So 29-06-25 Rechtes Rechnen

Mein Gott – Mathe …

Es ist noch gar nicht allzu lange her, da ging es uns um die Kunst vorausschauenden Fahrens nebst der Unmöglichkeit, es in selbiger zur Meisterschaft (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) zu bringen, wenn es einem an Scharfsicht gebricht (vgl. dazu So 27-10-24 Vorausschauend fahren! Können vor Lachen). Unser Fazit seinerzeit: Wer kurzsichtig ist – und sei es auch nur leicht – tut gut daran, selbiges zur Kenntnis zu nehmen und keine Karriere zum Beispiel als Rennfahrer anzustreben. Er wäre stets nur zweite Wahl – und auf die Dauer gar nicht glücklich.

Damals meinte Bolle, faustgestählt, in Anbetracht einer Rüge seines Fahrlehrers, das Schild da säh‘ er wohl, allein er könnt‘s nicht lesen – jedenfalls nicht auf die Entfernung. Damit hatte die Angelegenheit ihr Bewenden. Bolle hat seine Führerscheinprüfung anstandslos im ersten Anlauf bestanden, of course.

Was aber wäre gewesen, wenn Bolle anders reagiert hätte, etwa wie folgt: ›Schilder? Regeln überhaupt? Interessieren mich nicht.‹ Man nennt das wohl ›Aus der Not (der Kurzsichtigkeit) eine Tugend machen‹. Zugegeben, das klingt erst mal schrill. Allein, wenn man sich umguckt auf der Welt, scheint diese Masche, zumindest bei einigen Leuten, einigermaßen en vogue zu sein. Und, wie’s weiterhin scheint, durchaus auch mit gewissem Erfolg. Hier ein Beispiel, wie es Bolle vor Kurzem erst untergekommen ist.

Ein Mathelehrer wollte seine gymnasiale Oberstufe lehrplanmäßig mit der Familie der e-Funktionen vertraut machen. Als Anschauungsmaterial wählte er zwei Populationen – nennen wir sie Ping und Pong. Dabei ist Ping (rötliche Kurve) im Ausgangspunkt (auf der x-Achse Null) dreimal so stark wie Pong (blaue Kurve). Allerdings, so das Beispiel, vermehre sich Pong mit 3 Prozent jährlich, Ping dagegen nur mit 1 Prozent – also nur ein Drittel so sehr. Die zu lösende Aufgabe: Wie lange wird es dauern, bis Pong genauso stark ist wie Ping – und wie geht es dann weiter?

Nun, auch ohne uns mit der Familie der e-Funktionen vertraut machen zu müssen: Aus der Graphik läßt sich leicht ablesen, daß das schon nach 55 Jahren der Fall sein wird. Ab da schießt Pong (die blaue Kurve) buchstäblich durch die Decke. Und zwar so lange, wie sich an den Wachstumsraten nichts ändert.

Wie ging es weiter mit der Geschichte? Statt zu sagen: ›Potzblitz! Was sich alles rechnen läßt! Das ist ja interessant!‹ hieß es in Teilen der besorgten Elternschaft, das sei ja wohl sowas von rechter, wenn nicht gar rechtsextremer Mathematik. Unklugerweise nämlich hatte unser Mathelehrer die Aufgabe nicht an Ping und Pong, sondern an Einheimischen versus Zugereisten aufgezogen. Eine Zumutung! So etwas habe an einer höheren Lehranstalt natürlich nichts verloren. Der Lehrer müsse möglichst umgehend entlassen werden. Weg, weg, weg! Die armen Kinder! – und so weiter, und so fort.

Bolle sieht hier eine äußerst beunruhigende Parallele zu seiner fiktiven ›Was interessieren mich Regeln‹-Replik. Auch Regeln der Mathematik haben gefälligst politisch korrekt zu sein. Da sind Teile der Elternschaft offenbar selber nicht in der Lage zu rechnen – zumindest tun sie es nicht. Und wenn ihnen dann einer die Rechnung auf die sprichwörtliche Nase bindet, fühlen sie sich mitnichten bereichert – Heureka! – sondern in ihrem woken Weltbild aufgewühlt.

Und? Was macht der Journalismus 2.0 …? Stets auf der Suche nach Sensationen stürzt er sich mit Schwunge drauf – und bestärkt die Paragonisten damit in ihrer gerechten Empörung. Bolle meint, vermutlich kennt man dort die e-Funktionen ohnehin auch nur vom Hörensagen.

Natürlich ist das Phänomen an sich nicht neu. 1976 schon sahen sich Politikdidaktiker (welch ein Wort, by the way) veranlaßt, sich als Handreichung für das Lehrpersonal auf einen Beutelsbacher Konsensus mit drei Punkten zu verständigen. Erstens das sogenannte Überwältigungsverbot: Keinem Schüler soll eine Meinung aufgezwungen werden. Allerdings, meint Bolle, kann es durchaus passieren, daß sich der eine oder andere Schüler (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) gleichwohl von Mathe überwältigt fühlt. Zweitens das Kontroversitätsgebot: Was strittig ist, soll strittig bleiben. Ziel ist auch hier die freie Meinungsbildung. Allerdings findet Bolle, daß das ja wohl ein wenig aus der Zeit gefallen sei. ›Eine Meinung muß genügen: mehr hältste ja im Kopp nich aus‹ – und verweist dabei gerne auf Hauke Arachs ›Mensch, lern das und frag nicht‹ aus dem Jahre 2013 (vgl. dazu etwa So 22-09-24 Opinio et Reactio). Seitdem ist diesbezüglich ja wohl so einiges den Beutelsbach runtergegangen – um mal ein wenig zu kalauern. Der dritte Punkt? Spielt hier keine Rolle.

Ist das jetzt alles übertrieben? Vermutlich leider nicht. Kaum einer kann rechnen – und falls doch, will es niemand wahrhaben. Immerhin würde das umstandslos so manch maroden Zustand im Lande erklären: von Schulen, Straßen und auch Schwimmbädern – bis hin zum vielbeklagten „jahrzehntelangen Investitionsstau“ überhaupt. Anscheinend aber kommt kaum einer auf die Idee, sich zu fragen, wie das alles überhaupt jemals so weit kommen konnte. Stattdessen scheißt man die Probleme lieber mit einem Riesenhaufen Knete zu – ganz nach dem Motto ›Was interessieren mich Regeln? Was interessiert mich Rechnen? Was Mathematik?‹. Kann man so machen – wenn auch vermutlich nicht auf Dauer. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 15-06-25 Immer auffem Sprung

Immer auffem Sprung.

Unser Bildchen heute zeigt eine Szene aus Bolles derzeitiger Vogelwarte, die sich praktischerweise direktemang auf dem Balkon befindet. Die Entfernung von A nach B – also von Amsel nach Bolle – beträgt dabei gerade mal 2 Meter Luftlinie.

Warum machen Amseln – und auch andere Gefiederte, also Drossel, Fink und Star und der ganze Rest der Vogelschar – sowas? Von eher kitschigen Erklärungen wie „Die mögen halt die Menschen“ einmal abgesehen, haben wir es hier wohl mit dem unabänderlichen Spannungsverhältnis zweier elementarer Bedürfnisse zu tun: dem physiologischen Grundbedürfnis nach Nahrung einerseits und dem Bedürfnis nach Sicherheit andererseits. Beides sind wohl Aspekte des – letztlich natürlich sinnlosen – Versuches zu überleben. Wenn das Bedürfnis nach Nahrung Überhand nimmt, dann muß man das schützende Nest eben vorübergehend verlassen. Gleichwohl bleibt man tunlichst immer auf der Hut – jederzeit bereit, die Prios anzupassen. Was nützt das schönste Futter, wenn man am Ende selber zu Selbigem wird? Daß Bolle keine Katze hat, kann Amsel ja nicht ahnen.

Wie friedlich und wie harmonisch aber könnte die Welt doch sein – ein alternatives Grundkonzept vorausgesetzt. So findet sich als Umschlagsillustration auf Bolles alter Kinderbibel eine Szene, die wohl das Paradies darstellen soll. Löwen und Gazellen liegen da friedlich und einträchtig Seit‘ an Seit‘ im Grase, zusammen mit manch Blümelein. Hosianna, Hallelujah, halt. Selbst in Bolles Kinderaugen schien das damals schon nicht das realistischste aller Konzepte – und zwar lange, bevor er je etwa von Ludwig Thomas ›Der Münchner im Himmel‹ (1911) gehört hatte: „Luja sog i.“

O nein, die Welt ist weiß Gott kein friedlicher Ort. Und das wird sich auch nicht ändern, solange Leute was zu futtern brauchen oder sonstige Interessen meinen verfolgen zu müssen: big fish eats small fish. Oder, wie Woody Allen in seinem ›Die letzte Nacht des Boris Gruschenko‹ (USA 1975 / Originaltitel: Love and Death) im Rahmen einer tiefschürfenden philosophischen Debatte über den Sinn des Lebens und den ganzen Rest zu seiner angehimmelten Sonja meinte: „Mir kommt das alles vor wie ein großes Restaurant.“

Allein auf diesen Umstand hinzuweisen kann einem in Deutschland allerdings schon mal leicht als Billigung eines Angriffskrieges ausgelegt werden und, wenn’s dumm läuft, bis zu 3 Jahren Knast einbringen (§§ 140 Nr. 2, 138 I Nr. 5 StGB i.V.m. § 13 VStGB). Dabei kann eine vergleichsweise harmlose Aufmunterung wie zum Beispiel „Bravo Putin“ – zumindest, wenn es nach dem LG München I gegangen wäre (Urteil vom 2. August 2023) – durchaus schon genügen, um ernstlich mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Interessant wird es indessen, wenn man anfängt, Parallelen zu ziehen – was nach Hülsenfrüchtchens Heuristik natürlich strikt verboten ist und gerne mit der Argumentationsattrappe ›Whataboutism‹ pariert zu werden pflegt. Parallelen zu ziehen, Dinge einzuordnen überhaupt, ist nach dieser Vorstellung tunlichst zu unterlassen – zumindest aber höchst unerwünscht. Derlei mache die Dinge nur unnötig „komplex“ – im Sinne von ›dann blick ich nicht mehr durch‹.

Beispiel gefällig? Eines für alles mag hier genügen. Da bombt seit längerem schon ein Land auf ein anderes ein – und Politik und Presse überschlagen sich förmlich und unaufhörlich mit „Kriegsverbrecher“-Krakeele. Nun bombt neuerdings ein anderes Land auf ein anderes ein, nur weil ihm dessen Politik nicht paßt – und schon heißt es, das sei schließlich vorbeugende Selbstverteidigung beziehungsweise, vornehmer formuliert, Präventivnotwehr. Schließlich habe man ein Existenzrecht zu verteidigen – und im übrigen sei das eine Demokratie. Bolle meint nur: Ach herrje!

Völkerrecht ist, allem gutgemeinten Gedusel zum Trotze, im Wesentlichen noch immer Faustrecht – mit Betonung auf Faust und weniger auf Recht. Das war eines der ersten Dinge, die Bolle beim Studium dieses Faches helle wurden. Und allen Bestrebungen, das zum Besseren zu wenden, war bislang nur höchst mäßiger Erfolg beschieden. Hinzu kommt: Recht ist, nach allem, im Wesentlichen ja kaum mehr als geronnene Macht. Folglich empfiehlt Bolle, lieber die Füße ein wenig stiller zu halten, gleichwohl aber auf dem Sprung zu bleiben. Klingt doch fast schon nach Zen – und damit vielleicht nicht ganz unrealistisch. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 08-06-25 Wenn Glocken richtig rocken

Ei, der Gauß …

Nach den doch eher etwas fluffigeren Sujets der letzten Sonntagsfrühstückchen wollen wir uns diesmal wieder einem strikteren Gegenstand zuwenden. Kenner werden es sogleich erkannt haben: Wir reden hier von der Gauß’schen Glockenkurve. Ersonnen hat sie Carl Friedrich Gauß (1777–1855), der zu Lebzeiten schon als Princeps mathematicorum, also Erster seiner Zunft galt, seinerzeit im Jahre 1809.

Was will uns Gauß damit sagen?

Stellen wir uns ein Weizenfeld vor (etwaige Allergiker, beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course, mögen sich mit einem Dinkelfeld begnügen). Nehmen wir an, die Halme seien im Mittel 100 cm hoch (in der Graphik entspricht das der 0) und hätten eine sogenannte Standardabweichung von ±10 cm (in der Graphik entspricht das dem Bereich zwischen –1 und +1). Das bedeutet, daß wir erwarten können, daß 2/3 der geernteten Halme zwischen 90 und 110 cm lang sein werden und damit „Mittelmaß“. Natürlich werden sich auch Halme finden, die zwischen 110 cm und 120 cm hoch sein werden. Allerdings, das sagt uns die Glockenkurve, wird das nur rund 1/7 der Halme sein. Noch größer als 120 cm – auch das kommt vor – werden nur noch 1/44, also knapp 2,5% der Halme sein (in der Graphik das Feld ›top‹). Das Gegenstück ›ui‹ übrigens steht für ›unterirdisch‹ – obwohl das, zugegebenermaßen, bei Halmlängen ein schiefes Bild ergibt. Oder – auch das sagt die Graphik aus – um zum oberen Drittel zu gehören, müßte ein Halm wenigstens gut 104 cm lang sein (rote Linie). Damit wäre er zwar immer noch Mittelmaß – allerdings schon leicht überdurchschnittlich.

Wer nun meint, was interessieren mich Weizen- oder Dinkelfelder? Mehl kommt mir aus der Tüte beziehungsweise Brot gibt’s beim Bäcker – dem sei gesagt, daß sich die Gauß’sche Glockenkurve auf erstaunlich viele Bereiche im wirklichen Leben anwenden läßt – unter anderem auf so weizenferne Felder wie Leistungsfähigkeit und -bereitschaft (also etwa Schulnoten, wenn sie denn gerecht vergeben würden) oder eben auch auf das, was wir hier politische Urteilskraft nennen wollen.

Übertragen bedeutet das: Unter den Bedingungen einer Demokratie werden Leute mit guter oder sehr guter politischer Urteilskraft schwerlich regieren können – einfach, weil sie nicht in der Mehrheit sind. Selbst für eine sogenannte Sperrminorität (rote Linie) wird es absehbar eng, weil es dafür nötig wäre, einen gehörigen Teil des Mittelmaßes zu gewinnen. Die Vorzüge einer Demokratie können also nur woanders liegen. In der Gauß’schen Glockenkurve jedenfalls liegen sie nicht.

Was aber soll das überhaupt sein, politische Urteilskraft? Die einfachste und ganz naheliegende Antwort wäre wohl: Politische Urteilskraft hat in meinen Augen, wer die Partei wählt, die ich selber auch wählen würde. Easy – aber führt zu nichts. Drehen wir den Spieß also um: Was würde nahelegen, daß es einem (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) an selbiger mangelt? Im Wesentlichen wohl, daß er nicht wirklich in der Lage ist, sich ein Bild zu machen von den jeweiligen Paragonisten (neudeutsch: Akteuren) oder Gegebenheiten. Da bricht einer alle Wahlversprechen, gelobt kurz vor der Wahl Besserung – er habe es schließlich nicht besser wissen können – und wirbt treuherzig um „Vertrauen“. Und die Leute wählen ihn wieder. Da werden im Vorfeld einer Wahl regelmäßig regelrechte Plakatschlachten veranstaltet – und mancher Wähler läßt sich, wie’s scheint, davon dann doch irgendwie beeindrucken. Da postet einer schicke Reels auf Insta – und kriegt dafür (!) die Stimme. Da gibt es Last-Minute-Wähler, die zehn Minuten vor der Stimmabgabe noch immer nicht wissen, was sie wählen wollen – als hätten sie nicht Monate und Jahre Zeit gehabt, sich ein solides Bild zu machen und zu einem fundierten politischen Urteil zu kommen. Schließlich gibt es auch noch Wähler, die wählen sowieso immer, was sie schon immer gewählt haben – egal, was auch immer die Paragonisten veranstalten mögen: Traditionales Verhalten, halt. Kurzum: Mangelnde politische Urteilskraft scheint ein Spezialfall von mangelnder prognostischer Kompetenz zu sein: Die Unfähigkeit zu erahnen, was passieren wird, wenn dieses oder jenes so weitergeht. Kognitive Kurzsichtigkeit also. Oder, wie Bolle das womöglich resümieren würde:

Kurzum –
Und dabei völlig ohne Hohn:
Ein klitzekleines bißchen dumm
Wirkt das alles dann doch schon.

Und so sucht, entgegen dem völlig anderslautenden Paratickma, auch kein Aas das angeblich bessere Argument, sondern lediglich die bessere Agitation. Auch hier scheint, einmal mehr, ›Luhmanns Law‹ zu gelten. In Bolles Fassung lautet es (vgl. dazu Mo 12-12-22 Das zwölfte Türchen …):

Das System erzeugt die Elemente,
aus denen es besteht,
mittels der Elemente,
aus denen es besteht.

Wir haben es hier also wohl einfach nur mit zielgruppengerechter Ansprache zu tun – wobei die Zielgruppe das Mittelfeld ist, also der Bereich zwischen –1 und +1. Und die Medien mischen munter mit. Daher womöglich auch der geradezu heilige Zorn gegen alles, was sich davon nicht einfangen lassen will, geschweige denn unterhaken – und damit das Idyll einer Schönwetter-Demokratie trübt. Im Überschwange geht das dann so weit, daß manche ernstlich meinen, Einigkeit sei eine demokratische (!) Tugend. Hört, hört! Mit derlei wird man leben müssen – und gegebenenfalls auch leiden. Abhilfe ist nicht in Sicht – und zwar aus rein mathematischen Gründen nicht. Was aber rein mathematisch nicht funktioniert, kann auch in der besten aller möglichen Welten (Voltaire 1759) nicht funktionieren. Eine damit oft verbundene regelrechte ideologische Überhöhung aber – 🎶 Im Westen, im Westen, da ist‘s ja wohl am besten, Fidirallala, … 🎶 – können wir getrost den Hülsenfrüchtchen überlassen.

Eines aber wollen wir dabei – Bolle featuring Marx/Engels 1848 – nicht vergessen: Die Parlamentarier haben nichts zu verlieren als ihre Buletten. Sie haben ihre Welt zu gewinnen. Parlamentarier aller Länder, vereinigt Euch! – namentlich gegen Wahlvolk mit mittelmäßiger politischer Urteilskraft. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 25-05-25 Abisurd

Ab in den Orkus …

Letzte Woche (So 18-05-25 Die Grenzen des Unsäglichen) hatten wir am Rande erwähnt, was sich mit elaborierteren Formen von kreativem Konstruktivismus so alles anstellen läßt. Da gibt es praktisch nichts, was es nicht gibt. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Hier ein Beispiel aus dem Klitzekleinen.

In einem Provinz-Gymnasium wurde ein Abitur-Motto gesucht. Wozu ein solches gut sein soll, weiß Bolle nicht zu sagen. Seinerzeit ist man auch ohne Motto gut zurechtgekommen. Aber lenken wir nicht ab. Unter den eingereichten Vorschlägen fanden sich die folgenden drei Steine des Anstoßes:

Abi Akbar – Explosiv durchs Abi
Abi macht frei
NSDABI – Verbrennt den Duden

Und schon war die Hölle los in der Provinz. Die Sprüche seien antisemitisch, rassistisch und diskriminierend. Was was sein soll – und vor allem auch, warum –, hat sich Bolle nicht wirklich erschließen wollen. Von den anderen Vorschlägen – es wird wohl hoffentlich welche gegeben haben – ist nichts bekannt. Auch ist nicht klar, ob ›Abi‹ als Element des Mottos möglicherweise vorgegeben war und damit einschlägige Wortspiele gesucht wurden – so wie zum Beispiel unser ›Abisurd‹ im Titel. Kurzum: Wir wissen wenig bis nichts. Nur, daß das alles furchtbar skandalös sein soll, wie das örtliche Lokalblatt nicht ohne gehörigen Grusel zu vermelden wußte.

Wie aber konnte es überhaupt zu dem Skandal kommen? Nun, offenbar hatte es eine Ausschreibung gegeben, bei der jeder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) online einerseits anonym Themenvorschläge einreichen konnte und andererseits auch per like bewerten. Damit hätte alles sein Bewenden haben können. Man muß als Organisationsteam ja keine Vorschläge aufgreifen, die man uninspiriert findet, geschmacklos gar, oder die man für zu politisch hält. Aber Nein: Man rennt mit dem „Vorfall“ zum Schulleiter und petzt. Der hängt das ganze an die große Zeitungsglocke, schaltet die Polizei ein und überdies die ›Fachstelle für Demokratieförderung und phänomenübergreifende Extremismusprävention (DEXT)‹ und nimmt Kontakt zum ›Landesportal Hessen gegen Hetze‹ auf. Die wiederum haben einen heißen Draht zum LfV (Landesamt für Volkserziehung).

Und? Wie geht der kommende Abiturjahrgang damit um? Man befleißigt sich „brutalstmöglicher“ (Bolle featuring Roland Koch 2000) Distanzierung: Man lehne „ausdrücklich“ diese Personen und die vermittelten Botschaften ab – welche „Botschaften“, by the way? – und fordere, wiederum ausdrücklich, Konsequenzen. Man stelle sich „klar“ gegen … bla, bla, bla. Bolle meint: Braver geht nimmer.

Womöglich steckt denen ja das Schicksal der Sylter Sängerknaben (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) mit ihrer ›Döp-dö-dö-döp‹-Darbietung (nach dem 1999er Schlager von Gigi D’Agostino) vom Sommer letzten Jahres einschließlich der massiven medialen Verprangerung noch gehörig in den Knochen. Vielleicht ist es aber auch einfach nur das Bedürfnis, auf der vermeintlich richtigen Seite, wenn schon nicht der Geschichte, so doch zumindest der Gesellschaft zu stehen.

Was hat das mit unserem heutigen Schildchen zu tun? Unser Schildchen beschreibt den Weg von einem beliebigen Ausgangspunkt A hin zu einem nicht minder beliebigen Ziel Z – wie er jedem beliebigen Problemlösungszirkel (PLZ) zugrunde liegt (vgl. dazu etwa So 16-03-25 Pferd verkehrt und Ritterehre oder Der super-duper Masterplan). Weniger spezifisch könnte A auch für ein beliebiges Ansinnen oder eine beliebige Ambition stehen, und Z für einen beliebigen als wünschenswert angesehenen Zustand.

Nehmen wir an, der Weg an sich sei – etwa aufgrund gründlicher Vorbereitung – klar und eben. Wenn da nur die vielen Stop-Schilder nicht wären, die jedwede Bestrebung geradezu magisch in Richtung Orkus lenken – das Reich des Banalen und Dysfunktionalen: Darf man leider nicht tun – Darf man leider nicht sagen – Am besten nicht mal denken. Stop-Schilder, das wären zum Beispiel: „das spielt den falschen in die Hände“, das ist rechtsextrem, das ist diskriminierend, das ist antisemitisch, das ist frauen-, menschen- oder sonst-was-feindlich. Dabei werden der Schilder immer mehr – was an dem Geist der Zeiten liegen mag.

Das Problem an dieser Stelle: Die Kriterien sind so allgemein gehalten – man könnte sagen: derart wischi-waschi –, daß sich mit einer entsprechenden konstruktivistischen Phantasie praktisch alles darunter subsumieren ließe. Hier, pars pro toto, nur zwei Beispiele:

Ein Stop-Schild, das sich in gewissen Kreisen zunehmender Beliebtheit erfreut, ist „Haß ist keine Meinung“. Bolle bieder: „Definiere Haß.“ Hier muß man einfach nur alles, was einem nicht paßt, zur „Hate Speech“ erklären – eine Begründung erübrigt sich völlig – und schon steht das Schild.

Zweites Beispiel: In einer Umfrage hieß es: „Finden Sie, daß Juden zu viel Einfluß haben?“ Wehe, man hat Ja gesagt. Klarer Fall von Antisemitismus – wie es in der Presse hieß. Stop! Stop! Stop! Nehmen wir umgekehrt an, jemand meint, der Papst habe zu viel Einfluß. Ist er dann ein Antichrist …? Man möcht‘ es fast für möglich halten.

Natürlich lassen sich unter solchen Bedingungen, wenn sie überhandnehmen, weder Projekte verwirklichen noch Ideen formulieren oder gar diskutieren. In Bolles Kreisen spricht man – streng mathematisch – auch von ›Nebenbedingungen‹: Je mehr davon, desto Essig ist es mit einer Lösung. Und ebenso natürlich kann eine Gesellschaft unter solchen Bedingungen nicht gedeihen. Schon gar keine Gesellschaft, die sich selber gern als ›frei‹ ansieht. Eher wird sie sich in toto selber in den Orkus spülen. Bolle findet, letztlich ist das ooch egal. Schön anzusehen aber ist es gleichwohl nicht. Unversehens kommt ihm da der Goethe in den Sinn:

Und fragst du noch, warum dein Herz
Sich bang‘ in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?

Das Verhalten der angehenden Abiturienten jedenfalls ist für Bolle einfach nur ein schönes Beispiel für einen kläglichen Konformismus, wie ihn sich Heinrich Mann in seinem ›Der Untertan‹ (1918) damals schon nicht schöner hätte denken können. Die Vorstellung, daß solche Leute demnächst Politiker sein könnten und sich dabei berufen fühlen, die Geschicke des Landes zu lenken … Deprimierend. Umgekehrt erklärt das natürlich einiges, of course, wie ein Blick in die jüngste Zeitgeschichte eindrücklich nahelegt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 18-05-25 Die Grenzen des Unsäglichen

Das Wichtigste schon mal geklärt.

Oh Zeiten, oh Sitten. Manchmal muß man sich ja wirklich fragen, ob man es nicht genießen soll, in vergleichsweise bewegten Zeiten zu leben, oder ob man das mit der Bewegung nicht auch übertreiben kann. Bolle, von Haus aus eher genügsam, findet ja, frei nach dem ›Vorspiel auf dem Theater‹ in Goethes Faust (1808):

Des Chaos ist genug gewesen,
Laßt mich auch einen Lichtblick sehn!

In den letzten Jahren ist aber auch wirklich alles schiefgelaufen. Wollte man bestimmen, ab wann, müßte man eigentlich schon passen. Wenn’s läuft, dann läuft’s. Wenn’s schiefläuft, dann auch. Dabei ist es schwierig bis unmöglich, bei „exponentiellen“ Entwicklungen – um mal ein Modewort aus der Corönchenzeit zu bemühen – einen Anfangspunkt zu bestimmen. Exponentielle Entwicklungen haben nun mal keinen „Anfangspunkt“. Alles, was sie haben, ist Eigendynamik. Versuchen wir es dennoch, grob und überschlagsweise.

Im Jahre 2015 kam das Migrationsdebakel über das Land. Nun könnte man sagen – und viele tun das auch: Tja, da kannste nüscht machen. Seit 2018, also gut zwei Jahre später, durften wir erleben, wie sich die Klimakrise breitmacht auf der Welt. Damals ging das los mit den Sitzstreiks einer gewissen Greta Thunberg, die sehr schnell und sehr gründlich Popstar-Status erlangen sollte. Wiederum zwei Jahre später, 2020, beglückte uns die Welt dann mit Corönchen, einem hochgehypten Schnupfen – der der ganzen Welt drei Jahre lang die Luft zum Atmen nahm. Und abermals zwei Jahre später, 2022, erfrechte sich ein russischer Imperator, sein Nachbarland zu überfallen, und brachte damit die bräsige Welt des Westens vollends durcheinander.

Kurzum: eine Katastrophe jagt die nächste – so ziemlich im Zwei-Jahrestakt. Wobei die Katastrophen einander nicht etwa ablösen – konsekutive Katastrophen, also. Nein, sie schichten sich übereinander. In Bolles Kreisen spricht man hier auch von kumulativen Katastrophen.

Liegt das nun an einer kosmischen Katastrophen-Konstellation, Hummer in Saturn etwa, oder so – Bolle kennt sich hier wirklich ganz schlecht aus –, gegen die man nun mal nichts machen kann? Oder liegt es einfach an schlichter Überforderung der Polit-Prominenz nebst ihrer Statthalter oder doch zumindest Steigbügelhalter in Presse, Funk und Fernsehen, was den Umgang mit derlei angeht? Bolle tippt definitiv auf letzteres.

Die dominante Problemlösungsstrategie – eine für alle beziehungsweise, neudeutsch, one fits all – scheint Bolle eine fortgeschrittenere Form von Konstruktivismus, gewürzt mit einer tüchtigen Portion Monetarismus zu sein.

Die Grundidee des Monetarismus, im weiteren Sinne, of course, geht ja wie folgt: es gibt kein Problem auf der Welt, das man nicht mit einer gehörigen Portion Penunse oder Pinkepinke zuscheißen könnte – um es mal lutherisch-derb auszudrücken. Die Grundidee des Konstruktivismus dagegen muß wohl lauten: Es gibt kein Problem auf der Welt, das man nicht mit gehöriger semantischer Raffinesse solide wegsäuseln könnte. Beide Grundideen tragen nicht, of course – jedenfalls nicht „nachhaltig“. Eher geht der Krug zum Brunnen, bis er bricht. Dann kommt es, wie immer, zu den üblichen langen Gesichtern und der herzergreifenden Versicherung, das habe man nicht wissen können. Bolle, streng wie selten: Habe man wohl!

Umgekehrt übrigens funktioniert diese Form von forschem Konstruktivismus genauso: Es gibt kein Problem auf der Welt, das sich nicht herbeireden ließe. Das jüngste Elaborat des BfV, das Bolle – semantisch sehr viel sauberer – nur noch ›Bundesamt für Volkserziehung‹ nennen mag, ist hierfür wohl nicht das schlechteste Beispiel. Aus der „Verschiebung der Grenzen des Sagbaren“, die man der AfD so gerne unterstellt, wurde da eine Verschiebung der Grenzen des Unsäglichen. Klingt ganz ähnlich – ist aber nicht das gleiche. Und das Volk schaut staunend zu – und freut sich oder wundert sich. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 04-05-25 Die trauen sich was

Jeder, wie er kann. Ist ja auch am einfachsten.

Was nicht laut ist und schreit, was nicht schrill ist und grell, findet einfach unsere Aufmerksamkeit nicht mehr.

So beendet Liessmann in seinem Bändchen ›Lob der Grenze‹ (2012) den Abschnitt zum Thema ›Lärm‹ – mit dem durchaus nicht ganz unpassenden Untertitel ›An der Grenze des Erträglichen‹.

Dabei handelt es sich übrigens um eben jenen Liessmann, der sich in seiner ›Kritik der politischen Urteilskraft‹ – so der Untertitel des Werkes – veranlaßt gesehen hatte, Selbstverständliches wie etwa das Folgende festzuhalten:

Ein Stuhl wird nicht diskriminiert,
wenn man feststellt, dass er kein Tisch ist.
Eine Grenze kategorial zu ziehen,
bedeutet noch nicht, zu werten.

Vergleiche dazu etwa unser Sonntagsfrühstückchen von vor geraumer Zeit (Fr 15-01-21 Von Tischen und Stühlen) – das übrigens kurioserweise an einem Freitag erschienen war. Doch das nur am Rande.

Jedenfalls meinte unsere scheidende Regierung – Gott hab sie selig – ihren Abgang nicht nur lärmend, sondern geradezu dröhnend gestalten zu müssen. Wie sonst, siehe oben, soll man denn auch Aufmerksamkeit erregen? Auf den letzten Metern, die Türklinke schon in der Hand, hat man dem staunenden Wahlvolk verkündet, die zur Zeit wohl stärkste Partei und, nebenbei bemerkt, inhaltlich auch einzig real existierende Opposition, sei nunmehr nicht mehr nur verdächtig, böse, ach so böse zu sein. Nein, sie sei es jetzt ganz sicher.

Das wisse man, weil die zuständige Behörde ganze eintausendeinhundert Seiten gebraucht habe, um all die Schand- und Greueltaten getreulich aufzulisten. Zwar sei die Liste geheim – schließlich handele es sich bei der Behörde ja um einen Geheimdienst, da mache derlei durchaus Sinn – aber egal: Solch ellenlange Liste muß als Argument genügen. Wir wissen also nicht, was drinsteht. Geheimes Know-How, sozusagen – wie man das in Bolles Kreisen mitunter auch zu nennen pflegt.

Wenn Bolle raten sollte oder müßte, dann würde er auf Hülsenfrüchtchens Allzweck-Bazooka, den ersten und obersten Grundsatz unserer Verfassung, tippen. Dort heißt es, die Würde des Menschen sei unantastbar. Daraus könnte man, bei einiger entsprechend pervertierter Phantasie, durchaus ableiten, daß es würdelos sei, zwischen solchen und solchen Menschen zu unterscheiden. Um im Bilde zu bleiben: Die Diskriminierung eines Stuhles, etwa indem man ihn als Nicht-Tisch schmäht, sei ein dermaßenes Ding der Unmöglichkeit, daß das ja wohl gar nicht angehen könne und folglich gerechter- und konsequenterweise strikt verboten werden müsse. Eine verfassungsmäßig festgezurrte Grenzenlosigkeit, also. Daß uns ebendiese Grenzenlosigkeit – Wir schaffen das, quaak, quaak – zur Zeit an allen Ecken und Enden um die sprichwörtlichen Ohren fliegt: Schwamm drüber. Wird schon werden. Ansonsten: Eh scho Wuascht – wie unsere österreichischen Freunde sagen. Oder, wie es in Bolles Kreisen heißt: Kieken wa ma.

Auf den Punkt: Das staunende Volk – zumindest aber der denkendere Teil desselben – wird hier mit einer alleinseligmachenden Verfassungsauslegung beglückt, die aus sehr, sehr grundsätzlichen Gründen nicht funktionieren kann und wird: Ein Stuhl ist nun mal kein Tisch – da kannste, einmal mehr, nüscht machen.

Und? Was macht der Journalismus 2.0? Im Inland wird überwiegend gejubelt – endlich klare Verhältnisse! Im Ausland – jedenfalls in den Zeitungen, die Bolle so liest – fragt man sich ernsthaft, ob die Deutschen noch alle sprichwörtlichen Latten am Zaun haben. Nun ja: Die Geschmäcker sind nun mal verschieden.

Der allerletzte Satz im Abschnitt ›Lärm‹ lautet übrigens: Von Denken kann in solch einer Welt aber keine Rede mehr sein. Warum auch? Tut ja ohnehin nur weh, und weitet womöglich den Horizont ins „Hochkomplexe“ – also dahin, wo so mancher (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) definitionsgemäß überhaupt nicht mehr durchblickt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 27-04-25 Lurchtalg

Is doch wahr, ey …

Bolle kann sich zunehmend des Eindruckes nicht entbehren (Vorsicht Gaga, of course), daß es in gewissen Kreisen durchaus unüblich beziehungsweise geradezu verpönt ist, sich klar auszudrücken. Bolles Vermutung: Würde man das tun, dann würde sehr schnell sehr klar werden, daß man bei Lichte betrachtet nichts – aber wirklich rein gar nichts – zu sagen hat. So etwas wäre natürlich schwer selbstwertbeschädigend. Da der Schutz des Selbstwertgefühles aber eines der vier kognitiven Grundbedürfnisse ist, die dringend, wenn nicht gar zwingend erfüllt sein wollen, kann hier nicht sein, was nicht sein darf. Also wird munter weitergeblubbert. Zumal es das soziale Umfeld hergibt – beziehungsweise gar verlangt. Im Grunde ist es wie bei Andersens ›Kaisers neue Kleider‹ (1837). Nur, daß es hier kein Happy Ending gibt. Im Gegenteil: Das Phänomen zieht konzentrische Kreise und hat dabei längst weite Kreise der sogenannten beziehungsweise selbstempfundenen Eliten durchdrungen. Bolle meint ja immer: Einbildung is ooch ne Bildung. Mit solchen Sprüchen übrigens ist er aufgewachsen – da kannste nüscht machen.

Der Lurchtalg, um den es uns heute gehen soll, heißt im Original natürlich ›Lunch Talk‹, of course. Allerdings, meint Bolle, macht das die Sache mitnichten besser. Was, bitteschön, soll das sein? Vermutlich sowas wie ›Futtern und Blubbern‹ – oder ›Schmaus und Graus‹? Wir wissen es nicht.

Auch können wir nicht wissen, ob Lurche jemals durch die Furche talgen, oder jemals ihr Gefieder walken. Ja, wir wissen nicht einmal, ob so ein Lurch überhaupt ein Gefieder hat. Was wir uns aber vielleicht fragen sollten: Was ist absurder? Das Epigramm in unserem Schildchen – oder das, was es thematisiert?

Daß einer schlecht Englisch kann: geschenkt. Viele aus Bolles sozialem Umfeld können ohnehin besser Russisch als Englisch. Daß einer schlecht Deutsch kann: schon bedenklicher. Wer aber meint, zwei Sprachen schlecht zu können sei allemal besser als eine richtig, ist – da ist sich Bolle mit sich selber völlig einig – durchaus ein Fall von Denkste. Also: im Zweifel lieber Lurchtalg statt Lunchtalk.

Wittgenstein übrigens meinte in seinem ›Tractatus‹ (1921): Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. So gesehen handelt es sich wohl um eine recht wunderliche – und vor allem auch recht enge – Welt, in die sich unserer Tage so viele mit so gehöriger Verve reingequasselt haben – und das mit einigem Eifer auch weiterhin tun. Richtig übel aber wird es, wenn solche Leute – also namentlich die Polit-Prominenz und ihre Freunde vom Pressewesen – meinen, professionell Wahrheit für andere absondern zu müssen. Denken wir nur an Meister Kong, den Ehrwürdigen (vgl. dazu So 23-03-25 Konfuzius reloaded).

Was ist das wichtigste?
Das wichtigste sind klare Begriffe.
Ohne klare Begriffe kein klares Denken.
Ohne klares Denken kein klares Handeln.
Und ohne klares Handeln ist alles nichts.

So gesehen wäre Meister Kong wohl eher für einen Lurchtalg zu haben gewesen als an einem Lunchtalk teilzunehmen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 13-04-25 Die sklerotische Gesellschaft

Manchmal rauf und manchmal runter …

Zugegeben: so was ähnliches hatten wir schon mal (vgl. dazu So 11-08-24 Börsen-Crashli). Laut Bolles Börsenbarometer geht es nun mal

Manchmal rauf und manchmal runter
Manchmal über, manchmal unter,
Manchmal kunter, manchmal bunter.

Das sind die nackten Fakten, die vertrackten. Doch genug der Lyrik. Dinge ändern und verändern sich. Nichts könnte normaler sein. Da sitzt ein neuer Präsident im Weißen Haus – oh Gott, oh Gott, oh Graus. Und wir sind, als Gesellschaft, gar nicht darauf vorbereitet. Weia! Bolle fragt sich, was zum Teufel gibt es da denn vorzubereiten? Sollte es nicht für jeden professionellen Politikus simpelster Standard sein, auf Begebenheiten in der Welt, sei es innen, sei es außen, routiniert und mit gebotener Lässigkeit zu reagieren – ohne immer gleich hysterisch zu hyperventilieren? Und der Journalismus 2.0? Immer stramm und an vorderster Front mit dabei. Vermutlich bedingt das eine das andere. Fachkräftemangel allerorten. Oder, in Bolles Luhmann-Fassung (vgl. dazu Mo 12-12-22 Das zwölfte Türchen …).

Das System erzeugt die Elemente,
aus denen es besteht,
mittels der Elemente,
aus denen es besteht.

Auf längere Sicht kann das natürlich nicht gutgehen, of course. Das wird unmittelbar klar, wenn wir für ›Elemente‹ spaßeshalber ›Deppen‹ einsetzen – wobei, no offence, mit Deppen lediglich ein Synonym für ›Dumme‹ gemeint sein soll, also Leute mit offenkundiger kognitiver Kurzsichtigkeit.

Kann, oder sollte man solchen Leuten einen Vorwurf machen? Nichts sei Bolle ferner. Allenfalls könnte man sich fragen, warum in drei Teufels Namen solche Leute meinen, sich ausgerechnet in Politik und Presse tummeln und das Volk mit ihrer Kurzsichtigkeit infizieren zu müssen? In einsichtigeren Momenten ist Bolle die Antwort natürlich klar: Nirgendwo sonst lassen sich mit so wenig Talenten so viele Talente verdienen – um es mal mit einem Wortspiel aus ›Asterix und Kleopatra‹ (1963) auszudrücken.

Zu unserem Beispiel oben heißt es – einmal komplett durch den Blätterwald – mit seinem Zollpaket habe der amerikanische Präsident die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt und damit auch Vermögen von Privatanlegern in Milliardenhöhe quasi über Nacht ausradiert. Pöser, pöser Präsident!

Zu einer solchen Einschätzung kann man natürlich nur kommen, wenn man Donald Trump ohnehin voll übel findet und dringend Fakten sucht und findet oder wenn sich zu der kognitiven Kurzsichtigkeit eine chart-technische Ebensolche hinzugesellt. Blickt man nur ein ganz klein wenig über den sprichwörtlichen Tellerrand, dann wird unmittelbar klar, daß sich der DAX auf exakt dem gleichen Niveau befindet wie um Weihnachten herum (vgl. den gestrichelten Doppelpfeil) und gleichzeitig (von der Dezember-Blase einmal abgesehen) auf dem höchsten Niveau des gesamten letzten Jahres.

Ähnliche hysterische Hyperventilationsphänomene lassen sich mit Leichtigkeit beim Umgang mit Corönchen, beim Ukraine-Krieg und, sicherlich nicht ganz zuletzt, bei der „Erderhitzung“ ausmachen. Bolle sieht den tieferliegenden Grund ja in einem reichlich kaputten Weltbild der Protagonisten (mappa mundi vitiosa beziehungsweise, in Härtefällen, mappa mundi friata). So kann das natürlich nichts werden, of course – vergleiche Goethes Knopflochtheorem. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 16-03-25 Pferd verkehrt und Ritterehre oder Der super-duper Masterplan

Der Problemlösungszirkel (PLZ) oder De arte solvendi.

Sie haben es tatsächlich getan. Of course, möchte man ergänzen. Sie haben – obwohl doch längst schon abgewählt – in den letzten Zügen ihrer Agonie dem Volke noch mal eben eine Phantastilliarde Sonderschulden aufs Auge gedrückt. Schulden, an denen die sprichwörtlichen kommenden Generationen noch ein ganzes Weilchen werden zu knabbern haben.

Damit das alles aber gleich viel freundlicher klingt, warten die gedungenen Sprachdesigner mit dem Begriff „Sondervermögen“ auf – einer Wortschöpfung, die eigentlich nur Sinn macht, wenn man ein entsprechendes kognitives Sondervermögen – dumm geboren, nichts dazugelernt, Rest vergessen – auf Seiten der Rezipienten unterstellt. Namentlich beim Journalismus 2.0 macht sich Bolle da nicht allzuviel Sorgen.

Macht das alles wenigstens Sinn? Aber Ja doch. Schließlich stehe demnächst mal wieder der Russe vor der Tür. Heute gehört ihm Rußland – und morgen die halbe Welt. Im übrigen müsse dringend das Klima gerettet werden und vor allem der Niedergang „unserer“ Demokratie. Sancta simplicitas!

Aber versuchen wir, uns Schritt für Schritt mit der dahinterstehenden Logik vertraut zu machen: Ist-Analyse: Wir haben zu wenig Geld. Ziel: Wir brauchen viel, gaanz viel Geld. Plan / Check der Mittel: Laßt uns ein tüchtiges Husarenstück auflegen. Das war wohl der Plan. Ein Check der Mittel erübrigt sich an dieser Stelle – schließlich ist die Akquisition der Phantastilliarden ja originärer Gegenstand des Problemlösungszirkels.

Das wirft natürlich mit Wucht die ›Ja, und nun‹-Frage auf. Phantastilliarden zu akquirieren ist die eine Sache. Was damit anfangen eine ganz andere. Da aber schweigt der Fürsten Törichtkeit. Die Details, so heißt es gut und gerne, seien natürlich noch zu klären, of course.

Geld allein macht nicht glücklich, wie der Volksmund weiß. Auch bringt Geld allein noch lange nichts zustande, wie Bolle zu ergänzen weiß. Ohne Geld ist es schwierig, irgend etwas zu bewirken, irgendein Ergebnis zu erzielen. Daraus folgt rein aussagenlogisch, daß, sofern einer was bewirkt hat, ein Mindesmaß an Mitteln im Spiel gewesen sein muß – vergleiche dazu ›Check der Mittel‹ in unserem Bildchen.

Daraus folgt aber nicht – und wirklich rein gar nicht – daß der Einsatz von Mitteln zu einem Ergebnis führen muß oder auch nur wird. In Bolles Kreisen notiert man derlei in etwa wie folgt:

Hier steht G für Geld beziehungsweise aktivierbare Ressourcen im weitesten Sinne, E steht für ein angestrebtes Ergebnis, „→“ für eine Implikation (wenn, dann) und das Häkchen schließlich steht für eine Verneinung. Mehr muß man dazu gar nicht wissen. Im Grunde also ist es mit Geld wie mit Beton: Es kommt drauf an, was man draus macht. Um aber was draus machen zu können, wäre es vielleicht keine dumme Idee, mit sich selber über die folgenden drei Punkte ins Reine zu kommen.

Erstens: Wie konnte es überhaupt zu den gegenwärtigen Zuständen kommen? Mit „zuwenig Geld“ würde sich Bolle nur ungern zufriedengeben wollen. Ob sich unter diesen Umständen mit „mehr Geld“ entscheidend was wird reißen lassen, bleibt daher eher fraglich.

Zweitens wäre es wohl hohe Zeit, endlich mal das Modewort „Investition“ begrifflich wieder auf den Teppich zu holen. Bei einer Investition handelt es sich herkömmlicher- und richtigerweise um eine Sachkapitalerhöhung (Anlagen, Maschinen, Werkzeuge, sowie wirtschaftlich wirksame Infrastruktur) mit der Absicht, die Arbeit leichter und vor allem schneller zu machen und so mehr Güter in kürzerer Zeit herstellen zu können. Zur Zeit aber ist es so, daß jede Verschleuderung von Geldmitteln als „Investition“ deklariert wird: Schleifchen drum. Merkt ja keiner. Wenn man lange genug – also zum Beispiel über Jahrzehnte – so verfährt, beantwortet sich unser erster Punkt praktisch von selbst: Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort: Genau so! Beim Humankapital – doch das nur am Rande – gestalten sich die Verhältnisse noch sehr viel krasser: Klassenräume voller sekundärer Analphabeten, die lediglich tüchtig mit Tablets geflutet werden müßten – und alles werde sich zum Guten wenden. Weia!

Drittens schließlich sollte man sich darüber Rechenschaft ablegen, wo man überhaupt hinwill als Volkswirtschaft – oder gar als Land. Warum? Weil, wenn Du nicht weißt, wo Du hinwillst, mußt Du dich nicht wundern, wo Du ankommst. Darum. Das aber bedeutet zu gestalten – statt nur Probleme zu verwalten. Zu wissen, wo man hinwill, bedeutet übrigens zugleich, zu wissen, wo überall man eben nicht hinwill beziehungsweise zumindest nicht hin kann – weil es schlechterdings unmöglich beziehungsweise unsäglich dümmlich ist, auf jeder x-beliebigen Hochzeit weltweit tanzen zu wollen.

Bei allen dreien dieser Punkte aber hapert es derzeit aufs Heftigste. Mit weiteren Phantastilliarden wird sich das nicht lösen lassen. Als Kind schon war Bolle vertraut mit der höchst anschaulichen Wendung „Da ist der Wurm drin“. Was tun? Wurmkur oder Segel streichen? Beim gegenwärtig verfügbaren Polit-Personal – ganz überwiegend ohne jeden Hauch von Ritterehre – würde Bolle ganz unoptimistisch eher auf Segel streichen tippen. Für eine Wurmkur müßte es zunächst einmal so richtig rappeln im Karton. Aber wer weiß, wer weiß …?

The time has come, the Walrus said,
To talk of many things:
Of shoes – and ships – and sealing wax –
Of cabbages – and kings –
And why the sea is boiling hot –
And whether pigs have wings.

So hat es Lewis Caroll in seinem ›Through the Looking-Glass‹ 1871 schon gefaßt. Eine Übersetzung wollen wir uns hier sparen, weil die Weisheit im Nonsense liegt. Wer es dennoch wissen will, möge unter Mo 04-01-21 Letzte Fragen – total so! nachschlagen. Das alles aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 09-03-25 Europas Endstaatium

Hammer und Nagel.

Zugegeben: Totgesagte leben länger. Gleichwohl kann sich Bolle des Eindruckes nicht erwehren, daß die Zustände in Deutschland und Europa doch ein wenig an die letzten Zuckungen der ehemaligen DDR erinnern. Da wird gerüttelt und geschüttelt, gelogen und geschroben, gebastelt und gehaspelt, daß sich die sprichwörtlichen Balken biegen. In einer lyrischen Version klänge das, einem alten Seemannslied folgend, in etwa so:

🎶 Das sind die Triebe der Psychosen
Auf die Dauer, dummer Fratz
Gibt’s dafür halt kein‘ Ersatz.
Am Rand, da blühen die Hypnosen
Und für jede, und für jede, und für jede gibt es Platz. 🎶

Wie sowas enden kann, wissen wir ja. Vor allem kann es sehr, sehr schnell gehen. Mit ein wenig glücklicher Fügung sprichwörtlich über Nacht. Erinnern wir uns nur an den seinerzeit völlig unvorbereiteten Günter Schabowski – Gott hab ihn selig – auf der Pressekonferenz im damaligen Ost-Berlin am 9. November 1989: „Nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Und schwupps, da war die Mauer weg.

Was die jüngere Entwicklung angeht: So richtig deutlich – und eigentlich auch für schlichtere Gemüter erkenntlich – wurde die Arroganz der Macht spätestens mit der Corönchen-Hysterie in den Jahren 2020 bis 2022 (vgl. dazu etwa Sa 04-02-23 1000 Tage Dämlichkeit …). Allein, es finden sich nach wie vor Leute, die stramm und fest behaupten, Corönchen habe „Millionen Tote“ gefordert. Bolle sieht das so: Auf diesem Planeten tummeln sich zur Zeit etwa 8 Milliarden Menschen. Bei einer großzügig angenommenen weltweiten Lebenserwartung von 80 Jahren bedeutet das, daß jährlich, also Jahr für Jahr, 100 Millionen Tote zu beklagen sind. Ein Skandal, of course. Aber so geht nun mal Arithmetik. Was davon auf das Corönchen-Konto gehen mag, was schlichter Schnupfen mit Todesfolge gewesen sein mag und was sonstige Mortalitätsgegebenheiten, läßt sich seriöserweise rein gar nicht abschätzen. Für einen soliden Panikmodus im Volke reicht es allerdings allemal.

Das Dumme ist nur: Mit einem übermäßig bangbüchsigen Volk läßt sich kein Staat machen – und schon gar keine Demokratie (vergleiche dazu etwa Mi 21-12-22 Das einundzwanzigste Türchen …). Dort hatten wir gesagt, daß ohne ein gewisses Maß an Urteilsfähigkeit, ohne hinreichende Souveränität (im Sinne von einer gewissen Resistenz gegen Gruppendruck sowie einem gesunden Mißtrauen gegenüber aufgeblasenen Autoritäten) und ohne eine grundsätzliche Freiheit von Bangbüchsigkeit von einem ›Souverän‹ wohl kaum die Rede sein kann.

Und kaum war mit Corönchen kein Staat mehr und vor allem auch keine Sensation mehr zu machen, ging es 2022 nahtlos mit der Ukraine weiter. Mittlerweile haben sich die selbstgefühlten „Eliten“ hier in einen „Whatever-it-takes“-Modus reingesteigert – was nichts anderes meinen kann als die kontemporäre Variante von Goebbels Totalem Krieg. Roger Köppel, der große Journalist der kleinen schweizer Zeitung, nennt das durchaus zutreffend eine regelrechte „Feindbild-Psychose“.

Indes hat Bolle den Eindruck, daß diejenigen, die sich selber gerne als „Elite“ titulieren lassen, durchaus was gelernt haben: Laß den Leuten zunächst tüchtig die Muffe sausen und rede ihnen dann ein, die Rettung in Form der Regierung sei nah – und schon werden sie euch zumindest mehrheitlich willig folgen.

Das kann natürlich, falls der Prozeß sich ungebremst fortsetzt, leicht ins Absurde lappen beziehungsweise gar kippen. Mittlerweile sind wir, in Deutschland und Europa, soweit, nicht nur den Russen, sondern gleichzeitig auch den Yanks (und möglichst auch noch den Chinesen) meinen die Stirn bieten zu müssen: Alles Schlampen – außer Mutti. In Bolles Grundschulzeit gab es dafür die stehende Wendung: Haste wohl Kaba gesoffen? (Für alle, die sich nicht erinnern können: Die Werbung für Kaba, ein kakaohaltiges Getränk, hatte seinerzeit eine ähnliche Stoßrichtung wie heutzutage mancher Energy-Drink).

Im Grunde – so Bolles Vermutung – haben wir es hier im weiteren Sinne mit einer Form von Pfadabhängigkeit zu tun: Das, was einer für die weitere Vorgehensweise für richtig hält, hängt schwer von der bisherigen Vorgehensweise ab – und zwar völlig unabhängig davon, ob die bisherige Vorgehensweise in einem wie auch immer verstandenen Sinne „richtig“ war oder nicht. Und damit wären wir bei Goethes Knopfloch-Theorem:

Wer das erste Knopfloch verfehlt,
kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.

Aber träumen wird man ja wohl dürfen. Das Volk verschrecken ebenfalls. Die Einsicht, daß man mit dem Zuknöpfen in der Tat und ganz, ganz wirklich nicht zurande kommt, darf man sich dann bis ganz zum Schluß aufsparen. Themen wie Klima und so weiter gehen in der allgemeinen Krisen-Kakophonie übrigens glatt unter. An was alles soll man denn noch denken müssen? Sowas sprengt glatt Hülsenfrüchtchens Horizont. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.