Mo 04-12-23 Das vierte Türchen …

Glühwürmchen.

Gestern hatten wir die ›Glühwürmchen‹ in lyrischer Form lässig in den Raum geworfen. Hohe Zeit, sie rein begrifflich ein wenig zu unterfüttern. Unser Schildchen von gestern ist dabei durchaus noch brauchbar.

Entstanden sind die Glühwürmchen, weil Bolle die „Gutmenschen“ nebst diverser Derivate rein begrifflich einfach nicht mehr gut genug waren. Zwar klingt dort bereits das stete Streben nach dem Edlen, Hülfreichen und Guten (vgl. dazu Fr 01-12-23 Das erste Türchen …) trefflich an. Allein Bolle hatte schon immer, und zwar höchst schmerzlich, die regelmäßig doch etwas unterentwickelte kognitive Komponente als notwendigen Bestandteil der Umschreibung vermißt.

Das gemeine Glühwürmchen (homo candens vulgaris) zeichnet sich dadurch aus, daß es – aus nüchterner Perspektive betrachtet – einen bemerkenswert ausgeprägten Sinn dafür hat, wie die Welt sein sollte. So gesehen sind Glühwürmchen aufrichtige Jünger (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) von Schwester Ethik. Sehr viel weniger ausgeprägt dagegen ist ihr Sinn dafür, wie die Welt hier und heute nun mal ist. Mit Schwester Logik liegt der Homo candens vulgaris regelmäßig über Kreuz.

Man könnte es auch so ausdrücken: Dem gemeinen Glühwürmchen eigen ist eine ausgesprochene und ausgeprägte Shit-happens-Aversion. Daß widrige Dinge passieren können und regelmäßig auch passieren, dürfte jedem klar sein, der sich auch nur oberflächlich durch die Welt bewegt. So kann es zum Beispiel passieren, daß die Butter alle ist, wo man doch gerade frühstücken wollte. Oder es kann passieren, daß ein Land in ein anderes einmarschiert. Nicht zuletzt in Talkshows heißt es dann gern: „Wir dachten, derlei wäre längst überwunden.“ Nun wissen wir bereits aus der Umschreibung, daß es mit dem Denken nicht allzuweit her ist beim Homo candens vulgaris. Man möchte ihnen ein fröhliches „wenn Du denkst, Du denkst, dann denkste nur, Du denkst“ entgegenwerfen.

Wenn Butter im Kühlschrank fehlt oder ein Land in ein anderes einmarschiert, sind das akute Formen von Shit. Allerdings kann Shit auch chronisch auftreten – etwa, wenn zum Beispiel eine Supermacht merkt, daß es langsam, aber sicher gar nicht mehr ganz so super steht mit der Macht. Hier ist das gemeine Glühwürmchen vollends überfordert. Chronische Prozesse zu überblicken ist ja naturgemäß kognitiv noch sehr viel anspruchsvoller als lediglich akute Ereignisse wenigstens zur Kenntnis zu nehmen.

Und so verrennen sich Glühwürmchen gerne in so etwas wie „altruistische (oder wie auch immer geartete) Außenpolitik“, vollziehen 360°-Wenden oder kommen einem mit hohlen Parolen. Bolles unangefochtene Nummer 1 ist hier nach wie vor der Klassiker „Wir schaffen das“. Fragt man nach dem „was genau schaffen wir – und vor allem, wie?“, führt das regelmäßig kognitiv zu … nichts und affektiv zu aus heißem Herzen tief empfundener Empörung.

Nun wäre das alles nicht weiter bedenklich, wenn sich der Homo candens vulgaris nicht mittlerweile bis in höchste Regierungskreise ausgebreitet hätte und sich dabei allen Ernstes anschickt, für andere mitdenken zu wollen. Das kann nicht gutgehen. Allein Bolle bleibt zuversichtlich: „Wenn Du anfängst, mit dem Herzen zu denken, holt Dich Dein Verstand nicht mehr ein.“ So soll es Blaise Pascal einmal formuliert haben. Bolles Antwort seinerzeit: „Aber die Wirklichkeit. Die holt Dich sehr wohl wieder ein. Früher oder später – oft genug früher.“ Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 03-12-23 Das dritte Türchen – der erste Advent …

Glühwürmchen.

Und schon wieder ist es soweit. Die Vorbereitungszeit auf die Ankunft des Herrn (meinetwegen beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) beginnt mit dem heutigen Tage. Auch muß der Christenmensch sich eilen. Kürzer als dieses Jahr nämlich kann die Adventszeit nicht ausfallen. Bereits in drei Wochen nämlich feiert man das Wiegenfest.

Also wollen wir uns sputen und uns für heute damit begnügen, die ›Glühwürmchen‹ in lyrischer Form einzuführen. Auch paßt das wohl nicht schlecht zur Jahreszeit. In Bolles semantischem Netz zumindest liegen ›Glühwürmchen‹ und ›Glühwein‹ recht dicht beieinander.

Und so wollen wir hoffen, daß die Weihnachtsteller reich gefüllt sind, ein Kerzelein brennt und die Stolle lieblich duftet. Genießt der Zeit – sie eilt so schnell von hinnen …

Sa 02-12-23 Das zweite Türchen …

Schneeflöckchen, Weißröckchen …

Die Weihnachtszeit ist immer auch eine Zeit der Überraschungen. Beginnen wir ab ovo. Daß es nachts dunkel ist in der Stadt – nicht nur zur Weihnachtszeit und vor allem dann, wenn die Straßenbeleuchtung nur spärlich ist (siehe Symbolbild), ist wenig überraschend. Daß Schnee liegt in Berlin – wie etwa dieser Tage – schon eher. Nun ist eine Überraschung ja nichts weiter als eine Abweichung von dem, was einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) erwartet. Darum heißt es ja auch

Je planvoller einer vorgeht,
desto wirksamer vermag ihn der Zufall zu treffen.

Eine recht sichere Methode, Überraschungen zu vermeiden, ist daher, nichts zu erwarten oder, besser noch, gar nicht erst zu planen. Allerdings stieße das, zumindest bei Bolle, an gewisse weltanschauliche Grenzen. Bleibt also nur das Leben mit der Überraschung.

Die Weihnachtszeit ist für Bolle aber vor allem aus folgendem Grunde eine Zeit potentieller Überraschungen: Werden die Präsenterl rechtzeitig ankommen? Oder wird sich die Zustellung – etwa „aufgrund der aktuell hohen Paketmenge und erschwerter Wetterbedingungen“, wie das im Postler-Deutsch heißt – „überraschend“ verzögern? Wobei, doch dies nur am Rande, eine „aktuell hohe Paketmenge“ in der Weihnachtszeit aus Bolles Sicht eher wenig überraschend ist.

Bolle verschickt seine Päckchen daher in aller Regel als Pakete. Das ist zwar etwas teurer, hat aber den kaum zu überschätzenden Vorzug, daß sich die Sendung damit verfolgen läßt. Selbst Briefe verschickt Bolle mit der sog. Zusatzleistung „Priorität“. Nicht etwa, damit es schneller geht – sondern auch hier wegen der Sendungsverfolgung.

Und so bezieht Bolle einen Teil seiner Weihnachtsfreuden nicht zuletzt daraus zu beobachten, wo sich die Früchte seiner vorweihnachtlichen Aktivitäten gerade tummeln mögen, und verwandelt auf diese Weise Überraschung in (relative) Gewißheit. Spannend bleibt es allerdings gleichwohl.

In Bolles Kreisen nennt man so etwas zuweilen auch ›Kontingenzreduktion‹. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 01-12-23 Das erste Türchen …

Schwester Ethik in Hochform.

Hurra! Es weihnachtet wieder. Die Christenmenschen dieser Welt bereiten sich auf die Mensch-Werdung ihres Heilandes vor – falls sie nicht mit Geschenke koofen bzw. die „perfekte“ Weihnachtsfeier organisieren vollends ausgelastet sind. Und so wollen wir nicht versäumen, uns selbst und hoffentlich auch unserer geneigten Leserschaft die Weile bis zum Feste mit unserem agnostisch-kontemplativen Elektro-Adventskalender ein wenig zu erhellen.

Zwar hat Bolle für dieses Jahr das Motto ›Glühwürmchen-Bashing‹ ausgegeben. Aber lasset uns – der Jahreszeit entsprechend – friedlich beginnen.

Gestern erst war Bolle auf der Rolle – Nikolausi-Präsenterl verschicken. Und schon ergab sich eine erste vorweihnachtliche Gelegenheit, sich edel, hülfreich und gut zu zeigen. Und das ging so: Vor die Aufgabe eines Packerls hat der Herr (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) in seinem unergründlichen Ratschlusse die Warteschlange gesetzt. Und die kann – namentlich in der Weihnachtszeit – dramatisch lang sein. In dieser Warteschlange – und eben nicht im Walde – stand ein Männlein, ganz still und stumm. Außerdem recht klein, ziemlich dürr und offenkundig etwas angeschlagen. Das Männlein bat eine Frau, die direkt hinter ihm (und direkt vor Bolle) in der Schlange stand, ihm den Warteschlangen-Platz freizuhalten. Er müsse sich einen Moment setzen und ausruhen: „Meine Gesundheit. Sie wissen schon.“ Gesagt, getan.

Nun hat auch die ärgste Schlange einmal ein Ende, Bolles Packerl war auf dem Weg in den Westen, und Bolle wollte sich ein Gläschen Glühwein gönnen zur Stärkung. Und? Wer stand da immer noch in der Schlange? Das besagte Männlein. Bolle nicht faul: „Sie stehen ja immer noch hier in der Schlange.“ (Eigentlich hätte er ja zwei Plätze vor Bolle an der Reihe sein müssen – und damit längst fertig).

Bolle nahm das Männlein am Arm und geleitete es, ebenso frech wie nicht faul, unter Hintanstellung sämtlicher etablierter Schlangenregeln direkt an den Schalter. Ein kurzes Wort zur Erklärung an die Postangestellte, das wohl eher durch die Entschlossenheit des Vortrages denn durch inhaltliche Brillanz überzeugt haben mag  – und das Männlein hatte seinen vorweihnachtlichen Sisyphos-Zirkel für diesmal durchbrochen.

Erstaunlich fand Bolle die Reaktion der Leute: Null. Niemand, wirklich niemand, hatte auch nur ansatzweise aufgemuckt. „Na also, geht doch“, kam es Bolle durch den Sinn.

Sozialpsychologen nennen eine solche Vorgehensweise übrigens ›Door in the Face‹-Technik. Bolles liebe gute alte Großmama nannte es ›Frechheit siegt‹. Bolle selbst nennt es nach einem ausgedehnteren Aufenthalt im benachbarten Ausland: Leckt‘s mi do am Oasch. Soweit zu Goethes Göttlichem. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.