Mo 16-11-20 Wirklich wahr?

Der trichotomisierte Wahrheitsraum
Wahrheitsraum trichotom

Hier Bolles trichotomisierter Wahrheitsraum. Alles drinne — von Verschwörungsopfern über Verblödungsopfer — die sich ihre fehlerhafte Sicht der Dinge teilen – bis hin zu Gläubigen und Ungläubigen, die sich mit Fug und Recht ihren Hochmut teilen. Mehr dazu in Kürze …

Mo 09-11-20 Seid umschlungen Millionen!

Seid umschlungen Millionen!

Bevor wir loslegen: Wo auf dieser Skala würden Sie „1 Mio“ einzeichnen? Probieren Sie es in erster Näherung „gefühlt“ bzw. „spontan“. Rechnen kann jeder. Na ja – fast (no offence). Warum ist „gefühlt“ wichtig? Weil die Meinungsmacher dieser Welt offenbar auch nicht anders vorgehen – wie das folgende Beispiel, einmal mehr, illustrieren mag.

Die Zinspolitik der EZB hat Auswirkungen auf die Rentner im Land. Laut Regierungsbericht muss die Deutsche Rentenversicherung bis 2022 rund 230 Millionen Euro an Negativzinsen zahlen. Die Kollegen vom Hauptstadt-Team wissen mehr. Ihre ausführlichen Informationen finden Sie unter […].

Gefunden in Garbor Steingarts heutigem Morning-Briefing. Bolle hat nachgerechnet: 230 Mio bei 20 Mio Rentnern macht 11,50 Euro pro Rentner. Verteilt auf 3 Jahre („bis 2022“, gemeint ist bei solchen Angaben meist „einschließlich“) macht das 3,80 Euro pro Rentner pro Jahr bzw. stattliche 32 Cent (!) pro Rentner pro Monat. Zugegeben: Die Renten sind deprimierend dürftig. Aber 32 Cent als erwähnenswerte „Auswirkungen“ zu bezeichnen scheint Bolle dann doch ein wenig überzogen. Kann das noch als „Facts“ durchgehen? Oder haben wir es nicht doch eher schon mit „Fakes“ zu tun? Bolle tippt auf letzteres.

Was Bolle wirklich ein wenig bekümmert: Wir haben es hier mit „gefühlten Fakes“ zu tun. Es ist ja (hoffentlich) wohl nicht so, daß „die Kollegen vom Hauptstadt-Team“ solche Meldungen raushauen, um ihre Leserschaft zu veräppeln. Ein Begriff wie „Lügenpresse“ wäre demnach also durchaus unangebracht. Lügen kann man nur absichtlich bzw., fachsprachlich ausgedrückt, vorsätzlich. Bolle schlägt daher den Begriff „Hypno-Presse“ vor. Die dahinterliegende „Finderegel“ (vornehm: „Heuristik“) stellt sich Bolle in etwa wie folgt vor: (1) Negativzinsen: doof, weil paßt nicht ins kapitalistische Weltbild. (2) Rentner: schützenswert (bzw. neudeutsch seit Corönchen: „vulnerable Gruppe“). Und schon wird im Rahmen eines kognitiven Überschwanges aus der „Zinspolitik der EZB“ ein Angriff – zumindest aber „Auswirkungen“ – auf „die Rentner im Land“. Daß das ganze rechnerisch nicht haltbar ist, spielt dabei „gefühlt“ keine Rolle.

Was tun, sprach Zeus? Vielleicht sollte man, wenn man sich schon zum Meinungsmacher berufen fühlt, gelegentlich mehr nachdenken oder gar nachrechnen – und nicht jedem kognitiven Überschwange erliegen. Damit wäre schon viel erreicht, meint Bolle.

Abschließend noch die Auflösung unseres „gefühlten“ Rätsels von oben: Eine Million ist ein Tausendstel von 1 Milliarde. Damit liegt die Million auf der Skala praktisch an der gleichen Stelle wie die Null. Der Abstand zur Null beträgt weniger als die Strichstärke eines sehr feinen Schreibwerkzeuges (die dünnste Strichstärke nach ISO 9175 beträgt 0,13 mm). Wer hätte das gedacht? Kurzum: Bolle kann sich die einschlägige Textstelle allenfalls mit einer „Mio / Mrd“-Konfusion erklären. Im übrigen zieht sich Bolle ab heute in seine agnostische Weihnachtsmupfel zurück und meditiert. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Di 20-10-20 Corönchen-Dimensiönchen

Die gute Nachricht vorab: Ein „exponentieller Anstieg“ der „Pandemie“ (rote Kurve) ist rein mathematisch unmöglich — jedenfalls auf längere Sicht. Ob das ganze in eine „Katastrophe“ münden wird oder ob es sich nicht eher um ein Auslaufmodell handelt (blaue Kurve), sei dahingestellt. Vorläufig spricht alles für ein Auslaufmodell.

So 11-10-20 Die Bundesvertager

Hinweis für den geneigten Leser (beiderlei Geschlechts, of course). Dieser Text ist, dem Thema geschuldet, leider etwas trocken geraten. Wer also die folgenden Zeilen nebst zweier Tabellen – obwohl nach Kräften didaktisch-geschmeidig aufbereitet – zu kompliziert / zu unverständlich / zu wenig „selbsterklärend“ / zu lang oder zu sonstwas findet, sollte sich womöglich ernstlich fragen, ob er sich seiner Rolle als Teil des Wahlvolkes wirklich gewachsen fühlt – oder demnächst nicht doch lieber einfach zuhause bleiben möchte oder gleich selber Parlamentarier werden. Just a thought

Der Bundestag hat am Donnerstag, 8. Oktober 2020, den Entwurf von CDU / CSU und SPD zur Änderung des Bundeswahlgesetzes mit 362 Ja-Stimmen, 281 Nein-Stimmen und acht Enthaltungen angenommen.

So läßt der Deutsche Bundestag auf seiner Internetz-Seite verlauten. Ziel ist – nach jahrelangem Hin und Her – eine Verkleinerung des Hohen Hauses. Die Deutschen leisten sich nämlich, nach China, das zweitgrößte Parlament der Welt. Tendenz steigend – zumindest in Deutschland. Wie das? Deutschland – traditionell ein „Flickenteppich“ – ist in 299 Wahlkreise unterteilt. In jedem dieser Wahlkreise darf sich das Volk einen Vertreter ins Parlament wählen (Direktwahl per sog. „Erststimme“). Weiterhin soll die Sitzverteilung im Parlament den Stimmanteilen der einzelnen Parteien entsprechen (Verhältniswahl per sog. „Zweitstimme“). Insgesamt kommen wir so im Regelfall auf 2 x 299, also 598 Abgeordnete. Das mag dem einen oder der anderen an dieser Stelle schon zu kompliziert erscheinen. Aber so ist das eben, wenn man das „The winner takes it all“-Wahlrecht der Yankees für unangemessen hält.

Werfen wir zur Erhellung einen Blick auf Wahlergebnis nebst Sitzverteilung der letzten Bundestagswahl:

In Spalte A findet sich die Stimmverteilung, wie sie sich aus den Zweitstimmen ergibt. Dabei steht „Zonst“ für sonstige Parteien, die den Einzug in den Bundestag verfehlt haben. Daß wir in der Summe nur auf 99,9% kommen, ist der Rundung geschuldet und soll uns hier nicht weiter bekümmern. Genau genug, meint Bolle. Im Zweifel hält er es mit Carl Friedrich Gauß. Spalte B bereinigt die Stimmverteilung, indem die „zonstigen“ Stimmen, die ja ansonsten wegen der 5%-Hürde verfallen würden, den anderen Parteien anteilig zugeschlagen werden. Ob das unbedingt nötig ist, sei dahingestellt. Allerdings ließen sich ohne diese „Bereinigung“ schon 5% (A7) von 598, also immerhin 30 Abgeordnete ersatzlos streichen – und zwar ohne daß die Demokratie dabei erkennbar Schaden nehmen würde. Aus den bereinigten Stimmanteilen ergibt sich in Spalte C die Verteilung der insgesamt 598 Sitze (der in C8 fehlende Sitz ist wieder der Rundung geschuldet). Demnach hätte die CDU / CSU laut Verhältniswahl (Spalte C) 208 Sitze errungen, die SPD 129, usw. So weit, so gut. Jetzt kommen die Direktmandate (Erststimmen) ins Spiel. Hier kommt zum Beispiel die SPD auf 58 Sitze (D2). Den Rest auf 129, also 71, kann und darf sie mit sog. „Listenkandidaten“ auffüllen. Das gleiche gilt für alle anderen Parteien – mit zwei Ausnahmen: Die CDU hätte laut Verhältniswahl (Zweitstimmen) nur 208 Sitze (C1), verfügt aber über 231 direkt gewählte Kandidaten (D1). Mit „auffüllen“ ist es hier also nicht getan. Was tun? Bolle hält zwei einfache Regeln (nebst einer Priorisierungsregel bei Zielkonflikten) für hinreichend:

Regel #1: Die Verteilung der Sitze soll dem Verhältnis der Zweitstimmen entsprechen.

Regel #2: Wer via Erststimme direkt ins Parlament gewählt wird, soll auch direkt ins Parlament einziehen dürfen.

Wie wir in der Tabelle sehen können, kommen sich die beiden Regeln in der Regel nicht in die Quere. Eine Ausnahme machen allein die beiden parteilosen Direktkandidaten (D7) und vor allem die CDU / CSU mit „an sich“ nur 208 Sitzen, dabei aber 231 direkt gewählten Kandidaten. Was tun? In diesem Falle muß die Anzahl der Direktkandidaten, also Regel #2, Vorrang haben. Wir kommen damit auf 23 „echte Überhangmandate“ für die CDU / CSU (G1) – zusammen mit den beiden parteilosen Direktmandaten („Zonst“) also auf insgesamt 25 (G8). Statt der regulären 598 Mandate ergeben sich somit 598 + 25 = 623 Mandate (F8). Damit bleiben wir, was die Größe des Parlamentes angeht, in einem erträglichen Rahmen. Ende der Überlegung.

Und? Was machen unsere Volksvertreter? Sie verrechnen mit mehr oder minder zweifelhaften Verfahren die Überhangmandate mit sog. „Ausgleichsmandaten“ und kommen so auf weitere 86 Mandate („Überhangmandate“ i.w.S. / Spalte I) und damit auf die gegenwärtige Parlamentsgröße von stattlichen 709 Mandaten (Spalte H).

Ist das – wie auch immer gerechnet – „gerecht“ oder auch nur angemessen? Bolles Regeln legen etwas anderes nahe. Betrachten wir dazu den relativen Unterschied zwischen Bolles Sitzverteilungsplan (Spalte A bzw. oben Spalte F) und dem gegenwärtigen Ist-Zustand (Spalte C bzw. oben Spalte H).

Die relative Sitzverteilung – und nur darauf kommt es bei Abstimmungen an – nach Bolle ergibt sich aus Spalte B, die aktuelle Sitzverteilung aus Spalte D (jeweils gelb unterlegt). Der absolute Unterschied der Stimmgewichte (∆ PP) findet sich in Spalte E. Demnach hat die CDU / CSU einen um 2,4 Prozentpunkte geringeren Stimmenanteil (34,7% – 37,1%) als nach Bolles Regeln (E1 / braun unterlegt) – offenbar so eine Art „negative Direktmandat-Dividende“. Die anderen Parteien teilen diese 2,4 PP unter sich auf – und kommen dabei auf einen im Null-Komma-Bereich erhöhten Stimmanteil. Peanuts, also. Für die politische Meinungsbildung und vor allem auch bei den Abstimmungsergebnissen dürfte das wirklich gar keine Rolle spielen.

Kurzum: Das aktuelle Sitzverteilungsverfahren hat gegenüber Bolles Regeln keinen Einfluß auf die politischen Machtverhältnisse, der auch nur im Ansatz der Rede wert wäre. Der einzige und eigentliche Unterschied: Es sichert 86 Parlamentariern ihren Job. Dazu kommen die weiteren 30 aufgrund der „Bereinigung“ der Sitzverteilung (siehe oben). Zu „mehr Demokratie“ trägt das wohl eher nichts bei. Zu „mehr Wahlgerechtigkeit“ auch nicht. Kann also bedenkenlos weg. Wenn man nun bedenkt, daß ein Abgeordneter monatlich rund 10 TEO (tausend Euro) an sog. „Diäten“ (ursprünglich als Aufwandsentschädigung für minderbemittelte Abgeordnete gedacht) einnimmt, zusätzlich eine „Kostenpauschale“ von 4,4 TEO erhält und auch sonst eine Menge an Kosten verursacht (Raumkosten, Bürokosten, Reisespesen, sonstige Spesen, etc. pp.), dann kommen wir selbst bei nur 86 demokratietechnisch überflüssigen Abgeordneten auf etwa 60 Mio Euro pro Legislaturperiode allein für Diäten und Kostenpauschale. Wiederum peanuts, einerseits – namentlich in Zeiten von Corönchen-Dimensiönchen, was das Verballern von Steuergeldern angeht (vgl. hier nur die Olaf Scholz’sche „Bazooka“). Gleichwohl – oder gerade deswegen – meint Bolle, daß es nicht ganz unangemessen wäre, dem Deutschen Bundestag für seine Berechnungen ein Anerkennungshonorar von bescheidenen 10% dieses Betrages einmalig in Rechnung zu stellen – ganz nach seinem Motto: „Wahr, wohlfeil und in Windeseile“. Kieken wa ma …  Die geplante „Reformkommission“ als weiterer Auswuchs der „Bundesvertager“ könnte dann übrigens auch gleich mit weg. Aber das ist ein anderes Kapitel.