Nach seinem Ausflug in die formale Logik war Bolle zur Feier des 2. Adventssonntages der Christenmenschen (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) dann doch wieder nach etwas lebenspraktischerem zumute. Was liegt da näher als eine höchst überfällige Verfassungsreform zu skizzieren? Genau genommen handelt es sich dabei nicht einmal um eine Reform. Eher könnten und sollten wir von einer Reformulierung sprechen. Das klingt zwar ähnlich, ist aber durchaus nicht das gleiche.
Angesichts der doch sehr grundsätzlichen Bedeutung der neu aufzunehmenden Artikel ist Bolle dafür, sie mit „Art. 1 prä“ und so weiter zu beziffern und der Verfassung voranzustellen – also direkt nach der Präambel und noch vor den eigentlichen Artikel 1. Das ist schnell getan und hat den zumindest ästhetischen Vorteil, daß Artikel 1 alter Fassung nicht zu Artikel 1 d neuer Fassung werden müßte – was die dort formulierte Menschenwürde doch etwas in ihrer gewollten Erhabenheit schmälern könnte.
Hier zur Einführung eine ultra-kurze Kurzkommentierung.
Art. 1 prä: Ein würdiger Einstieg in jede Verfassung und seit spätestens 1789 („Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“) bewährt.
Art . 2 prä: Eine höchst überfällige Einbeziehung der realen Gegebenheiten. Schließlich ist unter Juristen weitestgehend anerkannt, daß sich die Verfassungswirklichkeit nicht allzuweit von der Lebenswirklichkeit entfernen sollte.
Art. 3 prä schließlich regelt dann nur noch das praktische Procedere. Gegen „in Absprache mit“ könnte man das ein oder andere Bedenken hervorbringen – Stichwort: Gewaltenteilung. Letztlich aber vermag Bolle auch an dieser Stelle keine allzu hohen Hürden zu erkennen – zumal derlei ansatzweise ohnehin bereits der Fall ist.
Für Bolle steht ganz lebenspraktisch das Ausmaß höchst sinnloser Verrenkungen, Umdeutungen, Re-Definitionen und sonstiger Kapriolen in Talkshows, Ansprachen und parlamentarischen Debatten im Vordergrund – die mit Verweis auf die reformulierte Verfassung auf einen Schlag überflüssig würden. Das aber führt für heute zu weit und wäre auch schon wieder ein ganz anderes Kapitel …
Ich finde den ganzen Kram mit der Verfassung samt Präs viel zu kompliziert. Das versteht doch eh keiner.
Man streicht das alles besser und schreibt einfach:
Wir sind ein demokratischer Rechtsstaat. Das heißt
1. Die Regierung hat immer recht.
2. Sollte die Regierung nicht recht haben, tritt automatisch 1. in Kraft.
Ein paar praktische Änderungen würde ich allerdings vorschlagen:
Das Parlament wird mit lustigen Partyhütchen ausgestattet damit es hübscher und eingängiger aussieht, wenn es zu Gesetzesentwürfen der Regierung klatscht und schunkelt. Dann versteht auch jeder gleich, welche Funktion es hat.
Verwaltungs- und Verfassungsgerichte werden ganz eingespart. Man hängt in jedem Ort einfach eine Tafel mit den Punkten 1. und 2. aus. Ein Katalog der Strafen bei Verfehlung wird jedem Haushalt per E-Mail zugestellt. Analphabeten (und davon soll es ja unterm Strich sehr viele geben) bekommen ihn per Audiodatei vorgelesen- unterlegt mit schauriger Musik.
Nicht ganz von der Hand zu weisen, das. Aber wir wollen doch die Würde der Verfassung wahren. Und da geht juristische Präzision und Feinfühligkeit nun mal vor Einfachheit. Außerdem muß ja nicht jeder gleich alles verstehen … Das mit den Hütchen und dem Schunkeln ist natürlich ernstlich erwägenswert …