Ostermontag 01-04-24 Frohe Ostern, urbi et orbi!

Ab ovo.

Und schon wieder stellen sie sich ein, die letzten Reste vom Osterfeste. Höchste Zeit also für unsere diesjährigen Last-minute-Grüße an unsere ebenso treue wie geneigte Leserschaft. Überhaupt gibt es Zeiten, wo einem die Soll/Ist-Diskrepanzen mit momentanen Transformationsbarrieren – vulgo ›Probleme‹ – schneller zuwachsen wollen als Lösungen sich einzufinden gewillt sind. Aber will man es sich anders wünschen? Eigentlich doch nicht. Bolle jedenfalls hält es mit dem Motto ›Lose your streams and you will lose your mind‹.

Zur Vorbereitung auf das Osterfest der Christenmenschen hat sich Bolle einmal mehr und extra gründlich in die Bibel vertieft – und zwar gewissermaßen ab ovo. Angefangen mit der Genesis (1. Buch Mose), of course, weiter mit dem Exodus (2. Buch Mose), dem Leviticus (3. Buch Mose), und so weiter und so weiter. Rechtzeitig zum Feste hatte sich Bolle dann plangemäß immerhin bis zu den Evangelisten Matthäus und Markus einschließlich ihrer Ostergeschichten – oder muß es heute „Erzählungen“ heißen? – durchgehört.

Dermaßen gründlich alttestamentarisch gestählt konnte es Bolles Aufmerksamkeit kaum entgehen, daß Jesus von Nazareth einfach nur versucht hat, das religiöse Bollwerk ein wenig menschengerechter aufzufrischen. Man mag ja von dem Alten halten, was man will: Ein Motivationspsychologe war er ganz sicher nicht. Das ganze Alte Testament ist durchsetzt mit Vorschriften über Vorschriften, deren Sinn sich dem sprichwörtlichen Juden auf der Straße (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) unmöglich hat erschließen können. Da war das Wort der Würdenträger vor. Ein Beispiel soll genügen: Darf man am Schabbes Gutes tun? Oder soll man strikt rein gar nichts machen? Allgemeiner formuliert: Soll die Religion dem Menschen dienen – oder der Mensch der Religion?

Wenn aber – und wir meinen ausdrücklich wenn – Jesus Gottes lieber Sohn war, dann kann es sich bei der gesamten Oster-Inszenierung eigentlich nur um eine Art von mißglückter Imagekampagne gehandelt haben, um die jahrtausende alten Dauerspannungen zwischen dem Hirten und seinen auserwählten Schäfchen gründlich und nachhaltig zu entschärfen. Zuzutrauen wäre es dem Alten durchaus – siehe Altes Testament. Und hätte auch funktionieren können. Allein es sollte anders kommen. So machen die Christenmenschen heute ein Drittel der Weltbevölkerung aus, die Juden liegen so um die 0,1 oder 0,2 Prozent – womit natürlich keinerlei Aussage über die Qualität der jeweiligen Religion verbunden sein soll. Derlei stünde einem Agnostiker ohnehin ganz schlecht zu Gesichte und sei uns schon von daher furchtbar ferne. Gleichwohl darf das strategische Ziel – falls es denn eines gab – nach allem als durchaus verfehlt gelten.

Übrigens läßt sich die Bibel in der Hörbuchfassung in gerade einmal 87½ Stunden goutieren. Manchem mag das viel erscheinen. Allerdings ist es leicht zu schaffen, wenn man (nur zum Beispiel) einen dreiwöchigen Strandurlaub nutzt und sich dabei täglich 4 Stunden Lektüre gönnt – statt nur die Plauze bräsig nach der Sonne auszurichten. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 20-12-23 Das zwanzigste Türchen …

Weniger mag manchmal mehr sein …

Neulich hatte Bolle ein vorweihnachtliches Telephongespräch mit einem befreundeten älteren Herrn, der langsam, aber sicher auf die 80 zugeht. In Bolles Jugendtagen waren es die Großväter (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), die in einem solchen Alter waren – falls nicht längst von hinnen geschieden.

Nach einem einleitenden Bericht über altersbedingte Zipperlein und auch ernsthaftere Beschwerden fühlte sich Bolle veranlaßt zu fragen: Und? Was planst Du so für die nächsten 80 Jahre? Der ebenso freche wie subtile Humor – so war die Frage zumindest gemeint – blieb indessen vollends unerkannt, of course.

Bolle kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß es bei den meisten Leuten so eine Art eingebaute kognitive Sperre gibt gegen das Offenkundige: Wir werden geboren, wirbeln ein Weilchen mehr oder minder sinnlos durchs Leben – und verteilen uns dann ganz stieke wieder im Rest des Universums. Zum Glück, meint Bolle, kommt da nichts weg. Also kein Grund zur Panik. Das sehen in aller Regel selbst hartgesottene Agnostiker ein.

Technisch ausgedrückt: Manchen fehlt die Abbruchbedingung in der Kalkulation. Die Logik dahinter stellt sich Bolle in etwa wie folgt vor: Bis jetzt habe ich noch immer den jeweils folgenden Tag erlebt. Und weil das bislang immer so war, sehe ich keinen Grund anzunehmen, daß das heute anders sein sollte. Folglich werde ich den morgigen Tag erleben. Und morgen gilt nämliches. Folglich werde ich auch den auf morgen folgenden Tag erleben. Und so weiter, und so fort – ad infinitum. In Bolles Kreisen nennt man so etwas übrigens vollständige Induktion – ein bewährtes mathematisches Beweisverfahren, das allerdings außerhalb der Mathematik nur eingeschränkte Gültigkeit beanspruchen kann.

Bolle dagegen – um sich das alles besser vorstellen zu können – teilt das Leben anschaulich in vier Jahreszeiten ein, also Frühling, Sommer, Herbst und Winter, und ordnet jeder Jahreszeit pi mal Daumen 20 Jahre zu. Mit 60 wäre somit Winteranfang, sozusagen. Im Grunde Zeit, sich in seine Mupfel zurückzuziehen und ein wenig zu meditieren – statt zu sagen: Da geht doch noch mehr, eye! Mag ja sein. Muß aber nicht. Kurzum: bei solider kaufmännischer Kalkulation könnte man den Winter des Lebens als eine Art Draufgabe betrachten und als solche genießen, soweit der oft zunehmend erschlaffende Leib das zuläßt. Keinesfalls aber als etwas, auf das man einen wie auch immer gearteten Anspruch meint erheben zu können.

Im Grunde geht es also um Abrundung des Lebens als kontemplatives Ziel – statt kindisch zu quäken: Bääh! Will aber nicht! Gib mir mehr davon!

In eine wirklich feine epigrammatische Form gebracht – und dabei noch eins draufgesetzt – hat das übrigens Oscar Blumenthal (vgl. dazu Fr 24-12-21 Das vierundzwanzigste — und für dieses Jahr letzte — Türchen …)

Nun bin ich ledig aller Erdenplag‘ –
Mich kann kein Glück, kein Hoffen mehr betrügen.
Und wenn einst naht der Auferstehungstag –
Ich bleibe liegen.

Total so! Bolle meint: So geht gelungene Kontemplation, wenn nicht gar gelungene Integration in den Schöpfungsplan – für den sich Bolle im übrigen in keinster Weise verantwortlich fühlt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 19-12-23 Das neunzehnte Türchen …

12chen (Suchbild)

Nach unseren recht ausführlichen Ausführungen gestern hier, rein nachfragebedingt, noch ein kleiner Nachtrag zum Thema. Diesmal wollen wir uns aber kurz fassen.

Ein Einwand lief auf die Bequemlichkeit hinaus: Es könne ja wohl nicht angehen, zu jeder vollen Stunde einmal unter den Schreibtisch zu krabbeln. Das allerdings war nur symbolisch gemeint – zumal unter Schreibtischen meist viel zu wenig Platz ist, um darunter aufrecht und bequem (sthira-sukham) sitzen zu können.

Ein zweiter Einwand lief auf das Zeitmanagement hinaus: Ob es denn nicht eine kolossale Zeitverschwendung sei, von jeder einzelnen Stunde 5 Minuten abzuknapsen? Schließlich habe man zu tun. Die Antwort in Kürze und ohne Anspruch auf argumentative Ausgefeiltheit: Ach, i wo. Eher ist das Gegenteil der Fall. Das aber will empirisch erprobt sein.

Ein dritter Einwand war schon schwerwiegender: Ob es denn wirklich immer genau zur vollen Stunde sein müsse. Natürlich nicht. Gewisse Vorteile hat es dann ja doch, Agnostiker zu sein. Auch geht die Welt nicht unter, wenn mal ein 12chen ausfällt – einfach weil Zeit und Umstände es nicht zulassen. Hauptsache, die Richtung stimmt – wie Bolle in solchen Fällen zu sagen pflegt.

Schließlich allerdings gibt es durchaus Betätigungsfelder, wo es wirklich schwierig wird, sich angemessen um seine 12chen zu kümmern. Vergleiche dazu nicht zuletzt unser Suchbild oben. Im übrigen sind die 12chen seit Oktober 1995 – mehr oder weniger getreulich eingehalten – Bestandteil von Bolles kontemplativem Alltag. Unmöglich ist es also nicht! Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mo 18-12-23 Das achtzehnte Türchen …

Das 12chen (Symbolbild, of course …)

Wir hatten am letzten Mittwoch, eher beiläufig, die 12chen erwähnt (vgl. Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …). Nun ist es mit Andeutungen ähnlich wie mit Gerüchten: Sie wecken mitunter mehr Aufmerksamkeit als eigentlich beabsichtigt war. Dabei geht es hier mitnichten um Geheimes Know-How – auch nicht im weiteren Sinne. Und da wir ohnehin unter uns sind, soll es an ein paar klärenden Worten nicht fehlen.

Die 12chen heißen 12chen, weil sie den 12. Teil der wachen Lebenszeit in Anspruch nehmen. Das ergibt sich rein arithmetisch: 5 min pro voller Stunde (entsprechend 60 min) ergibt nun mal ein zwölftel. Demnach müßten sie eigentlich, wenn es nicht sinnlos sperrig wäre, Zwölftelchen heißen. Tun sie aber nicht. Allein das soll uns hier nicht weiter bekümmern, denn erstens kommt es darauf nicht an, und zweitens ist Sprache ohnehin selten sonderlich logisch.

Worauf es dagegen ankommt, ist, zumindest nach Bolles Ansicht, einen gewissen kontemplativen Abstand zu wahren zu der um einen herum wogenden Welt (vornehm: vita activa). Ansonsten nämlich kriegt man leicht einen Knall – zumindest auf Dauer.

Technisch gesehen sind die 12chen alles andere als anspruchsvoll. Abstand nehmen – und nur das – ist der Dreh- und Angelpunkt. Das erreicht man, indem man in eben jenen 5 Minuten etwas grundsätzlich anderes macht als in der restlichen Stunde seines aktiven Lebens. Dabei empfiehlt es sich, zumindest einen Raum-Anker zu setzen (wie die NLP-Leute das nennen würden). Wer also beispielsweise den ganzen Tag am Schreibtisch verbringt, sollte sich – so viel Zeit muß sein – in einen Nebenraum begeben. Wer keinen Nebenraum zur Hand hat, könnte sich – das ist durchaus eine Möglichkeit –  zum Beispiel unter den Schreibtisch setzen. Hauptsache weg!

Und? Was tut man dann da unter dem Schreibtisch? Eigentlich nur Abstand nehmen. Wer unbedingt was zu tun braucht, mag es mit Atmen probieren. Atmen und zählen, zum Beispiel. Bolle für sein Teil würde bis 10 zählen – zehn mal einatmen, zehn mal ausatmen … Und schon sind die 5 Minuten um.

Wie sitzen? Eigentlich wie immer für solche Zwecke: aufrecht und bequem. Die Alten (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) übrigens nennen das seit jeher sthira-sukham-asanam. Aber auch darauf kommt es nicht weiter an. Sitzen, das kann der Fersensitz sein – mit oder ohne Yoga-Bänkchen –, der Schneidersitz oder auch ein halber Lotus (mit oder ohne Pölsterchen für das Popöchen). Wer auf diese Weise unmöglich bequem sitzen kann, mag sich notfalls mit einem Stuhl begnügen. Allerdings sollte das (siehe oben) nicht der Stuhl sein, auf dem man ohnehin die ganze Stunde gesessen hat – von wegen Abstand, Raum-Anker.

Wem nach einer Stunde am Schreibtisch nach ein wenig Recken und Strecken zumute ist: Bitteschön. Dann atmet man eben nur 5 mal, bis die 5 Minuten um sind.

Ach so: Eieruhr stellen nicht vergessen. Schließlich wollen wir wissen, wann es wieder Zeit ist für das aktive Leben, ohne zwischendurch auf eine Uhr schielen zu müssen. Aber wer ein Handy hat, hat auch eine Eieruhr.

Ein Moslem – die machen ganz ähnliche Dinge, wenn auch mit sehr viel mehr Vorgaben verbunden – hat es Bolle bei einer Taxifahrt durch Kairo einmal wie folgt erklärt: „Ich komme gar nicht so recht dazu, was Schlechtes zu tun. Kaum will ich damit anfangen, ist schon wieder Zeit für mein Gebet. Und danach kann ich unmöglich so weitermachen.“ Wie man sieht – Abstand hilft. In jeder Hinsicht. Egal, unter welcher Flagge. Warum also nicht auch agnostisch? Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 16-12-23 Das sechzehnte Türchen …

Wer nicht fragt, bleibt dumm …

Und wieder gibt es Anlaß zu einer Jubelmeldung in eigener Sache: agenda 2028 feiert heute ihren 10. Geburtstag als juristisch vollwertiger Mensch, sozusagen. (vgl. dazu So 15-01-23 agenda 2028: 11 Jahre nun schon – and still going strong …).

Als Schildchen haben wir zur Feier des Tages einen Schnipsel gewählt, den Bolle vor einiger Zeit schon rein zufällig bei einem Party-Smalltalk aufgeschnappt hatte.

Zu einem solchen Anlaß sollte man vielleicht einmal mehr einen Schritt Abstand nehmen von der lauten und lärmenden Welt und sich fragen: Was tun wir hier eigentlich? Oder eben, deutlicher noch im Duktus: Wie verdödeln wir so unser Leben?

Die Frage nach dem guten, oder gar gottgefälligen Leben ist uralt, of course. Von Echnaton, der schon um 1.350 v. Chr. eine monotheistische Religion durchsetzen wollte – und damit womöglich Mose schwer beeindruckt hat – über Buddha (um 500 v. Chr.) bis zum Erlöser der Christenmenschen, of course, und weiter noch bis hin zu Mohammed (um 600 n. Chr.).

Von den vielen Philosophen, die sich parallel zu den Religionsstiftern einschlägig betätigt haben, wollen wir hier gar nicht erst anfangen. Es sind derer einfach zu viele.

Apropos viele: Ob viel dabei herausgekommen ist bei all diesen Bestrebungen, mag wohl im Auge des Betrachters liegen. Bolle jedenfalls beschleicht regelmäßig der Verdacht, daß selbst über Ziel und Zweck des guten Lebens bislang wenig Einigkeit besteht. Soll es darum gehen, möglichst munter und recht froh durchs Leben zu laufen – ganz viel Spaß zu haben, wie das heutzutage heißt? Hören wir, wie Mephistopheles das sieht:

Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier’gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zugrunde gehn!

Oder soll es, glühwürmchen-like, darum gehen, die jeweiligen Werte – etwa Friede, Freude, Eierkuchen, Demokratie und Fortschritt – mit aller Macht zu verteidigen? Kurzum: das Böse in der Welt nach Kräften auszurotten? Sancta simplicitas, meint Bolle da nur.

Oder geht es gar darum, ein Leben für die Ewigkeit zu leben? Etwa indem man wichtige Werke hinterläßt? Möglichst hochbegabte Kinder? Oder zumindest ewige Höllenqualen vermeidet? Die Menschheit nachhaltig beglücket? Wir wissen es nicht.

Wenn’s zum Schwur kommt, neigt Bolle ja dazu, mit den drei Töchtern der Philosophie zu flirten:

Die Wahrheit liegt –
kaum anders als die Schönheit –
im Auge des Betrachters.
Und so nach allem auch die Ethik.

Kurzum: Die Welt ist letztlich ein Gefühl. Umgekehrt bedeutet das: Gar nichts, oder nur sehr wenig fühlen kann es demnach auch nicht sein. Darum ja der gelegentliche Abstand, die Kontemplation – was immer auch dabei herauskommen mag. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 14-12-23 Das vierzehnte Türchen …

Schöner scheißen.

Gestern war Bolle bummeln. Und wie es manchmal so gehen mag, entdeckt man Dinge, die kannte man bislang noch nicht. Zum Beispiel einen Basketball-Korb fürs Häusl (wie man das in Österreich zu nennen pflegt).

Als erstes kam Bolle natürlich Sokrates in den Sinn: „Ich finde es immer wieder erstaunlich, was die Athener alles brauchen.“ (vgl. dazu auch Sa 10-04-21 Wir müssen leider draußen bleiben). Dann, gewissermaßen on second thought, mußte Bolle an Moshé Feldenkrais denken. Der meinte seinerzeit in seinem ›Bewußtheit durch Bewegung – Der aufrechte Gang‹ (1967), daß sich so ziemlich alle menschlichen Betätigungen in drei Stufen unterteilen lassen: die natürliche Art und Weise, wie einer etwas macht, die individuelle Herangehensweise und schließlich die systematische, professionalisierte Methode. Dabei, so Feldenkrais weiter, sei es so, daß je fundamentaler eine Tätigkeit sei, desto später gelange sie in das systematische Stadium. Als Beispiel nennt er dabei „Gehen, Stehen und andere fundamentale Tätigkeiten“. Wenn Bolle das richtig verstanden hat, wäre hier ›scheißen‹ unbedingt noch anzufügen.

Unter kontemplativen Gesichtspunkten will es Bolle mehr als fraglich erscheinen, das stille Örtchen in eine Mini-Basketball-Arena zu verwandeln. Auf daß man ja nie jemals zu sich kommen möge.

Entschiedener noch sind da, einmal mehr, die Zen-Leute. Hier die einschlägige Szene aus Janwillem van de Weterings ›Der leere Spiegel – Erfahrungen in einem japanischen Zen-Kloster‹ (1972). Dort meinte der Vorsteher (also so eine Art Obermönch):

„Was du auch tust, tu es, so gut du kannst. Und sei dir bewußt, was du tust. Tu nicht zwei Dinge auf einmal, zum Beispiel pissen und dir die Zähne putzen.“

Nun, Zen-Geist ist Anfänger-Geist. Und so ließe sich das Tun auf dem Häusl wohl ohne weiteres als Vorstufe zu den 12chen auffassen. (vgl. dazu den Eintrag von gestern, Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …). Rein zeitlich – und möglicherweise auch vom Kontemplationspotential her – kommt es ja so ziemlich hin. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …

Total so …

Und schon kommen wir in die zweite Halbzeit unseres agnostisch-kontemplativen Adventskalenders für dieses Jahr. Kinder, wie die Zeit vergeht. Ein wenig hat unser heutiges Schildchen mit dem von gestern zu tun. Allerdings setzt es vielleicht noch eins drauf. Es handelt sich dabei um einen Dialogfetzen zwischen einem mexikanischen Indianer unbekannter Herkunft – einem Wilden, sozusagen – und einem Mann der Wissenschaft westlicher Prägung.

Der Mann der Wissenschaft reagierte nach eigenem Bekunden verärgert: Natürlich werden wir alle sterben. Das ist mir klar. Folglich macht es keinen Sinn, sich deswegen’n Kopp zu machen. Die Replik des Wilden kam stante pede – und hart, aber trefflich: Wenn dies deine letzte Schlacht auf Erden wäre, dann würde ich sagen, daß du ein Narr bist. Du verschwendest deine letzte Tat auf Erden auf eine törichte Laune.

Das klingt natürlich alles wie aus dem ›Leitfaden für Erlöser – Hinweise für die fortgeschrittene Seele‹, wie es Richard Bach in seinen ›Illusionen‹ so trefflich gefaßt hat, und ist sicherlich eher harter Tobak. Aber warum nicht jetzt, inmitten der besinnlichen Weihnachtszeit, ein wenig kontemplieren oder zumindest darüber nachdenken? Wie meint doch Bolle gleich so gerne? Nachdenken nützt. Und wenn es nicht beim Nachdenken bleibt: um so besser. Genau aus diesem Grunde pflegt Bolle ja seine 12chen – eine regelmäßige 5-minütige Abkehr von den Wirren der Welt, möglichst zu jeder vollen Stunde. Das geht natürlich nur, soweit Zeit und Umstände es zulassen, of course. Gleichwohl ist es ein probates Gegengift gegen törichte Launen im weitesten Sinne. Auch – und das ist tröstlich – reagiert das Universum in aller Regel recht wohlwollend, falls der Yogi (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) die nötige Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit an den Tag legt. Und tut auch gar nicht weh. Also: Nur Mut – und gutes Gelingen!

Nun kann es natürlich passieren, daß irgend so ein Glühwürmchen, das zufällig diese Zeilen liest, auf die Idee verfallen könnte zu meinen, daß es unschicklich sei, „Indianer“ zu sagen. Es müsse schließlich ›Mitglied einer indigenen Bevölkerungsgruppe‹ heißen. Allein das wollen wir hier nicht weiter kommentieren. Das nämlich wär‘ dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 12-12-23 Das zwölfte Türchen …

Form und Inhalt.

Vor lauter vorweihnachtlicher Kontemplation wollen wir nicht vergessen, daß es auch noch andere Leute gibt auf der Welt. Leute, die mit dem Erlöser der Christenmenschen jetzt nicht soo viel am Hut haben. Leute etwa, denen das gesamte Erlöser-Konzept an sich eher fremd ist. Zen-Leute, zum Beispiel.

In solchen Sphären kreisend, mußte Bolle gestern, mitten im Weihnachtsrummel, an seinen lieben guten alten Zen-Meister denken. Und so ergab eines das andere. Bolle mußte daran denken, wie er damals – Berlin war seinerzeit noch proper von einer Mauer umrundet – jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe mit seinem alten Strich-Achter (Mercedes-Benz-Baureihe von 1968 bis 1976) von Kreuzberg nach Steglitz gedüst ist – nur um ein Stündchen auf seinem Zafu (Sitzkissen) zu sitzen und stille zu schweigen. Danach gab es Tee – von tüchtigen Novizen in einem Nebenraum gelassen, aber doch zeremoniell angerichtet. Und? Was machte der liebe gute alte Meister? Steckte sich ein Zigarettchen an. Wer wollte, tat es ihm gleich. Für Aschenbecher war gesorgt. Bolle fand das einen höchst charmanten, geradezu kultivierten Unterschied zu seinem Yoga-Umfeld, in dem Rauchen als sowas von pfui-bäh galt. „Wo man raucht, da laß Dich nieder“, ging es Bolle durch den frisch aufgeräumten Sinn.

Und sonst? Die Straßen waren noch bequem befahrbar. Parkraumbewirtschaftung? Noch nicht erfunden. Parkplätze gab es überall und reichlich. Auto abschließen? Nicht unbedingt nötig. CO2? Gab es wohl damals schon. War aber nicht weiter der Rede wert. Glühwürmchen? Liefen unter ferner liefen, wenn überhaupt. Kurzum: Irgend etwas – dieser Schluß scheint unabweisbar – ist da seitdem in die Binsen gegangen. Ach ja: Damals, damals, sagen die Leute …

Dann zurück nach Kreuzberg. Für Bolles WG übrigens hatten seine morgendlichen Exkursionen den nicht geringzuschätzenden Vorzug, daß es – immer noch in aller Herrgottsfrühe – täglich frische Schrippchen gab. Und zwar ehrliche Schrippchen – ohne Körner, ohne Dinkel, und schon gar nicht vegan. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Ostersonntag 09-04-23 Frohe Ostern, urbi et orbi!

Lachen und Scherzen // Begleitet die Herzen, // Denn unser Heil ist auferweckt.

Kenner werden es erraten haben: Bei unserem heutigen Schildchen handelt es sich um einen Ausschnitt aus der Partitur zu Bachs Oster-Oratorium. Das ist sozusagen die Bach’sche Kurzfassung (etwa eine dreiviertel Stunde) zur Einstimmung auf das Osterfest. Wer es ausführlicher mag, sei auf die Matthäus-Passion verwiesen (etwa 2¼ Stunden). Beides läßt sich leicht und locker auf YouTube finden – das Oratorium in der von Bolle geschätzten Interpretation von Sir John Eliot Gardiner etwa hier:

Die Geschichte – oder das „Narrativ“, wie man heute sagen würde – ist hinlänglich bekannt. Der Heiland der Christenmenschen in spe wurde zwei Tage zuvor, übrigens auf Veranlassung jüdischer Kleriker, von den Römern wegen Häresie an ein Kreuz genagelt, um dort erwartungs- und bestimmungsgemäß zu verscheiden. Allein damit sollte es nicht sein Bewenden haben. Zwei Tage später war der Heiland fort. Mögliche Erklärungen: a) Leichenraub oder eben b) Auferstehung.

Während die jüdischen Hohenpriester eindeutig die Version a) favorisierten, fanden Jesu Anhänger Version b) plausibler. Wörtlich heißt es dazu bei Matthäus 28, 12 ff. (in der Fassung der Lutherbibel 1912):

„Und sie kamen zusammen mit den Ältesten und hielten einen Rat und gaben den Kriegsknechten Gelds genug und sprachen: Saget: Seine Jünger kamen des Nachts und stahlen ihn, dieweil wir schliefen.“ Mehr noch: „Und sie nahmen das Geld und taten, wie sie gelehrt waren. Solches ist eine gemeine Rede geworden bei den Juden bis auf den heutigen Tag.“ (Matth. 28, 15).

Hier haben wir es also einmal mehr nicht nur mit einem frühen Fall von Korruption zu tun, sondern auch mit einem Anwendungsbeispiel unserer „Wirklich wahr“-Matrix:

Sind die Gläubigen nun Verschwörungsopfer, weil sie Unsinn für wahr halten? Oder sind, im Gegenteil, die Hohenpriester Verblödungsopfer, weil sie die Wahrheit („Jesus lebt“) nicht wahrhaben wollen?

Da tut es gut zu wissen, daß man sich als Agnostiker nicht zwischen „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ entscheiden muß. Vielmehr bleibt einem eine durchaus wohltuende dritte Möglichkeit: ME: „Wer bin ich, das zu entscheiden?“ Damit kommt man der Wahrheit nicht selten am nächsten. Das alles ist dann aber doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Ostern, also! Glaubt doch, was Ihr wollt!

Sa 04-02-23 1.000 Tage Dämlichkeit …

Total so!

Kürzlich war Bolle bei einem Neujahrsempfang mit angeschlossener Mitgliederversammlung. Kur und Kür aufs Innigste verwoben, sozusagen. Im Grunde kommt man da ja gerne. Nach drei Jahren Corönchen-Exzeß war sich Bolle allerdings unschlüssig, ob er die Kür nicht lieber sausen lassen und die Kur der neuen Verbandsfürsten nicht lieber per Stimmübertragung erledigen sollte. Eine Party mit Maske vorm Mäulchen wäre nämlich so ziemlich das letzte, was Bolle zu goutieren weiß. Wie soll man da gepflegt ein Zigarettchen rauchen? Von anderen diversen Kalamitäten bzw. Unwürdigkeiten mal ganz zu schweigen.

Allein es sollte anders kommen. Nicht nur, daß auf der Party niemand was von Masken-Mätzchen wissen wollte. Vor allem hatte die Verkehrsgesellschaft ihre „Zutritt nur mit Maske“-Schildchen nach genau 1.011 Tagen (!) pünktlich zur Party endlich wieder abmontiert. Freie Fahrt für freie Bürger! – um mal einen ADAC-Slogan von 1974 in einen zeitgemäßen Zusammenhang zu stellen. Immerhin hat die schiere Zahl der Tage (wer zählt sowas eigentlich?) Bolle zur heutigen Titelfindung inspiriert – in Anlehnung an Gabriel García Márquez‘ Roman aus ebenjener Zeit (1970), of course.

Im übrigen findet Bolle: Stoa – nie war sie so wertvoll wie heute. Begründet um 300 v. Chr., sollte es noch etwa 2.000 Jahre dauern, bis es Friedrich von Logau gelingen wollte, die Quintessenz auf fünf schlanke Zeilen zu verdichten. Bolle hält ebendiese fünf Zeilen für ein geradezu magisches Gegengift gegen das „Miep, wir werden alle sterben“-Mantra der Corönchen-Schisser jedweder Couleur (und beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course). Aber vielleicht sieht Bolle das auch zuu streng.

Der Stoa-Slogan jedenfalls hat sich geschmeidig in Anlehnung an einen Werbeslogan für Schnaps-Ersatz aus dem Jahre 1925 ergeben. Daran kann sich Bolle noch lebhaft erinnern – wenngleich er auch damals schon einen ehrlichen Whisky als Muskel- bzw. Seelenrelaxans vorgezogen hat. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.