Fr 26-02-21 Sprache als Handwerk?

Sprache als Handwerk?

Ob das Wort wirklich zum Teufel geht, kann und will Bolle nicht beschwören. Schließlich ist der Teufel ein Konzept, das bei weitem nicht von allen Religionen geteilt wird. Andererseits, meint Bolle, sei es durchaus schlimm genug, wenn das Wort, wenn schon nicht zum Teufel, so doch zumindest Gaga geht. »Gaga« wäre dabei so eine Art höllischer Helfer, klassischerweise also ein Dämon oder auch nur ein Quälgeist (jeweils beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), der einem die Kraft des Ausdruckes oder auch nur die Freude am Ausdruck raubt.

„Sprache ist unser Handwerkszeug.“ So hat es eine bekannte Journalistin in einem Gender-Plausch auf den Punkt gebracht. Wunsch oder Wirklichkeit?, fragt sich Bolle. Handwerkszeug – das klingt so herrlich erdig, geradezu bodenständig. Nun, ein Handwerker pflegt sein Handwerkszeug, hält es in Schuß und setzt es werkdienlich ein. Es macht wirklich Freude, einem guten Handwerker beim Handwerken zuzusehen. (Man darf ihn bloß nicht ansprechen – das mögen die gar nicht). Da sitzt jeder Griff. Kein überflüssiges Getändel. Keine Multifunktionswerkzeuge, die angeblich für alles, letztlich aber für gar nichts wirklich zu gebrauchen sind. So etwas machen nur Hobby-Bastler. Die Ergebnisse sind entsprechend. Und übrigens auch kein Gedanke daran, was man nebenbei sonst noch so alles handwerken könnte. Ganz im Gegenteil: Reine Konzentration auf das Werk. Hier und jetzt. Total so.

Und? Wie macht’s der Journalismus 2.0? Wenn ein Sprachhandwerker zum Beispiel „gleichzeitig“ nicht von „zeitgleich“ unterscheiden kann und „scheinbar“ nicht von „anscheinend“, „am Ende des Tages“ sagt, wenn er „unterm Strich“ meint, Projekte „starten“ läßt – statt Raketen oder Flugzeuge, oder angelsächsisch „ich bin bei Dir“ blubbert, wenn er Zustimmung ausdrücken will. Wenn schließlich ein Sprachhandwerker nur noch eine Zeitform zu kennen scheint: „Vor soundso vielen tausend Jahren zähmen die Menschen das Feuer“ (nein: sie haben es seinerzeit gezähmt) – dann ist die Sprache womöglich wirklich beim Teufel angelangt bzw. zumindest mit Schmackes auf dem Wege dorthin. „Die unendliche Ausdehnung der Gegenwart“ hat Bastian Sick das in seinem ›Zwiebelfisch‹ einmal genannt – nicht ohne gründlich abzulästern: „Der Präsens ist das Botox der Journalistensprache.“ Zieht sozusagen alles glatt.

Brauchen wir überhaupt eine spezielle „Journalistensprache“? Natürlich nicht. Warum nicht? Weil das journalistische Gaga-Sondersprech bedenklich auf die Leser-, Hörer-, oder Zuschauerschaft abfärbt. Bolle erlebt das jeden Tag bei seinen Studenten, die oft gar nicht mehr merken, daß sie überwiegend nur blubbern – statt zu versuchen, die Wirklichkeit mit Sprache zu zähmen. „Gefühlte Wirklichkeit“ ist weiß Gott kein vollwertiger Ersatz für die „wirkliche“ Wirklichkeit. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel. Im übrigen verweisen wir gerne auf So 06-09-20 Laber Rhabarber.

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