Di 02-03-21 Schreibblockade im Wissenschaftsgetriebe?

Schreibblockade im Wissenschaftsgetriebe.

Wir müssen noch mal auf den Wissenschaftsbetrieb zurückkommen. Gestern ging es darum, daß das akademische Jungvolk vom System getrieben wird, viel zu schreiben, wenn es nicht im Gewusel untergehen will. Im Zweifel also Masse statt Klasse. Das war übrigens nicht immer so. So hatte sich Carl Friedrich Gauß, einer der produktivsten Mathematiker aller Zeiten – der übrigens schon zu Lebzeiten Princeps Mathematicorum, also Fürst der Mathematiker, genannt wurde – folgendes zum Wahlspruch gemacht: Pauca, sed matura (Weniges, aber Reifes). Kann man sich einen Gauß mit Schreibblockade vorstellen? Schwerlich. Nun kann natürlich nicht jeder ein Gauß sein. Aber es muß ja auch nicht jeder seinen Senf dazugeben wollen zum Fortschritt der Wissenschaften. Schon Cato der Ältere (234–149 v. Chr.) hat es auf den Punkt gebracht: Rem tene – verba sequentur. Halte Dich an die Sache. Die Worte werden dann schon folgen. Bolle sieht das übrigens ganz ähnlich, wenn er seinen Studenten die Trias »Idee/Plot/Resümee« nebst Gedankenskizze nahelegt. Für Schreibblockaden bleibt da wenig Raum. Wenn man aber keine Idee hat? Dann gibt’s auch nichts zu schreiben. Komplizierter ist es an dieser Stelle wirklich nicht.

Wenn man aber schreiben muß – und zwar möglichst viel –, um im Getriebe weiterzukommen? Dann stimmt was mit dem Getriebe nicht – oder mit den Rädchen, die sich darin befinden. Bolle hat es immer wieder erlebt, daß Studenten (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), die in Klausuren eine durchaus gute Figur gemacht haben, bei Seminar- und Abschlußarbeiten richtig abgekackt haben. Wie kann das sein? Anfangs war Bolle ratlos. Dabei liegt die Antwort nahe: Für eine Klausur zu lernen ist im Grunde konsumtiv – man muß sich den Stoff einfach nur in den Kopp kloppen. Einen sowohl gehaltvollen als auch geschmeidigen Text zu verfassen ist dagegen produktiv – ein schöpferischer Akt –, den man bestenfalls üben, aber niemals auswendig lernen kann.

Dazu kommt allerdings noch ein weiteres, ganz anders gelagertes Problem. Die Rädchen im Wissenschaftsgetriebe kommen oft überhaupt nicht dazu, Ideen zu entwickeln, weil man dafür einen freien Kopp braucht – und vor allem auch Zeit, einiges an Zeit. Und wer hat die schon, wenn pausenlos jemand mit der sprichwörtlichen Stoppuhr neben einem steht und auf die Erledigung des jeweils nächsten aktuellen „Projektes“ drängt? Hier schimmert sie übrigens unangenehm durch, die „Alles ist möglich“-Hybris (vgl. dazu etwa Fr 18-12-20 Das achzehnte Türchen …). Kurzum: „Man kann die Kreativität nicht aufdrehen wie einen Wasserhahn. Man muß in der richtigen Stimmung sein“, wie Calvin einmal deklamiert hat. In welcher Stimmung?, wollte Hobbes wissen.  „Torschlußpanik.“ Das ist natürlich auch eine Möglichkeit – allerdings dann doch schon wieder auch ein anderes Kapitel.

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