So 29-12-24 Ladespaß

Ladespaß.

Dieses Jahr ist das erste Jahr, in dem es sowohl den agnostisch-kontemplativen Adventskalender als auch unsere Sonntagsfrühstückchen gibt. Warum? Weil letztere erst seit Mitte Mai dieses Jahres (nein, nicht „diesen“ Jahres) eingeführt sind. Dafür – das sei nicht unerwähnt – aber mit schönster Regelmäßigkeit.

Was den Adventskalender angeht, haben wir uns, den Wünschen unserer geneigten Leserschaft Rechnung tragend, überwiegend um Human-Touch-Themen gekümmert und schnöden Polit-Zirkus ein wenig außen vor gelassen. Schließlich war Weihnachtszeit und außerdem läuft uns das nicht weg.

Heute wollen wir – halb Human Touch, halb harte Welt (Goethe 1779) – einen Blick auf Bolles Ladespaß werfen. Wie? Ladespaß? Ist es nicht furchtbar lästig, die ganzen Gerätschaften, die man so braucht (oder zumindest zu brauchen meint), pausenlos mit frischem Saft zu füttern, als habe man es mit einem halben Dutzend Tamagotchis zu tun? Das durchaus. Allein – immer, wenn Bolle mal wieder eines seiner Geräte mit der nötigen Energie versorgen muß, kann er nicht umhin, sich zu freuen, daß es sich ja nur um Kleingeräte handelt, die zu füttern soo viel Aufwand dann ja auch wieder nicht ist. Unser Bildchen zeigt Bolles Ladestation – die sich wohl noch in durchaus vertretbaren Grenzen hält. Und so bleibt es nicht aus, daß Bolle beim Anstöpseln seiner Gadgets gelegentlich nach der Melodie eines uralten Karneval-Schunkelliedes vor sich hersummt: 🎵 Am liebsten aber laden wir // was handlich ist und klein. 🎵 Im Original heißt es: 🎵 Am liebsten aber baden wir // im Bier und auch im Wein. 🎵

Um den Kontrast zu verstärken, wollen wir uns vorstellen, daß Bolle ein Elektro-Auto hätte – eine Gerätschaft also, die wirklich richtig viel Energie braucht und sich durchaus nicht gemütlich vom Schreibtisch aus aufladen ließe. Da sei Gott vor, of course – sprach der Agnostiker.

Vor Jahrzehnten schon hatte Bolle von seinem damals besten Freund, einem angehenden Elektro-Ingenieur, gelernt, daß man in Fachkreisen zwischen Nachrichtentechnik und Energie­technik unterscheidet. Dabei ist Nachrichtentechnik alles, wo elektrische Energie der Speicherung und Verbreitung von Informationen dient. Energietechnik dagegen ist das, wo Strom ernstlich Arbeit verrichten muß – also zum Beispiel Maschinen antreiben, zu denen nicht zuletzt auch die E-Autos gehören, of course.

Nun – für Nachrichtentechnik braucht man vergleichsweise wenig elektrische Energie, für Energietechnik vergleichsweise viel. Das aber ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht. So gibt es zum Beispiel Unkenrufer (ein höchst seltenes Wort, übrigens), die rausgefunden haben wollen, daß Lithium – also der Rohstoff für die gleichnamigen Akkus – auf diesem Planeten nur in sehr viel geringeren Mengen vorhanden ist, als das für eine extensive Energietechnik wünschenswert oder gar erforderlich wäre. In diesem Zusammenhang läßt der Ukraine-Krieg aufs Heftigste grüßen. Da nämlich geht es nicht zuletzt um – Lithium.

Nach allem ist E-Autos aufzuladen also womöglich ähnlich abenteuerlich wie Gänse am Heiligen Abend zu braten (vgl. dazu Sa 07-12-24 Das 7. Türchen: Wollense Toast …?) – nur halt eben ganzjährig. Entsprechend halten sich die Leute auch zurück. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Natürlich mag es sein, daß das alles doch noch ein gutes – oder zumindest weniger schlechtes – Ende nimmt. Noch ist schließlich nicht aller Tage Abend. Ob da aber was gelingen kann, wenn man den technischen Fortschritt in die Hände von, ausgerechnet, Berufspolitikern legt, scheint Bolle mehr als fraglich. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 24-12-24 Das 24. – und für diesmal letzte – Türchen: Frohe Weihnachten Euch allen!

Die Zähmung des Feuers.

Wir hatten ja neulich erwähnt, daß es unseren Vorfahren vor immerhin 1,5 Millionen Jahren schon gelungen war, das Feuer zu zähmen, um zum Beispiel Mammuts oder Marshmallows schmackhafter zuzubereiten. Mit ›zähmen‹ ist dabei gemeint, ein Feuerchen auf die Stelle zu begrenzen, wo man es haben will – daß also die Feuerstelle brennt, und nicht gleich das ganze Dorf oder zumindest die ganze Höhle. Der nächste Schritt, der allerdings erst sehr, sehr viel später kam – vor 32.000 Jahren beziehungsweise vor gerade mal 8 Minuten auf der anthropologischen Uhr –, war dann die Erfindung des Feuerzeuges. Man mußte also das Feuer nicht mehr finden und einfangen und dann mühsam hüten und bewahren und bloß nicht erlöschen lassen. Nein, ab sofort konnte man jederzeit nach Belieben ein Feuerchen entzünden, wenn man eines brauchte. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit übrigens galt es unter Hausfrauen (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) als ganz schlechtes Omen, wenn einem das Feuer im heimischen Herde ausging. Ein Feuer zu hüten – obwohl man doch längst Feuerzeuge oder Streichhölzer hat – steckt offenbar recht tief im kollektiven Unbewußten.

Das alles aber ist natürlich nichts gegen Bolles Feuerzähmung neulich – also vor wenigen Tagen erst. Kaum war das Adventskalendertürchen fertig (vgl. dazu Mo 16-12-24 Das 16. Türchen: Bewegte bunte Bilder), da kam es Bolle in den Sinn, warum denn nicht ein Feuerchen auf dem Schreibtisch entfachen?

Man könnte das natürlich kitschig finden – und das war auch Bolles erster Gedanke. Allein: definiere ›Kitsch‹. In Bolles Arbeitsdefinition, die sich für praktische Zwecke als durchaus ausreichend erwiesen hat, ist ›Kitsch‹ in guter Näherung ›Form ohne Funktion‹. Wenn sich also zum Beispiel jemand ein Klavier in den Salon stellt, obwohl er es gar nicht zu spielen weiß. Oder wenn jemand sich eine Bibliothek einrichtet, obwohl er gar nicht lesen kann oder es zumindest nicht tut. Hauptsache, es sieht gut aus. In Bolles Kreisen nennt man derlei übrigens ›symbolische Selbstergänzung‹: Man hübscht sein Ego auf, indem man sich mit Dingen umgibt, mit denen man zwar nichts anfangen kann, die aber was hermachen sollen.

Ist das Schreibtisch-Feuerchen also Kitsch? Demnach im Grunde eher nicht. Ein richtiges Feuerchen hat ja im wesentlichen vier Funktionen: Es wärmt, es leuchtet und erfreut das Herzelein, es knistert anheimelnd und es saugt die schlechte Luft aus dem Zimmer. Zwei der vier Funktionen erfüllt das Schreibtisch-Feuerchen durchaus, beim Rest muß es leider passen, of course. Aber immerhin: Von ›ohne Funktion‹ – zumindest von ganz ohne Funktion – kann also keine Rede sein. Der Rest ist – wie so oft im Leben – eine Frage der praktischen Erfahrung. Bolle jedenfalls findet sein Feuerchen klasse. Man hat was zu gucken und kommt dabei ganz ohne Telly aus. ›Telly‹ steht für TV oder Glotze und ist so very british, daß es als Wort kaum einer kennt. Bolle hat es seinerzeit mal bei Roald Dahls Matilda (1988) aufgeschnappt – eine entzückende Geschenkidee für das nächste Weihnachtsfest, übrigens. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Weihnachten!

Mo 23-12-24 Das 23. Türchen: Gansl-Essen

Weihnachtszeit – Gansl-Zeit.

So kann’s gehen. Neulich erst hatten wir mit einiger Überzeugung zum Besten gegeben, daß jemandem, der meint, am Heiligen Abend der Christenmenschen Gans servieren zu müssen, ohnehin nicht mehr zu helfen sei (vgl. Sa 07-12-24 Das 7. Türchen: Wollense Toast …?). Und wie das Leben so spielt, hat Bolle nun eine Einladung zum Gansl-Essen, und zwar am Heiligen Abend!

Das schreit natürlich geradezu nach einer Klarstellung. Natürlich kann und soll jeder machen und auch zubereiten, was immer ihm (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) beliebt. Was anderes zu meinen wäre eines überzeugten Agnostikers auch völlig unwürdig. Mehr noch: es wäre nachgerade albern.

Der Grundgedanke war natürlich, daß man – nach den ganzen Vorbereitungen – nicht auch noch den Heiligen Abend zum größten Teil in der Küche verbringt. Darum das Hölzerbrot. Oder die Würstchen mit Kartoffelsalat. Oder, wie wir aus zuverlässiger Quelle aus dem Kreise unserer geneigten Leserschaft wissen, gar Nudeln mit Tomatensoße – mit Tomaten aus dem Garten, allerdings.

Bolle weiß, wovon er spricht. Vor langen Jahren mal, so war seinerzeit der Plan, sollte es statt der üblichen Geschenke zum Weihnachtsfeste ein chinesisches Essen geben – mit einem halben Dutzend Gängen und einem ganzen Dutzend Gäste. Im Ansatz war die Idee ja gar nicht schlecht. Man erspart sich das ganze Geschenke auswählen und besorgen. Allein: nach etwa zweieinhalb Tagen Vorbereitung – Einkaufen und Schnippeln und was sonst noch alles so anfällt – hatte Bolle seine liebe Not, selber überhaupt was abzukriegen vom Festschmause, weil stets der jeweils nächste Gang fertig werden wollte – obwohl nach Art chinesischer Kochkunst doch alles schon vorgeschnippelt bereitstand.

Wer also die Kunst des Gansl-Zelebrierens in den Mittelpunkt des Weihnachtsfestes stellen mag und auch ansonsten einen freien Kopp hat – ähnlich wie etwa Serge Gorodish mit seiner Kunst, ein Baguette aufzuschneiden (vgl. wiederum Sa 07-12-24 Das 7. Türchen: Wollense Toast …?) – bitteschön. Wichtig ist doch letztlich nur, wie stets, der Geist, der unterm Weihnachtsbaume weht. Chaos oder Kontemplation?

Das Schildchen übrigens stammt aus Wien. Dort weiß man auf – verglichen mit hierzulande – geradezu deprimierend leckere Weise im Gasthaus ein Gansl zuzubereiten. Bei uns dagegen muß man alles selber machen, wenn schon. Obwohl es natürlich auch einige wenige Ausnahmen gibt, of course. Außerdem – das sei der guten Ordnung halber nachgetragen – hatten wir bei dem Rezept im 7. Türchen glatt die Butter vergessen. Die Zutaten, das sind also eine dicke Scheibe Kastenweißbrot, Butter, und zwar nicht zu knapp, Kochschinken ungeräuchert, Chester-Junk-Käse und Ketchup – und natürlich die Hölzer, of course. Ohne Butter nämlich wird das ebensowenig was wie ohne Hölzer. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 22-12-24 Das 22. Türchen – der 4. Advent: Lange Schlange

Lange Schlange.

Na also – wer sagt’s denn? Nach immerhin drei Wochen und einem Tag ist es nun doch soweit: Der vierte und letzte Advent! In diesem Jahr bedeutet das, daß übermorgen schon das Weihnachtsfest der Christenmenschen da ist.

Die Türchen der Adventskalender der Kleinen (und der vielen nicht ganz so Kleinen mehr) stehen fast alle sperrangelweit offen, die letzten Vorbereitungen sind, wie Bolle doch mal schwer hoffen will, dann doch erledigt, und auch der letzte Hektiker (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) darf sich auf eine hoffentlich ruhig und besinnlich auslaufende Zielgerade einstellen.

Aus rein kalendarischen Gründen ist es in diesem Jahr ja nicht anders als in Rilkes ›Herbsttag‹ (1902):

Wer jetzt kein‘ Plan hat, macht sich keinen mehr.
Wer hinterdrein ist, wird’s für diesmal bleiben,
wird … (und so fort …).

Zwar könnten höchst optimistische Frohnaturen morgen noch versuchen, sich in eine der letzten Schlangen einzureihen, um ihre Last-Minute-Präsenterl dann doch noch zur Post zu geben – und die frecheren unter den Frohnaturen können sich dann – natürlich nur post festum, of course, darüber beschweren, daß ihre Päckchen nicht rechtzeitig angekommen sind. Scheiß Post!

Mit all dem hat unsere geneigte Leserschaft kontemplations-gestählt aber hoffentlich wenig zu tun. Gleichwohl wollen wir die diesjährige Adventszeit nicht ausklingen lassen, ohne noch Bolles jüngste Entdeckung – sozusagen als immaterielle Weihnachtsgabe – den Menschen auf Erden allgemein zu verkünden.

Wer sich auf das sachlich und sittlich notwendige beschränkt, allen möglichen Tüddelkram beiseite läßt und dabei darauf achtet, daß das Präsenterl nicht dicker ausfällt als maximal 5 Zentimeter – und dabei ein wenig Ausrüstung im Hause hat, also Zollstock, Waage, Briefmarken und nur weniges mehr –, kann Weihnachtsgeschenke sehr gut als Brief versenden. Zwar entgeht einem auf diese Weise die Freude an der Sendungsverfolgung – aber man kann nun mal nicht alles haben. Bolle hat in diesem Jahr den Praxistest gemacht. Funktioniert! Den Weg zur Post kann man sich allerdings gleichwohl nicht ersparen, da normale Briefkästen auf der Straße einen zu schmalen Einwurfschlitz haben. Aber egal: Auf dem Bildchen oben sehen wir am linken Bildrand einen Postbriefkasten mit breit genugem Schlitz. Für Bolle war es ein herrliches Gefühl, ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk geradezu – nach der Devise: Ich kam, sah und staunte. Wie leicht doch Schlangen umgangen werden können. Man soll ja nicht schadenfroh sein. Sich aber über entgangenen Schaden – der niemandem sonst ein Leides tut – zu freuen wird man ja wohl dürfen.

Ansonsten ist in Bolles Konsumtempel heute verkaufsoffener Sonntag. Auf daß bloß niemand zur Ruhe kommen möge – die Verkäufer nicht und auch die Kundschaft nicht. Ein dreifach Hoch auf das vita activa, das bewegte Leben. Wer nur denkt sich sowas aus? Vielleicht wird Bolle nachher mal durchschlurfen – Hände in den Manteltaschen, of course. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 21-12-24 Das 21. Türchen: Silentium

Einfach mal die Klappe halten.

Eigentlich sollte es uns heute um ›Lange Schlangen‹ gehen – Schlangen vor den Postämtern beziehungsweise Paketannahmestellen, an den Kassen der Konsumtempel und nicht zuletzt auch auf den Autobahnen. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Es hat mal wieder geknallt auf einem deutschen Weihnachtsmarkt. Falls der überhaupt noch so heißen darf – und nicht etwa „Winterwunderland“ (vgl. Mi 11-12-24 Das 11. Türchen: Winterwunderland).

Und? Wie geht der Journalismus 2.0 damit um? Zunächst einmal verunstalten sie den im Telly laufenden ›Kleinen Lord‹ (GB 1980 / Regie: Jack Gold) mit der höchst häßlichen Einblendung von „Eilmeldungen“ am oberen und am unteren Bildschirmrand. Doppelt gemoppelt hält besser, wird man sich wohl gedacht haben. Bolle aber findet, das störe den Filmgenuß doch sehr – und meint das ganz und gar nicht zynisch. Wozu die Eile? Hat das nicht Zeit bis nach dem Film? Schlechte Nachrichten werden nunmal auch dann nicht besser, wenn sie sich  überschlagen.

Schließlich wurde, wie’s scheint, das sprichwörtliche Kribbeln im Arsch der Medienschaffenden anscheinend übermächtig, und so hat man den Film kurzerhand zwecks Katastrophenberichterstattung glatt unterbrochen – nur um zu berichten, daß man noch nichts zu berichten wisse. Dazu die üblichen langen Gesichter – wie immer, wenn einem die Realität mal wieder höchst unsanft vor Augen führt, daß es sie noch gibt, allem Leugnen und Schönsäuseln zum Trotze, und daß nicht jeder gut gemeinte und dabei ganz schlecht durchdachte Plan auch ein gutes Ende nehmen muß.

Mehr wollen wir heute gar nicht sagen. Einfach mal die Klappe halten scheint uns mehr als angemessen. Nur so viel: Laßt Euch von sowas nicht die Weihnachtszeit verderben – auch wenn es naheliegen mag. Und doch: da freut man sich auf Weihnachten – zumindest aber auf Glühwein und Bratwurst, den Christbaum, leuchtende Kinderaugen und viele, viele Geschenke. Und zack: ganz plötzlich, eh man sich’s versieht, findet man sich im Krankenhaus oder gar auf dem Friedhof wieder. Schön ist das nicht. Bolle jedenfalls würde sich das anders wünschen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 20-12-24 Das 20. Türchen: Mit Schirm, Charme und ohne Regen

Very british …

Wie das Leben so spielt. Gestern noch mußten wir uns fragen, wie in drei Teufels Namen jemand auf die Idee kommen kann, einen Stockschirm auf den Massenmarkt zu werfen, der wahrscheinlich schon als Schirm, aber ganz sicher nicht als Stock taugen dürfte. Bolle meint: Wenn schon Zwergenschirm, dann doch besser einen Knirps.

Natürlich sieht Bolle ein, daß der Gebrauch eines Stockes wohl ein wenig aus der Mode gekommen ist. Wenn schon Gehhilfe, dann nutzt der rüstige Rentner (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) doch eher einen Rollator. Allerdings: Kaum war die Tinte trocken, kam Bolle eine alte Folge von ›Mit Schirm, Charme und Melone‹ unter – wie sie auf ›One‹ dankenswerterweise seit geraumer Zeit ausgestrahlt werden. Es handelte sich um ›Die fehlende Stunde‹ aus der vierten Staffel (England 1965) mit Patrick Macnee alias Mr. John Steed und Emma Peel („Karate-Emma“) alias Mrs. Diana Rigg, einer ›Dame Commander‹ des Order of the British Empire.

Warum wir das alles erwähnen? Unsere Großeltern hatten seinerzeit zwar noch keine Smartphones und dergleichen – dafür aber hatten sie Stil. Unnötig zu erwähnen, daß Bolle das ausgesprochen sympathisch findet.

Nun – in der Folge war es so, daß Mr. Steed mächtig mit seinem Stockschirm gewedelt hat. Offenbar hatte er richtig Spaß dabei. Da sage noch einer, Engländer seien steif. Und da sage noch einer, Schirme seien nur bei Regen brauchbar. So sehr hat er gewedelt, daß (bei damaliger Bildauflösung) die Schirmspitze nicht mehr scharf zu erkennen war. Wir mußten, um den Eindruck nicht zu verfälschen, die Spitze eigens nacharbeiten.

Und nun stellen wir uns vor, Mr. Steed hätte einen Stockschirm, wie wir ihn gestern vorgestellt haben, dabeigehabt: Die Schirmspitze wäre ziemlich genau auf Höhe der Baumkronen gewesen. Bolle meint: Wie albern wäre das denn? Manchmal kommt es eben doch auf Größe an.

Mittlerweile übrigens haben beide längst das Zeitliche gesegnet. Patrick Macnee 2015 im gesegneten Alter von 93 Jahren und Diana Rigg 2020 mit 82 Jahren in einem Alter, über das man sich wohl auch nicht beschweren kann. Philosophisch gewendet findet Bolle ja immer, das sei das bitter-süße an alten Filmen: Die Möglichkeit der Verwandlung in andere Figuren und Schauplätze (André Heller: Abendland 1976) beziehungsweise das  Erleben längst vergangener Zeiten als definitives Kontrastprogramm – wenn auch nur aus der Zuschauerperspektive. Man sagt ja, Reisen bildet. Bolle findet, für Zeitreisen gilt das mindestens ebenso: Hilft es einem doch sehr, die eigene Gegenwart als das zu sehen, was sie ja schließlich auch ist. Vanitas – eitler Schein. Der Wimpernschlag eines Wimpernschlages – wenn überhaupt. Manchen mittelalterlichen Philosophen war das übrigens durchaus noch klar – auch ohne alte Filme gucken zu müssen. Das alles aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 19-12-24 Das 19. Türchen: Seid’s ihr deppert?

Zwergenschirm.

Gegen Ende unseres kleinen agnostisch-kontemplativen Adventskalenders wollen wir noch mal so richtig tüchtig gesellschaftskritisch werden – dabei aber strikt im Rahmen unserer Human-Touch-Themen bleiben.

Das Bildchen zeigt einen Fund, wie er sich bei einem von Bolles gelegentlichen Weihnachtsbummeln zufällig ergeben hat. Von „Einkäufen“ zu reden, wäre schließlich glatt übertrieben.

Was soll das sein? Ein Regenschirm, schon klar. Ein Stock? Mit einer Länge von etwa 70 Zentimetern – Bolle hatte seinen Zollstock nicht dabei – ist er definitiv zu kurz für fast jeden (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course). Bolles Billo-Stockschirm etwa hat eine Länge von 88 Zentimetern – das mag noch eben angehen, der Versace eine Länge von 93 Zentimetern. Gardemaß!

Bolle meint ja, wenn schon Stockschirm, dann sollte er auch was mit Stock zu tun haben. Und das setzt nun mal eine bestimmte Länge voraus, eine gewisse Stabilität und nicht zuletzt auch einen bestimmten Krümmungsradius des Griffes, damit man den Schirm, wenn es mal nicht regnet und man sich auch nicht stützen möchte, bequem an den Arm hängen kann. Form ohne Funktion ist nun mal Kitsch. In dieser Hinsicht ist Bolle recht streng.

Ansonsten kommt es bei einem Schirm ja eher auf die Spannweite an. Hier liegen alle für diesen Beitrag eigens getesteten Schirme mit 100–110 Zentimetern in einer brauchbaren Größenordnung. Selbst ein Knirps – die es übrigens auch schon wieder seit knapp 100 Jahren gibt – bringt es bei einer Länge von nur etwa 30 Zentimetern noch auf 90 Zentimeter Spannweite.

Das alles erinnert natürlich ein wenig an Tommy Jauds ›Millionär‹ (2007) – ein Roman, der von einem gewissen Simon Peters handelt, der, nachdem er arbeitslos geworden ist, zusehen muß, wo er bleibt. Wie das Leben so spielt, denkt er sich eine Tätigkeit als Produktkritiker aus.

Gleich einleitend heißt es dort: Ein Drittel der Menschheit ist bekloppt. Manchmal ist es auch die Hälfte, das hängt vom Wetter ab. Unsinn? Vielleicht erklärt mir dann ja mal jemand, warum fast alle Fußgänger bei den ersten Regentropfen sofort ein unfaßbar blödes Gesicht machen und die Schultern hochziehen. Glauben sie im Ernst, sie würden durch eine dämliche Grimasse und hochgezogene Schultern auch nur einen einzigen Tropfen weniger Regen abkriegen? Das ist eine rhetorische Frage mit einer sehr, sehr traurigen Antwort: Sie glauben es!

Was die Quantifizierung der Bekloppten angeht, ist Bolle übrigens weniger optimistisch als Tommy Jaud. Pars pro toto: Neulich ist Bolle eine Zirkel-Graphik folgenden Inhalts unter die Augen gekommen: CDU baut Mist — alle wählen SPD — SPD baut Mist — alle wählen CDU — CDU baut Mist, … und so weiter, ad libitum. Ein Zirkel, eben. Ein wenig erinnert das an Sartres Einakter ›Geschlossene Gesellschaft‹ (1944), für den Bolle übrigens als Schüler schon den Titel ›No exit‹ vorgezogen hat. Am Rande bemerkt soll man auch „Zwerge“ – wie etwa in ›Zwergenschirm‹ – nicht mehr sagen dürfen. Laut DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) sei das nicht nur „abwertend“ (wie so oft), sondern glatt „diskriminierend“ – also noch einen Zacken heftiger. Na toll. Wenn’s denn dem Wachstum dient … Das alles aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 18-12-24 Das 18. Türchen: Vox populi – vox quojus?

Vox populi – vox quojus? Volkes Stimme – wessen Stimme?

Die Wendung ›vox populi vox Dei‹ war das ganze Mittelalter hindurch geläufig – und erfreut sich bei manchen heute noch einer ungebrochenen Beliebtheit. Nicht zuletzt bei Elon Musk, wenn er meinte: „44 Milliarden Dollar – das war nicht der Preis für Twitter. Das war der Preis für die Wiederherstellung der Redefreiheit.“ (vgl. dazu So 10-11-24 Die freiere Zeit).

Mit derlei Aussagen stößt man natürlich nicht bei allen und auch nicht zu allen Zeiten auf Gegenliebe. Schon Alkuin, ein britischer Mönch und Berater Karls des Großen, meinte seinerzeit, man solle nicht auf jene hören, die behaupten, daß Volkes Stimme Gottes Stimme sei, weil, so die Begründung, die Neigung des Volkes aufzubrausen oft dem Wahnsinn nahekäme.

Ist das nicht herrlich? Heute würde man das nur etwas anders formulieren und sagen: das Volk neigt zu „Haß und Hetze“. Und da einfach weghören nicht mehr ganz so einfach ist wie noch damals, um 800 n. Chr. herum, ist es womöglich das Beste, dem Volk im Keime schon das sprichwörtliche Maul zu stopfen. Entsprechende Bestrebungen gibt es derzeit ja zur Genüge.

Warum aber halten nicht alle einfach die Klappe – statt zu riskieren, bei der Obrigkeit anzuecken oder schlimmeres? Bleiben wir sachlich und stellen nüchtern fest, daß Kommunikation nicht weniger ist als ein Systemerfordernis. Ohne Austausch kann kein System funktionieren. Das ist auf der rein biologischen Ebene so – und es ist auf der anthropologischen Ebene nicht anders. Wenn die Zellen eines Lebewesens nicht mehr vernünftig kommunizieren, ist das Lebewesen tot. Exitus!

Auf anthropologischer Ebene – und übrigens noch viel früher – ist es nicht anders. Hier nur ein Beispiel: Bolle hatte seinerzeit Jahre gebraucht, um zu kapieren, wozu in alles in der Welt so etwas wie Klatsch und Tratsch gut sein mag. Die Antwort: es hält die Gruppe zusammen. Ohne Klatsch und Tratsch kein Zusammengehörigkeitsgefühl – und damit auch keine Gruppe. Exitus! Konrad Lorenz übrigens hat dem seinerzeit mit seinem ›Das sogenannte Böse‹ (1963) ein ganzes gut und recht anschaulich lesbares Buch gewidmet.

Bei dieser Konstellation ist es natürlich nachgerade „tödlich“, wenn ein N:N-Austausch (jeder kann im Prinzip mit jedem reden) durch den 1:N-Austausch (einer redet, alle anderen hören zu) der sogenannten „Leitmedien“ verdrängt wird. Formen wie zum Beispiel TwitteX dagegen ermöglichen einen echten N:N-Austausch. Übrigens redet Bolle schon lange nicht mehr von „sozialen“ Medien – sondern eben von N:N-Medien. Daß ein N:N-Austausch manchen ganz und gar nicht recht ist, versteht sich. Unkontrollierte Kommunikation? Bei der Neigung im Volke zu „Haß und Hetze“? Wo kommen wir da hin? Laßt uns lieber „helfen, retten, schützen“. Bolle könnt‘, wie immer an der Stelle, glatt kotzen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 17-12-24 Das 17. Türchen: Cowboy-Kaffee

Hart, aber gerecht.

Bolle meint, zu unserem 2. Türchen (siehe Mo 02-12-24 Das 2. Türchen: Wie handgefiltert) sei wohl noch dringend ein kleiner Nachtrag nötig. Nicht, daß das noch untergeht im Weihnachtstrubel.

Vor einigen Jahren mal war Bolle – ausdrücklich nicht zur Weihnachtszeit, doch das spielt hier keine Rolle – auf einer Hochzeitsfeier zu Gast. Am Tag der Hochzeit selbst war alles soweit fein. Es gab reichlich Wein und alles, was man sonst so braucht, um Leib und Seele zusammenzuhalten.

Kritisch wurde es am nächsten Morgen. Die Hochzeitsgäste – etwa ein Dutzend an der Zahl – standen, nachdem sie sich aus ihren Betten geschält beziehungsweise gequält hatten, mit dem frisch vermählten Paar alle zusammen in der Küche. Selbstversorgung war angesagt. Kaffee, vor allem! Die Küche war groß und erlesen und es gab natürlich auch Kaffee, of course. Den allerdings mußte man mit einem der in gewissen Kreisen so beliebten schicken italienischen Espresso-Kochern zubereiten. Bolle – der frühe Vogel fängt den Wurm –, hatte seinen ersten Kaffee schon intus. Der nächste bitte! Und so weiter.

Bolles Hintergrundroutinen fingen, frisch coffein-gestärkt, sofort an zu rattern: Zubereitungszeit etwa 10 Minuten pro Kaffee – macht bei 12 Personen circa 2 Stunden. Weia! Bolle schwante nichts Gutes.

Um dem Jammer ein Ende zu bereiten, schnappte sich Bolle einen stinknormalen Topf und tat Wasser und tüchtig Kaffeemehl dazu. Nach etwa 10 Minuten war Kaffee für alle da. Zwar kein schicker Espresso, sondern halt Cowboy-Kaffee, den man mit einer herkömmlichen Schöpfkelle vorsichtig entnehmen mußte. Aber das war allen, ausnahmslos allen Anwesenden dann auch egal.

Und die Moral von der Geschicht? Wer zu doof ist, der kriegt keinen Kaffee. Jedenfalls nicht in (gefühlt) endlicher Zeit. Und – was nützt die schickste Küche mit der schicksten Espressomaschine, wenn man dabei – übertragen gesagt – die Kunst, ein Motorrad zu warten (Pirsig 1974) völlig aus den Augen verliert? Das Prinzip, meint Bolle, läßt sich auf so manches übertragen. Man muß nur Geist und Augen offenhalten. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mo 16-12-24 Das 16. Türchen: Bewegte bunte Bilder

Bewegte bunte Bilder.

Beginnen wir die neue Woche aufs Gemütlichste. Feuerchen faszinieren. Das war schon immer so. Mit „immer“ meinen wir – soweit man das überhaupt halbwegs zuverlässig sagen kann – seit etwa 1,5 Millionen Jahren. Das entspricht in etwa einem Viertel der Zeit, die sich die Menschheit im weiteren Sinne auf diesem Planeten tummelt.

Kaum nämlich hatten unsere Vorfahren gelernt, daß Feuer nicht nur gräßlich gefährlich sein kann, sondern durchaus auch höchst nützlich – zum Beispiel schmeckt ein frisch erlegtes Mammut deutlich besser, wenn man es vor dem Verzehr ein wenig anröstet. Feine Unterscheidungen – wie etwa „rare“, „medium“ oder „well done“ kamen vermutlich erst sehr viel später auf. Noch viel später kamen Leute auf, die mit so etwas rein gar nichts mehr am Hut haben wollen – Vegetarier etwa oder gar Veganer. Für die gibt‘s dann Marshmallows.

An dieser Stelle fällt Bolle ein kleiner Witz ein: Er und Sie sitzen in einer Bar und sind am Turteln: Sie: „Ich bin Veganerin, trinke keinen Alkohol und dusche immer kalt.“ Daraufhin Er: „Ich finde es toll, wenn man so offen über seine Probleme reden kann.“ – Soweit der Witz.

Um sich die Größenverhältnisse besser vorstellen zu können, hat es sich bewährt, die Zahlen in eine anthropologische Uhr umzurechnen – also von der Menschwerdung um 0 Uhr in der Nacht bis 24 Uhr hier und heute. Demnach hätten wir Menschen seit etwa 18 Uhr – also seit etwa 6 Stunden – das Feuer genutzt. Das Feuerzeug entdeckt – also die Möglichkeit, selber ein Feuerchen zu entfachen und nicht auf den nächsten Buschbrand warten zu müssen – haben unsere Vorfahren allerdings erst vor etwa 32.000 Jahren – auf der anthropologischen Uhr also vor gerade mal 8 Minuten.

Dabei ist alles so einfach, wenn man weiß, wie’s geht: Man nehme einen haushaltsüblichen Feuerstein (SiO2) und schlage ihn gegen einen Pyrit (FeS2), auch Schwefelkies oder Katzengold genannt. Dabei beachte man, das in unmittelbarer Nähe von Reisig oder einem Zunderschwamm zu tun. Fertig ist das Feuerchen! – und alles bereit für die Faszination der bewegten bunten Bilder.

Mittlerweile allerdings geht der Trend ja wieder dahin, daß wir dazu neigen, die ganz uralte Angst vor dem Feuer neu zu entdecken. Vorsicht, heiß! Allerdings kann sich Bolle beim besten Willen zum Beispiel Holmes und Watson in der Baker Street 221 B nicht mit Fußbodenheizung oder gar Wärmepumpe vorstellen – obwohl die Londoner damals schon ihre liebe Not mit den vielen Feuerstellen hatten. So ist das Wort ›Smog‹ eine Zusammensetzung aus ›Smoke‹ (Rauch) und ›Fog‹ (Nebel) – auch dann, wenn es gar nicht so nebelt wie in London. Das Problem war also bekannt. Indes: Nichts ist vollkommen – nicht mal zur Weihnachtszeit. Immerhin ist die Luftqualität – zumindest in den Innenräumen – sehr viel besser, wenn ein zünftiges Feuerchen prasselt im Kamin und dabei die ganzen Luft-Schadstoffe durch den Schornstein jagt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.