Mi 14-04-21 Wer immer strebend sich bemüht …

Finales Argument.

Oft sind es ja die kleinen Dinge, die, je nach Tagesform, erheitern oder auch befremden. So ist Bolle eine Meldung untergekommen, der zufolge gut ein Fünftel der Doktoranden (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course)  aus 2012 mit ihrer Doktorarbeit noch nicht fertig sind.

Bolle meint: Na und? Gut 8 Jahre, das ist ein Wimpernschlag vor dem Herrn. Zwar sollte man, wenn alles nach Plan läuft, nicht länger als 3 Jahre brauchen. Entsprechend sehen die Ergebnisse dann ja auch aus. Doch Vorsicht! Auch bei Doktorarbeiten handelt es sich um ein Teekesselchen der tückischen Sorte – mit hoher Konfusionsgefahr. Namentlich sind zeitgesteuerte strikt von ergebnisgesteuerten Arbeiten zu unterscheiden. Dabei ist eine zeitgesteuerte Arbeit fertig, wenn die Zeit um ist, und der Doktorand etwas vorlegt, das man mit etwas gutem Willen als Abschlußarbeit durchgehen lassen kann. Glückwunsch! Bei einer ergebnisgesteuerten Arbeit liegen die Dinge anders. Hier weiß kein Mensch, wie lange es dauern wird, bis sich die schiere Fülle der Phänomene in eine gefällige Form wird fügen lassen. Der letzte, der das wissen kann, ist der Doktorand. Er ist nun mal kein Holzfäller, der überschlagsmäßig überblicken kann, wieviel Morgen Wald noch vor ihm liegen.

Aber darum geht es auch immer weniger. In einer Welt, die Planbarkeit über alles liebt, müßte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn man nach den vorgesehenen 3 Jahren nicht fröhlich „Fertig!“ krähen könnte, ohne allzu rot zu werden. Mehr wird ja auch gar nicht erwartet. Hauptsache, der Zeitplan stimmt. Und wenn nicht, dann dauert es halt weitere 3 Jahre. Und noch weitere 3 Jahre – und schon findet man sich unter den zielverfehlten Langzeit-Doktoranden wieder. Glücklicherweise ist es dabei aber meistens so, daß man einfach nur den Schuß nicht gehört hat und die Doktorarbeit so eine Art touch down erfahren hat. Sie gammelt in irgendeiner hinteren Schublade unvollendet vor sich hin, derweil der Doktorand am sausenden Webstuhl der Zeit anderweitig zu tun hat – dabei auf Nachfrage aber gerne weiterhin verkündet, daß er „promoviere“.

Im Grunde schließt sich hier der Kreis des Elends. Bolle findet ja, daß »promovieren« von lat. promovere kommt und ›vorwärts bewegen‹ oder auch ›befördern‹ bedeutet. Natürlich kann man sich, strikt reflexiv, selber vorwärtsbewegen. Oft genug ist das auch nicht das schlechteste – hier aber nicht gemeint. Man stelle sich einen schlichten Angestellten vor, der verkündet, daß er „befördere“. Die Frage „Ja, und was?“ wird nicht lange auf sich warten lassen. Wenn er nun nachsetzt und verkündet: „Na, mich selbst“, dann muß er mit der Frage rechnen: „Und? Wohin?“ – „Na, auf die nächste Stufe der Leiter, halt.“ – „Du? Dich? Selber?“ – So geht das also nicht. Befördert wird man – passiv und nicht reflexiv. Für „promoviert“ gilt selbiges.

Wenn das alles etwas klarer wäre, dann hätten wir es vermutlich auch weniger mit den ganzen Karriere-Doctores zu tun, die frei nach Mephistopheles’ Motto verfahren: „Ein Titel muß sie erst vertraulich machen, // Daß meine Kunst viel Künste übersteigt …“. Mit Wissenschaft im engeren Sinne hat das indes nicht mehr allzu viel zu tun.

Fassen wir es so: Giovanni Trapattonis „Ich habe fertig“ läßt, was Sprachgewalt und Wortgewandtheit angeht, ein albernes „Ich habe promoviert“ weit hinter sich. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 09-04-21 Ei, Ei, Ei …

Eine kurze Geschichte der Zeit.

Zeit ist relativ. Eingeweihten Kreisen ist das seit der Veröffentlichung von Einsteins Spezieller Relativitätstheorie klar. Das war 1905. Interessierte Laien haben das spätestens mit Stephen Hawking’s ›Kurzer Geschichte der Zeit‹ im Jahre 1988 erfahren. Manchmal allerdings wünscht man sich die Zeit dann doch ein wenig absoluter.

So hat Bolle am Montag vor Ostern selbstgefärbte Ostereier auf den Weg gebracht. Montag bis Gründonnerstag, so die Kalkulation, das sind drei Tage. Sollte also locker reichen. Falls nicht, bliebe als Ausweichtermin ja noch der Sonnabend vor Ostern. Das besondere dabei: Zwei der Päckchen waren an Haus und unmittelbares Nachbarhaus adressiert – was einen Vergleich der Postlaufzeiten enorm erleichtert. Paket Nummer Eins kam, wie erwartet, Gründonnerstag an. Paket Nummer Zwei nicht. Sonnabend? Fehlanzeige. Also Ostern ohne Eier. Dann eben am Dienstag nach Ostern? Wieder Fehlanzeige. Mittwoch auch nicht. Gestern allerdings, am Donnerstag, dann doch: Voll das Überraschungs-Ei. Zwar war die Osterdeko mittlerweile längst abgeräumt. Doch wollen wir nicht übertrieben kleinlich sein.

Der Zustand der Eier? Bolle hatte sie verpackt, wie man das sonst nur mit Formel-1-Piloten macht. Und immerhin: drei von sechsen haben überlebt. Wie die Post es geschafft hat, 50 Prozent der Eierpopulation in einer äußerlich intakten Hülle zu zerdeppern, ist und bleibt Bolle ein Rätsel. Eier-Weitwurf? Eiertanz? Wir wissen es nicht.

War früher alles besser – damals, als DHL noch ›Deutsche Bundespost‹ hieß und angelernte, abgehetzte Dienstleister noch gemütliche und „alimentierte“ (bei Juristen heißt das wirklich so) Staatsdiener nach den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ (Art. 33 Abs. 5 GG) waren? Wenn an dem Kalenderspruch was dran ist: dann wohl eher nicht – oder jedenfalls nicht sehr. Halten wir fest: Die Welt ist schlecht. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Mi 06-01-21 Breaking News, zum zweiten …

Breaking News, zum zweiten …

Wir hatten uns bereits am 25. Dezember, also mittenmang in den Weihnachtstagen, kurz mit dem Thema befaßt (Fr 25-12-20 Breaking News). Damals ging es darum, daß sich staatliche Sendeanstalten erfrechen, mitten in einer Weihnachtskomödie einen Kriechtext einzublenden – der ebenso störend wie belanglos war. Natürlich läßt sich alles toppen, wenn man es drauf anlegt. So geschehen gestern abend. Da ging es um ein heiteres Ratespiel. Wenige Minuten vor dem Ende der Sendung – also kurz vor der Auflösung, welches Team denn gewonnen haben wird – kam, wuusch und mit dem üblichen Täterätä, eine komplette Nachrichten-Sendung als „Breaking News“. Inhalt? Völlig uninteressant — irgendwas mit Corönchen halt. Und selbst wenn: Wenige Minuten später hätte man das alles auf einem Partnersender ebenso gut im Rahmen des regulären Programms verfolgen können, so einem denn danach lechzt. Das ganze wurde obendrein damit anmoderiert, daß das ja wohl „alle“ interessiere. Nein, tut es nicht. Zumindest Bolle interessiert das nicht die Bohne. Und allein damit ist „alle“ logisch widerlegt. Aber das ist wohl schon wieder ein anderes Kapitel.

Fr 25-12-20 Breaking News

Breaking news …

Da guckt man nachmittags zur mentalen Einstimmung auf den Heiligen Abend gemütlich eine Weihnachtskomödie (hier: Weihnachten … ohne mich mein Schatz // D 2011 // mit Henry Hübchen und Jutta Speidel) – und dann so was. Mitten in der laufenden Sendung kriecht ein Text durchs Bild, um, wie hier im Beispiel, Belanglosigkeiten zu verkünden. „Monster-Meteor kollidiert in zwei Stunden mit der Erde“ würde Bolle ja noch halbwegs einleuchten. Obwohl: wissend, daß zwei Stunden später der Erde letztes Stündlein schlagen wird, würde Bolle gleichwohl getrost den Film zu Ende gucken wollen. Was denn sonst? Beten vielleicht? Also wieder nichts mit „breaking news“.

Also, was soll das? Soll das jetzt romantische Ironie sein? Brecht’scher Verfremdungseffekt?  Oder derangiert hier Turbo-Journalismus zum Selbstzweck? Bolles Gegengift: Journalisten aller Länder, entschleunigt Euch. Die Nachrichten laufen Euch nicht weg. Die Zuschauer wahrscheinlich auch nicht. Aber das ist schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 12-10-19 Brexit

Bernhard und der Brexit

„Bernhard und der Brexit“. Mit diesem Titel macht eine Zeitung, die sich selber für ein Qualitätsblatt hält, allen Ernstes auf. Brexit kennen wir. Aber wer ist Bernhard? Bernhard ist, wie sich herausstellt, ein LKW-Fahrer, der sein Leben damit verbringt, von Niedersachsen nach England zu fahren, und zurück, und wieder hin und wieder zurück. Er selbst hält das für „Freiheit“. Bolle hält das für Sisyphos. Aber was soll’s: Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Übrigens – auch das erfahren wir, ist Bernhard „ein ruhiger Mittfünfziger mit Henriquatre-Bart und Geheimratsecken“. Wie gesagt: Wir befinden uns hier inmitten einer Titelgeschichte einer angeblichen Qualitätszeitung. Bolle meint: Geht’s noch?

Ein harter Brexit würde nicht nur sein Leben abrupt verändern, sondern auch den Handel in Europa.

Was will der Autor uns damit sagen? Daß ein harter Brexit von Übel ist, weil er Bernhard aus seinem Trott reißen würde? Oder weil er zumindest „den Handel in Europa“ verändern würde, und zwar „abrupt“? Der „Handel in Europa“, so erfahren wir, ist

„eine Maschinerie aus Abertausenden Trucks, die Nacht für Nacht vom Kontinent ins Vereinigte Königreich rollen, immer entlang fein austarierter Zeitpläne.“

„Abertausende Trucks“, und das „Nacht für Nacht“. Und obendrein „fein austariert“. So etwas ist natürlich definitiv erhaltenswert. Fragt Greta. Und warum ist das so?

„Just in Time“ heißt das Fertigungsprinzip. Es spart Lagerkosten und kann die Produktivität steigern.

Daß „Just in time“ Lagerkosten spart, ist unbestritten. Und? Was macht es sonst noch so? Die Lagerkosten verschwinden natürlich nicht einfach – sie verlagern sich lediglich auf die Autobahn, Nacht für Nacht. Tagsüber übrigens auch. Da freut sich der Unternehmer und die Allgemeinheit zahlt die Zeche. „Externalisierung von Kosten“ nennt das der Fachmann – der sich dabei übrigens nicht einmal mehr wundert. Auch die Laien haben ja längst aufgehört zu staunen. Daß es aber die Produktivität steigern soll, wenn Bernhard Stunden über Stunden – im Grunde sein ganzes Berufsleben – mit den „immergleichen 84 km/h auf dem Tacho“ über die Autobahn geistert, mag getrost bestritten werden. Indes: „Produktivitätssteigerung“ klingt immer gut.

Joostberends tuckert über eine Nebenroute: Auf der Autobahn staut sich der Verkehr selbst zu normalen Zeiten. Kaum breiter als sein Scania ist das Sträßchen, Schlagloch an Schlagloch.

„Joostberends“ – so heißt Bernhard mit Nachnamen. Das also ist Bernhards Konzept von „Freiheit“: Über Straßen zu tuckern, die für Fußgänger und Pferdekutschen ausgelegt sind – aber nicht für Bernhards 40-Tonner. Auch das ist definitiv eine Externalisierung von Kosten.

Was also ist zu tun? Gar nicht mal soo viel: Erstens: Wir machen Schluß mit dem ganzen Just-in-Time-Crap. Wer Lager braucht, soll Lager bauen – und zwar nicht auf der Autobahn und auch nicht auf irgendwelchen „Sträßchen“ in Südengland. Zweitens: Wer produzieren will, soll produzieren – und nicht Bauteile zusammenschrauben, die er in ganz Europa zusammengekauft hat. Drittens: Wenn es sich ausnahmsweise nicht vermeiden läßt, Zwischenprodukte über weitere Strecken zu transportieren, dann doch bitte nicht mit Bernhard – es sei denn, Bernhard schult um zum Lok-Führer.

Noch knapp drei Wochen bis Halloween.

So endet der Beitrag. Daß ausgerechnet zu Hallowe’en ein Spuk auch mal enden könnte – das ist die erste gute Nachricht. Und daß ausgerechnet die Briten einen Beitrag dazu leisten werden – Iren mit ihrem Hallowe’en sind ja zumindest assoziierte Briten –, das ist die zweite. Gruß an Greta. Aber das ist ein anderes Kapitel.