So 18-04-21 Schöne alte Welt?

Damals.

Früher war alles besser. Das war den reflektierteren Schichten schon immer klar.  Falls das stimmen sollte, dann müßte die Menschheit allerdings von Generation zu Generation einen gewissen Rückschritt erlitten haben. Wie herrlich müssen dann die Zeiten „ganz früher“, sagen wir in der Antike, gewesen sein? Naheliegender scheint Bolle, daß ein solches Statement rein mathematisch nicht haltbar sein dürfte.

Umgekehrt, und das ist eher neu, gilt das Überkommene manchen Zeitgenossen als zu Recht überkommen. Zum Beleg wird dabei gerne, neben hunderten weiterer „Belege“, auf die beklagenswerte Stellung der Frau in den 1960er Jahren mit ihren „3 K“, also Kinder, Küche, Kirche als Lebenszweck verwiesen. Wie sind wir heute doch so herrlich emanzipiert!

Der Punkt läßt sich hier und heute, auf den Sonntag überdies, natürlich unmöglich ausloten – nicht einmal ernstlich streifen. Als allererstes nämlich müßten wir klären, was genau wir denn unter »besser« verstehen wollen. Und schon wird es richtig kompliziert.

Immerhin durfte man damals noch „Zwerge“ sagen, wenn man mit Zwergen zu tun hatte, ohne daß es gleich zum Zwergenaufstand kam.

Sagen wir so: Eine Menge alter Probleme konnte gelöst werden. Allerdings sind auch eine ganze Menge Probleme frisch hinzugekommen. Einstein hat das Kernproblem, übrigens damals schon, wie folgt gefaßt: Wir leben in einer Zeit vollkommener Mittel und verworrener Ziele. Bolle meint: Was denn für Ziele?

Die vielleicht bedeutsamste Veränderung seit den 1960er Jahren: Damals tummelten sich etwa zwei oder drei Milliarden Leute auf dem Planeten. Heute sind es derer acht. Daß das nicht ganz unproblematisch ist, ist den reflektierteren Schichten übrigens schon länger klar. So sah sich etwa David Ricardo, ein Nationalökonom klassischer Provenienz, schon 1821, also vor exaktemente 200 Jahren, veranlaßt anzumerken: „Es ist eine nicht zu bezweifelnde Wahrheit, daß die Annehmlichkeiten und das Wohlergehen der Armen nicht auf Dauer sichergestellt werden können ohne ihre eigene Einsicht oder ohne ein Bemühen der Gesetzgebung, ihr zahlenmäßiges Wachstum zu regulieren und die Zahl früher und unüberlegter Heiraten zu beschränken.“

Wie wir sehen können, gab es damals immerhin noch „nicht zu bezweifelnde Wahrheiten“. Das waren noch Zeiten.

Könnte es nicht vielleicht doch sein, daß es, wie Bolles Freund Franko San das vor vielen Jahren schon postuliert hat, so eine Art „kosmische Freud-/Leid-Konstante“ gibt – daß also jeder Fortschritt, den wir als Menschheit an irgendeiner Stelle erzielen, mit einem entsprechenden Rückschritt an anderer Stelle bezahlt werden muß? In der Summe also Null? (vgl. dazu auch Fr 05-02-21 What a wonderful world …).

Kurzum: Das Ruder, aus dem das alles laufen könnte, hat sich als ziemlich zäh und bemerkenswert langlebig erwiesen. Aber unkaputtbar? Wohl kaum. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

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