So 27-04-25 Lurchtalg

Is doch wahr, ey …

Bolle kann sich zunehmend des Eindruckes nicht entbehren (Vorsicht Gaga, of course), daß es in gewissen Kreisen durchaus unüblich beziehungsweise geradezu verpönt ist, sich klar auszudrücken. Bolles Vermutung: Würde man das tun, dann würde sehr schnell sehr klar werden, daß man bei Lichte betrachtet nichts – aber wirklich rein gar nichts – zu sagen hat. So etwas wäre natürlich schwer selbstwertbeschädigend. Da der Schutz des Selbstwertgefühles aber eines der vier kognitiven Grundbedürfnisse ist, die dringend, wenn nicht gar zwingend erfüllt sein wollen, kann hier nicht sein, was nicht sein darf. Also wird munter weitergeblubbert. Zumal es das soziale Umfeld hergibt – beziehungsweise gar verlangt. Im Grunde ist es wie bei Andersens ›Kaisers neue Kleider‹ (1837). Nur, daß es hier kein Happy Ending gibt. Im Gegenteil: Das Phänomen zieht konzentrische Kreise und hat dabei längst weite Kreise der sogenannten beziehungsweise selbstempfundenen Eliten durchdrungen. Bolle meint ja immer: Einbildung is ooch ne Bildung. Mit solchen Sprüchen übrigens ist er aufgewachsen – da kannste nüscht machen.

Der Lurchtalg, um den es uns heute gehen soll, heißt im Original natürlich ›Lunch Talk‹, of course. Allerdings, meint Bolle, macht das die Sache mitnichten besser. Was, bitteschön, soll das sein? Vermutlich sowas wie ›Futtern und Blubbern‹ – oder ›Schmaus und Graus‹? Wir wissen es nicht.

Auch können wir nicht wissen, ob Lurche jemals durch die Furche talgen, oder jemals ihr Gefieder walken. Ja, wir wissen nicht einmal, ob so ein Lurch überhaupt ein Gefieder hat. Was wir uns aber vielleicht fragen sollten: Was ist absurder? Das Epigramm in unserem Schildchen – oder das, was es thematisiert?

Daß einer schlecht Englisch kann: geschenkt. Viele aus Bolles sozialem Umfeld können ohnehin besser Russisch als Englisch. Daß einer schlecht Deutsch kann: schon bedenklicher. Wer aber meint, zwei Sprachen schlecht zu können sei allemal besser als eine richtig, ist – da ist sich Bolle mit sich selber völlig einig – durchaus ein Fall von Denkste. Also: im Zweifel lieber Lurchtalg statt Lunchtalk.

Wittgenstein übrigens meinte in seinem ›Tractatus‹ (1921): Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. So gesehen handelt es sich wohl um eine recht wunderliche – und vor allem auch recht enge – Welt, in die sich unserer Tage so viele mit so gehöriger Verve reingequasselt haben – und das mit einigem Eifer auch weiterhin tun. Richtig übel aber wird es, wenn solche Leute – also namentlich die Polit-Prominenz und ihre Freunde vom Pressewesen – meinen, professionell Wahrheit für andere absondern zu müssen. Denken wir nur an Meister Kong, den Ehrwürdigen (vgl. dazu So 23-03-25 Konfuzius reloaded).

Was ist das wichtigste?
Das wichtigste sind klare Begriffe.
Ohne klare Begriffe kein klares Denken.
Ohne klares Denken kein klares Handeln.
Und ohne klares Handeln ist alles nichts.

So gesehen wäre Meister Kong wohl eher für einen Lurchtalg zu haben gewesen als an einem Lunchtalk teilzunehmen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 20-04-25 Frohe Ostern, urbi et orbi!

Ei forbibbsch.

Kaum ist Weihnachten vorbei – die Menschwerdung des Heilandes der Christenmenschen –, da rüsten die Gläubigen auch schon zum Osterfeste – in Erinnerung an das Ereignis, da der Erlöser denen, die da glaubten, zugerufen hatte:

Zwar habt Ihr Menschen mich am Kreuze vom Leben zum Tode gebracht. Aber sehet: Hier stehe ich – voll unkaputtbar. So gehet denn hin in alle Welt und verkündiget die Frohe Botschaft.

Allerdings hatte der Heiland es vorgezogen, auch seinen Anhängern nur noch höchst ghostly zu erscheinen – um dann, am 40. Tage, endgültig vom Antlitz der Erde zu verschwinden. Leibhaftig in diesem Jammertale aufgetaucht ist er dann erst wieder in jüngerer Zeit – zumindest, wenn man David Safiers Roman ›Jesus liebt mich‹ (2008) Glauben schenken mag. Hier ein kleiner Auszug aus einem Dialog zwischen Joshua (Jesus‘ nom de guerre auf Erden) und Marie, einem höchst irdischen Wesen, in einer Kirche in Malente, einem Städtchen in Ostholstein. Jesus hatte berichtet, daß er es seinerzeit als Kind schon nicht leicht gehabt habe – zum Beispiel was seine Erziehung anging. Aus Maries Perspektive verlief das Gespräch wie folgt:

– „Wie erzieht man denn Jesus?“, fragte ich erstaunt.
– „Mit Strenge. Josef verbot mir eine Zeitlang, vor die Tür zu gehen.“
– „Was hast Du denn angestellt?“
– „Ich habe mit fünf Jahren am Sabbat zwölf Spatzen aus Lehm geformt.“
– „Und warum war das so schlimm …?“
– „Weil man am Sabbat so etwas nicht tun darf. Und weil ich die Spatzen zum Leben erweckt habe.“

So hat jeder seine Sorgen. Allein – Marie, dem höchst irdischen Wesen, war klar, daß es für Maria und Josef seinerzeit schon nicht ganz leicht gewesen sein dürfte, so etwas den Nachbarn zu erklären.

Bolle meint: Leute sind halt sonderbar. Vor allem aber sind sie sklerotisch. Kaum ist etwas auch nur etwas anders als gewohnt, werden sie rappelig. Das geht schon los, wenn die Aktienkurse mal ein bißchen hin und her hüpfen (vgl. dazu letzte Woche, So 13-04-25 Die sklerotische Gesellschaft). Bei zum Leben erweckten Spatzen setzt dann natürlich alles aus.

Was tun, sprach Zeus? Ein erster Schritt in die richtige Richtung könnte es sein, hin und wieder ein wenig in sich zu gehen und sich ernstlich zu fragen:

Um was kümmern? Um was nicht?

Dabei wird man – so jedenfalls Bolles Eindruck – sehr schnell feststellen, daß vieles – wenn nicht gar fast alles – mit dem man sich tagein, tagaus befaßt, durchaus belanglos ist. Vanitas. Eitler Schein. Das letzte Hemd hat nun mal keine Taschen – wie Bolle seit frühester Kindheit weiß. Was also, könnte man sich fragen, braucht es für eine veritable Auferstehung? Wenn schon nicht von den Toten – so vielleicht doch zumindest von den Tölpeln? Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Ostern!

So 13-04-25 Die sklerotische Gesellschaft

Manchmal rauf und manchmal runter …

Zugegeben: so was ähnliches hatten wir schon mal (vgl. dazu So 11-08-24 Börsen-Crashli). Laut Bolles Börsenbarometer geht es nun mal

Manchmal rauf und manchmal runter
Manchmal über, manchmal unter,
Manchmal kunter, manchmal bunter.

Das sind die nackten Fakten, die vertrackten. Doch genug der Lyrik. Dinge ändern und verändern sich. Nichts könnte normaler sein. Da sitzt ein neuer Präsident im Weißen Haus – oh Gott, oh Gott, oh Graus. Und wir sind, als Gesellschaft, gar nicht darauf vorbereitet. Weia! Bolle fragt sich, was zum Teufel gibt es da denn vorzubereiten? Sollte es nicht für jeden professionellen Politikus simpelster Standard sein, auf Begebenheiten in der Welt, sei es innen, sei es außen, routiniert und mit gebotener Lässigkeit zu reagieren – ohne immer gleich hysterisch zu hyperventilieren? Und der Journalismus 2.0? Immer stramm und an vorderster Front mit dabei. Vermutlich bedingt das eine das andere. Fachkräftemangel allerorten. Oder, in Bolles Luhmann-Fassung (vgl. dazu Mo 12-12-22 Das zwölfte Türchen …).

Das System erzeugt die Elemente,
aus denen es besteht,
mittels der Elemente,
aus denen es besteht.

Auf längere Sicht kann das natürlich nicht gutgehen, of course. Das wird unmittelbar klar, wenn wir für ›Elemente‹ spaßeshalber ›Deppen‹ einsetzen – wobei, no offence, mit Deppen lediglich ein Synonym für ›Dumme‹ gemeint sein soll, also Leute mit offenkundiger kognitiver Kurzsichtigkeit.

Kann, oder sollte man solchen Leuten einen Vorwurf machen? Nichts sei Bolle ferner. Allenfalls könnte man sich fragen, warum in drei Teufels Namen solche Leute meinen, sich ausgerechnet in Politik und Presse tummeln und das Volk mit ihrer Kurzsichtigkeit infizieren zu müssen? In einsichtigeren Momenten ist Bolle die Antwort natürlich klar: Nirgendwo sonst lassen sich mit so wenig Talenten so viele Talente verdienen – um es mal mit einem Wortspiel aus ›Asterix und Kleopatra‹ (1963) auszudrücken.

Zu unserem Beispiel oben heißt es – einmal komplett durch den Blätterwald – mit seinem Zollpaket habe der amerikanische Präsident die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt und damit auch Vermögen von Privatanlegern in Milliardenhöhe quasi über Nacht ausradiert. Pöser, pöser Präsident!

Zu einer solchen Einschätzung kann man natürlich nur kommen, wenn man Donald Trump ohnehin voll übel findet und dringend Fakten sucht und findet oder wenn sich zu der kognitiven Kurzsichtigkeit eine chart-technische Ebensolche hinzugesellt. Blickt man nur ein ganz klein wenig über den sprichwörtlichen Tellerrand, dann wird unmittelbar klar, daß sich der DAX auf exakt dem gleichen Niveau befindet wie um Weihnachten herum (vgl. den gestrichelten Doppelpfeil) und gleichzeitig (von der Dezember-Blase einmal abgesehen) auf dem höchsten Niveau des gesamten letzten Jahres.

Ähnliche hysterische Hyperventilationsphänomene lassen sich mit Leichtigkeit beim Umgang mit Corönchen, beim Ukraine-Krieg und, sicherlich nicht ganz zuletzt, bei der „Erderhitzung“ ausmachen. Bolle sieht den tieferliegenden Grund ja in einem reichlich kaputten Weltbild der Protagonisten (mappa mundi vitiosa beziehungsweise, in Härtefällen, mappa mundi friata). So kann das natürlich nichts werden, of course – vergleiche Goethes Knopflochtheorem. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 06-04-25 Wie bei Muttern

🎶 Always look at the bright side of life 🎶

Mel Brooks‘ Einsicht, daß einem vieles nicht mehr möglich ist, wenn man selber nicht mehr ist, findet sich in seiner Komödie ›Das Leben stinkt‹ (USA 1991), für die er in Tausendsassa-Manier das Drehbuch geschrieben, Regie geführt, das Ganze selber produziert und – zusammen mit Lesley Ann Warren – auch noch die Hauptrolle gespielt hat.

Man mag den Film finden, wie man will. An der Einsicht an sich führt aber wohl kein Weg vorbei – da beißt die sprichwörtliche Maus kein‘ Faden ab. Allerdings läßt sie sich durchaus auch umkehren – gewissermaßen ins Optimistische wenden: Kaum ein Ärgernis in diesem Jammertale, das sich nicht mit größter Nonchalance hinnehmen ließe.

Die Synthese – so kann man wohl meinen – findet sich in der höchst lebenspraktischen alten Indianerregel, daß man den Tod als Ratgeber annehmen möge, da auf diese Weise ungeheuer viel Belangloses von einem abfallen werde.

In Monty Pythons ›Das Leben des Brian‹ (UK 1979 / Regie: Terry Jones) heißt es dazu – und wohl nicht ganz unzutreffend:

For life is quite absurd
And death’s the final word
You must always face the curtain with a bow.
Forget about your sin – give the audience a grin
Enjoy it – it is your last chance anyhow.

Das ist mal wieder – wie wohl so vieles – ganz schlecht übersetzbar. Hier ein Versuch:

Das Leben? Recht absurd.
Der Tod? Die letzte Furt.
Verbeug Dich, wenn der Vorhang für Dich fällt.
Jetzt bloß nicht schwächeln – gönn uns ein Lächeln.
Was sonst mag bleiben einem Held?

Und so finden wir uns unversehens und stante pede im Agnostisch-Kontemplativen wieder. Vanitas – eitler Schein. Oder eben ›Eh scho Wuascht‹ – so heißt ein Würstelstand am Wiener Zentralfriedhof. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.