
Manche warten auf die Post. Andere auf die Bahn. Der wesentliche Unterschied scheint Bolle darin zu bestehen, daß man auf die Post immerhin in der warmen Stube, hinter dem Ofen gewissermaßen, warten kann. Auf Züge dagegen wartet man in aller Regel auf zugigen Bahnsteigen.
Allein auch das kann recht romantisch sein: Dann nämlich, wenn es Sommer ist, der Bahnsteig überhaupt nicht zugig – und die Fügung einem eine regelrechte Sonnenuntergangsidylle direkt vor die Kamera spielt. Für unser heutiges Bildchen mußte sich Bolle seinerzeit nicht einmal bücken – im übertragenen Sinne. Tatsächlich mußte er nicht einmal auf der Bank am Bahnsteig hin oder her rutschen oder sonstige Anstalten machen, die Szene einzufangen. Sitzen und knipsen – das war’s. Das sind Momente, in denen Bolle – aller ausgeprägten Agnostik zum Trotze – doch dazu zu glauben neigt, daß es ein Universum gibt. Um ein Zigarettchen zu rauchen, hätte er sich, zumindest wenn es nach der Bahn geht, dagegen allen Ernstes in eine der einschlägig eingekästelten „Bereiche“ begeben müssen. Schon ist die Skepsis wieder da.
Bei der Bahn gibt es ja die Regel, die besagt, daß ein Zug dann und nur dann als verspätet gilt, wenn er sechs Minuten (genauer: 5‘59‘‘) oder mehr hinter dem Fahrplan herhinkt. Als ob es der Bahn ansonsten jemals auf ein Sekündchen ankäme. So oder so – Bolle hält das für ein recht kurioses Konzept von Pünktlichkeit.
Übrigens wäre nach dieser Definition auch das eingefangene Sonnenlicht verspätet gewesen – und zwar um gut acht Minuten sogar. Und das bei völlig freier Strecke zwischen Sonne und Erde – und praktisch ohne jede Masse im Wege, die die schnurgerade Bahn des Lichtes würde übergebührlich zu krümmen vermögen.
Selbst wenn wir Bolles Theorem – Das Universum existiert – würden folgen wollen: Einfach ist das alles nicht – nicht in diesem Universum. So ist Bolle angelegentlich im Netz über einen Nutzer gestolpert, der von einer KI wissen wollte, wieviel Jahre denn ein Lichtjahr sei? – und dem völlig zutreffend zur Antwort ward, daß ein Lichtjahr irritierenderweise leider keine Zeiteinheit sei. Bolle meint, jetzt fehlte nur noch, daß so einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) Ingenieur wird und bei der Bahn für die Fahrpläne verantwortlich zeichnet. So leicht und lässig nämlich könnten sich letzte Fragen lösen, wenn man nur genauer hinguckt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.
