
Hier etwas – wenn schon nicht wirklich weihnachtliches – so doch recht niedliches am Rande. Zumindest sieht Bolle das so. Neulich meinte irgendein Nachrichtensprecher (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) – womöglich einer mit etwas nuscheliger Aussprache – irgendwas von den „feindlichen Staaten von Amerika“. Zumindest hatte Bolle es so verstanden. Nach Aktivierung seiner Plausibilitätsschaltkreise hatte sich dann herausgestellt, daß das unmöglich so gesagt gewesen sein konnte. Ein Nachlauschen hatte dann ergeben, daß doch eher von den „Vereinigten Staaten von Amerika“ die Rede gewesen sein mußte. Fein denn – alles wieder konsistent.
Aber wie kommt es zu solchen Verhörern? Das war Bolles nächster Gedanke. Nun – das Gegenstück zu Freud’schen Versprechern sind ja wohl – zumindest würde Bolle das einleuchten – Freud’sche Verhörer. Obwohl – das sieht Bolle ein – von derlei nie die Rede war bei Freud.
Aber wenn wir schon bei Verhörern sind: Was liegt da näher als an Hacke und Sowas ›Weißen Neger Wumbaba‹ (2004) zu denken? Immerhin handelt es sich dabei um das ›Handbuch des Verhörens‹. — In Matthias Claudius‘ ›Abendlied‹ (1779) heißt es:
Der Mond ist aufgegangen
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar:
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Der weiße Nebel wunderbar. Welch kraftvolles Bild! Wer allerdings noch nie bei Mondenschein auf der Pirsch war und mit diesem Bild rein gar nichts anzufangen weiß, für den wird daraus dann eben ›Der weiße Neger Wumbaba‹. Bolle findet, das leuchtet ein.
Vergleichen wir das mal: Bei einem Versprecher legt einem das Unbewußte etwas auf die Zunge, was zu sagen man sich so nie getraut hätte – was aber durchaus trefflich ist. Bei einem Verhörer dagegen drückt einem das Unbewußte etwas aufs Ohr, was durchaus Sinn macht – der jeweilige Sprecher so aber wohl nie gesagt haben dürfte. Auch dann nicht, wenn es Sinn macht. In diesem Falle eben ›die feindlichen Staaten von Amerika‹. Das Gehirn versucht das Gehörte nun mal mappa-mundi-mäßig einzuordnen. Ein völlig normaler Vorgang, das – wenn auch meist nicht ohne Witz – und gehört im weiteren Sinne in das weite Feld sozialpsychologischer Konsistenztheoreme: Das Gehirn sucht Sinn. Und wenn es keinen findet, dann findet es ihn anyway. Hauptsache, das Weltbild, die mappa mundi eben, bleibt stabil.
Wer also mit der in weiten Kreisen der Classe politique – nebst angeschlossenem Journalismus 2.0, of course – verbreiteten bräsigen und überschäumenden Selbstgefälligkeit wenig anzufangen weiß – Putin böse, Xi böse, und jetzt dann eben auch noch Trump böse –, der kann dann durchaus schon mal leicht was von den „feindlichen Staaten von Amerika“ zu hören kriegen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.
