Bei manchem, was die lieben Mitmenschen im allgemeinen und die politische Klasse im besonderen so treiben, könnte man glatt von schierer Bosheit ausgehen. Von finsterer Gesinnung, gar. Allein da ist Hanlons Heuristik vor – eine Finderegel zur Erkenntnisgewinnung, derzufolge man es regelmäßig erst einmal mit der Annahme von klassischer Dummheit probieren sollte. Erst, wenn Dummheit allein das Verhalten nicht hinreichend erklären kann, sollte man Bosheit in Betracht ziehen.
Als aufgeschlossene Agnostiker allerdings wollen wir zunächst die Begriffe klären. Dabei sei unter ›Dummheit‹, wie stets, das kognitive Unvermögen verstanden, Gegebenheiten bzw. Zusammenhänge zu erkennen. Man könnte auch sagen, Dummheit ist eher spärlich entwickelte prognostische Kompetenz: Jemand tut etwas, ohne vernünftig abschätzen zu können, wohin das führen wird. Hinterher, wenn das Kind dann im Brunnen liegt, gibt es regelmäßig die üblichen langen Gesichter: Das haben wir nicht gewollt – das haben wir nicht wissen können. Bolle meint: Hättet ihr wohl.
Bei ›Bosheit‹ gestalten sich die Dinge etwas schwieriger. Vom Wortstamm her hat Bosheit mit ›böse‹ zu tun. Da Bolle aber nicht so recht an Gut und Böse glauben mag (vgl. dazu etwa So 16-06-24 Ein Hauch von Hollywood), hilft uns das nicht weiter. Ergiebiger ist da Adam Smith. Gleich eingangs seiner ›Theorie der ethischen Gefühle‹ (1759) heißt es:
Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis machen, obgleich er keinen anderen Vorteil daraus zieht, als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein.
Nennen wir dieses Vergnügen ›Wohlwollen‹, dann bietet sich als Gegenstück ›Übelwollen‹ geradezu an. Bosheit wäre demnach Übelwollen – das Vergnügen also, Zeuge davon zu sein, wie es anderen schlechtgeht – regelmäßig verbunden mit der Bereitschaft, dem gegebenenfalls ein wenig nachzuhelfen.
Noch viel weitreichender als schlichte Dummheit ist allerdings das, was Bolle Mappa mundi vitiosa, also kaputte Weltkarte, zu nennen pflegt. Dabei handelt es sich um nichts weiter als die Welt III, also das Weltbild, das sich einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) im Laufe der Zeit zu eigen gemacht hat und das er mit schönster Regelmäßigkeit mit Welt I, also der Welt, konfundiert. Dabei dürfen wir nie vergessen, daß Welt III handlungsleitend ist. Um dem geneigten Leser das virtuelle Blättern zu ersparen, sei das Drei-Welten-Modell hier noch einmal abgebildet.
Wer also – um nur ein einziges Beispiel herauszupicken – eine Aussage wie etwa „Die Vereinigten Staaten sind unser Freund“ mit einem überzeugten „Yes, of course“ beantworten kann, wird ein anderes Verhalten an den Tag legen als jemand, der das nicht so sieht. Statt sich also über Bosheit oder zumindest Dummheit zu echauffieren, macht sich Bolle zunehmend einen Spaß daraus zu erkunden, welche Glaubenssätze einem gegebenen Verhalten wohl zugrundeliegen mögen – weil es anderenfalls schlechterdings unerklärlich wäre.
In absoluten Härtefällen, wenn also die Erklärungskraft einer Mappa mundi vitiosa verblaßt, spricht Bolle auch gerne von Mappa mundi friata – also einem vollends zerkrümelten Weltbild. Das einzige, was eine solche Karte noch zusammenhält, ist der unerschütterliche Glaube der Personen oder Organisationen, die sich ihrer – aller Fehlschläge im wirklichen Leben zum Trotze – unverdrossen und beherzt bedienen. Schließlich läßt sich die Welt nicht nur schönsaufen, sondern geflissentlich auch schönsäuseln. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.