Sa 18-12-21 Das achtzehnte Türchen …

Hört auf Lehrer Lämpel — hört auf die Wissenschaft!

Bei unserem heutigen Türchen handelt es sich um den Kern vom »Schluß« von Wilhelm Buschs »Max und Moritz«, of course. Ein Wunder, daß das noch nicht auf dem Index steht – von wegen etwa der vierte Streich mit der Explosion von Lehrer Lämpels Meerschaumpfeife:

Nase, Hand, Gesicht und Öhren
Sind so schwarz als wie die Möhren.

Das ist zwar inhaltlich nicht gaanz richtig – Möhren sind eher gelb-orange – aber bitteschön. Wenn’s den kontemporären Befindlichkeiten dient …  Und ist nicht schon Wilhelm Busch im Namen von Schwester Ästhetik recht freizügig mit der Sprache umgegangen? Bolle meint: Was der Ästhetik recht ist, ist der Ethik billig. Oder etwa nicht?

Neulich hat Bolle, ganz am Rande nur, natürlich, mit einem Öhr in eine Talkshow reingehört. Da saßen sie alle, die alten weißen Männer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) und konnten sich vor seliger Selbstgerechtigkeit gar nicht einkriegen zu betonen, wie unverständlich doch das Unverständnis der Unwilligen sei. In Bolles Kreisen nennt man so etwas „mangelnde Akkuratesse der Sozialperspektivität“ – das völlige Unvermögen, sich eine andere als die eigene Perspektive auch nur vorstellen zu können. Eine Fähigkeit übrigens, die unter Primatenforschern als Zeichen von Intelligenz gilt. Daß man überdies anderen Perspektiven unmöglich mit Argumenten beikommen kann, hatten wir neulich schon (vgl. Do 16-12-21 Das sechzehnte Türchen …) anhand eines sehr schlichten Exempels geklärt. Doch weiter mit unserer Talkshow: Dort hieß es, man müsse dem „mit allen Mitteln des Rechtsstaates entschlossen entgegentreten“. Schließlich gelte:

In Gefahr und großer Noth
Bringt der Mittel-Weg den Tod.

Wenn das kein hübsches Motto für eine verhagelte Schönwetterdemokratie ist …  Der Spruch stammt aus Friedrich von Logaus (1605–1655) umfangreicher Epigramme-Sammlung. Da steht übrigens durchaus noch einiges mehr – wie etwa:

Leb ich / so leb ich!
Dem Herren hertzlich;
Dem Fürsten treulich;
Dem Nechsten redlich;
Sterb ich / so sterb ich!

Das hätte ohne weiteres auch vom Erlöser der Christenmenschen (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) stammen können – wenn auch vielleicht etwas gleichnishafter formuliert. Von Logau für sein Teil war vom 30-jährigen Krieg (1618–1648) gestählt und hatte offenkundig noch Koordinaten im Kopp. Bolle meint: Mit solchen Leuten in Talkshows würd ick doch glatt mit mehr als nur nem halben Öhr hinhören. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel …

Do 16-12-21 Das sechzehnte Türchen …

Recht so! zum zweiten …

Nachdem wir gestern mitten in den Gender Dynamics steckengeblieben sind, hier ein weiteres kleines weihnachtliches Überraschungs-Ei zum vor- und nachdenken.

Nehmen wir an, jemand (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), den wir hier Aurelius nennen wollen, habe einen 30-Stunden-Job, der ihm 2.500 Silbermuscheln im Monat einbringt. Wer sich mit „Aurelia“ besser identifizieren kann: bitteschön. Auf die genauen Zahlen kommt es hier ebensowenig an wie auf die Währung oder das Geschlecht.

Nehmen wir weiter an, Aurelius stünde vor der Wahl,
            a) seinen Job zu behalten oder
            b) einen 60-Stunden-Job anzunehmen, der ihm 5.000 Silbermuscheln pro Monat einbringen würde.

30 / 60 / 2.500 / 5.000. Das sind die nackten Fakten.

Nun? Was tun? Den alten Job behalten oder den neuen Job annehmen? Here’s a flash: Das läßt sich aufgrund der Faktenlage nicht entscheiden – jedenfalls nicht, soweit Bolle bekannt ist. Was dann?

Nun, Aurelius muß die Fakten bewerten. Das heißt, er muß sich überlegen, ob ihm ein zusätzliches Einkommen von 2.500 Silbermuscheln einen zusätzlichen Zeitaufwand von 30 Stunden wert ist. Falls Ja, dann wechselt er den Job – falls Nein, dann nicht.

Was hat das mit uns zu tun? Nun – falls jetzt irgendein, mit Verlaub, Klugscheißer daherkommt und behauptet, 5.000 Silbermuscheln sei doch deutlich mehr als nur 2.500, dann hat er faktisch recht. Das ist in der Tat so. Wenn er aber überdies behauptet, Aurelius sei folglich unvernünftig oder, je nach Sprachregister, irrational, wenn er den neuen Job nicht annimmt, dann ist er richtig schief gewickelt – trotz aller Fakten. Falls unser Klugscheißer darüber hinaus auf die Idee verfallen sollte zu meinen, Aurelius müsse überzeugt werden oder gar „mitgenommen“ auf dem Weg zu höherem Wohlstand, dann wird es in der Tat übergriffig – und Aurelius täte gut daran, „dergleichen Strolche“, wie Wilhelm Busch das nennt, nach Möglichkeit zu meiden.

Leider ist es so, daß solche Klugscheißer in aller Regel gleichzeitig auch noch „Gutscheißer“ sind. Sie wollen doch nur helfen (!) bei Aurelius’ Weg ins Glück. Bolle meint: Get lost – schert Euch zum Teufel.

Kurzum: Was Aurelius für richtig hält und was nicht, liegt im Bereich von Schwester Ethik, der zweiten Tochter der Philosophie (vgl. dazu kurz und bündig So 24-01-21 Dreschflegel). Was dagegen wahr ist und was nicht – die „Fakten“ also –  liegen in der Domäne von Schwester Logik, der ersten Tochter. Jemanden aufgrund seiner Präferenzen, wie es oft vornehm heißt, für „unvernünftig“ bzw. „irrational“ zu erklären, ist demnach im Kern so was von absurd, daß einem glatt die Spucke wegbleiben könnte – scheint aber dem gegenwärtigen Stand der Zivilisation zu entsprechen.

Bislang hatten wir unser Beispiel so gewählt, daß es nur um eine Zeit- / Einkom­mens­abwä­gung ging. Der Stundenlohn (knapp 20 Silbermuscheln) blieb dabei unverändert. Wie wäre es, wenn Aurelius eine dritte Option hätte, nämlich

            c) einen 30-Stunden-Job, der ihm 5.000 Silbermuscheln (statt nur 2.500) einbringen würde?

Wäre es wenigstens jetzt gerechtfertigt, Aurelius „irrational“ zu schelten, wenn er ablehnt? Denkt mal drüber nach, so Ihr Zeit und Muße findet. Was hat das mit Corönchen zu tun? Auch das ist womöglich eine agnostisch-kontemplative Mußestunde wert. Ansonsten aber ist das dann doch schon wieder ein anderes Kapitel …

Mi 15-12-21 Das fünfzehnte Türchen …

Recht so!

Wie sich die Bilder gleichen! Bolle ist immer wieder entzückt. Offenbar war das vor 100 Jahren nicht anders als heute. Was sich geändert hat: Heute müßte man die Zeilen ein wenig umschreiben – etwa wie folgt:

„Seine oder ihre Meinung ist die rechte,
wenn er oder sie spricht, müßt ihr verstummen,
sonst erklärt er oder sie euch für Schlechte […]“

Das trübt zwar etwas den ästhetischen Gesamteindruck – aber bitteschön …  Selbst Bolles High-End-Formel zu Gender Dynamics kann hier nicht mehr viel raushauen:

„Seine (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) Meinung ist die rechte, […]“

Immerhin dürfen sich hier die Non-Binären mitgemeint fühlen. Das allerdings ist kein ästhetisches Kriterium im engeren Sinne.

Bolle findet es ja immer wieder höchst erfrischend, wenn jemand ganz genau weiß, was richtig ist und was falsch, wo vorne ist und wo hinten (vgl. dazu auch Di 07-12-21 Das siebte Türchen …), und es dabei gleichzeitig (nicht: „zeitgleich(ig)“, vgl. dazu Di 05-01-21 Gleichzeitig zeitgleichig?) fertig bringt, sich noch für richtig klug zu halten und die anderen – folgt man Wilhelm Busch – aus inbrünstiger Überzeugung Dummchen zu nennen, die überzeugt und „mitgenommen“ werden müssen auf dem Pfad alleinseligmachender Erkenntnis.

Eigentlich sollte das gar nicht unser Thema sein für heute. Aber man weiß ja kaum noch, wo man anfangen soll in diesen Zeiten. Nicht, daß unsere agnostische Kontemplation noch in agnostische Konfusion ausartet …  Das wäre schließlich glatt ein Fall von Zweckverfehlung.

Zum Glück hat Wilhelm Buschs Gedicht »Rechthaber« (So heißt es im Original, und nicht etwa, wie bei uns, „Recht so!“) zwei Strophen. Wir können also morgen munter weitermachen. Bis dahin bleibt das allerdings ein anderes Kapitel …

Fr 23-04-21 Vive la France!

Die Guten und der Schiet.

Bolle hält dieses Statement von Dörner für geradezu zenmäßig kryptisch und meint, es lohne, es ab und an und immer mal wieder zum Gegenstand seiner (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course)  kontemplativen Bestrebungen zu machen. Es findet sich gleich in der Einleitung der »Logik des Mißlingens«. Im folgenden heißt es dort: … und am Ende steht dann der erstaunt-verzweifelte Ausruf: ›Das haben wir nicht gewollt.‹ Bolle meint: Aber getan! Immerhin hat es, wie es scheint, ein gütiger Gott oder wer auch immer so eingerichtet, daß das, was Dörner ›Dummheit‹ nennt, so weit reicht, daß sich den „Veranstaltern“ der Zusammenhang zwischen gutgemeintem Tun und zweifelhaftem Ergebnis oft gar nicht erst erhellen wird. Am Ende heißt es dann eher: „Verstehen wir auch nicht, warum das nicht funktioniert. Ist aber auch furchtbar komplex, das alles.“

Was hat das mit uns und hier und heute zu tun? Nun, Friedrich Merz, ausgerechnet, soll sich gegen Gender-Gaga ausgesprochen und darauf verwiesen haben, daß die Franzosen das schließlich auch nicht machen würden. Nun muß man, von Rotwein vielleicht einmal abgesehen, weiß Gott nicht alles gut finden, nur weil die Franzosen das so machen. Indes, und das war Bolle neu, haben die Franzosen ihren staatlichen Einrichtungen das Gender-Gackern schlicht und ergreifend verboten. Zwar hält Bolle nicht allzu viel von übertriebener „Verbotskultur“ – schon deshalb nicht, weil er hierin keine sonderliche kulturelle Leistung zu erblicken vermag. Allein sein Wissen um Existenz und Wirkungsweise von Nash-Gleichgewichten zwingt ihn zu der Einsicht, daß es mitunter einfach nicht anders gehen kann. Von Nash-Gleichgewichten spricht man, wenn, obwohl jeder das macht, was für ihn das beste ist, unterm Strich nur dummes Zeug bei rauskommt – was natürlich so niemand gewollt hat. Auflösen lassen sich Nash-Gleichgewichte – und das ist hier der wichtige Punkt – allein durch eine regelsetzende und durchsetzende Instanz. Vulgo: Verbote von oben, falls nötig. Komplizierter ist es an dieser Stelle nicht. Wir erwähnen es auch nur, weil es sich beim unzureichenden Verständnis von Nash-Gleichgewichten (neben dem unzureichenden Verständnis von Exponentialfunktionen) um eine der beiden hauptsächlichen kognitiven Dysfunktionen handelt, unter denen die Verständigeren unter uns nun mal schwer zu leiden haben. Soweit zu Dörners Dummchen. Ausführlicher zum Gender-Gackern vgl. etwa So 06-09-20 Laber Rhabarber.

Das Thema wird uns absehbar noch viel Freude bereiten. So rüsten sich interessierte Kreise namentlich in den USA für die als gut und gerecht empfundene „Identitätspolitik“ im Filmgeschäft. Dabei sollen, wenn’s nach diesen Kreisen geht, zum Beispiel Schwule nur noch von Schwulen gespielt werden dürfen und Autisten nur noch von Autisten. Schwarze nur noch von Schwarzen sowieso. What comes next? Irre nur noch von Irren? Iren nur noch von Iren? Kinderschänder nur noch von Kinderschändern? Massenmörder nur noch von Massenmördern? Alles andere wäre schließlich „kulturelle Aneignung“ – und das geht in den Augen der Dörner’schen Dummchen ja gar nicht. Bolle meint, da hat jemand glatt den eigentlichen Kern der Schauspielkunst verpeilt. Warten wir’s ab. Schließlich wäre das ja auch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 21-03-21 Die Entdeckung der Minderheit

Freiheit, die ich meine.

Solange es Menschen gibt, gibt es auch Entdeckungen. Denken wir nur zum Beispiel an das Feuer oder das Rad. Und schon wird es kompliziert. Das Feuer wurde ja nicht etwa „entdeckt“. Im Gegenteil: Es war schon immer da. Es wurde lediglich „gezähmt“ und in den Dienst menschlicher Bedürfnisse gestellt. Und auch das Rad macht erst dann Sinn, wenn man zusätzlich die Achse erfindet und einigermaßen befestigte Wege.

Ähnlich verworren verhält es sich mit jenen „Entdeckungen“, die bei Lichte betrachtet eigentlich eher Ideen sind, wie zum Beispiel Luthers „Freiheit eines Christenmenschen“ (1520) oder die grundlegende Idee der Französischen Revolution (1789), die in der Losung „Egalité, Liberté, Fraternité“ ihren knackigen Ausdruck fand. Die Übersetzung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ meint das gleiche, klingt aber weniger musisch. Aber darauf soll es uns hier nicht ankommen.

Auch wollen wir nicht vertiefen, daß es bislang niemandem gelungen ist, auch nur einigermaßen bündig klarzulegen, was genau wir uns denn unter »Freiheit« vorzustellen haben. Thomas Hobbes (1588–1679) etwa hat darunter „das Fehlen jeglicher Bewegungsbehinderung“ verstanden, was Bertrand Russell (1872–1970) spöttisch als „wunderbar präzise Definition“ eingestuft hat. Das Problem: Wenn jeder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auf „ungehinderte Bewegung“ bestehen würde, wäre absehbar Hauen und Stechen angesagt. Auch hauptamtlichen Denkern wie etwa Kant (1724–1804) oder Hegel (1770–1831) ist hierzu nicht allzuviel eingefallen – außer „Was Du nicht willst, das man Dir tu …“ (Kant) bzw. „Einsicht in die Notwendigkeit“ (Hegel) als begrenzendes Prinzip. Kurzum: Freiheit im Hobbes’schen Sinne mag zwar „wunderbar präzise“ definiert sein, ist aber leider praktisch völlig unbrauchbar. Warum?

Den ultimativen Grund liefert, einmal mehr, die Mathematik – genauer gesagt die formale Logik. Man nennt es dort Polylemma. Egal, was man macht: Man kann es nicht allen rechtmachen. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist vielleicht die »Vater/Esel/Sohn«-Allegorie: Ein Vater ist mit seinem Sohn und einem frisch erworbenen Esel unterwegs. Anfangs gehen alle drei zu Fuß und werden von einem entgegenkommenden Wanderer ausgelacht: „Warum geht Ihr denn beide zu Fuß, so Ihr doch einen Esel habt zum reiten?“ Als dann der Vater aufsitzt, kommt der nächste Wanderer des Weges und bezichtigt den Vater der Kinderschänderei. Also läßt der Vater den Sohn aufsitzen – was von einem weiteren Wanderer dem Sohn als mangelnder Respekt vor dem Alter ausgelegt wird. Also sitzen beide auf – nur um sich den Vorwurf der Tierquälerei einzuhandeln. Schließlich nehmen die beiden ihre ganze Kraft zusammen und tragen den Esel nach Hause …

Kurzum: Wir haben es hier mit fünf Möglichkeiten zu tun, den Weg vom Markt nach Hause zurückzulegen – und keine davon bleibt unbekrittelt. Eine allgemein anerkannte Lösung (i.S.v. ›von allen anerkannt‹) ist nicht in Sicht. Game over.

Wir können das Thema an dieser Stelle nicht ausleuchten. Nur so viel: Die „Entdeckung der Minderheit“ führt mit mathematischer Notwendigkeit dazu, daß sich immer irgendwer in seinem höchstpersönlichen „Für-richtig-halten“ (im weiteren Sinne also in seiner „Freiheit“) eingeschränkt fühlen wird. Immer, immer, immer. Und – das kommt erschwerend hinzu: Je mehr Minderheiten wir als solche anerkennen, desto krasser wird es werden mit der gefühlten Einschränkung der Freiheit. Sind wir nicht letztlich alle „Andersdenkende“?

Schon aus diesem Grunde hält Bolle die Idee für noch nicht ganz zuende gedacht. Was dann? Begnügen wir uns an dieser Stelle mit einem Verweis auf Do 28-01-21 Sozialisation. Wird schon? Oder Hohn? Ansonsten ist das dann wohl doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 20-03-21 Ende Gelände?

Ende Gelände.

Auf unser heutiges Thema sind wir eher zufällig gestoßen. In der Ankündigung eines neuen Sendeformates hieß es, man habe Sigmar Gabriel „als kundigen Erklärer einer immer undurchsichtigeren Welt“ gewinnen können.

Die erste Frage, die sich aufdrängt: Ist es wirklich die Welt, die immer undurchsichtiger wird? Neudeutsch: „komplexer“? Oder könnte es nicht vielleicht sein, daß die Fähigkeit, irgendwas zu durchdringen, allgemein nachläßt? Falls letzteres der Fall sein sollte, dann nützt uns auch ein weiterer Erklärer wenig – und sei es der kundigste. Bolle befürchtet, daß Durchdringen furchtbar viel mit Eigenleistung zu tun hat. Ein gerüttelt Maß an Tiefgang kann da überhaupt nicht schaden.

Das Zitat des Tages hat Bolle übrigens einem Lehrbuch über Verfassungsrecht entnommen. Darauf kommt es allerdings nicht an. Das ist ja das Gute an Methode, daß sie sich nicht so leicht auf einzelne Fachgebiete festnageln läßt. Im Zusammenhang liest sich das ganze wie folgt:

Es gibt unendlich viele Probleme. Man kann aber nur endlich viele lernen. Das bedeutet, dass irgendwann ein Problem kommt, das man nicht gelernt hat. Die eigentlich zwingende Konsequenz aus dieser Überlegung: Man muss nicht die Probleme selbst lernen, sondern den Weg zu ihnen und die Methode, sie zu lösen.

Und weiter:

Ein Problem ist immer die Abweichung von etwas Normalem. Um ein Problem finden und lösen zu können, muss man also das Normale lernen. Was normal ist, kann man aber erst dann beurteilen, wenn man die Zusammenhänge kennt. Die Summe aller Zusammenhänge ist das dahinter stehende System.

Schöner kann man es kaum sagen: Das Normale kennen – Zusammenhänge gar. Leichter gesagt als getan. Zusammenhänge nämlich erschließen sich nicht aus der konkreten jeweiligen Situation, sondern aus einer furchtbar vielfältigen Fülle von abstrakten Hintergründen. Tiefgang, eben. Im Grunde haben wir es hier mit dem sogenannten hermeneutischen Zirkel zu tun: Was einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) possibly erfassen kann, hängt schwer davon ab, was er bis dato bereits erfaßt hat. Ein Teufelskreis also, der allerdings in beide Richtungen losgehen kann. Aber von selber passiert da nüscht. Man muß schon was tun – bzw., genauer, bereits einiges getan haben – und zwar unabhängig von einem konkreten Problem. Doch wer findet dafür Zeit in einer Welt, die – husch, husch, husch – auf möglichst schnelle Resultate aus ist –  und im übrigen voller Ablenkungen?

Im Gegenteil: Wie es aussieht, scheint der Zug der Zeit zur Zeit eher in die falsche Richtung zu fahren. Und wenn der Zug erst mal in die falsche Richtung fährt – das wußte schon Franz Josef Strauß –, dann sind halt auch alle Stationen falsch. Vorläufig geht es den Leuten anscheinend mit hoher Prio darum, verbliebene Reste klarer Sprache, unser wohl wichtigstes Werkzeug im Kampf gegen Widrigkeiten, nach Kräften abzuschaffen oder zumindest aufzuweichen. Einfach mal sagen, was ist, kommt zunehmend aus der Mode. Man könnte ja jemandem (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auf die empfindlichen Pfötchen treten. Wenn’s aber doch dem Fortschritt und der Rücksicht dient? Bolle meint: Definiere »Fortschritt«. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Mi 03-03-21 Wolle mer se eroilosse?

Wolle mer se eroilosse?

Seinerzeit schon, vor über 50 Jahren, hatte sich Pippi Langstrumpf im Namen der Ideosynkrasie souverän nicht nur über die Mathematik bzw. Arithmetik an sich, sondern sogar über deren Axiomatik hinweggesetzt. Damals war das noch spaßig und erfrischend. Allerdings dürfte kaum ein Schüler (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auf die Idee gekommen sein, das bei Pippi Langstrumpf gelernte im Rechenunterricht praktisch anzuwenden. Heute, 50 Jahre später, wird aus Spaß langsam Ernst. Wenn man den aktuellen Meldungen Glauben schenken darf, dann keimt in den USA, dem Land of the Free, allen Ernstes eine Debatte auf, die Pippi Langstrumpf locker in den Schatten stellt. Damit aber hätte der Ideosynkrasie-Virus eine Artengrenze übersprungen – vom Sozialen zum Formalen. Aber der Reihe nach.

Hier zunächst ein Beispiel für das Soziale: Wolfgang Thierse, der ehemalige Bundestagspräsident und SPD-Urgestein, hat neulich in einem Gastbeitrag in der FAZ beklagt, daß Debatten über Rassismus, Postkolonialismus und auch Gender-Sprech immer aggressiver geführt würden, und sich dabei über Cancel Culture eher kritisch geäußert. Auch sei Blackfacing nicht weiter bedenklich. Prompt zeigte man sich in der SPD-Spitze „beschämt“ über ein solch „rückwärtsgewandtes“ Bild, das so nicht länger zur Partei passen würde. Bolle meint: Woher wissen die eigentlich immer so genau, wo vorwärts und wo rückwärts ist? Und aus welcher Quelle speist sich eigentlich das Schamgefühl?

Hier nun das Formale. Anscheinend wird in den USA neuerdings ernstlich darüber debattiert, ob die Idee, daß  2 + 2 = 4 sei, nicht doch eher kulturelle Gründe habe, und nicht letztlich eine Folge von westlichem Imperialismus sei bzw. der Kolonisierung der Welt.

Dabei scheint sich die Virulenz bereits in einem fortgeschrittenem Stadium zu befinden: So heißt es in einem Rundbrief des Kultusministeriums (!) in Oregon, die Forderung an Mathematik-Schüler, in ihren Klausuren nur ein einziges, überdies auch noch möglichst zutreffendes Ergebnis vorzulegen, sei ein Zeichen „weißer Vorherrschaft“. Recht so, meint Bolle. Nieder mit den alten, weißen Männern und ihrer rassistischen Arithmetik – von Mathematik zu reden wäre hier wohl schwer übertrieben.

Bolle fragt sich ernstlich, ob er nicht vielleicht übertrieben stumpf ist bzw. zu wenig aufgeschlossen für neue Wege der Mathematik. Auch ist ihm klar, daß man eine Mathematik auch auf anderen Axiomensystemen aufbauen könnte. Weiterhin ist ihm allerdings auch klar, daß kein einziges dieser Axiomensysteme dazu führen würde, daß für ein und dieselbe Aufgabe mehrere „korrekte“ Lösungen möglich sind. Mehrere Lösungswege wohl – das aber ist hier offenkundig nicht gemeint. Und so kommt er nicht umhin, sich in Anspielung an einen running gag bestimmter Karnevalssessionen zu fragen, wer diese Leute reingelassen haben mag in die Uni oder ins Kultusministerium – und überdies ein Hygienekonzept zu fordern. Das aber ist vielleicht dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 13-02-21 Immer feste druff!

Immer feste druff.

Daß wir zwei Tage in Folge auf Friedrich von Schiller zurückgreifen, ist eher Zufall. Unser heutiges Zitat soll illustrieren, daß Vorfälle wie der folgende durchaus nicht neu sind – wenn auch die Häufigkeit besorgniserregend zunimmt. Was ist passiert? Yoshiro Mori, der Chef des Organisationskomitees der Olympischen Sommerspiele, die demnächst mit einem Jahr Verspätung in Tokyo stattfinden sollen, wurde gefeuert. Natürlich nicht wirklich gefeuert, of course. Japaner sind höflich – und so hat man sich auf einen „Rücktritt“ verständigt. Hintergrund: Ein einziger Satz. Yoshiro Mori hatte am Rande angemerkt, daß Sitzungen mit hoher Frauenbeteiligung sich oft unangenehm in die Länge zögen. Warum? Weil Frauen nun mal einen zeitaufwendigeren Kommunikationsstil pflegten. Man könnte auch sagen: Ein Mann, ein Wort. Eine Frau, ein Wörterbuch. Skandal! Voll die sexistische Entgleisung!

Kann man das so sehen? Natürlich. Muß man das so sehen? Natürlich nicht. Bolle meint: Entweder war das eine schlichte Meinungsäußerung. Dann ist sie durch Art. 5 I GG (bzw. das japanische Äquivalent dazu) gedeckt – falls wir die Angelegenheit überhaupt so hoch hängen wollen. Oder es war eine Tatsachenbehauptung. In diesem Falle wäre es einer Überprüfung zugänglich. Wozu gibt es Sitzungsprotokolle? Falls man sich geirrt haben sollte, nimmt man die Behauptung eben mit einem Ausdruck des Bedauerns zurück – und gut isset.

Aber so? Aufschrei der Straße – wobei sich die Straße 2.0 praktischerweise in den sozialen Medien befindet, man also nicht mal vor die Tür gehen muß, um sich gründlich zu empören. Demos 2.0 nennt Bolle das. Darauf folgt blitzeschnelle die massenmediale Verstärkung des Aufschreies. Skandal, Skandal! Dazu kommt regelmäßig immer gleich die Verhängung der Höchststrafe. Zwar hat niemand gefordert, daß Yoshiro Mori Harakiri (bzw. Seppuku) begehen soll – wir leben schließlich in vergleichsweise zivilisierten Zeiten. Aber die umstandslose Entfernung aus Amt und Würden ist heute eben die Höchststrafe 2.0.

Demokratische Legitimation des Demos 2.0? Fehlanzeige. Rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprüfung? Fehlanzeige. Abwägung Problemlösung (die Spiele wollen organisiert sein) vs. Pflege der Befindlichkeiten (Mimimi)? Fehlanzeige. Schon Aristoteles (384–322 v. Chr.) war übrigens klar, daß man es mit der Demokratie – sehr zum Schaden des Gemeinwesens, übrigens – durchaus auch übertreiben kann, und hat dabei ausdrücklich zwischen Politeia und Demokratie als zwei polaren Ausprägungen der Herrschaft der Vielen unterschieden. Aber das ist ja erst zweieinhalb tausend Jahre her – und wäre im übrigen auch schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 06-02-21 Multiples Organversagen: Der Globus quietscht und reihert …

Trösterchen — in Mainzer Mundart.

Der Begriff »Trösterchen« (zumindest in der Form »Trostpflaster«) findet sich schon im Grimm’schen Wörterbuch von 1885. Doch das nur am Rande.

Das „multiple Organversagen“ als Analogie zum Zustand der Erde hat Bolle in einem Interview mit Matthias Glaubrecht aufgeschnappt, der 2019 ein Buch mit dem doch etwas reißerischen Titel »Das Ende der Evolution« vorgelegt hat. Laßt uns lieber nicht hysterisch werden. Allerdings könnte es durchaus sein, daß manches, was da in absehbarer Zukunft auf uns zukommen könnte, so manchem (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) so rein gar nicht schmecken wird. Seit Malthus (1798) – das ist auch schon wieder über 200 Jahre her – ist klar, das ein System, das nicht gesteuert wird („preventive check“) dazu neigt, sich selber zu steuern („positive check“) – mit welchem Ergebnis auch immer. Übrigens war Malthus seinerzeit vorsichtig genug, sein Werk zunächst nur unter Pseudonym zu veröffentlichen.

Was können wir an dieser Stelle tun? Mehr als eine Shortlist der drängendsten Probleme ist hier unmöglich drin – immerhin verbunden mit dem Versprechen, auf diesen oder jenen Punkt zu gegebener Zeit zurückzukommen.

Betrachten wir als erstes die Weltbühne: Da hätten wir zunächst Corönchen – ein Virus, das die Frechheit hat, auch noch zu mutieren. Kiek ma eener an. Dann hätten wir aktuell noch Endlager – wo allein der Begriff auf eine ziemlich naive Vorstellung von „Ende“ schließen läßt. Sagen wir so: Eine Zivilisation, die von den ersten Anfängen an (neolithische Revolution) seit maximal 10.000 Jahren besteht, schickt sich an, ihren Zivilisationsmüll für die nächsten 100.000 Jahre, oder länger, zu verbuddeln. Was soll man da noch sagen? Da gehören die aktuellen Probleme mit Rußland (pöser, pöser Putin) fast schon in die Kategorie Petitessen. Deutlich krasser steht es da ums Klima – von dem man übrigens schon länger nicht mehr allzu viel gehört hat. Im Gegenteil: die politischen Eliten versuchen uns einzureden, daß wir nach der „Rückkehr zur Normalität“ aus den Corönchen-Schulden rucki-zucki (also zu Lasten des Klimas) wieder „rauswachsen“ werden. Bolle meint: Geht’s noch? Sonst keene Idee? Migrationsprobleme? Klären wa nach Corönchen. Dabei war es ausgerechnet Migration, die 1.000 Jahren römischer Weltherrschaft den Garaus gemacht haben. Das aufkommende Christentum hat dann nur den Rest erledigt. Platz 1 der Probleme auf der Weltbühne gebührt aber wohl unangefochten der desaströsen Bevölkerungsentwicklung. Hier ist zur Zeit keinerlei Lösung in Sicht – nicht einmal die Einsicht in das Problem.

Auf der politischen Ebene haben wir es mit einem veritablen blinden Fleck in puncto Verantwortung zu tun. Alle schreien laut und gut hörbar nach Freiheit. Daß Verantwortung aber nun mal unbestreitbar die große Schwester der Freiheit ist? Sollen doch kommende Generationen klären. Dazu kommt der fehlende Sinn für jede Form von Beißhemmung. Wenn’s der „guten Sache“ dient, ist jedes Mittel recht. Wobei die „gute Sache“ selbstredend immer nur die eigene Sache ist – also nicht etwa und schon gar nicht die von Putin, zum Beispiel. Sancta simplicitas, meint Bolle. Drittens schließlich müssen wir hier auch das unzureichende Verständnis dessen, was es heißt, ein Volk zu „einen“, erwähnen. Alle haben sich lieb? Bolle könnte glatt kotzen ob so viel Einfalt.

Die Hauptprobleme auf der wissenschaftlichen Ebene sind und bleiben wohl das unzureichende Verständnis der Exponential-Funktion sowie der Bedeutung von NashGleichgewichten.

Auf der sozialen Ebene schließlich haben wir es in erster Linie mit Geschichtsblindheit zu tun („Geschichtsvergessenheit“ wäre hier das falsche Wort: vergessen setzt voraus, daß da mal was gewußt wurde – wovon wir aber durchaus nicht ausgehen können). Dazu kommt eine ausgeprägte Erregungsneigung (hier von „Kultur“ zu sprechen wäre wiederum schamlos überzogen). So richtig zur Geltung kommt das allerdings erst durch den Journalismus 2.0 als veritablem Erregungsverstärker – so eine Art soziales Viagra, was durchaus nicht dem ursprünglichen Verfassungsauftrag als „vierte Gewalt“ entspricht. Immerhin: So hat man was zu berichten. Wie aber wär’s mit einfach mal stille schweigen? Hinzu kommt schließlich und letztlich noch die offenkundige Unfähigkeit bzw. zumindest Unwilligkeit, anstehende Probleme zu priorisieren und einer gebührlichen Reihenfolge nach abzuarbeiten. Nein – gendergerechtes Gequatsche ist derzeit nicht das wichtigste Problem, das wir haben auf der Welt.

Soweit unsere Abarbeitungs-Liste. Lang genug isse ja …

Wenn Bolle ein Spielautomat wäre, dann hätte er – ohne das auch nur im entferntesten  defaitistisch zu meinen – vermutlich längst ein fröhliches „Game over“ ausgespuckt (vgl. dazu Di 22-10-19 Rente mit 69). Vor allem bei gepflegteren Spielen wie etwa Schach gibt man die Partie ja auch verloren, bevor der König endgültig umgehauen wird.

Übrigens: Den Begriff „reihern“ gibt es wirklich. Bolle hat das überprüft. Es bedeutet ›heftig kotzen‹ und findet sein Bedeutungsmotiv erstaunlicherweise im dünnflüssigen Kot (!) des einschlägigen Federviehes. Aber erstens weiß so etwas heute ohnehin kaum einer mehr – darum erwähnen wir es ja – und zweitens wäre das ohnehin ein durchaus anderes Kapitel.

Mi 03-02-21 Von Quatsch und Quark …

Von Quatsch und Quark.

Das ist Bolle nach einer Überdosis System-Medien mal eben so rausgerutscht. Betrachten wir es als kleine sprachliche Pointierung nach fast 100 Jahren Dreigroschenoper (vgl. dazu Mi 27-01-21 Wahn und Wirklichkeit). Anlaß war die Berichterstattung zum putistischen Rußland im allgemeinen bzw. zum Umgang mit Nawalny im speziellen. Dabei ist „Er“, wohlgemerkt, natürlich beider- bzw. allerlei Geschlechts gemeint, of course. Wir wollen ja niemanden zurücksetzen. Dieser Hinweis muß genügen, da gendergerechte Dichtkunst Bolles Fähigkeiten bislang bei weitem übersteigt.

Egal, wie man zu Putin oder Rußland oder Nawalny inhaltlich stehen mag. Diese selbstgerechte Pose – oder gar Posse? –, mit der dem geneigten Zuschauer das eigene journalistische Weltbild untergejubelt werden soll, ist schon bemerkenswert. Im Grunde haben wir es hier mit einem Autoimmun-Argument zu tun. Bolle versteht darunter ein ›Argument, das sich gegen alles, was es sonst noch so geben mag, automatisch immunisiert‹ – hier also in etwa wie folgt:

(1) Wir sind die Guten – die freie Presse in einem freien Land. Folglich geht das, was wir sagen oder senden, per se in Ordnung. (2) Die anderen dagegen sind die Bösen – von korrupten Leadern angepaßt bzw. unterdrückt. Folglich geht das, was die sagen oder senden, per se nicht in Ordnung. (3) Summa summarum grenzt es an Frechheit, das eine mit dem anderen zu vergleichen oder auch nur in die gleiche semantische Ecke zu rücken.

Als Hans-Georg Maaßen im Juli 2019 meinte, Die »Neue Zürcher Zeitung« zu lesen sei für ihn wie „Westfernsehen“, da war richtig der Teufel los im Blätterwald. Wie kann man sich nur so erfrechen? Das – genau das – ist es, was Bolle HypnoPresse nennt. Nicht, daß die wirklich „lügen“ würden. Lügen setzt schließlich Wissen und Wollen voraus (fachsprachlich: Vorsatz). Vielmehr glauben die vermutlich selber an all das, was sie da so sagen oder senden. Bolle empfiehlt einen Hauch von agnostisch-kontemplativer Distanz, gegebenenfalls gewürzt mit einem Hauch von Humor und Selbst-Ironie – als Gegengift zur gegebenen Schlagseite (neudeutsch: bias). Ein Hauch von historischem Hintergrundwissen könnte übrigens auch nicht schaden. Aber das ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.