Hier haben wir eine der vielen bekannten Stellen aus Schillers »Lied von der Glocke«. Dazu hat Bolle vor zwei Wochen schon in einer Qualitätszeitung unter der Rubrik »Unsere Empfehlung des Tages« was interessantes aufgeschnappt. In dem Bericht ging es um zwei Mädels (no offence, of course), die sich darüber beklagten, daß in ihren Leben „immer wieder ihre persönlichen Grenzen überschritten“ wurden. Im vorliegenden Fall hatten beide „freiwillig Sex“, wollten ihn sogar „unbedingt“. Dann aber, on second thought sozusagen, fiel ihnen ein, daß sie „im Nachhinein hätten Nein sagen wollen“. Bolle meint: No means now. Im Nachhinein wollen oder nicht-wollen gildet nicht – auch dann nicht, wenn man es wohltönend als „Grenzen ziehen“ deklariert. Während es also Ende des 18. Jahrhunderts noch darum ging, langfristige, in Schillers Worten „ewig“ währende Entscheidungen gründlich zu bedenken, scheint das heutzutage im Zeichen verminderter Frustrationstoleranz selbst für one night stands zu gelten.
Eigentlich könnte uns das mißglückte Liebesleben zweier enttäuschter Twens völlig egal sein. Allerdings sieht Bolle zwei mögliche, durch und durch unerfreuliche Weiterungen. Erstens könnten die beiden auf die Idee kommen, sich nachträglich sexuell belästigt oder gar vergewaltigt zu fühlen. Das zeitgenössische Strafrecht käme ihnen dabei durchaus entgegen. Schlecht für die Männer, wenn’s hart auf hart kommt – aber vielleicht noch hinnehmbar: No risk, no fun. Was Bolle aber wirklich bedenklich stimmt: Wie steht es mit dem nachträglichen „Lieber-doch-nicht-wollen“, wenn die beiden, statt in die Kiste zu springen, im Rahmen ihrer staatsbürgerlichen Pflichten an irgendeiner Wahlurne ihre Stimme abgegeben hätten? Kann Demokratie denn Zufall sein – so wie Liebe Sünde? Das aber, da sind wir uns mit Bolle einig, ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.