In der vergangenen Woche war es so, daß ein veritabler Börsen-Crash durch den Blätterwald rauschte. Das mag dem Sommerloch geschuldet sein. Vielleicht aber liegt der Hase doch tiefer im Pfeffer.
So titelte etwa eine Zeitung, die große Stücke auf sich selber hält und dabei vor allem auf ihre Wirtschaftskompetenz: Angst an den Märkten – Das neue Gefühl der Anleger.
Abgesehen davon, daß Angst ein schlechter Ratgeber ist – vor allem, wenn man sich auf dem aalglatten Börsenparkett tummelt, hält Bolle es mit der Devise: Wenn Euch das hier zu heiß ist, dann bleibt doch bitteschön der Küche fern.
Auch wollen wir uns nicht mit Börsengeschäften beschweren – im Grunde nicht einmal im weiteren Sinne. Allein das Beispiel zeigt sehr schön, was passieren kann, wenn man als Schreiber auf der Ebene der nackten Fakten klebenbleibt. Aufschlußreich dazu ist nach wie vor Cervantes‘ Don Quixote 1605/1615 (vgl. dazu etwa Sa 16-01-21 Wirklich wahr?).
Tatsachen, mein lieber Sancho,
sind die Feinde der Wahrheit.
Und Fakten – bei Cervantes hieß das noch schlicht Tatsachen – gibt es in diesem Metier nun mal reichlich. Die Börsenkurse stehen unumstößlich fest und lassen sich wohl auch nur recht schwierig „faken“. Werfen wir also einen Blick auf die nackten Fakten:
Dabei müssen wir gar nicht allzu genau hinschauen, um das Wesentliche zu erfassen. Es reicht völlig, sich klarzumachen, wie sich der DAX grosso modo in den letzten 12 Monaten entwickelt hat. Tendenz: kommod steigend. Lag er vor einem Jahr noch bei knapp 16.000, hatte er um die Jahreswende einen Stand von knapp 17.000 erreicht, und in den letzten Wochen gut 18.000 (vgl. dazu die grünen Bälkchen). Kurzum: es ging – soweit das an der Börse möglich ist – mehr oder weniger stetig aufwärts.
Dann aber – in der vergangenen Woche nämlich – fiel der Kurs, wie unser Qualitätsblatt zu berichten weiß, auf den tiefsten Stand seit Mitte Februar (gestrichelte Linie). Bolle meint: Na und? Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; gelobet sei der Name des Herrn! Daß man mit einer solchen Einstellung an der Börse nicht wirklich reich werden kann, ist Bolle natürlich klar, of course. Doch das soll hier nicht unser Thema sein. Interessanter ist, daß Vergleiche wie „der tiefste bzw. der höchste Stand seit …“ recht wohlfeil zu haben sind. Das Internetz spuckt solche Daten auf Knopfdruck aus. Die muß man dann nur noch reinschreiben in die Zeitung. Man sollte sich dabei aber nicht ohne Not lächerlich machen. Wenn zum Beispiel jemand früh morgens vermelden würde: Booah! Ich bin so hungrig. Mein schlimmster Hunger seit vor dem Abendessen gestern – dann ist das nun mal lächerlich. Im günstigsten Falle ist es witzig.
Etwas anders liegen die Dinge, wenn unser Qualitätsblatt darauf hinweist, daß der Nikkei-Index seinen „größten Tagesverlust seit 1987“ erlebt hat. Hier reden wir von immerhin knapp 40 Jahren. Obwohl – auch das ist durchaus noch albern genug. Würde man sich als Journalist nämlich die Mühe machen, ein ganz klein wenig über den Tellerrand des Tages hinaus zu denken – statt gleich drauflos zu sensationalisieren, dann hätte man leicht ahnen können, daß die Ereignisse mit „Horrormeldung aus Japan“ oder einem „schwarzen Montag“ sogar doch eher reißerisch betitelt sind. Und in der Tat hatte sich das Börsenbarometer auch in Japan binnen weniger Tage wieder auf Normal eingepegelt. Soweit zum Börsen-Crashli.
Aber Journalismus kommt nun mal von le jour, der Tag, und da muß das womöglich so sein. Bolle indes, der sich mehr für Zusammenhänge interessiert als für Sensationen, hält das, und zwar wohl nicht ganz zu Unrecht, für einen Ausfluß des gemeinen A&O des Journalismus: Aufgeregtheit und Oberflächlichkeit. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.
Guten Morgen, das A&O des Journalismus gefällt mir gut. Das ist leider die Tagesordnung. Was ist mit dem guten Leitsatz: Berichten was ist und seine Meinung außen vor lassen? Zu speziell für die mittlerweile von Sekunden-TikTok-Videos geprägte Leserschaft?Oder wer ließt überhaupt noch? Es würde völlig reichen Schlagzeilen im Tik Tok-Format aneinander zu reihen, mehr Aufmerksamkeit kann nicht mehr aufgebracht werden von der Masse der Glühwürmchen. Alle anderen suchen sich noch die wenig existierenden freien Journalisten und ärgern sich über die restlichen 80% nach denen alles ausgerichtet wird.
Fein, das. Besten Dank für die Rückmeldung. Das Problem hier scheint mir allerdings darin zu liegen, daß sich der Autor durchaus auf die Tatsachen bezieht und weniger seine Meinung zum Besten gibt. Allein er kriegt die Tatsachen nicht vernünftig eingeordnet — und schon kommt veritabler Blödsinn bei raus. Womit wir wieder bei Don Quixote wären …
Recherche, dialektische Betrachtung, Einordnung in Zusammenhänge – eigentlich das Handwerkszeug eines Journalisten verliert sich immer mehr im A&O des modernen Berufsverständnisses. Und erschwerend fehlt immer mehr das Hirn das selbständige Denken wollen und können.
Tja – können vor Lachen ;- ) Dumm jeboren, nüscht dazujelernt, Rest vajessen (mein lieber guter alter Englischlehrer seinerzeit). Nu ham wa den Salat ;- )