Mi 21-12-22 Das einundzwanzigste Türchen …

Die Grenzen der Demokratie …

Hier der Vollständigkeit halber zunächst der ›Schiller‹, auf den sich Blumenthal gestern bezogen hatte (vgl. Di 20-12-22 Das zwanzigste Türchen …), im Zusammenhang. Wir wollen Euch das nicht vorenthalten – auch wenn es in dieser Verdichtung etwas deprimierend klingen mag.

Was also wären die Anforderungen, die an das Volk zu stellen sind, damit Demokratie, die mehr ist als nur ein Partizipations-Placebo oder gar nur eine fluffige Umschreibung für ›Herrschaft der Guten‹, funktionieren bzw. „gelingen“ kann – wie es in anderen Zusammenhängen in herrlichem Neusprech immer so schön heißt?

Eigentlich sind es, auf den Punkt gebracht, nur drei Zutaten, die nicht nur höchst wünschenswert wären, sondern die uns nachgerade unverzichtbar erscheinen wollen.

Zum einen bräuchte das Volk eine hinreichend ausgebildete Urteilsfähigkeit. Hierbei handelt es sich im Grunde nur um einen altmodischeren Ausdruck für das, was wir gestern ›prognostische Kompetenz‹ genannt haben.

Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Bolle hat einige Jahre in Folge bei Einführungsveranstaltungen für Erstsemester den folgenden running gag zum Besten gegeben: „Im wesentlichen geht es hier um Lesen, Schreiben, Rechnen.“ Damit hatte er erst mal einen Lacher. Einen leicht irritierten Lacher zwar – aber immerhin einen Lacher. Aber wie so oft ist auch hier der Scherz das Loch, durch das die Wahrheit pfeift. Urteilsvermögen fällt nicht vom Himmel und wächst auch nicht auf Bäumen. Vielmehr muß es sich entwickeln. Und das kann ganz schön dauern.

Zum zweiten bräuchte es eine gewisse Souveränität. Im Grunde liegt das mehr als nahe. Schließlich ist das Volk der Souverän. Und was wäre ein Souverän ohne Souveränität? Für den Anfang wäre schon einiges mit hinreichender Resistenz gegen Gruppendruck sowie einem gesunden Mißtrauen gegenüber aufgeblasenen Autoritäten gewonnen. Wenn alle (oder furchtbar viele) mit den Wölfen heulen, so sollte das für einen souveränen Souverän noch lange kein Grund sein einzustimmen. Und Autoritäten kochen schließlich auch nur mit Wasser.

Und drittens und letztens schließlich wäre eine hinreichende Freiheit von Bangbüchsigkeit – wir könnten auch sagen: Freiheit von Schissertum – wünschenswert. Genau so, wie es Friedrich von Logau (1605–1655) seinerzeit so trefflich auf den Punkt gebracht hat (vgl. dazu auch unser Türchen vom letzten Jahr: Mo 20-12-21 Das zwanzigste Türchen …).

Leb ich / so leb ich!
Dem Herren hertzlich;
Dem Fürsten treulich;
Dem Nechsten redlich;
Sterb ich / so sterb ich!

Warum ist das so? Nun – wer Schutz durch seinen Nächsten sucht, wird vor allem Herrschaft ernten.

Fassen wir zusammen: Urteilsfähigkeit, Souveränität sowie Freiheit von übertriebener Bangbüchsigkeit. Das in etwa ist das Holz, aus dem sich Demokraten schnitzen ließen, die mehr sind als nur gelegentliche Kreuzchen-Macher. Man könnte es auch so formulieren: Ein Demokrat braucht unbedingt ein Mindestmaß an agnostisch-kontemplativer Grundstimmung. Damit aber sind wir – Bolle meint, man kann das schwerlich anders sehen – himmelweit von den Zuständen in der hierzulande real existierenden Demokratie entfernt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

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