So 16-06-24 Ein Hauch von Hollywood

Entrückt zerpflückt …

Nachdem wir letzten Sonntag auf das Wahlspektakel eingegangen waren, kann es nicht schaden, einen Blick auf das Ergebnis zu werfen. Erst wurde gewählt, dann wurde gezählt – und schließlich gab es lange Gesichter.

Unser Schildchen heute bezieht sich übrigens auf Josua Eiseleins ›Sprichwörter und Sinnreden‹ (1840). Dort heißt es: Mancher auf Stelzen ist für die Sache dennoch zu kurz (vgl. dazu Sa 02-01-21 Hype und Hybris).

Bolle meint, das läßt sich noch toppen. Für eine Sache „zu kurz“ zu sein, läßt sich ja durchaus noch sachlich verstehen: Einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) kann es einfach nicht. Das allein dürfte mächtig am Selbstwertgefühl kratzen. Ein kluger Mensch würde es mit Jesus Sirach halten und nicht nach dem streben, was nun mal zu hoch für ihn ist. Weniger kluge Leute – oder Leute, die gerade keine katholische Bibel zur Hand haben – reagieren anders: sie entrücken.

Was ist der Unterschied? Entrückt zu sein, heißt nicht nur, daß man für die Sache zu kurz ist – daß man es also schlichtweg nicht kann. Zudem schwebt der Geist des Entrückten in höheren Sphären und glaubt ganz dolle daran, daß doch alles seine Richtigkeit habe mit den Bestrebungen. Allein das Volk könne dem noch nicht ganz folgen. Folglich müsse man ihm die Dinge besser erklären, man müsse „die Menschen draußen im Lande“ mitnehmen in die Schöne Neue entrückt-verzückte Welt. Die Talkshows sind voll von derlei.

Übertrieben? Leider wohl nicht. Vor knapp einem viertel Jahrhundert war die Polit-Prominenz auf die grandiose Idee verfallen, die EU binnen zehn Jahren zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Passiert ist seitdem wenig – wenn überhaupt. Bolle war seinerzeit allein das „binnen zehn Jahren“ süß-säuerlich aufgestoßen. In dem Zeitraum kriegen die üblicherweise nicht mal eine Kita geplant und gebaut.

Bolle muß da immer an Churchill denken, der seinerzeit gemeint haben soll: Wie toll auch immer Deine Pläne sein mögen. Gelegentlich solltest Du einen Blick auf die Ergebnisse werfen.

Das allerdings geht sehr viel leichter, wenn man seiner Sache nicht allzu entrückt ist. Ansonsten bleibt wohl nur die Flucht ins Manichäische: Es gibt die Guten – zu denen man selbst selbstredend gehört. Und es gibt die Bösen, die einfach nicht hören wollen, was die Guten sagen, und die nicht folgen wollen, wenn die Guten munter voranpreschen. Dazwischen gibt es wenig – beziehungsweise rein gar nichts. Bolle findet in der Tat, das hat was von Hollywood.

Und so ist es nur natürlich, wenn sich die Guten unverbrüchlich gut finden, von den Bösen aufs Übelste bedroht und sie, falls nötig, „mit der ganzen Härte des Rechtsstaates“ zu bekämpfen trachten. Daß aber das Volk der Souverän ist – und nicht etwa die Guten im Lande – kann dabei leicht in Vergessenheit geraten. Das zeigt sich übrigens nicht zuletzt in so verräterischen Wendungen wie „unsere Demokratie“. Here’s a flash: Das ist mitnichten Eure Demokratie. Die Demokratie gehört – falls überhaupt irgendwem – dem Volk. Und was das Volk damit macht, ist ganz und gar nicht Euer Bier. Ihr seid Diener des Volkes – und keine Häuptlinge. Das hat schon Friedrich Zwo so gesehen. Und so steht es übrigens auch in der Verfassung (Art. 20 II S. 1 GG), sogar mit „Ewigkeitsgarantie“ (Art. 79 III GG). Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

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