Wir haben uns in diesem Jahr an dieser Stelle ja vergleichsweise gründlich mit der Klärung der Dreifaltigkeit ›Demokratie / Rechtsstaat / Verfassungsstaat‹ befaßt – einer der ersten Mehrteiler in unseren agnostisch-kontemplativen Frühstückchen überhaupt – und dabei festgestellt, daß da begrifflich doch noch einiges im Argen liegt. Wie aber soll konfusem bzw. diffusem Denken jemals klares Handeln entspringen?
Wir wollen unsere Trias morgen mit einem vierten Teil abschließen und uns dabei zweierlei fragen: Erstens, wie kann es sein, daß eine Trias aus vier Teilen besteht? Nun, das ist leicht erklärt: Seit Douglas Adams 1992 – also vor nunmehr 30 Jahren schon – den gar fünften Teil seiner Trilogie ›Per Anhalter durch die Galaxis‹ herausgegeben hat, sollten wir uns an derlei längst gewöhnt haben. Der Konfusionen gibt es durchaus drastischere.
Zweitens und vor allem aber wollen wir uns fragen, wie wir uns den Dreh- und Angelpunkt einer Demokratie (im weiteren Sinne) vorstellen wollen – den leibhaftigen Souverän. Ist das einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), der einen Stift halten und ein Kreuzchen machen kann? Oder sollten wir die Latte hier nicht vielleicht ein wenig höher legen?
Begnügen wir uns für heute mit einem kleinen Gedankenexperiment. Stell Dir vor, Du seiest Mitglied eines 11-köpfigen Mikrokosmos und ihr habet Euch voll und ganz der Demokratie-Idee verschrieben. Alle Entscheidungen werden ausnahmslos per Mehrheitsbeschluß getroffen. Alles, was mindestens 6 Stimmen auf sich vereinigen kann, wird also gemacht. Alles andere nicht. Stimmengleichheit sei ausgeschlossen, da alle, so wollen wir annehmen, aus guter demokratischer Überzeugung an jeder Abstimmung teilnehmen und Stimmenthaltungen völlig verpönt sind und nie vorkommen.
So weit, so gut. Nun stell Dir vor, einer von Euch verfüge über eine geradezu überschießende prognostische Kompetenz. Der Einfachheit halber wollen wir annehmen, daß Du selbst das bist – obwohl es hierauf nicht ankommt. Not unlike Kassandra ist Dir immer klar, welche Konsequenzen eine bestimmte Entscheidung kurz-, mittel- und auch langfristig haben wird. Unter diesen Umständen wäre es gar nicht so einfach, Euch ein, sagen wir, trojanisches Pferd unterzujubeln.
Allerdings liegt hier die Betonung auf „wäre“. Annahmegemäß unterliegt ja auch diese Entscheidung dem Mehrheitsbeschluß. Was aber, wenn der Rest Deines Mikrokosmos von der netten Geste des Absenders völlig entzückt ist oder von der filigranen Maserung des Holzes fasziniert – und sich nach dem Motto „Ein Pferd ist nie verkehrt“ durchaus für die Aufnahme selbigens in Eure heiligen Hallen erwärmen kann?
Hier hilft kein Zetern und kein Schreien, kein Haareraufen und kein Kleidzerreißen (wie es bei Esra 9, 3 in einem ähnlich gelagerten Fall heißt). Wenn es Dir also nicht gelingt, wenigstens fünf Deiner Stammesbrüder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) von Deiner besseren Einsicht zu überzeugen, dann steht es schlecht um die Entwicklungsperspektiven Eures Stammes.
Natürlich ist ein solches Verfahren zumindest anstrengend – zuvörderst für Dich, letztlich aber auch für Deine Sippe. Geschmeidige Entschließung stellt sich Bolle anders vor – von „Effizienz“ gar nicht zu reden. Kurzum: ob und inwiefern Du für Dich und Deinen Mikrokosmos Erfolg haben wirst mit Deiner prognostischen Kompetenz, hängt nicht allein von Deinen Fähigkeiten ab – die wir hier im Gedankenexperiment als gegeben unterstellt haben – sondern gleichermaßen von der Einsichtsfähigkeit des Dich umgebenden Volkes.
Das aber wirft unmittelbar die Frage auf, welche Anforderungen an das Volk zu stellen sind, damit Demokratie, die mehr ist als nur ein Partizipations-Placebo oder gar nur eine fluffige Umschreibung für ›Herrschaft der Guten‹, funktionieren kann. Das wollen wir morgen kurz skizzieren. Für heute nämlich wär das doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.
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