Do 31-12-20 Guten Rutsch! Und bessert Euch!

Silvester 2017 in Berlin Prenzlauer Berg.

Hier die Silvesternacht 2017 in Prenzlauer Berg. In 2018 und 2019 hatte sich Bolle nach »Dinner for One« gleich wieder hingelegt und damit seine photographischen Ambitionen hintan gestellt. Ob es dieses Jahr möglich sein wird, ein Last Minute Pic zu schießen und rechtzeitig ins Netz zu stellen, ist corönchen-bedingt eher fraglich. Auch ist das Bild krass verpixelt. Aber so ist das nun mal im Spätimpressionismus.

Dann wollen wir mal hoffen, daß das kommende Jahr erquicklicher wird als das doch etwas betrübliche 2020. Ob das so wird, hängt natürlich weniger von der Zahl an sich ab als vielmehr davon, was wir draus machen. Wer noch Anregungen zur Neu-Besinnung sucht, möge sich, falls er mag (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), von unserem agnostisch-kontemplativen Adventskalender inspirieren lassen.

Guten Rutsch, fürs erste. Nächstes Jahr wissen wir mehr …

Mi 30-12-20 Komplex, komplexer, und so richtig „hochkomplex“

Komplexität am Himmel.

»Komplex«, man kann das kaum anders sagen, ist ein Modewort – so ähnlich wie früher vielleicht „aufoktroyieren“. »Oktroyieren« heißt ›aufdrängen‹. Was bitteschön, soll dann „auf-oktroyieren“ bedeuten? Sinnentkernt – seinerzeit aber in aller Progressiven Munde. In Bolles defätistischem Wörterbuch steht »komplex« einfach nur für ›blicke nicht mehr durch‹. Was wäre dann „hochkomplex“? ›Blicke überhaupt nicht mehr durch‹, vermutlich. Liegt das nun daran, daß die Dinge so wenig „übersichtlich“ sind – schon wieder so ein dummes Modewort – oder nicht doch eher daran, daß es manchem einfach nur an Durchblick mangelt? Bolle befürchtet letzteres.

Ähnlich verhält es sich übrigens mit „hochbegabt“ – normal begabte Kinder gibt es anscheinend gar nicht mehr – oder auch „hochqualifiziert“. Ein dreifach Hoch also auf die galoppierende Sprach-Inflationierung. Aber das ist wohl schon wieder ein anderes Kapitel.

Di 29-12-20 Und nun? Was tun?

Bolles Arbeitslogik nebst Ethik.

Übermorgen ist Silvester. Zeit für gute Vorsätze – zumindest aber keine schlechte Gelegenheit, sich ein wenig nachweihnachtlich zu besinnen und sich zu fragen, was man denn sonst noch so vorhat mit seinem Leben. Von Banalitäten wie etwa „Weniger rauchen und mehr Sport“ wollen wir mal absehen. Es soll uns hier nicht um Kleinkram gehen, sondern um die grundsätzliche Ausrichtung dessen, was einer tut.

Unter projektives Tun (von franz. projeter ›nach vorne werfen‹) fällt alles, was einen sprichwörtlich voran bringt. Das kann ein Kunstwerk sein, die Lösung einer mathematischen Gleichung, eine richtungsweisende Erfindung, und vieles mehr. Defensives Tun (von lat. defendere ›abwehren‹) ist alles, was nun mal getan werden muß, allein um nicht zurückzufallen. Da derlei Dinge immer wieder aufs neue getan werden müssen, reden wir zu Recht auch von repetitiv (von lat. repetere ›wieder auf etwas losgehen‹). Weiter kommt man damit nicht. Beispiele wären etwa die Betten machen, den Müll runterbringen, und wiederum sehr, sehr vieles mehr. Wenn nun jemand – sagen wir Leonardo da Vinci – sein Leben überwiegend mit der Schaffung von Werken verbringt, dann wird er einen anderen Blick auf sich und sein Leben haben als jemand, der sein Leben mit Müll runterbringen verbracht hat oder mit der immergleichen Büroroutine.

Mit regressivem Tun (von lat. regredi ›zurückschreiten‹) schließlich ist die Beschäftigung mit Dingen gemeint, die in der Vergangenheit liegen und damit per se unabänderlich sind. Es macht nun mal sprichwörtlich keinen Sinn, verschüttete Milch zu beklagen. Neue Werke entstehen so nicht – und auch der Müll bleibt da, wo er nicht hingehört. Aber soll man denn aus der Vergangenheit gar nichts lernen? Doch, natürlich – dann aber bitteschön zukunftsorientiert im Rahmen projektiven Tuns. Jammern jedenfalls nützt nüscht. Um das ganze knackig zu fassen, könnte man vielleicht auch sagen: Projektives Tun ist auf die Zukunft gerichtet, defensiv-repetitives Tun auf die Gegenwart, und regressives Tun auf die Vergangenheit. Damit dürfte in der Tat alles abgedeckt sein. Der ethische Aspekt, also die letzte Zeile des Zitats, läßt sich ähnlich knackig fassen: Defensiv macht depressiv. Und was das projektive Tun angeht: Es muß ja nicht immer gleich im Leonardo- oder im Einstein-Format sein. Auch Kleinkunst macht Mut. Aber das ist dann wohl schon wieder ein anderes Kapitel.

Mo 28-12-20 Corönchen-Portiönchen

Paracelsus — in seinen septem defensiones.

Paracelsus hat sein Statement seinerzeit dem Duktus des ausgehenden Mittelalters entsprechend gefaßt: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“ (Holzinger 2014, S. 79). Daraus wurde dann in verkürzter Form „Nur die Dosis macht das Gift“ bzw., in medizinisch-pharmazeutischem Schlausprech: Sola dosis facit venenum. Letztlich geht es hier aber um die Qualität / Quantität-Polarität – und auch die Wirkungsseite läßt sich zu „Wohl oder Wehe“ verallgemeinern. Eigentlich ist das ja auch klar: „Übermut tut selten gut“, heißt es im Volksmund.

Was übrigens hat Paracelsus zu diesem Statement bewogen? Es waren Anfechtungen seiner lieben, im Zweifel aber weniger begabten Kollegen. Er mußte sich nämlich des öfteren vor Gericht des Vorwurfs erwehren, seinen Patienten „Gift“ zu verabreichen oder gar ein „Heilpraktiker“ zu sein (wie wir das heute nennen würden). Wie sich doch die Bilder gleichen.

Übrigens kann »venenum« nicht nur ›Gift‹, sondern auch ›Heilmittel‹ oder gar ›Zaubertrank‹ bedeuten. Dann wollen wir mal hoffen, daß die Heilsbringer unserer Tage sich nicht in der Dosis vertun und wirklich „Zauberpiekse“ verabreichen – von „Trank“ kann hier ja wohl keine Rede sein. Wir werden sehen. Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Das aber ist dann wohl ein anderes Kapitel.

So 27-12-20 Oh Zeiten, oh Sitten!

Vossische Zeitung vom 28. Juni 1914, am Vorabend des 1. Weltkrieges.

Hier das in den Medienwissenschaften immer wieder gerne herangezogene, geradezu „klassische“ Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll. Für diejenigen unter uns, die sich mit Frakturschrift schwertun, hier zunächst die Übertragung in Antiqua:

Sarajewo, 28. Juni (Telegramm unseres Korrespondenten). Als der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin, die Herzogin von Hohenberg, sich heute vormittag zum Empfange in das hiesige Rathaus begaben, wurde gegen das erzherzogliche Automobil eine Bombe geschleudert, die jedoch explodierte, als das Automobil des Thronfolgers die Stelle bereits passiert hatte. In dem darauffolgenden Wagen wurden der Major Graf Boos-Waldeck von der Militärkanzlei des Thronfolgers und Oberstleutnant Merizzi, der Personaladjudant des Landeshauptmanns von Bosnien, erheblich verwundet. Sechs Personen aus dem Publikum wurden schwer verletzt. Die Bombe war von einem Typographen namens Cabrinowitsch geschleudert worden. Der Täter wurde sofort verhaftet. Nach dem festlichen Empfang im Rathause setzte das Thronfolgerpaar die Rundfahrt durch die Straßen der Stadt fort. Unweit des Regierungsgebäudes schoß ein Gymnasiast der achten Klasse (Primaner) namens Princip aus Grabow aus einem Browning mehrere Schüsse gegen das Thronfolgerpaar ab. Der Erzherzog wurde im Gesicht, die Herzogin im Unterleib getroffen. Beide verschieden, kurz nachdem sie in den Regierungskonak gebracht worden waren, an den erlittenen Wunden. Auch der zweite Attentäter wurde verhaftet. Die erbitterte Menge hat die beiden Attentäter nahezu gelyncht.

Was war passiert? Das österreichische Thronfolgerpaar wurde erschossen. Das ist die Nachricht. Wider alle Regeln der Kunst erfährt man das beiläufig gegen Ende des Beitrages.

Was hat das mit uns zu tun? Nun — in diesen Weihnachtstagen, die ja eigentlich besinnlicher Natur sein sollten, hat die Presse augenscheinlich nichts besseres zu tun, als von einem „Wohnmobil“ zu berichten, das in Nashville, Tennessee, als Autobombe benutzt wurde. Was bitteschön, hat das mit „Wohnmobil“ zu tun? Oder damit, daß Nashville auch „Music City“ genannt wird? Hier die Nachricht, wie Bolle sie sich wünschen würde:

In Nashville, Tennessee, ist am Morgen des 25. Dezember eine Autobombe explodiert. Dabei haben die Täter Vorkehrungen getroffen, daß möglichst niemand zu Schaden kommt. Neben erheblichem Sachschaden ist weiter nichts passiert. Das Motiv ist noch unklar. Das FBI ermittelt.

Das wär’s gewesen. Ende der Durchsage. Frohe Weihnachten – und den Menschen auf Erden ein Wohlgefallen. Könnte es nicht sein, daß die Lust an der Sensation die Liebe zur Sachlichkeit bei weitem übersteigt? Aber das ist wohl schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 26-12-20 Corönchens Werk und Gottes Beitrag

Berlin, 24. Dezember 2020, kurz vor Ladenschluß.

Zu Corönchen kann man stehen, wie man will. Von „Killervirus“ bis „grippaler Infekt“ – alles ist möglich. Nachdem die Bundeskanzlerin schon im Mai von einer „Zumutung für die Demokratie“ gesprochen hatte – was auch immer damit gemeint sein soll – hat jetzt der Bischof von Limburg und Vorsitzende der katholischen deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, noch eins draufgesetzt und von einer „Gefahr für die Menschenwürde“ gesprochen.

Hier ist nicht der Platz, das Thema auszuloten. Weder wissen wir, was genau sich die Kanzlerin unter „Demokratie“ vorstellen mag, noch, was sich der Bischof unter „Menschenwürde“ vorstellt. Nur so viel: Offenbar bringt Corönchen eingefleischte Gewißheiten ins Wanken. Was gestern noch sicher schien, gerät heute ins Schleudern.

Ist Demokratie „gottgegeben“? Die Menschenwürde? Kann man alles so sehen – muß man aber nicht. Oder ist das alles Menschenwerk – und funktioniert nur so lange, wie nichts da­zwischenkommt – Corönchen etwa? Oder ist es gar „Teufelswerk“? Damit wären wir unvermittelt bei der alten Frage nach der Allmacht Gottes. Wenn nämlich Gott (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) allmächtig ist, dann ist ihm Corönchen zuzurechnen. Falls er zwar allmächtig ist, dabei aber nicht übermäßig machtbesessen – indem er etwa dem Teufel oder auch den Menschen selbst einen gewissen Spielraum für allerlei Schabernack läßt – dann ist so etwas wie Corönchen zumindest nicht sonderlich entgegenkommend, was seine Schäfchen anbelangt. Möglicherweise wird er seine Gründe haben. Vorläufig bleibt festzuhalten: Vielleicht ist Corönchen ja nur so eine Art Weckruf – um uns anzuregen, echte Probleme von Luxusproblemen zu scheiden und fein säuberlich der Reihe nach anzugehen. So zumindest könnte ein Masterplan eines allmächtigen Gottes aussehen. Bolle würde das einleuchten. Das aber ist ein anderes Kapitel.

Fr 25-12-20 Breaking News

Breaking news …

Da guckt man nachmittags zur mentalen Einstimmung auf den Heiligen Abend gemütlich eine Weihnachtskomödie (hier: Weihnachten … ohne mich mein Schatz // D 2011 // mit Henry Hübchen und Jutta Speidel) – und dann so was. Mitten in der laufenden Sendung kriecht ein Text durchs Bild, um, wie hier im Beispiel, Belanglosigkeiten zu verkünden. „Monster-Meteor kollidiert in zwei Stunden mit der Erde“ würde Bolle ja noch halbwegs einleuchten. Obwohl: wissend, daß zwei Stunden später der Erde letztes Stündlein schlagen wird, würde Bolle gleichwohl getrost den Film zu Ende gucken wollen. Was denn sonst? Beten vielleicht? Also wieder nichts mit „breaking news“.

Also, was soll das? Soll das jetzt romantische Ironie sein? Brecht’scher Verfremdungseffekt?  Oder derangiert hier Turbo-Journalismus zum Selbstzweck? Bolles Gegengift: Journalisten aller Länder, entschleunigt Euch. Die Nachrichten laufen Euch nicht weg. Die Zuschauer wahrscheinlich auch nicht. Aber das ist schon wieder ein anderes Kapitel.

Do 24-12-20 Das vierundzwanzigste — und für dieses Jahr letzte — Türchen …

Hier das 24. und letzte virtuelle Türchen …

Zum Abschluß unseres agnostisch-kontemplativen Adventskalenders wollen wir Hermann Hesse zu Wort kommen lassen. Die Textstelle stammt aus seinen wunderschönen »Märchen«. In »Faldum« geht es darum, daß „ein Jüngling“ sich wünschte, ein Berg zu sein, um dem Kreislauf von Werden und Vergehen zu entgehen. Er wollte ewig sein und unwandelbar. Der Wunsch ward wahr – der Jüngling wurde zum Berge. Mit der Ewigkeit wurde es allerdings nichts – wie der Jüngling nach einigen tausend Jahren erkennen mußte. Indes: auch in Gestalt von „Sonne und Gestirne“ wäre sein Wunsch nach ewiger Existenz letztendlich ins Leere gelaufen – wenn auch ein paar Milliarden Jahre später.

Bolle definiert »Existenz« als einen ›Zustand mit einer Energie / Materie-Konzentration (EMK) größer Null‹. Na toll! EMK ist das Gegenstück zur Entropie – nur anschaulicher definiert. »Nicht-Existenz« wäre damit ein ›Zustand mit einer EMK gleich Null‹. Sauber dichotomisiert – das muß man Bolle lassen.

Beides, Energie und Materie, ist ja letztlich das gleiche – das wissen wir seit Einsteins E = m · c2. Ein „System“ kann dabei auch das Universum in toto sein. War das Universum zum „Zeitpunkt des Urknalls“ existent? Ja oder Nein? Bolle meint, eine höhere Konzentration als zum Zeitpunkt des Urknalls, also Lemaîtres „Ur-Atom“, ist überhaupt nicht denkbar. Demnach war das Universum vor 13,8 Mrd. Jahren definitiv existent – und wie! Von wegen „Schöpfung aus dem Nichts“ (creatio ex nihilo). Alles, was „ist“, war schon immer „da“ – wenn auch in Erscheinungsformen, die unser Vorstellungsvermögen bei weitem übersteigen. Aber was kümmert es das Universum, wenn es der Mops anbellt?

Und? Wie geht’s weiter? Zur Zeit sieht es so aus, als daß das Universum expandiert – und zwar beschleunigt expandiert. Die Energie / Materie-Konzentration nimmt also ab – im mathematischen Grenzfall bis auf Null und damit definitionsgemäß bis an die Grenze der Nicht-Existenz.

Nach allem, was wir wissen, kann sich Energie nicht von sich aus konzentrieren. Da ist der zweite Hauptsatz der Thermodynamik vor – falls der überhaupt gilt. Materie dagegen kann sich sehr wohl von sich aus konzentrieren. Wir nennen es Gravitation. Was aber, wenn das Universum im Laufe seiner weiteren Entwicklung auf die Idee verfällt, nicht länger zu expandieren, sondern sich – ganz im Gegenteil – zusammenzuziehen, um sich schließlich wieder zu einem „Ur-Atom 2.0“ zu verdichten? Dafür spricht nicht zuletzt, daß eine fortgesetzte beschleunigte Ausdehnung auf Dauer unmöglich ist. Das Universum würde, wenn sich die Ausdehnung der Lichtgeschwindigkeit nähert, unendlich schwer werden. Geht also nicht. Damit wäre zumindest Bolles ›Existenz-Erhaltungssatz‹ gewahrt. Statt sich also bis zur Unkenntlichkeit zu verdünnen, würde sich das Universum – einmal mehr? – in einen Zustand maximal möglicher Energie / Materie-Konzentration verdichten – und das Spiel begänne von neuem. Der „Tanz des Shiva“, eben. So haben das hinduistische Philosophen seit alters her genannt – allerdings unbeleckt von vertieften naturwissenschaftlichen Einsichten. Gleichwohl: Bolle würde das einleuchten.

Harte Kost? Durchaus. Wem das alles zu viel ist – viel zu viel für den Heiligen Abend der Christenmenschen mit Würstchen und Kartoffelsalat, Hölzerbrot, mit Gans oder was auch immer – der sei auf den agnostisch-kontemplativen Adventskalender im kommenden Jahr verwiesen. Noch ist nicht aller Tage Abend. Fürs erste also frohe und besinnliche Weihnachten und den Menschen auf Erden – gleich, was sie sonst so glauben mögen – ein Wohlgefallen. Vor allem aber: Fürchtet Euch nicht! In diesem Universum kommt nüscht weg! Aber das ist definitiv ein anderes Kapitel. Frohe Weihnachten!

Mi 23-12-20 Das dreiundzwanzigste Türchen …

Hier das 23. virtuelle Türchen …

Hier noch ein letztes Beispiel aus Bolles schier unerschöpflichem Fundus chinesischer Weisheiten. Dabei könnte das auch uns im Westen durchaus klar sein – wenn auch vielleicht in weniger geschmeidiger Formulierung. Hier nennt man das Phänomen „Opportunitätskosten“ – welch gruseliges Wort. Selbst DeepL ist da weiter, wenn es als Übersetzung von opportunity costs ›Optionskosten‹ vorschlägt. Alles, was man tut – jede Entscheidung, die man fällt –, ist mit Aufwand im weitesten Sinne (also Geld, Zeit, Nervenkraft, und was auch immer) verbunden. Kurzum: Alles hat seinen Preis. Von wegen „alles ist möglich“ (vgl. dazu das achzehnte Türchen). Mag sein, daß alles möglich ist. Aber es ist eben nicht alles möglich – schon gar nicht gleichzeitig oder gar zum Nulltarif.

Was hat das mit uns bzw. mit hier und heute zu tun? In dieser herrlich entgrenzten Welt – heute hier, morgen dort, bin kaum da, muß ich fort – dämmert uns langsam, namentlich in Corönchen-Zeiten, daß auch das seinen Preis hat. Strafe Gottes? Gott behüte. Einfach nur eine Antwort des Systems. Systeme sind selbst-stabilisierend und damit geduldig. Allerdings soll man auch hier nichts übertreiben. Wenn ein System mit seiner Geduld am Ende ist, dann sagen wir „es kippt“ und wundern uns. Liegt das nun am System oder nicht doch eher an uns selber? Soweit zur letzten Kontemplations-Anregung in diesem unserem agnostischen Adventskalender. Das aber ist dann letztlich doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Di 22-12-20 Das zweiundzwanzigste Türchen …

Hier das 22. virtuelle Türchen …

So, das mußte noch raus. Weniger, weil bald Weihnachten ist, sondern eher, weil das alte Jahr zuende geht. Und nächstes Jahr soll ja schließlich alles besser werden. Dabei wäre es wohl nicht der schlechteste Ansatz, wenn sich die schreibende Zunft wieder deutlicher bewußt machen würde, daß sie letztlich „irgendwas mit Medien“ zu tun hat. Ein »Medium« aber sollte schon von der Wortbedeutung her ein ›Vermittler, in der Mitte stehendes‹ sein. In der Mitte zwischen was? Dem, was ist, und dem, der es erfahren möchte. Rudolf Augstein hat das seinerzeit zeitlos klassisch gefaßt: „Schreiben, was ist.“ Punctum. Das ist indessen lange her. Medium sein heißt nicht, dem Leser bzw. Zuhörer oder Zuschauer (jeweils beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) die eigene geschätzte Befindlichkeit zu vermitteln. Kurzum: »vermitteln« ist ein Teekesselchen der tückischen Art. Es steht für (1) ›rüberbringen, was in der Welt los ist‹, oder aber (2) ›rüberbringen, was mit mir los ist‹. Beides hat – bei höchster Verwechslungsgefahr – wenig miteinander zu tun. Nachdem das geklärt ist, noch ein Letztes: „Schreiben, was ist“ bedeutet nicht: „Alles schreiben, was ist“. Es besteht keine Notwendigkeit, jeden Pupser, den einer, etwa auf Twitter, abläßt, massenmedial zu verstärken. In Bolles Jurastudium nannte man das treffend „Weglaß-Technik“: Der Bedeutung von Banalitäten wird man als Vermittler am besten dadurch gerecht, daß man sie gar nicht erst erwähnt. Aber das ist schon „höhere Schule“ und damit auch ein anderes Kapitel.