die zur Zeit wohl stärkste Partei und, nebenbei bemerkt, inhaltlich auch einzig real existierende Opposition, sei nunmehr nicht mehr nur verdächtig, böse, ach so böse zu sein. Nein, sie sei es jetzt ganz sicher.

Das wisse man, weil die zuständige Behörde ganze eintausendeinhundert Seiten gebraucht habe, um all die Schand- und Greueltaten getreulich aufzulisten. Zwar sei die Liste geheim – schließlich handele es sich bei der Behörde ja um einen Geheimdienst, da mache derlei durchaus Sinn – aber egal: Solch ellenlange Liste muß als Argument genügen. Wir wissen also nicht, was drinsteht. Geheimes Know-How, sozusagen – wie man das in Bolles Kreisen mitunter auch zu nennen pflegt.

Wenn Bolle raten sollte oder müßte, dann würde er auf Hülsenfrüchtchens Allzweck-Bazooka, den ersten und obersten Grundsatz unserer Verfassung, tippen. Dort heißt es, die Würde des Menschen sei unantastbar. Daraus könnte man, bei einiger entsprechend pervertierter Phantasie, durchaus ableiten, daß es würdelos sei, zwischen solchen und solchen Menschen zu unterscheiden. Um im Bilde zu bleiben: Die Diskriminierung eines Stuhles, etwa indem man ihn als Nicht-Tisch schmäht, sei ein dermaßenes Ding der Unmöglichkeit, daß das ja wohl gar nicht angehen könne und folglich gerechter- und konsequenterweise strikt verboten werden müsse. Eine verfassungsmäßig festgezurrte Grenzenlosigkeit, also. Daß uns ebendiese Grenzenlosigkeit – Wir schaffen das, quaak, quaak – zur Zeit an allen Ecken und Enden um die sprichwörtlichen Ohren fliegt: Schwamm drüber. Wird schon werden. Ansonsten: Eh scho Wuascht – wie unsere österreichischen Freunde sagen. Oder, wie es in Bolles Kreisen heißt: Kieken wa ma.

Auf den Punkt: Das staunende Volk – zumindest aber der denkendere Teil desselben – wird hier mit einer alleinseligmachenden Verfassungsauslegung beglückt, die aus sehr, sehr grundsätzlichen Gründen nicht funktionieren kann und wird: Ein Stuhl ist nun mal kein Tisch – da kannste, einmal mehr, nüscht machen.

Und? Was macht der Journalismus 2.0? Im Inland wird überwiegend gejubelt – endlich klare Verhältnisse! Im Ausland – jedenfalls in den Zeitungen, die Bolle so liest – fragt man sich ernsthaft, ob die Deutschen noch alle sprichwörtlichen Latten am Zaun haben. Nun ja: Die Geschmäcker sind nun mal verschieden.

Der allerletzte Satz im Abschnitt ›Lärm‹ lautet übrigens: Von Denken kann in solch einer Welt aber keine Rede mehr sein. Warum auch? Tut ja ohnehin nur weh, und weitet womöglich den Horizont ins „Hochkomplexe“ – also dahin, wo so mancher (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) definitionsgemäß überhaupt nicht mehr durchblickt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 27-04-25 Lurchtalg

Is doch wahr, ey …

Bolle kann sich zunehmend des Eindruckes nicht entbehren (Vorsicht Gaga, of course), daß es in gewissen Kreisen durchaus unüblich beziehungsweise geradezu verpönt ist, sich klar auszudrücken. Bolles Vermutung: Würde man das tun, dann würde sehr schnell sehr klar werden, daß man bei Lichte betrachtet nichts – aber wirklich rein gar nichts – zu sagen hat. So etwas wäre natürlich schwer selbstwertbeschädigend. Da der Schutz des Selbstwertgefühles aber eines der vier kognitiven Grundbedürfnisse ist, die dringend, wenn nicht gar zwingend erfüllt sein wollen, kann hier nicht sein, was nicht sein darf. Also wird munter weitergeblubbert. Zumal es das soziale Umfeld hergibt – beziehungsweise gar verlangt. Im Grunde ist es wie bei Andersens ›Kaisers neue Kleider‹ (1837). Nur, daß es hier kein Happy Ending gibt. Im Gegenteil: Das Phänomen zieht konzentrische Kreise und hat dabei längst weite Kreise der sogenannten beziehungsweise selbstempfundenen Eliten durchdrungen. Bolle meint ja immer: Einbildung is ooch ne Bildung. Mit solchen Sprüchen übrigens ist er aufgewachsen – da kannste nüscht machen.

Der Lurchtalg, um den es uns heute gehen soll, heißt im Original natürlich ›Lunch Talk‹, of course. Allerdings, meint Bolle, macht das die Sache mitnichten besser. Was, bitteschön, soll das sein? Vermutlich sowas wie ›Futtern und Blubbern‹ – oder ›Schmaus und Graus‹? Wir wissen es nicht.

Auch können wir nicht wissen, ob Lurche jemals durch die Furche talgen, oder jemals ihr Gefieder walken. Ja, wir wissen nicht einmal, ob so ein Lurch überhaupt ein Gefieder hat. Was wir uns aber vielleicht fragen sollten: Was ist absurder? Das Epigramm in unserem Schildchen – oder das, was es thematisiert?

Daß einer schlecht Englisch kann: geschenkt. Viele aus Bolles sozialem Umfeld können ohnehin besser Russisch als Englisch. Daß einer schlecht Deutsch kann: schon bedenklicher. Wer aber meint, zwei Sprachen schlecht zu können sei allemal besser als eine richtig, ist – da ist sich Bolle mit sich selber völlig einig – durchaus ein Fall von Denkste. Also: im Zweifel lieber Lurchtalg statt Lunchtalk.

Wittgenstein übrigens meinte in seinem ›Tractatus‹ (1921): Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. So gesehen handelt es sich wohl um eine recht wunderliche – und vor allem auch recht enge – Welt, in die sich unserer Tage so viele mit so gehöriger Verve reingequasselt haben – und das mit einigem Eifer auch weiterhin tun. Richtig übel aber wird es, wenn solche Leute – also namentlich die Polit-Prominenz und ihre Freunde vom Pressewesen – meinen, professionell Wahrheit für andere absondern zu müssen. Denken wir nur an Meister Kong, den Ehrwürdigen (vgl. dazu So 23-03-25 Konfuzius reloaded).

Was ist das wichtigste?
Das wichtigste sind klare Begriffe.
Ohne klare Begriffe kein klares Denken.
Ohne klares Denken kein klares Handeln.
Und ohne klares Handeln ist alles nichts.

So gesehen wäre Meister Kong wohl eher für einen Lurchtalg zu haben gewesen als an einem Lunchtalk teilzunehmen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 20-04-25 Frohe Ostern, urbi et orbi!

Ei forbibbsch.

Kaum ist Weihnachten vorbei – die Menschwerdung des Heilandes der Christenmenschen –, da rüsten die Gläubigen auch schon zum Osterfeste – in Erinnerung an das Ereignis, da der Erlöser denen, die da glaubten, zugerufen hatte:

Zwar habt Ihr Menschen mich am Kreuze vom Leben zum Tode gebracht. Aber sehet: Hier stehe ich – voll unkaputtbar. So gehet denn hin in alle Welt und verkündiget die Frohe Botschaft.

Allerdings hatte der Heiland es vorgezogen, auch seinen Anhängern nur noch höchst ghostly zu erscheinen – um dann, am 40. Tage, endgültig vom Antlitz der Erde zu verschwinden. Leibhaftig in diesem Jammertale aufgetaucht ist er dann erst wieder in jüngerer Zeit – zumindest, wenn man David Safiers Roman ›Jesus liebt mich‹ (2008) Glauben schenken mag. Hier ein kleiner Auszug aus einem Dialog zwischen Joshua (Jesus‘ nom de guerre auf Erden) und Marie, einem höchst irdischen Wesen, in einer Kirche in Malente, einem Städtchen in Ostholstein. Jesus hatte berichtet, daß er es seinerzeit als Kind schon nicht leicht gehabt habe – zum Beispiel was seine Erziehung anging. Aus Maries Perspektive verlief das Gespräch wie folgt:

– „Wie erzieht man denn Jesus?“, fragte ich erstaunt.
– „Mit Strenge. Josef verbot mir eine Zeitlang, vor die Tür zu gehen.“
– „Was hast Du denn angestellt?“
– „Ich habe mit fünf Jahren am Sabbat zwölf Spatzen aus Lehm geformt.“
– „Und warum war das so schlimm …?“
– „Weil man am Sabbat so etwas nicht tun darf. Und weil ich die Spatzen zum Leben erweckt habe.“

So hat jeder seine Sorgen. Allein – Marie, dem höchst irdischen Wesen, war klar, daß es für Maria und Josef seinerzeit schon nicht ganz leicht gewesen sein dürfte, so etwas den Nachbarn zu erklären.

Bolle meint: Leute sind halt sonderbar. Vor allem aber sind sie sklerotisch. Kaum ist etwas auch nur etwas anders als gewohnt, werden sie rappelig. Das geht schon los, wenn die Aktienkurse mal ein bißchen hin und her hüpfen (vgl. dazu letzte Woche, So 13-04-25 Die sklerotische Gesellschaft). Bei zum Leben erweckten Spatzen setzt dann natürlich alles aus.

Was tun, sprach Zeus? Ein erster Schritt in die richtige Richtung könnte es sein, hin und wieder ein wenig in sich zu gehen und sich ernstlich zu fragen:

Um was kümmern? Um was nicht?

Dabei wird man – so jedenfalls Bolles Eindruck – sehr schnell feststellen, daß vieles – wenn nicht gar fast alles – mit dem man sich tagein, tagaus befaßt, durchaus belanglos ist. Vanitas. Eitler Schein. Das letzte Hemd hat nun mal keine Taschen – wie Bolle seit frühester Kindheit weiß. Was also, könnte man sich fragen, braucht es für eine veritable Auferstehung? Wenn schon nicht von den Toten – so vielleicht doch zumindest von den Tölpeln? Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Ostern!

So 13-04-25 Die sklerotische Gesellschaft

Manchmal rauf und manchmal runter …

Zugegeben: so was ähnliches hatten wir schon mal (vgl. dazu So 11-08-24 Börsen-Crashli). Laut Bolles Börsenbarometer geht es nun mal

Manchmal rauf und manchmal runter
Manchmal über, manchmal unter,
Manchmal kunter, manchmal bunter.

Das sind die nackten Fakten, die vertrackten. Doch genug der Lyrik. Dinge ändern und verändern sich. Nichts könnte normaler sein. Da sitzt ein neuer Präsident im Weißen Haus – oh Gott, oh Gott, oh Graus. Und wir sind, als Gesellschaft, gar nicht darauf vorbereitet. Weia! Bolle fragt sich, was zum Teufel gibt es da denn vorzubereiten? Sollte es nicht für jeden professionellen Politikus simpelster Standard sein, auf Begebenheiten in der Welt, sei es innen, sei es außen, routiniert und mit gebotener Lässigkeit zu reagieren – ohne immer gleich hysterisch zu hyperventilieren? Und der Journalismus 2.0? Immer stramm und an vorderster Front mit dabei. Vermutlich bedingt das eine das andere. Fachkräftemangel allerorten. Oder, in Bolles Luhmann-Fassung (vgl. dazu Mo 12-12-22 Das zwölfte Türchen …).

Das System erzeugt die Elemente,
aus denen es besteht,
mittels der Elemente,
aus denen es besteht.

Auf längere Sicht kann das natürlich nicht gutgehen, of course. Das wird unmittelbar klar, wenn wir für ›Elemente‹ spaßeshalber ›Deppen‹ einsetzen – wobei, no offence, mit Deppen lediglich ein Synonym für ›Dumme‹ gemeint sein soll, also Leute mit offenkundiger kognitiver Kurzsichtigkeit.

Kann, oder sollte man solchen Leuten einen Vorwurf machen? Nichts sei Bolle ferner. Allenfalls könnte man sich fragen, warum in drei Teufels Namen solche Leute meinen, sich ausgerechnet in Politik und Presse tummeln und das Volk mit ihrer Kurzsichtigkeit infizieren zu müssen? In einsichtigeren Momenten ist Bolle die Antwort natürlich klar: Nirgendwo sonst lassen sich mit so wenig Talenten so viele Talente verdienen – um es mal mit einem Wortspiel aus ›Asterix und Kleopatra‹ (1963) auszudrücken.

Zu unserem Beispiel oben heißt es – einmal komplett durch den Blätterwald – mit seinem Zollpaket habe der amerikanische Präsident die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt und damit auch Vermögen von Privatanlegern in Milliardenhöhe quasi über Nacht ausradiert. Pöser, pöser Präsident!

Zu einer solchen Einschätzung kann man natürlich nur kommen, wenn man Donald Trump ohnehin voll übel findet und dringend Fakten sucht und findet oder wenn sich zu der kognitiven Kurzsichtigkeit eine chart-technische Ebensolche hinzugesellt. Blickt man nur ein ganz klein wenig über den sprichwörtlichen Tellerrand, dann wird unmittelbar klar, daß sich der DAX auf exakt dem gleichen Niveau befindet wie um Weihnachten herum (vgl. den gestrichelten Doppelpfeil) und gleichzeitig (von der Dezember-Blase einmal abgesehen) auf dem höchsten Niveau des gesamten letzten Jahres.

Ähnliche hysterische Hyperventilationsphänomene lassen sich mit Leichtigkeit beim Umgang mit Corönchen, beim Ukraine-Krieg und, sicherlich nicht ganz zuletzt, bei der „Erderhitzung“ ausmachen. Bolle sieht den tieferliegenden Grund ja in einem reichlich kaputten Weltbild der Protagonisten (mappa mundi vitiosa beziehungsweise, in Härtefällen, mappa mundi friata). So kann das natürlich nichts werden, of course – vergleiche Goethes Knopflochtheorem. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 06-04-25 Wie bei Muttern

🎶 Always look at the bright side of life 🎶

Mel Brooks‘ Einsicht, daß einem vieles nicht mehr möglich ist, wenn man selber nicht mehr ist, findet sich in seiner Komödie ›Das Leben stinkt‹ (USA 1991), für die er in Tausendsassa-Manier das Drehbuch geschrieben, Regie geführt, das Ganze selber produziert und – zusammen mit Lesley Ann Warren – auch noch die Hauptrolle gespielt hat.

Man mag den Film finden, wie man will. An der Einsicht an sich führt aber wohl kein Weg vorbei – da beißt die sprichwörtliche Maus kein‘ Faden ab. Allerdings läßt sie sich durchaus auch umkehren – gewissermaßen ins Optimistische wenden: Kaum ein Ärgernis in diesem Jammertale, das sich nicht mit größter Nonchalance hinnehmen ließe.

Die Synthese – so kann man wohl meinen – findet sich in der höchst lebenspraktischen alten Indianerregel, daß man den Tod als Ratgeber annehmen möge, da auf diese Weise ungeheuer viel Belangloses von einem abfallen werde.

In Monty Pythons ›Das Leben des Brian‹ (UK 1979 / Regie: Terry Jones) heißt es dazu – und wohl nicht ganz unzutreffend:

For life is quite absurd
And death’s the final word
You must always face the curtain with a bow.
Forget about your sin – give the audience a grin
Enjoy it – it is your last chance anyhow.

Das ist mal wieder – wie wohl so vieles – ganz schlecht übersetzbar. Hier ein Versuch:

Das Leben? Recht absurd.
Der Tod? Die letzte Furt.
Verbeug Dich, wenn der Vorhang für Dich fällt.
Jetzt bloß nicht schwächeln – gönn uns ein Lächeln.
Was sonst mag bleiben einem Held?

Und so finden wir uns unversehens und stante pede im Agnostisch-Kontemplativen wieder. Vanitas – eitler Schein. Oder eben ›Eh scho Wuascht‹ – so heißt ein Würstelstand am Wiener Zentralfriedhof. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 30-03-25 Schnullologie

Eine Dose ist eine Dose ist eine Dose.

Wie das Leben so spielt, hatte Bolle dieser Tage rein umständehalber mit Schnullerflaschen zu tun – das erste mal seit einigen Jahrzehnten. Damals war die Welt noch „überschaubar“ – um es einmal in Hülsenfrüchtchens Terminologie zu fassen. Milch (oder was auch immer) in die Flasche, trinken – fertig. An sonderliche Probleme jedenfalls kann Bolle sich beim besten Willen nicht erinnern.

Heute dagegen – eine ellenlange Gebrauchsanleitung in nicht weniger als 30 Sprachen. Damit das alles auf den ohnehin schon mörderisch dimensionierten Beipackzettel paßt, hat der Hersteller eine Schriftgröße gewählt, an der Bolle sich seinerzeit glatt die Augen verdorben hätte. Im Wesentlichen heißt es dort, so eine Nuckelflasche sei ein durchaus gefährliches Ding. Man müsse höllisch aufpassen, daß Baby stets nur unter Aufsicht eines Erwachsenen mit der Flasche in Berührung komme. Das Glas könne splittern, auch könne sich Baby unter Umständen strangulieren oder aufgrund mangelnder Hygiene gar einen unbotmäßig frühen Tod erleiden. Folglich müsse man … et cetera bla, bla.

Nun – es dauerte nicht lange, bis Bolle sich der Terminus ›Schnullologie‹ hatte aufdrängen wollen. Einmal in der Welt, wurden Bolle stante pede die unabweisbaren Weiterungen bewußt. Wenn Baby sich so wild und gefährlich durch die ersten Wochen und Monate seines jungen Lebens kämpfen muß – stets „gefühlt“ bedroht von splitterndem Glas und üblen Keimen –, dann muß man sich nicht wundern, wenn aus Baby später eine rechte Bangbüchs wird – stets gewillt, sich helfen, retten, schützen zu lassen. Baby kann dann alles werden – nur kein Souverän. Unter „demokratietheoretischen“ (so das jüngste Modewort) Gesichtspunkten scheint Bolle das alles mehr als bedenklich.

Aber kann man die Schnullologie dermaßen hochhängen? Bolle meint, man kann. Durchaus. Nicht zuletzt bei Aldous Huxley heißt es ja: „Schöne neue Welt, die solche Bürger trägt!“ Eine solche Welt kann alles sein, nur – mangels souveränen Souveränen –, keine Demokratie.

Im übrigen gilt seit heute mal wieder die Sommerzeit. Was hatte man sich damals (1980) nicht alles davon versprochen? Energieersparnis ohne Ende – im Namen der Wissenschaft, of course. Heute, anderthalb Generationen später, weiß man, daß man eher nichts weiß – beziehungsweise noch immer nichts. Schnullologie, eben. Immerhin ist eines klar: Eine Dose ist eine Dose ist eine Dose (Bolle featuring Gertrude Stein). Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 23-03-25 Konfuzius reloaded

Total klar, das.

Manchmal, meint Bolle, kann es wirklich nicht schaden, auf die alten Meister zurückzugreifen. Etwa auf Kong Fu Tse – den ehrwürdigen Meister Kong. Meister Kong hatte seine Zeitgenossen mit seiner Antwort auf die Frage, was denn das Wichtigste sei, um den Staat in Ordnung zu bringen,  seinerzeit schon – gelinde gesagt – irritiert.

Statt also – wie so manche Weltverbesserer der Gegenwart – zu sagen, wir bräuchten mehr Wachstum (oder mehr Klimaschutz oder mehr Kriegstüchtigkeit oder weniger Spaltung der Gesellschaft – oder mehr oder weniger was auch immer), schien ihm etwas so abstraktes wie klare Begriffe das wichtigste. Und davon auch nicht etwa „mehr“ – sondern überhaupt.

Wie? Das soll’s gewesen sein? Klare Begriffe – und alles wird gut? Natürlich nicht. Allein das hat Kong Fu Tse auch gar nicht gesagt. Ganz im Gegenteil. Gesagt hat er, daß ohne klare Begriffe alles immer schlimmer wird. Schaut man sich um auf der Welt, könnte man glatt geneigt sein, dem zuzustimmen.

Aus Bolles Sicht war der Durchmarsch des Gender-Gaga einer der ersten und dabei „nachhaltigsten“ Verstöße wider den Geist. Und – Bolle lieebt Selbstbezüglichkeiten – da geht es auch schon los. Definiere Nachhaltigkeit: ›Nachhaltig‹ ist etwas, das auf Dauer funktioniert. Komplizierter ist es an dieser Stelle eigentlich nicht. Auch dann nicht, wenn der Begriff mittlerweile dermaßen inflationär verwendet wird, daß einem regelrecht schwummrig werden kann. Übergeblieben ist ein leeres Loch, in das ein jeder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) einfüllen kann, was immer ihm beliebt. Mit Klarheit im weitesten Sinne hat das nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Die Sprache – und damit das Denken und damit das Handeln – wird, falls Kong Fu Tse Recht haben sollte, einfach nur komplizierter. Die Klarheit bleibt dabei glatt auf der Strecke.

Bolle kann sich noch gut an den Moment erinnern, als ihm das heute übliche Wort ›Entwicklungszusammenarbeit‹ das erste mal zu Ohren kam. Was das? Es handelt sich hierbei, im besten konfuzianischen Sinne, um Entwicklungs-Hilfe. Zusammenarbeit gibt es nur unter Gleichen. Auch hat das nichts mit „Augenhöhe“ zu tun – noch so ein modischer Dussel-Denk-Begriff.

Und warum das Ganze? Die übliche Begründung lautet meist, man dürfe nicht auf den Gefühlen der Unterprivilegierten beziehungsweise der Schwächeren beziehungsweise der Minderheiten beziehungsweise der was auch immer herumtrampeln. Ein hehres Ziel – das sieht Bolle ein. Aber hat es auch was mit Klarheit zu tun? Natürlich nicht.

Wir wollen hier und heute nicht allzuweit ausholen. Nur so viel: Als Bolle noch Tertianer war, gab es direkt neben dem Pausenhof einen Kiosk – und an dem Kiosk gab es Mohrenköpfe. In der großen Pause konnte man sich, ohne zu hetzen, zu dem Kiosk begeben, für 50 Pfennige eine Tüte mit fünf Mohrenköpfen erstehen und selbige bei einem Rundgang um das Schulgebäude genüßlich verzehren. Pausenbrot nach Pennälerart. Daß Bolles Pausenbrot irgend etwas – und sei es auch nur im allerweitesten Sinne – mit der Diskriminierung von Mohren zu tun haben könnte, wäre Bolle nie in den Sinn gekommen. Allen anderen ebensowenig. Die hießen einfach so. Klare Sache, klarer Begriff.

Bolle plädiert an dieser Stelle ja für das gewohnheitsrechtlich gut bewährte Rechtsinstitut ›Alte Rechte‹. Wenn etwas seit Jahrhunderten so oder so genannt wurde, dann ist es durchaus und zumindest eine Frage wert, warum ein und dieselbe Sache plötzlich unter neuem Begriff firmieren soll. Um die Gefühle der Mohren nicht zu verletzen? Bolle findet das alles sehr, sehr windig. Könnte man von den Mohren nicht ein gewisses Maß an Eigenleistung erwarten? Namentlich also deutlich mehr Souveränität im Umgang mit Mohrenköpfen? Schließlich hat Bolle ja auch rein gar nichts dagegen, wenn ihn ein Chinese als Langnase bezeichnet, ein Schwarzer als Weißbrot oder etwa ein Türke als Kartoffel. Na und? Volkswitz, eben. Wenn aber das Volk klarer tickt als seine selbstempfundenen Eliten, dann sind der konfuzianischen Konfusion Tor und Tür geöffnet. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 16-03-25 Pferd verkehrt und Ritterehre oder Der super-duper Masterplan

Der Problemlösungszirkel (PLZ) oder De arte solvendi.

Sie haben es tatsächlich getan. Of course, möchte man ergänzen. Sie haben – obwohl doch längst schon abgewählt – in den letzten Zügen ihrer Agonie dem Volke noch mal eben eine Phantastilliarde Sonderschulden aufs Auge gedrückt. Schulden, an denen die sprichwörtlichen kommenden Generationen noch ein ganzes Weilchen werden zu knabbern haben.

Damit das alles aber gleich viel freundlicher klingt, warten die gedungenen Sprachdesigner mit dem Begriff „Sondervermögen“ auf – einer Wortschöpfung, die eigentlich nur Sinn macht, wenn man ein entsprechendes kognitives Sondervermögen – dumm geboren, nichts dazugelernt, Rest vergessen – auf Seiten der Rezipienten unterstellt. Namentlich beim Journalismus 2.0 macht sich Bolle da nicht allzuviel Sorgen.

Macht das alles wenigstens Sinn? Aber Ja doch. Schließlich stehe demnächst mal wieder der Russe vor der Tür. Heute gehört ihm Rußland – und morgen die halbe Welt. Im übrigen müsse dringend das Klima gerettet werden und vor allem der Niedergang „unserer“ Demokratie. Sancta simplicitas!

Aber versuchen wir, uns Schritt für Schritt mit der dahinterstehenden Logik vertraut zu machen: Ist-Analyse: Wir haben zu wenig Geld. Ziel: Wir brauchen viel, gaanz viel Geld. Plan / Check der Mittel: Laßt uns ein tüchtiges Husarenstück auflegen. Das war wohl der Plan. Ein Check der Mittel erübrigt sich an dieser Stelle – schließlich ist die Akquisition der Phantastilliarden ja originärer Gegenstand des Problemlösungszirkels.

Das wirft natürlich mit Wucht die ›Ja, und nun‹-Frage auf. Phantastilliarden zu akquirieren ist die eine Sache. Was damit anfangen eine ganz andere. Da aber schweigt der Fürsten Törichtkeit. Die Details, so heißt es gut und gerne, seien natürlich noch zu klären, of course.

Geld allein macht nicht glücklich, wie der Volksmund weiß. Auch bringt Geld allein noch lange nichts zustande, wie Bolle zu ergänzen weiß. Ohne Geld ist es schwierig, irgend etwas zu bewirken, irgendein Ergebnis zu erzielen. Daraus folgt rein aussagenlogisch, daß, sofern einer was bewirkt hat, ein Mindesmaß an Mitteln im Spiel gewesen sein muß – vergleiche dazu ›Check der Mittel‹ in unserem Bildchen.

Daraus folgt aber nicht – und wirklich rein gar nicht – daß der Einsatz von Mitteln zu einem Ergebnis führen muß oder auch nur wird. In Bolles Kreisen notiert man derlei in etwa wie folgt:

Hier steht G für Geld beziehungsweise aktivierbare Ressourcen im weitesten Sinne, E steht für ein angestrebtes Ergebnis, „→“ für eine Implikation (wenn, dann) und das Häkchen schließlich steht für eine Verneinung. Mehr muß man dazu gar nicht wissen. Im Grunde also ist es mit Geld wie mit Beton: Es kommt drauf an, was man draus macht. Um aber was draus machen zu können, wäre es vielleicht keine dumme Idee, mit sich selber über die folgenden drei Punkte ins Reine zu kommen.

Erstens: Wie konnte es überhaupt zu den gegenwärtigen Zuständen kommen? Mit „zuwenig Geld“ würde sich Bolle nur ungern zufriedengeben wollen. Ob sich unter diesen Umständen mit „mehr Geld“ entscheidend was wird reißen lassen, bleibt daher eher fraglich.

Zweitens wäre es wohl hohe Zeit, endlich mal das Modewort „Investition“ begrifflich wieder auf den Teppich zu holen. Bei einer Investition handelt es sich herkömmlicher- und richtigerweise um eine Sachkapitalerhöhung (Anlagen, Maschinen, Werkzeuge, sowie wirtschaftlich wirksame Infrastruktur) mit der Absicht, die Arbeit leichter und vor allem schneller zu machen und so mehr Güter in kürzerer Zeit herstellen zu können. Zur Zeit aber ist es so, daß jede Verschleuderung von Geldmitteln als „Investition“ deklariert wird: Schleifchen drum. Merkt ja keiner. Wenn man lange genug – also zum Beispiel über Jahrzehnte – so verfährt, beantwortet sich unser erster Punkt praktisch von selbst: Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort: Genau so! Beim Humankapital – doch das nur am Rande – gestalten sich die Verhältnisse noch sehr viel krasser: Klassenräume voller sekundärer Analphabeten, die lediglich tüchtig mit Tablets geflutet werden müßten – und alles werde sich zum Guten wenden. Weia!

Drittens schließlich sollte man sich darüber Rechenschaft ablegen, wo man überhaupt hinwill als Volkswirtschaft – oder gar als Land. Warum? Weil, wenn Du nicht weißt, wo Du hinwillst, mußt Du dich nicht wundern, wo Du ankommst. Darum. Das aber bedeutet zu gestalten – statt nur Probleme zu verwalten. Zu wissen, wo man hinwill, bedeutet übrigens zugleich, zu wissen, wo überall man eben nicht hinwill beziehungsweise zumindest nicht hin kann – weil es schlechterdings unmöglich beziehungsweise unsäglich dümmlich ist, auf jeder x-beliebigen Hochzeit weltweit tanzen zu wollen.

Bei allen dreien dieser Punkte aber hapert es derzeit aufs Heftigste. Mit weiteren Phantastilliarden wird sich das nicht lösen lassen. Als Kind schon war Bolle vertraut mit der höchst anschaulichen Wendung „Da ist der Wurm drin“. Was tun? Wurmkur oder Segel streichen? Beim gegenwärtig verfügbaren Polit-Personal – ganz überwiegend ohne jeden Hauch von Ritterehre – würde Bolle ganz unoptimistisch eher auf Segel streichen tippen. Für eine Wurmkur müßte es zunächst einmal so richtig rappeln im Karton. Aber wer weiß, wer weiß …?

The time has come, the Walrus said,
To talk of many things:
Of shoes – and ships – and sealing wax –
Of cabbages – and kings –
And why the sea is boiling hot –
And whether pigs have wings.

So hat es Lewis Caroll in seinem ›Through the Looking-Glass‹ 1871 schon gefaßt. Eine Übersetzung wollen wir uns hier sparen, weil die Weisheit im Nonsense liegt. Wer es dennoch wissen will, möge unter Mo 04-01-21 Letzte Fragen – total so! nachschlagen. Das alles aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.