So 11-12-22 Das elfte Türchen – der dritte Advent …

Geh Er (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) nur brav zur Wahl …

Kommen wir heute zum 2. Teil unserer Trias ›Demokratie/Rechtsstaat/Verfassungsstaat‹ – dem Rechtsstaat. „Ein Rechtsstaat ist ein Staat, der einerseits allgemein verbindliches Recht schafft und andererseits seine eigenen Organe zur Ausübung der staatlichen Gewalt an das Recht bindet.“ So steht es gleich einleitend bei Wiki – und so ist es auch recht gut auf den Punkt gebracht.

Und so stellt man sich das auch gerne vor: Rechtsstaatlichkeit bedeutet demnach, daß die Regierung nur im Rahmen der bestehenden Gesetze handeln darf. Kurzum: Die Legislative begrenzt die Macht der Exekutive. Mal eben so par ordre du mufti zu regieren ist also ebenso ausgeschlossen wie Absolutismus-Allüren aller Art, allen vorweg Ludwig XIV (1643−1715) mit seinem Motto L’etat c’est moi. Im Grunde doch ein schöner Fortschritt!

Das Problem an dieser Stelle: Wer oder was hält die Regierung davon ab, zunächst die passenden Gesetze zu verabschieden, um dann im Anschluß völlig gesetzeskonform, also rechtsstaatlich zu agieren? Nach dieser Definition wäre wohl durchaus auch die DDR als Rechtsstaat einzustufen, ebenso wie heute beispielsweise China oder Nordkorea oder – let’s go crazy – etwa das Dritte Reich. Auch hier hatte alles seine gesetzliche Grundlage – dafür haben die Juristen schon gesorgt. Die Antwort fällt ausnahmsweise einmal leicht: Die Regierung ist für die Gesetzgebung nicht zuständig – sie hat sich lediglich an die Gesetze zu halten.

Dumm nur, wenn es sich – wie das in Deutschland regelmäßig der Fall ist – bei Legislative und Exekutive um dieselben Leute handelt. In der Tat werden in Deutschland die allermeisten Gesetzesvorlagen von der Regierung (!) eingebracht. Das kann man sich gar nicht klar genug machen!

Bolle war als junger Jura-Student Teilnehmer einer Veranstaltung einer parteinahen Stiftung einer großen Volkspartei. Dort meinte einer der Seminarleiter jovial, natürlich gebe es in Deutschland keine Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative im herkömmlichen Sinne. Vielmehr handele es sich bei Lichte betrachtet eher um eine „Funktionenteilung“. Bolle fand das damals schon listig formuliert. Gleichwohl war ihm dabei unwohl. Und so ist es heute noch.

Das einzige gewaltenteilerische Element in Deutschland ist die Zustimmungspflicht des Bundesrates bei manchen Gesetzen. Hier kann es durchaus sein, daß im Bundesrat andere parteipolitische Mehrheiten herrschen als im Bundestag – Regierungsvorlagen also nicht einfach so durchgewunken werden können. So etwas ist aus Regierungssicht natürlich lästig. Wie soll man da „durchregieren“ können? Und so begab es sich zum Beispiel 2017 allen Ernstes, daß die designierten Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag einen „Pakt für den Rechtsstaat“ vereinbart hatten – mit dem einzigen Zweck, einen womöglich widerspenstigen Bundesrat gleich im Vorfeld entsprechend einzubinden. Erklärter Sinn der Sache war natürlich, „den Rechtsstaat handlungsfähig [zu] erhalten“ und „das Vertrauen in die rechtsstaatliche Demokratie“ zu stärken. Bolle könnt‘ glatt kotzen. Aber wo ein Wille ist, da ist eben auch ein Argument.

Fassen wir zusammen: Nachdem wir gestern kaum ein gutes Haar an der Demokratie gelassen haben: Warum sollte es ausgerechnet dem Rechtsstaat besser ergehen? Bleibt noch der ›Verfassungsstaat‹, den wir uns für morgen aufheben wollen. Schließlich handelt es sich dabei wiederum um ein ganz anderes Kapitel.

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