Mo 30-09-19 Schwäbische Hausfrau

Vorsätzlich missachtet sie eine Grunderkenntnis der Volkswirtschaftslehre: Das Sparvermögen ist nichts anderes als Kaufkraft im Wartestand.

So heißt es in Gabor Steingarts Morning Briefing von heute. Gemeint ist die EZB mit ihrer Zinspolitik, die potentiell „Sparvermögen“ abschmelzen läßt. Die interessante Frage an dieser Stelle: Worauf, bitteschön, wartet das Sparvermögen? Die eigentliche „Grunderkenntnis“ der Volkswirtschaftslehre geht eher wie folgt: Der produzierte Güterberg einer Volkswirtschaft und die sich daraus ergebenden Einkommen sind betragsmäßig identisch. Einkommen sind nichts anderes als geldvermittelte Ansprüche an den Güterberg. Wenn nun diese Ansprüche „im Wartestand“ sind – also nicht zu tatsächlicher Nachfrage führen, dann bedeutet das notwendigerweise, daß mehr produziert als nachgefragt wird bzw. daß mehr produziert wird als abgesetzt werden kann. In der Folge werden die Unternehmen ihre Produktion zurückfahren: Der produzierte Güterberg wird kleiner – und damit auch die Einkommen. Kurzum: „Kaufkraft im Wartestand“ führt unvermittelt in eine Rezession. Griechenland läßt grüßen. Dem kann man nur entgehen, indem man die überschüssige Produktion im Ausland absetzt, und zwar auf Kredit – Stichwort „Exportweltmeister“. Die gelegentlich zitierte „Schwäbische Hausfrau“ mag ihren privaten Haushalt kaufmännisch solide führen. Der Volkswirtschaft, in der sie lebt, wird sie aber schaden – und damit auf längere Sicht auch ihrem eigenen Haushaltseinkommen. „Harmlos“ ist etwas an sich so tugendhaftes wie Sparen nur dann, wenn es als tatsächliches Angebot auf tatsächliche Nachfrage am Kapitalmittelmarkt stößt. Davon indessen sind wir zur Zeit weit entfernt. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Keynes, dem vielleicht gebildetsten und weitsichtigsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, war das übrigens vor fast 100 Jahren schon klar. Dazu findet sich ganz aktuell ein hübscher kleiner Podcast (21 min) auf der ARD-Mediathek. Liebsten Dank an Katha, an der übrigens eine Star-Ökonomin verlorengegangen ist, für die Mitteilung.

https://audiothek.ardmediathek.de/items/68154586

Fr 20-09-19 Klima-Rente

Wenn die Große Koalition nicht über das Klima streitet, dann über die Grundrente. Nun zeichnet sich offenbar ein Kompromiss ab […]

Gefunden im Handelsblatt Morning Briefing. Wenn das alles so flott geht mit dem „Streit unter aufrechten Demokraten“, dann wird das Klima sich wohl noch ein wenig gedulden müssen. Greta läßt grüßen.

Statt einer Bedürftigkeitsprüfung sollen Bezieher der Grundrente eine Einkommensprüfung durchlaufen. Die Grundrente würde dann nur gezahlt, wenn das Haushaltseinkommen unterhalb einer bestimmten Grenze liege.

Wer Grenzen zieht, erzeugt notwendigerweise Abgrenzungsprobleme: Wer nur soundso viel verdient, bekommt den Grundrentenzuschlag. Wer einen einzigen Euro mehr verdient, bekommt ihn nicht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis hier „Gerechtigkeits“-Debatten losgetreten werden und, in der Folge, das „Nachbessern“ der „handwerklichen Fehler“ versichert wird – die üblichen betröppelten [rheinischer Sprachgebrauch] Mienen inklusive. Bolle fragt sich: Was zum Teufel treiben die denn die ganze Zeit in ihren Kommissionen und ihren ewigen Nachtsitzungen? Immerhin: „Die Regierung tut was.“ Na toll.

Beide Seiten sehen sich als Sieger: Die Union, weil die Grundrente nicht bedingungslos gezahlt wird. Die SPD, weil sie ein zentrales Wahlkampfversprechen durchsetzen kann.

Na, das ist doch das wichtigste, meint Bolle. Gesichtswahrung vor Problemlösung – muß doch alles seine Ordnung haben. Das Klima läßt grüßen.

In der Sache bleibt das Ergebnis vor allem eins: ein fauler und teurer Kompromiss.

Ein fauler Kompromiß? Definitiv. Allerdings liegt es im Wesen eines Kompromisses, „faul“ zu sein – namentlich in einer Demokratie. Ein echter Konsens – verstanden als der aufrechte Bruder des Kompromisses – ist sehr viel anspruchsvoller und nur mit sehr viel mehr Gehirnschmalz (Sitz des Denkens) und überdies mit sehr viel mehr  „Bauchschmalz“ (Sitz des Wollens) zu bewerkstelligen. Bevor man nämlich auch nur anfangen kann zu denken, muß man notwendigerweise wissen, worüber man eigentlich nachdenken will. Kurzum: Man muß wissen, was man will [vgl. dazu auch »Fr 04-10-19 Klimabremse« – dort heißt das Baby, wie üblich, »Zieldefinition«]. Genau hier, da ist sich Bolle sicher, liegt das demokratietheoretische Problem: Wenn einer klipp und klar sagt, was er will, verprellt er umgehend all diejenigen potentiellen Wähler, die genau das eben nicht wollen. Wer traut sich das schon? Außerdem kommt rucki-zucki die (übrigens in keiner Weise demokratisch legitimierte) Sprachpolizei um die Ecke und rügt, daß man das – egal, worum es im Einzelfall gehen mag – so nicht sagen könne oder dürfe. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Warum aber eigentlich „teuer“? Teuer für wen? Für die Bezieher der Grundrente sicher nicht. Ganz im Gegenteil. Des Einen Kosten sind des Anderen Einkommen. Immer! In einer Volkswirtschaft kommt – ähnlich wie in einem Universum – nichts weg. Es gibt schlechterdings kein „weg“. Aber auch das ist ein anderes Kapitel.