Mi 06-12-23 Das sechste Türchen – Nikolausi …

Glühwürmchen klassisch.

Und schon ist wieder Nikolausi. Für die Kleinen ein erstes Highlight auf dem Wege zur Bescherung. Für uns Größere vielleicht ein Anlaß, das Glühwürmchen-Phänomen aus einer anderen, frischen Perspektive zu beleuchten.

Die Szene in unserem Schildchen spielt in Faustens Studierzimmer. Faust ist entschlossen, mit Mephistopheles durchzubrennen, um dem öden akademischen Einerlei zu entfliehen. Just in dem Moment steht ein angehendes Erstsemester vor der Tür. Heute würden wir sagen: zwecks Studienberatung. Faust fühlt sich völlig überfordert und tritt ab. Mephistopheles dagegen, frech wie Bolle, leiht sich des Meisters „Rock und Mütze“, um dem angehenden Studenten in der Rolle einer ehrwürdigen Magnifizenz gründlich den Kopf zu waschen. Der Schüler aber ist, was Wunder, von dem Meister völlig angetan und bittet um einen Eintrag in sein „Stammbuch“. Heute würde er wohl um ein Selfie bitten. „Sehr wohl“, sagt Mephistopheles mit ausgesuchter Höflichkeit, schreibt und gibt’s ihm zurück.

Und? Was schreibt er? Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum – Ihr werdet sein wie Gott und gut und böse unterscheiden können. Die Stelle findet sich, dies nur am Rande, in Genesis 3, 5. Mephistopheles ist also, was uns ebenfalls nicht wundern wird, durchaus bibelfest.

Wir hatten bereits festgestellt, daß Bolle der Begriff ›Gutmensch‹ einfach nicht mehr gut genug war und das mit der fehlenden kognitiven Komponente erklärt (vgl. dazu Mo 04-12-23 Das vierte Türchen …). Es gibt aber noch einen weiteren, möglicherweise sehr viel gewichtigeren Grund: Im Lichte von Mephistopheles‘ Stammbuch-Eintrag sollten wir, wenn schon, denn schon, statt von „Gutmenschen“ besser von „Gut- und Bösemenschen“ sprechen. Denn genau das ist es, was den Homo candens vulgaris auszeichnet: Stets und immerdar ist seinem heißen Herzen klar, wo das Gute wohnt und wo das Böse haust. Ganz Hollywood ist voll davon. Vor allem aber ist das alles meilenweit entfernt von Bolles agnostischem Konzept. Warum sonst hätte er in seinen ›Lästerlichen Lemmata‹ notieren sollen: „Das ist meine gute Tat für heute“, sagte der Pfadfinder und gab der Katze den Kanarienvogel (vgl. dazu den fast auf den Tag genau zwei Jahre alten Beitrag von Di 07-12-21 Das siebte Türchen …).

Natürlich muß die Milch solch frommer Denkungsart notwendigerweise sauer sein – und zu Komplikationen führen, mit denen wir uns hier und heute aber mitnichten befassen wollen, denn erstens ist Nikolausi und zweitens wäre das dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 05-12-23 Das fünfte Türchen …

Sic crustula friatur — Da geht er hin, der Keks.

Nach dem womöglich etwas heftigen Türchen gestern wollen wir uns heute einem originär weihnachtlich-besinnlichen Thema zuwenden.

Bolle schickt, so viel Sohnemann muß sein, seiner Mama jedes Jahr zur Weihnachtszeit eine Dresdner Stolle – also eine Stolle, die wirklich aus Dresden kommt und nicht nur so tut – als bestmöglichen Ersatz für eine selber gebackene. Weil noch Platz war im Karton, und um Verpackungsmüll zu sparen, hatte Bolle das Packerl noch mit einem Nikolausi aufgefüllt.

Daraus ergab sich die folgende Rückmeldung unter Beifügung des obigen Bildchens: „Ich glaub das war mal ein Nikolaus.“ Genau Bolles Humor, das. Kurz und trefflich. Seine Antwort: „Die Post. Worauf Sie sich verlassen können …“

Käpt’n Janeway (die aus StarTrek) hat einen ähnlichen Fall einmal wie folgt gefaßt: „Ich glaube, wir verlieren unsere strukturelle Integrität.“ Egal. Die Masse macht’s. Und die hat schließlich nicht gelitten. Zumindest auf die Physik ist Verlaß.

Das Glöckchen aber, das der Nikolausi nachweislich am Gürtel trug, sollte den Transport ebenfalls unbeschadet überstanden haben. Allerdings – und hier schlagen wir den Bogen zu den Glühwürmchen – sollen die Glöckchen, wenn es nach den EU-Funktionären geht, demnächst wohl verboten werden. Damit könnte man, so der Gedanke, einen nicht unerheblichen Anteil von insgesamt spektakulären 0,06% Verpackungsmüll einsparen. Ähnliche Überlegungen lagen dem Strohhalm-Verbot aus 2021 zugrunde. Und das treibt nach wie vor seltsame Blüten. Neulich hätte Bolle im feinen Hotel Sacher in Wien seinen Cocktail mit einem Glasröhrchen als Strohhalm-Ersatz aussaugen sollen – unter Aufwendung von nicht unerheblichem Ansaugdruck. Dann trinkt man doch lieber einen Rotwein aus einem herkömmlichen Glase – oder vielleicht gar direkt aus der Flasche. Das aber schickt sich nicht bei Sachers – und wär‘ dann auch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mo 04-12-23 Das vierte Türchen …

Glühwürmchen.

Gestern hatten wir die ›Glühwürmchen‹ in lyrischer Form lässig in den Raum geworfen. Hohe Zeit, sie rein begrifflich ein wenig zu unterfüttern. Unser Schildchen von gestern ist dabei durchaus noch brauchbar.

Entstanden sind die Glühwürmchen, weil Bolle die „Gutmenschen“ nebst diverser Derivate rein begrifflich einfach nicht mehr gut genug waren. Zwar klingt dort bereits das stete Streben nach dem Edlen, Hülfreichen und Guten (vgl. dazu Fr 01-12-23 Das erste Türchen …) trefflich an. Allein Bolle hatte schon immer, und zwar höchst schmerzlich, die regelmäßig doch etwas unterentwickelte kognitive Komponente als notwendigen Bestandteil der Umschreibung vermißt.

Das gemeine Glühwürmchen (homo candens vulgaris) zeichnet sich dadurch aus, daß es – aus nüchterner Perspektive betrachtet – einen bemerkenswert ausgeprägten Sinn dafür hat, wie die Welt sein sollte. So gesehen sind Glühwürmchen aufrichtige Jünger (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) von Schwester Ethik. Sehr viel weniger ausgeprägt dagegen ist ihr Sinn dafür, wie die Welt hier und heute nun mal ist. Mit Schwester Logik liegt der Homo candens vulgaris regelmäßig über Kreuz.

Man könnte es auch so ausdrücken: Dem gemeinen Glühwürmchen eigen ist eine ausgesprochene und ausgeprägte Shit-happens-Aversion. Daß widrige Dinge passieren können und regelmäßig auch passieren, dürfte jedem klar sein, der sich auch nur oberflächlich durch die Welt bewegt. So kann es zum Beispiel passieren, daß die Butter alle ist, wo man doch gerade frühstücken wollte. Oder es kann passieren, daß ein Land in ein anderes einmarschiert. Nicht zuletzt in Talkshows heißt es dann gern: „Wir dachten, derlei wäre längst überwunden.“ Nun wissen wir bereits aus der Umschreibung, daß es mit dem Denken nicht allzuweit her ist beim Homo candens vulgaris. Man möchte ihnen ein fröhliches „wenn Du denkst, Du denkst, dann denkste nur, Du denkst“ entgegenwerfen.

Wenn Butter im Kühlschrank fehlt oder ein Land in ein anderes einmarschiert, sind das akute Formen von Shit. Allerdings kann Shit auch chronisch auftreten – etwa, wenn zum Beispiel eine Supermacht merkt, daß es langsam, aber sicher gar nicht mehr ganz so super steht mit der Macht. Hier ist das gemeine Glühwürmchen vollends überfordert. Chronische Prozesse zu überblicken ist ja naturgemäß kognitiv noch sehr viel anspruchsvoller als lediglich akute Ereignisse wenigstens zur Kenntnis zu nehmen.

Und so verrennen sich Glühwürmchen gerne in so etwas wie „altruistische (oder wie auch immer geartete) Außenpolitik“, vollziehen 360°-Wenden oder kommen einem mit hohlen Parolen. Bolles unangefochtene Nummer 1 ist hier nach wie vor der Klassiker „Wir schaffen das“. Fragt man nach dem „was genau schaffen wir – und vor allem, wie?“, führt das regelmäßig kognitiv zu … nichts und affektiv zu aus heißem Herzen tief empfundener Empörung.

Nun wäre das alles nicht weiter bedenklich, wenn sich der Homo candens vulgaris nicht mittlerweile bis in höchste Regierungskreise ausgebreitet hätte und sich dabei allen Ernstes anschickt, für andere mitdenken zu wollen. Das kann nicht gutgehen. Allein Bolle bleibt zuversichtlich: „Wenn Du anfängst, mit dem Herzen zu denken, holt Dich Dein Verstand nicht mehr ein.“ So soll es Blaise Pascal einmal formuliert haben. Bolles Antwort seinerzeit: „Aber die Wirklichkeit. Die holt Dich sehr wohl wieder ein. Früher oder später – oft genug früher.“ Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 03-12-23 Das dritte Türchen – der erste Advent …

Glühwürmchen.

Und schon wieder ist es soweit. Die Vorbereitungszeit auf die Ankunft des Herrn (meinetwegen beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) beginnt mit dem heutigen Tage. Auch muß der Christenmensch sich eilen. Kürzer als dieses Jahr nämlich kann die Adventszeit nicht ausfallen. Bereits in drei Wochen nämlich feiert man das Wiegenfest.

Also wollen wir uns sputen und uns für heute damit begnügen, die ›Glühwürmchen‹ in lyrischer Form einzuführen. Auch paßt das wohl nicht schlecht zur Jahreszeit. In Bolles semantischem Netz zumindest liegen ›Glühwürmchen‹ und ›Glühwein‹ recht dicht beieinander.

Und so wollen wir hoffen, daß die Weihnachtsteller reich gefüllt sind, ein Kerzelein brennt und die Stolle lieblich duftet. Genießt der Zeit – sie eilt so schnell von hinnen …

Sa 02-12-23 Das zweite Türchen …

Schneeflöckchen, Weißröckchen …

Die Weihnachtszeit ist immer auch eine Zeit der Überraschungen. Beginnen wir ab ovo. Daß es nachts dunkel ist in der Stadt – nicht nur zur Weihnachtszeit und vor allem dann, wenn die Straßenbeleuchtung nur spärlich ist (siehe Symbolbild), ist wenig überraschend. Daß Schnee liegt in Berlin – wie etwa dieser Tage – schon eher. Nun ist eine Überraschung ja nichts weiter als eine Abweichung von dem, was einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) erwartet. Darum heißt es ja auch

Je planvoller einer vorgeht,
desto wirksamer vermag ihn der Zufall zu treffen.

Eine recht sichere Methode, Überraschungen zu vermeiden, ist daher, nichts zu erwarten oder, besser noch, gar nicht erst zu planen. Allerdings stieße das, zumindest bei Bolle, an gewisse weltanschauliche Grenzen. Bleibt also nur das Leben mit der Überraschung.

Die Weihnachtszeit ist für Bolle aber vor allem aus folgendem Grunde eine Zeit potentieller Überraschungen: Werden die Präsenterl rechtzeitig ankommen? Oder wird sich die Zustellung – etwa „aufgrund der aktuell hohen Paketmenge und erschwerter Wetterbedingungen“, wie das im Postler-Deutsch heißt – „überraschend“ verzögern? Wobei, doch dies nur am Rande, eine „aktuell hohe Paketmenge“ in der Weihnachtszeit aus Bolles Sicht eher wenig überraschend ist.

Bolle verschickt seine Päckchen daher in aller Regel als Pakete. Das ist zwar etwas teurer, hat aber den kaum zu überschätzenden Vorzug, daß sich die Sendung damit verfolgen läßt. Selbst Briefe verschickt Bolle mit der sog. Zusatzleistung „Priorität“. Nicht etwa, damit es schneller geht – sondern auch hier wegen der Sendungsverfolgung.

Und so bezieht Bolle einen Teil seiner Weihnachtsfreuden nicht zuletzt daraus zu beobachten, wo sich die Früchte seiner vorweihnachtlichen Aktivitäten gerade tummeln mögen, und verwandelt auf diese Weise Überraschung in (relative) Gewißheit. Spannend bleibt es allerdings gleichwohl.

In Bolles Kreisen nennt man so etwas zuweilen auch ›Kontingenzreduktion‹. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 01-12-23 Das erste Türchen …

Schwester Ethik in Hochform.

Hurra! Es weihnachtet wieder. Die Christenmenschen dieser Welt bereiten sich auf die Mensch-Werdung ihres Heilandes vor – falls sie nicht mit Geschenke koofen bzw. die „perfekte“ Weihnachtsfeier organisieren vollends ausgelastet sind. Und so wollen wir nicht versäumen, uns selbst und hoffentlich auch unserer geneigten Leserschaft die Weile bis zum Feste mit unserem agnostisch-kontemplativen Elektro-Adventskalender ein wenig zu erhellen.

Zwar hat Bolle für dieses Jahr das Motto ›Glühwürmchen-Bashing‹ ausgegeben. Aber lasset uns – der Jahreszeit entsprechend – friedlich beginnen.

Gestern erst war Bolle auf der Rolle – Nikolausi-Präsenterl verschicken. Und schon ergab sich eine erste vorweihnachtliche Gelegenheit, sich edel, hülfreich und gut zu zeigen. Und das ging so: Vor die Aufgabe eines Packerls hat der Herr (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) in seinem unergründlichen Ratschlusse die Warteschlange gesetzt. Und die kann – namentlich in der Weihnachtszeit – dramatisch lang sein. In dieser Warteschlange – und eben nicht im Walde – stand ein Männlein, ganz still und stumm. Außerdem recht klein, ziemlich dürr und offenkundig etwas angeschlagen. Das Männlein bat eine Frau, die direkt hinter ihm (und direkt vor Bolle) in der Schlange stand, ihm den Warteschlangen-Platz freizuhalten. Er müsse sich einen Moment setzen und ausruhen: „Meine Gesundheit. Sie wissen schon.“ Gesagt, getan.

Nun hat auch die ärgste Schlange einmal ein Ende, Bolles Packerl war auf dem Weg in den Westen, und Bolle wollte sich ein Gläschen Glühwein gönnen zur Stärkung. Und? Wer stand da immer noch in der Schlange? Das besagte Männlein. Bolle nicht faul: „Sie stehen ja immer noch hier in der Schlange.“ (Eigentlich hätte er ja zwei Plätze vor Bolle an der Reihe sein müssen – und damit längst fertig).

Bolle nahm das Männlein am Arm und geleitete es, ebenso frech wie nicht faul, unter Hintanstellung sämtlicher etablierter Schlangenregeln direkt an den Schalter. Ein kurzes Wort zur Erklärung an die Postangestellte, das wohl eher durch die Entschlossenheit des Vortrages denn durch inhaltliche Brillanz überzeugt haben mag  – und das Männlein hatte seinen vorweihnachtlichen Sisyphos-Zirkel für diesmal durchbrochen.

Erstaunlich fand Bolle die Reaktion der Leute: Null. Niemand, wirklich niemand, hatte auch nur ansatzweise aufgemuckt. „Na also, geht doch“, kam es Bolle durch den Sinn.

Sozialpsychologen nennen eine solche Vorgehensweise übrigens ›Door in the Face‹-Technik. Bolles liebe gute alte Großmama nannte es ›Frechheit siegt‹. Bolle selbst nennt es nach einem ausgedehnteren Aufenthalt im benachbarten Ausland: Leckt‘s mi do am Oasch. Soweit zu Goethes Göttlichem. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 14-05-23 Muttertag

Muttertag (Symbolbild, of course).

Heute wollen wir unser agnostisch-kontemplatives Frühstückchen auf einen Aspekt richten, der hier bislang noch nie Erwähnung gefunden hat. Warum dem so ist, müssen wir an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

Bekanntlich kann man sich seine Mutter nicht aussuchen. Im Umkehrschluß bedeutet das aber nicht weniger als das: die Mutter, die man hat, ist die beste Mutter, die man hat. Bolle für sein Teil findet ja, daß er an dieser Stelle wenig zu meckern hat. Er hatte in jungen Jahren stets ein Dach über dem Kopf – und zu essen war auch immer da. Zwar mußte er sich ein Zimmer mit seinem Bruderherz teilen – was natürlich nicht ohne den ein oder anderen sprichwörtlichen Bruderzwist abgehen konnte. Allerdings bleibt zu bedenken, daß etwa das Motto der französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – zumindest partiell kaum noch verstanden werden würde, wenn wir alle als Einzelkinder aufwachsen würden. Was das Essen angeht: Natürlich gab es oft nur schlichtes Futter. Allerdings hatte das den höchst erfreulichen Nebeneffekt, daß Bolle bis heute weder mit Laktose- noch mit sonstigen ernährungsbedingten „Intoleranzen“ je zu tun gehabt hätte. Also auch hier: Alles richtig gemacht, liebe Mama.

Bolles Mama jedenfalls hatte eines Tages ob der vorherrschenden patriarchalischen Grundstimmung in der Gesellschaft das Schnäuzchen gestrichen voll. Also hat sie ihre drei Kinder unter den Arm gepackt und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Weite gesucht. Als Vaddern von der Arbeit heimkam, war er entsprechend baff, of course. Muttern weg, Kinder weg, Wohnung weitestgehend leergeräumt. Das wünscht man ja keinem. Aber so kann’s gehen, wenn man es zu dolle treibt mit dem Patriarchat bzw. es an einem Mindestmaß an Umgangsformen bzw. auch an Kontemplation mangeln läßt.

Na, und denn – ? (Tucholsky 1930). Dann ging es darum, sich eine Erwerbsarbeit zu suchen, um die Kinder durchzubringen. Ausgestattet mit einem IQ in der Größenordnung von Einstein sollte das ja wohl kein Problem sein. Sollte man meinen. Wenn da nur die Verhältnisse nicht wären. Doch die Verhältnisse, sie sind bekanntlich nicht so (Brecht 1928). Also hat sich Muttern wacker durchgekämpft und für die Kinder – die für sowas seinerzeit noch so rein gar keinen Sinn hatten – streckenweise heimlich auch noch die Krankenkassenbeiträge einbezahlt. „Schneeflöckchen“ jedenfalls – also Leute, die sich bei jedem Pups gleich angepißt bzw. gar „diskriminiert“ fühlen – waren noch nicht en vogue.

Mütter sind schon seltsame Wesen. Rein ökonomisch jedenfalls macht das alles rein gar keinen Sinn. Gleichwohl ist es, wie es scheint, ständige Übung bei den Müttern dieser Welt. Auch wirkt derlei bis in die Gegenwart fort: Da zieht man drei akademische Klugscheißer groß – nur um sich selber das Gefühl zu geben, daß man ja nur über einen schlichten Hauptschulabschluß verfüge – und sich damit selber sehr viel kleiner macht, als man bei nüchterner Betrachtung tatsächlich ist. Als ob es darauf – in welcher Weise auch immer – ankommen würde. „Geist“ – und vor allem auch Haltung – sind wohl das letzte, was Universitäten moderner Prägung zu vermitteln vermögen.

Ein wenig ist es mit dem Muttertag wie mit Weihnachten. Man kann solche Tage weitgehend sinnentleert als „Mitläufer“ verleben – indem man etwa Geschenke verteilt oder Blumen verschickt. Man kann sie gar als Ausdruck „kapitalistischer Konsumlogik“ oder, je nach Gusto, „sozialistischer Propaganda“ schmähen – und sich so in seiner selbstgebastelten Hölle auf Erden häuslich einrichten. Oder man kann den Muttertag zum Anlaß nehmen, einmal mehr ein wenig in sich zu gehen – und das geflissentlich auch zu zeigen. Nichts anderes bedeutet ja ›Kontemplation‹: leben aus der Kraft der Mitte (japanisch Ki bzw. chinesisch Chi). Eines jedenfalls scheint Bolle evident: Sic crustula friatur – wenn der Keks erst mal zerbröckelt ist – dann ist es definitiv zu spät. Also: Lasset die Bräsigkeit fahren, und das Ego gleich mit – und bewegt Euren sprichwörtlichen Arsch. Now! Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Ostersonntag 09-04-23 Frohe Ostern, urbi et orbi!

Lachen und Scherzen // Begleitet die Herzen, // Denn unser Heil ist auferweckt.

Kenner werden es erraten haben: Bei unserem heutigen Schildchen handelt es sich um einen Ausschnitt aus der Partitur zu Bachs Oster-Oratorium. Das ist sozusagen die Bach’sche Kurzfassung (etwa eine dreiviertel Stunde) zur Einstimmung auf das Osterfest. Wer es ausführlicher mag, sei auf die Matthäus-Passion verwiesen (etwa 2¼ Stunden). Beides läßt sich leicht und locker auf YouTube finden – das Oratorium in der von Bolle geschätzten Interpretation von Sir John Eliot Gardiner etwa hier:

Die Geschichte – oder das „Narrativ“, wie man heute sagen würde – ist hinlänglich bekannt. Der Heiland der Christenmenschen in spe wurde zwei Tage zuvor, übrigens auf Veranlassung jüdischer Kleriker, von den Römern wegen Häresie an ein Kreuz genagelt, um dort erwartungs- und bestimmungsgemäß zu verscheiden. Allein damit sollte es nicht sein Bewenden haben. Zwei Tage später war der Heiland fort. Mögliche Erklärungen: a) Leichenraub oder eben b) Auferstehung.

Während die jüdischen Hohenpriester eindeutig die Version a) favorisierten, fanden Jesu Anhänger Version b) plausibler. Wörtlich heißt es dazu bei Matthäus 28, 12 ff. (in der Fassung der Lutherbibel 1912):

„Und sie kamen zusammen mit den Ältesten und hielten einen Rat und gaben den Kriegsknechten Gelds genug und sprachen: Saget: Seine Jünger kamen des Nachts und stahlen ihn, dieweil wir schliefen.“ Mehr noch: „Und sie nahmen das Geld und taten, wie sie gelehrt waren. Solches ist eine gemeine Rede geworden bei den Juden bis auf den heutigen Tag.“ (Matth. 28, 15).

Hier haben wir es also einmal mehr nicht nur mit einem frühen Fall von Korruption zu tun, sondern auch mit einem Anwendungsbeispiel unserer „Wirklich wahr“-Matrix:

Sind die Gläubigen nun Verschwörungsopfer, weil sie Unsinn für wahr halten? Oder sind, im Gegenteil, die Hohenpriester Verblödungsopfer, weil sie die Wahrheit („Jesus lebt“) nicht wahrhaben wollen?

Da tut es gut zu wissen, daß man sich als Agnostiker nicht zwischen „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ entscheiden muß. Vielmehr bleibt einem eine durchaus wohltuende dritte Möglichkeit: ME: „Wer bin ich, das zu entscheiden?“ Damit kommt man der Wahrheit nicht selten am nächsten. Das alles ist dann aber doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Ostern, also! Glaubt doch, was Ihr wollt!

Sa 04-02-23 1.000 Tage Dämlichkeit …

Total so!

Kürzlich war Bolle bei einem Neujahrsempfang mit angeschlossener Mitgliederversammlung. Kur und Kür aufs Innigste verwoben, sozusagen. Im Grunde kommt man da ja gerne. Nach drei Jahren Corönchen-Exzeß war sich Bolle allerdings unschlüssig, ob er die Kür nicht lieber sausen lassen und die Kur der neuen Verbandsfürsten nicht lieber per Stimmübertragung erledigen sollte. Eine Party mit Maske vorm Mäulchen wäre nämlich so ziemlich das letzte, was Bolle zu goutieren weiß. Wie soll man da gepflegt ein Zigarettchen rauchen? Von anderen diversen Kalamitäten bzw. Unwürdigkeiten mal ganz zu schweigen.

Allein es sollte anders kommen. Nicht nur, daß auf der Party niemand was von Masken-Mätzchen wissen wollte. Vor allem hatte die Verkehrsgesellschaft ihre „Zutritt nur mit Maske“-Schildchen nach genau 1.011 Tagen (!) pünktlich zur Party endlich wieder abmontiert. Freie Fahrt für freie Bürger! – um mal einen ADAC-Slogan von 1974 in einen zeitgemäßen Zusammenhang zu stellen. Immerhin hat die schiere Zahl der Tage (wer zählt sowas eigentlich?) Bolle zur heutigen Titelfindung inspiriert – in Anlehnung an Gabriel García Márquez‘ Roman aus ebenjener Zeit (1970), of course.

Im übrigen findet Bolle: Stoa – nie war sie so wertvoll wie heute. Begründet um 300 v. Chr., sollte es noch etwa 2.000 Jahre dauern, bis es Friedrich von Logau gelingen wollte, die Quintessenz auf fünf schlanke Zeilen zu verdichten. Bolle hält ebendiese fünf Zeilen für ein geradezu magisches Gegengift gegen das „Miep, wir werden alle sterben“-Mantra der Corönchen-Schisser jedweder Couleur (und beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course). Aber vielleicht sieht Bolle das auch zuu streng.

Der Stoa-Slogan jedenfalls hat sich geschmeidig in Anlehnung an einen Werbeslogan für Schnaps-Ersatz aus dem Jahre 1925 ergeben. Daran kann sich Bolle noch lebhaft erinnern – wenngleich er auch damals schon einen ehrlichen Whisky als Muskel- bzw. Seelenrelaxans vorgezogen hat. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 15-01-23 agenda 2028: 11 Jahre nun schon – and still going strong …

Form und Fügung.

Hier eine Jubelmeldung in eigener Sache: agenda 2028 hat gestern ihren 11. Geburtstag gefeiert. Zwar war sie damals noch nicht „e.V.“ – also als Person noch nicht gaanz für voll zu nehmen. Das nämlich sollte noch fast zwei Jahre dauern. Aber was soll’s? To be or not to be (Shakespeare 1594) – das ist schließlich ein Unterschied, der einen Unterschied macht.

Das Schildchen zur Feier des Tages enthält unbestreitbar gewisse Gaga-Elemente – wenn auch durchaus mit aktuellem Bezug. Allein – mit 11 darf man sich sowas, wie wir finden, durchaus schon mal leisten. Verglichen mit dem Film, der in den letzten 3 Jahren „pandemisch“ abgespult wurde – und jederzeit wieder frisch aufgelegt werden kann –, will uns der Gaga-Faktor durchaus noch harmlos erscheinen.

Übrigens: Wem es auch um das leibliche Wohlergehen der jungen Dame bestellt ist, der mag sich gerne dem Freundeskreis anschließen. Mit äußerst wohlfeilen 5 oder 10 Euro pro Monat – jeder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) wie er mag – ist man dabei. Email an Bolle genügt. Für heute aber ist das doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.