Fr 05-12-25 Das fünfte Türchen: Parler, s’énerver, mais ne jamais écouter

Wahrlich, ich sage Euch …

Dieser Tage hat Bolle wieder mal kurz reingelauscht in die vorgebliche Herzkammer der Demokratie. Eigentlich kaum etwas, was man in der Weihnachtszeit unbedingt tun sollte, wenn einem sein Seelenfrieden (Pirsig 1974) lieb und teuer ist.

Dabei hatte Bolle Glück und offenbar eine der spannenderen Stellen erwischt. Statt endlos langer Reden von immer dem Gleichen – Quaak, quaak, quaak, wie Goethe das in Bolles phonologischer Abschleifung (vornehm: Elision) womöglich genannt hätte – gab es reichlich zugelassene Zwischenfragen und auch Kurzinterventionen.

Kurzinterventionen übrigens sind auf zwei Minuten begrenzte gegnerische Ausführungen im Anschluß an einen Redebeitrag, auf die der jeweilige Redner seinerseits erwidern kann. Kurzum: Eigentlich war alles dafür getan, Bolle bei der getreulichen Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten wenigstens halbwegs zu amüsieren – wobei, das sieht Bolle ein, das natürlich nicht der eigentliche Sinn der Übung ist.

Und doch. Wer nur selten schaut, sieht schärfer. Das ist so ähnlich wie mit der Großmutter (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course), die – wenn schon nicht nur alle Jubeljahre, so aber doch nur gelegentlich, etwa zur Weihnachtszeit – der Enkel angesichtig wird und sich dabei regelmäßig veranlaßt sieht festzustellen: Kind, was bist Du groß geworden. Den Eltern, die ihre Kinder in aller Regel täglich sehen, wird derlei nicht weiter auffällig werden.

Und so ist es auch hier. Wer qua steter Übung an das Palaver – Bolle vermutet, Parlament kommt von Palaver, könnte sich aber auch irren – von Berufs wegen gewöhnt ist, wird kaum noch einen scharfen Blick dafür haben, was er da eigentlich tut. Effizient im engeren Sinne ist das sicherlich nicht. Bolle hält es eher für Polit-Folklore – Folklore, die im Gegensatz zu echter Folklore regelmäßig nicht einmal des Zuschauens oder auch nur des Hinhörens gewürdigt wird.

Daher auch der Titel unseres heutigen Türchens: Man redet, man regt sich auf, aber man hört kaum jemals zu. Darum heißt es wohl auch Parlament – und nicht Auditorium. So gesehen macht das Sinn, findet Bolle. Daß wir den Titel auf Französisch gesetzt haben, liegt vornehmlich darin begründet, daß sich in dieser Sprache fast alles reimt und damit Bolles ästhetischem Empfinden sehr entgegenkommt. Friedrich Zwo von Preußen (1712–1786) übrigens hat das seinerzeit recht ähnlich gesehen – Sprache der Dichter und Denker hin oder her. Treppenwitz am Rande: Madame de Staël (1766–1817), die Schöpferin dieser Wendung, war Französin – und hatte das mitnichten so élogieusement, so schmeichelhaft gemeint, wie die Deutschen das zu verstehen belieben sollten.

Zurück zum Punkt: Nicht zuzuhören hat sich, wie’s scheint, namentlich in den letzten Jahren nachgerade zu einer Kardinaltugend jener gemausert, die sich für die Gralshüter „unserer“ Demokratie zu halten pflegen. Die übliche Begründung: Warum auch hinhören? Wenn die doch eh nur Blödsinn reden? Das allerdings ist ein Argument, das ohne weiteres und trefflichst von beiden Seiten in Anschlag gebracht werden kann – und so geschieht es denn ja auch. Hört Euch um im Hohen Hause. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

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