Mo 15-02-21 Der Weisheit letzter Schluß …

Der Weisheit letzter Schluß.

Es sind doch immer wieder die Dichter, und nicht etwa Wissenschaftler, denen es gelingt, die Dinge auf den Punkt zu bringen – und das mit einer prophetischen Perspektive von mehreren Jahrhunderten, oder auch noch sehr viel mehr. Die Fertigstellung des Faust II datiert auf 1831. Das war nur wenige Jahre nach den sogenannten Befreiungskriegen gegen den doch etwas übermütig gewordenen kleinen Korsen, der, nach zunächst beachtlichen Erfolgen mit dem erklärten Ziel, Europa zu „einen“, 1812 in Rußland hatte lernen müssen, was es heißt, ein wirklich großes Land erobern zu wollen. Ähnliches, doch das nur am Rande, mußten auch andere Feldherren, und seien es die größten, immer wieder erleben. Die Parallelen ziehen sich bis in die Gegenwart. Hatten wir schon erwähnt, daß sich Bolle, im Kern souverän, wie er nun mal ist, das Recht herausnimmt, alles, wirklich alles mit allem zu vergleichen? Gegebenenfalls auch Äpfel mit Birnen – wohl wissend, daß sie nicht gleich sind? Doch nun Ende Exkurs. Nur ein Jahr später schon, 1813, mußte der kleine Korse, der Lektionen zweiter Teil, in der sogenannten Völkerschlacht bei Leipzig leidvoll lernen, daß auch kleinere „Flickenteppiche“ wie etwa Europa nicht ganz leicht zu erobern sind, wenn sich alle, wirklich alle anderen – im wesentlichen also Preußen, Russen, Habsburger und auch die Briten –, einig sind, wenn auch nicht im erwünschten Sinne geeint. Wiederum nur zwei Jahre später, 1815, nach einer Rekonvaleszenzphase auf der Insel Elba, mußte er dann sein ganz persönliches Waterloo erfahren und wurde von den Briten, safety first, bis auf weiteres auf St. Helena in Sicherungsverwahrung genommen. Ende Gelände. Schluß mit Einiges Europa.

Was hat das mit uns zu tun? Von solcher Weisheit letztem Schluß sind wir heute, in doch eher friedensbewegten Zeiten, zumindest in Europa, weit, weit entfernt. Freiheit? Steht so in der Verfassung (Art. 2 GG). Leben? Das zu schützen ist Aufgabe der Regierung (ebenfalls Art. 2 GG). Und wehe, sie macht ihren Job nicht ordentlich – etwa weil sie zu spät oder zu wenig Impfstoff bestellt oder, mangels besserer Möglichkeiten, gar die Kommunikation per Fax erledigt. Wie haben wir’s so herrlich weit gebracht. Einerseits kann man das ja durchaus als zivilisatorischen Fortschritt durchgehen lassen. Wer will sich schon, wie Goethe das nennt, „täglich“ mit der Grande Armée her­umschlagen müssen? Versteht man ja. Aber wie so oft im Leben hat auch das seinen Preis. Für je selbstverständlicher Freiheit und auch Leben erachtet werden, desto mehr sinkt die Bereitschaft, sie „täglich zu erobern“ – und damit, nach Goethe, der eigene Verdienst daran. Und damit, das läßt sich nun mal nicht vermeiden, wird das ganze hohl und schal. Willkommen in der Gegenwart. Schöne, heile Welt (analog Huxley 1932 – noch so ein Prophet, by the way). Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

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