So 07-09-25 Durch Grenzen gegängelt – Von Inbordern und Transbordern

Bevor Du dich daran machst, die Welt zu verbessern: Kehre drei mal vor Deiner eigenen Tür. (Chinesisch).

Mitunter ist es gar nicht mal so leicht, sich auf der Welt zurechtzufinden. Was die politischen Sphären angeht, haben wir uns daran gewöhnt, die verschiedenen Systeme, die so im Angebot sind, etwas phantasielos – aber bitteschön – dichotom und grob in „links“ und „rechts“ zu unterteilen.

Ob das allerdings noch „zeitgemäß“ ist (wie es immer so schön heißt) darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Schließlich geht die Unterteilung zurück auf die Auseinandersetzungen zwischen Royalisten und bürgerlich Fortschrittsbewegten während der Französischen Revolution. Als sich das mit den Royalisten dann mangels Royals – die kommen heute nur noch in Postillen wie etwa ›Frau im Schmerz‹ und ähnlichen vor – erledigt hatte, blieben die Begriffe der Welt gleichwohl erhalten.

Dabei wurden die Plätze der Königstreuen durch Konservative eingenommen – wenn nicht gar durch Kapitalisten – und die Plätze der Fortschrittsbewegten durch … Fortschrittsbewegte. Nur waren die nicht länger bürgerlich, sondern eben sozialistisch. So gesehen macht das alles sogar Sinn – vor allem, wenn wir uns klarmachen, daß zwischen der Französischen Revolution 1789 und, sagen wir, dem Kommunistischen Manifest 1848 gerade mal zwei Generationen lagen. Man hatte die Ereignisse also durchaus noch frisch im Kopf.

Aber auch das ist heute nicht mehr wirklich aktuell. Und tatsächlich hat Bolle Anfang dieses Jahres in der taz (!) einen Beitrag gefunden, der mit der durchaus berechtigten Frage schließt, ob es heute noch sinnvoll sei, die politische Welt mit Vermessungsgeräten aus dem 18. Jahrhundert kartographieren zu wollen? Bolle meint, wohl eher nicht.

Sehr beliebt im Hier und Jetzt ist die Unterscheidung Demokratie versus Autokratie – wobei es sich bei Demokratien natürlich um die per se Guten handelt und bei Autokratien um die eher Bösen. Aber auch hier kann man leicht ins Schleudern kommen – namentlich dann, wenn ein Volk es sich einfallen läßt, aller Berieselung zum Trotze plötzlich völlig falsch zu wählen. Ein prominentes Beispiel aus jüngerer Zeit dürfte dabei Donald Trumps Wahl zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten sein. Sind die USA jetzt noch demokratisch – oder nicht doch eher schon autokratisch? Manch politischer Beobachter meint sich derlei ja fragen zu müssen. Hierzulande übrigens haben wir mit der AfD das gleiche Problem in Grün: Ist das denn noch demokratisch, wenn das Volk wählt, was es will – und nicht etwa, was es soll?

Falls Demokratie überhaupt irgendeinen Sinn machen soll, dann ja wohl den, daß das Volk das Recht haben muß zu entscheiden, von wem es regiert werden will, und daß es vor allem auch das Recht haben muß, seine Regierung abzusetzen – und zwar ohne daß das, wie in früheren Zeiten, immer gleich in ein Blutbad ausarten muß. So jedenfalls hat es Karl Popper in seiner ›Offenen Gesellschaft‹ 1945 bereits trefflich auf den Punkt gebracht.

Überhaupt hat Bolle den Eindruck, daß – gleichviel ob Links versus Rechts oder Demokratie versus Autokratie – hier ein ewiger Kampf Gut gegen Böse stattzufinden scheint. Dabei wollen die Guten stets das Wünschenswerte – was immer das im Einzelfall auch sein mag. Was demnach wohl die Bösen wollen: etwa das Verabscheuenswürdige, vielleicht? Wir wissen es nicht. Bolle ist noch immer und mit Fleiß damit befaßt, sich auf dem Wege künstlicher Kognitionsreduktion (KK) in Hülsenfrüchtchens Lebens- und Erlebenswelt hineinzufühlen. Aber laßt uns sachlich bleiben:

Das Leben ist kein Wunschkonzert – wie eine Kalenderweisheit weiß. Und so gibt es neben der an sich höchst ehrenwerten Dimension ›Wünschenswert?‹ mit den dichotomen Ausprägungen Ja oder Nein noch die Dimension ›Funktioniert?‹, wiederum mit den Ausprägungen Ja oder Nein. Und schon sind wir bei der Gretchenfrage. Angenommen, wir hätten die Wahl zwischen einem höchst wünschenswerten Zustand, der aber leider nicht funktioniert (wōk), und einem weniger wünschenswerten Zustand, der aber den Vorzug hat, realitätskompatibel zu sein (square). Was wird sich wohl auf Dauer durchsetzen? Mit dieser an und für sich doch recht schlichten Frage hat Bolle schon öfters mal ganze Scharen von weltbewegten Seminarteilnehmern (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) so richtig tüchtig ins Schleudern gebracht – und dabei natürlich auch zum Nachdenken, versteht sich.

Kurzum: Bolle würde im Lichte der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen die Unterscheidung Inborder versus Transborder noch am ehesten einleuchten. Dabei seien Transborder Leute, die in ihrem Weltbild (ihrer mappa mundi, ihrer Welt III) die Vorstellung hegen und pflegen, daß die Welt eine bessere wäre, wenn es nur keine Grenzen gäbe.

It ain’t easy …

Ja, wenn … Wenn der Hund nicht geschissen hätte, hätt‘ er den Hasen gefangen – wie Bolles liebe gute alte Großmama in solchen Zusammenhängen regelmäßig anzumerken pflegte.

Inborder dagegen neigen, tout au contraire, der Ansicht zu, daß Systeme eine Außenhaut brauchen und wohldefinierte (und dabei möglichst schmale und robuste) Schnittstellen zu ihrer jeweiligen Systemumgebung. So was lernt man, wenn man Programmieren lernt. Wenn etwa Wasser in ein U-Boot läuft, dann macht ein Kapitän, der sein Salz wert ist, die Schotten dicht – selbst dann, wenn das bedeuten würde, den einen oder anderen Seemann opfern zu müssen. Ja, was denn sonst? Die Alternative wäre, den ganzen Kahn mit Mann und Maus absaufen zu lassen. Schön ist das alles nicht – und alles andere als wünschenswert. Allein es ist das einzige, was funktioniert.

Nun hegt Bolle die böse Befürchtung, daß sich Transborder mit statistisch bedenklicher Häufung im ›Wōk‹-Feld wiederfinden – während Inborder sich bevorzugt im ›Square‹-Feld tummeln. Die einen halten es halt mit funktionabel, andere mögen es lieber wolkenkuckucksheimelig.

Gönnen wir uns abschließend einen kühnen, aber wohl nicht ganz unberechtigten Sprung und assoziieren wir Transborder mit Sozialismus-Affinität und bleiben wir dabei unserer Vermutung treu, daß solche Leute zu wolkenkuckucksheimeligen Lösungen neigen. Das würde umstandslos erklären, wieso derlei noch nie, wirklich noch nie, funktioniert hat. Fragt die Chinesen. Die übliche Ausflucht – die wir gerade dieser Tage einmal mehr von politprominenter Seite zu hören bekommen haben: Das sei dann eben kein „wahrer“ Sozialismus gewesen. Wahrer Sozialismus funktioniere, of course. Muß! Und ewig träumt das Murmeltier. Bolle jedenfalls würde solche Leute lieber nicht in politischer Verantwortung sehen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 06-07-25 Kranksein – unser Preis fürs Dasein?

Medicus curat, natura sanat – Der Arzt kuriert nur, es heilt die Natur.

Ach herrje! Üblicherweise hat Bolle mit neugeborenen Babys ja nicht allzu viel zu tun. Manchmal aber eben doch – zumindest auf Entfernung. Und, wie das Leben so spielt, hat es unser heutiges Schildchen kürzlich erst aus den unendlichen Weiten des Netzes auf Bolles Festplatte verschlagen. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht dabei allerdings nicht – jedenfalls nicht daß Bolle wüßte.

Auch hat Bolle keine Ahnung, ob das alles wirklich wahr ist – oder ob wir es hier nicht eher mit dramaturgischer Verdichtung oder gar mit dramatischer Zuspitzung zu tun haben. Immerhin ist es ein hübsches Beispiel dafür, daß es im Spannungsfeld zwischen ›wahr sein‹ und ›für wahr halten‹ immer genau vier dichotome Möglichkeiten gibt – beziehungsweise neun, wenn man einen Agnostiker fragt (siehe Tafel).

WiWa – Wirklich wahr …?

Die Menge an Impfungen, die so ein Würmchen heutzutage über sich ergehenlassen soll, noch ehe es auch nur das zweite Lebensjahr vollendet hat, ist wirklich beachtlich und lappt locker ins Zweistellige. In Bolles Kindertagen war das anders. So viel kann als sicher gelten.

Nehmen wir an, an der Darstellung sei was dran (pos). Warum dann die Impforgien? Die naheliegende Antwort: Die Mütter (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) glauben es einfach nicht (false). In diesem Falle wären sie laut Tafel schlicht und ergreifend Verblödungsopfer (B1: false/pos). Allein das wird dem Baby wenig nützen. Dann muß es halt mit Allergien und Ekzemen leben, mit Steroiden und Ritalin.

Daß da was dran ist, dafür spricht die wohl kaum zu leugnende Beobachtung, daß Leute früher deutlich weniger mit Allergien zu tun hatten und auch weniger mit Ritalin. Wir hatten uns neulich erst gefragt (vgl. So 01-06-25: Rauchen wie Gott in Frankreich), wie es denn sein kann, daß ›Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll‹ binnen weniger als vierzig Jahren zu ›Veganismus, Laktose-Intoleranz und Helene Fischer‹ verkümmern konnten – und dabei mitnichten was gegen Helene Fischer gesagt haben wollten, of course.

Was haben die Leute denn früher gemacht? Easy – wenn die Lebenskräfte so schwach waren, daß sie nicht mal mehr gegen regelmäßig noch viel schwächere Bazillen (im allerweitesten Sinne) bestehen konnten, dann sind sie halt von hinnen geschieden – ganz nach dem sehr genialen langjährigen (1996–2008) Werbeslogan eines bekannten Bollchen-Herstellers: Sind sie zu stark, bist du zu schwach. Exitus also – aus die Maus.

Natürlich will das niemand, weder für sich noch für die lieben Kleinen – das sieht Bolle ein. Selbst ein so gottesfürchtiger Mann wie Martin Luther (1483–1546) konnte es nur schwer verwinden, daß der Herr in seinem unerforschlichen Ratschlusse gleich zwei seiner drei geliebten Töchter frühzeitig zu sich gerufen hatte. Vermutlich hätte auch er – von wegen ›Das liegt in Gottes Hand‹ – zum Penicillin gegriffen, wenn es das damals schon gegeben hätte.

Allein – was folgt daraus? Solange die ärztliche Kunst noch nicht so weit ist, daß sie wirklich heilen kann (statt nur zu kurieren) – und das kann und wird noch lange dauern –, solange wird es unabwendbar sein, daß ebendiese Kunst dafür sorgt, daß sich die Volksgesundheit zum Schlechteren entwickelt: Wer nicht stirbt, bleibt, sofern er nicht von selbst gesundet, dank medizinischer Hilfe krank – und drückt damit den Schnitt. Wer dagegen ablebt, fällt aus der Statistik raus – und hebt damit den Schnitt. Durchaus bitter, letztlich aber doch wohl wahr. Genau so hat das übrigens Walter Krämer, ein Statistik-Prof an der TU Dortmund, in einem Dreiteiler ›Fortschrittsfalle Medizin‹ im Spiegel 1989 einmal sehr umfassend dargelegt. Der Spiegel selbst hatte sich seinerzeit von seinem eigenen Gastbeitrag vorsichtshalber vorsichtig distanziert – was ja auch nicht alle Tage vorkommt.

Von der Wiege bis zur Bahre: Wir stecken überwiegend ziemlich fest im Medizinbetrieb – um nicht zu sagen: im Getriebe. Und solange sich die Heilkunst in weiten Teilen mit gewissermaßen „heillosem Kurieren“ bescheiden muß, wird sich daran auch nichts ändern. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 02-02-25 Akkulturationsformen

Akkulturationsformen.

Alle reden von Integration. Alle? Natürlich nicht. Bolle etwa hat da so seine Zweifel.

Der erste Punkt – wie so oft: Definiere ›Integration‹. John W. Berry, ein kanadischer Sozialpsychologe, hatte dazu 1970 schon sein Konzept des ›Acculturative Stress‹ vorgestellt. Dabei hat er mögliche Ausprägungen in einer 4-Felder-Tafel mit den Dimensionen ›Ist es wünschenswert, daß die Zugereisten ihre kulturelle Identität bewahren?‹ und ›Ist es wünschenswert, daß die Einheimischen Kontakt zu den Zugereisten herstellen bzw. halten?‹ dichotomisiert.

Dabei hat er den Fall Ja/Ja – also ›Die Zugezogenen sollen ihre kulturelle Identität bewahren‹ und ›Die Einheimischen sollen Kontakt zu ihnen herstellen bzw. halten‹ als ›Integration‹ bezeichnet. Und nur das.

Kontakt zu halten, während die Zugereisten ihre kulturelle Identität aufgeben, hat er ›Assimilation‹ genannt. Wir kennen das von den Borg aus StarTrek: „Sie werden assimiliert. Widerstand ist zwecklos.“ Auch das ist eine Form der Akkulturation, of course.

Daneben gibt es noch die ›Separation‹ mit der Botschaft: „Du darfst so bleiben wie Du bist – allerdings wollen wir nichts mit Dir zu tun haben“ und, last but not least, die ›Marginalisation‹: „Paß Dich gefälligst an. Zu tun haben mit Dir wollen wir trotzdem nichts.“

Und? Wie sieht’s in der real existierenden Wirklichkeit aus?

Nachdem Deutschland – gemeint ist natürlich die vom Volk inaugurierte Polit-Prominenz – jahrzehntelang mit sich gehadert hatte, ob D denn nun ein „Einwanderungsland“ sei oder nicht, hat sich, so zumindest will es Bolle scheinen, die Jellinek’sche normative Kraft des Faktischen (vgl. dazu Mo 09-12-24 Das 9. Türchen: Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze) Bahn gebrochen – wie immer, wenn man handelt (oder gewähren läßt), ohne einen Plan im engeren Sinne zu haben.

In den 1960er Jahren wurden die damals für das Wirtschaftswunder in der Tat dringend benötigten Hilfskräfte – von Facharbeitern zu sprechen, wäre wohl durchaus übertrieben – noch verschämt oder vielleicht auch naiv als „Gastarbeiter“ bezeichnet. Gäste zum Arbeiten einzuladen fand Bolle damals schon zumindest sprachlich schief. Wie sich sehr schnell zeigen sollte, war es durchaus auch inhaltlich schief.

So richtig gerappelt im Karton hat es dann aber erst in jüngerer Zeit, nämlich 2015, als es hieß, was und wie auch immer, wir würden das schon schaffen. Deutschland sei schließlich … bla, bla, bla. Besonnenere – und wohl auch durchaus klügere – Ganz-Fast-Zeitgenossen wie etwa Peter Scholl-Latour (1924–2014), die meinten, wer halb Kalkutta aufnehme, werde nicht etwa Kalkutta retten, sondern selber zu Kalkutta werden, wurden dabei verlacht, verspottet und verhöhnt – zumindest aber blieben sie ungehört.

Während sich die gewählten Vertreter des Deutschen Volkes – sonst immer bei jeder popeligen Kleinigkeit auf das Ansehen des „Hohen Hauses“ bedacht – dieser Tage in aller Welt-Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgeben, brillieren Teile der Polit-Prominenz mit vielsagenden Buchtiteln wie etwa ›Mein Bach‹ oder ›Freizeit‹ – oder so ähnlich. Ist Deutschland also am sprichwörtlichen Arsch? Fast könnte es einem so scheinen. Allein: Bolle mit seinem agnostischen Optimismus will nicht mal an das Verderben glauben. Schließlich habe sich Deutschland schon öfters mal aus der sprichwörtlichen Scheiße rausgeritten. Daß sich die Deutschen jedesmal vorher überhaupt erst reingeritten hatten, ist natürlich Teil der Wahrheit – und soll hier nicht geleugnet werden.

Im übrigen läßt sich Berrys Modell recht gut mit Harris‘ ›Ich bin o.k. – Du bist o.k.‹ (1976) verknubbeln – vergleiche dazu den kleingedruckten Text in den vier Feldern. Dabei zeigt sich, wenn man es zu Ende modelliert, sehr leicht und recht mühelos, was von alledem funktionieren könnte – und was never ever. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 26-01-25 Das Elend der Wōkness

Das Elend der Wōkness.

Falls Bolle das richtig überblickt, haben wir schon längere Zeit keine 4-Felder-Tafel mehr bemüht. Die letzte ist wohl vom August 2024 (vgl. So 04-08-24 Fast fashion / Slow fashion). Das ist immerhin ein halbes Jahr her. Wohlan, denn.

Nehmen wir an, wir befänden uns in einem Zustand, der alles andere als wünschenswert ist – und im übrigen nicht einmal funktioniert. In unserer 4-Felder-Tafel entspricht das dem Feld „Grrr!“ (rötlich eingefärbt). Zeit also, den sprichwörtlichen Arsch zu bewegen und nach Möglichkeit den Zustand „Fein!“ anzustreben – einen Zustand also, der nicht nur wünschenswert wäre, sondern auch noch funktionieren würde (lindgrün eingefärbt).

Dabei ergeben sich – zumindest in einer 4-Felder-Tafel ist das so – zwei prinzipielle Möglichkeiten der Transformation. a) Wir stellen zunächst einmal einen Zustand her, der zwar womöglich noch zu wünschen übrigläßt – dafür aber immerhin schon mal funktioniert (Pfeil a). Ein Schritt in die richtige Richtung, also. Den entsprechenden Zustand haben wir hier ›square‹ genannt – was man durchaus mit ›spießig‹ übersetzen könnte.

Oder aber, Pfeil b), wir stellen einen Zustand her, der höchst wünschenswert sein mag, dabei aber leider eben nicht funktioniert. Den entsprechenden Zustand haben wir hier ›wōk‹ genannt – was für ›wolkenkuckucksheimelig‹ stehen mag. Der Überstrich (Makron) soll uns sagen, daß das ›o‹ langgesprochen sein will.

Aber kann das überhaupt sein? Kann ein Zustand, der annahmegemäß nicht funktioniert (siehe Tafel), irgendwie doch funktionieren? Aber Ja doch. Hier die Lösungsmöglichkeiten in der üblichen Reihenfolge: Zunächst einmal könnte man stramm behaupten, daß die Lösung eben doch funktioniert. Eine Weile mag man damit sogar durchkommen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Medien der gleichen Hypnose anheimgefallen sind (vox populi – vox mediorum) und selber ganz dolle daran glauben. Flankierend verpackt man den Zustand in wohltönende Worte. Ein veritables Problem als „Herausforderung“ zu verniedlichen ist dabei wohl noch eine der harmloseren Varianten. Womögliche Kritiker werden derweil als Querdenker abgekanzelt oder, falls sie allzu frech werden, gar als Verfassungsfeinde und „mit der ganzen Härte des Rechtsstaates“ in ihre Schranken verwiesen: Wenn das jeder machen wollte – wo kämen wir denn da hin? Falls das alles nichts nützt, erklärt man mit frecher Stirn, die Lösung müsse schließlich funktionieren, da alles andere ja mit geltendem Recht nicht vereinbar sei. In Bolles Kreisen nennt man das die Palmström-Variante: „Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Falls auch das nicht reicht, hat es sich bewährt, den Zustand erst einmal mit Geld, mit gaanz viel Geld, zu ersäufen. Prominente Stichworte an dieser Stelle wären etwa „Doppelwumms“ und „Sondervermögen“. Natürlich wird auch das auf Dauer nicht funktionieren, of course.

Der springende Punkt ist folgender: Bolle kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß das ›wōke‹ Feld die Hülsenfrüchtchen dieser Welt anzieht wie die sprichwörtliche Scheiße die Fliegen. Und das ist durchaus auch verständlich. Um von ›Grrr!‹ nach ›wōk‹ zu kommen, braucht man lediglich ein heißes Herz. Von ›Grrr!‹ nach ›square‹ zu kommen ist sehr viel anspruchsvoller – und dabei auch weniger herzerfrischend.

Falls Bolle das richtig beobachtet hat, ist die Ampel ja daran zerbrochen, daß der Kanzler mal eben noch ein paar weitere Milliärdchen (sagt man so?) in die Ukraine pumpen wollte, die er zwar mitnichten hatte, sie gleichwohl aber pumpen zu können hoffen durfte. Allein: da war sein Minister vor. Nach Kanzlers Bekunden (und um es in der Diktion von Professor Crey aus Spoerls ›Feuerzangenbowle‹ zu sagen): „Lindner, Sä send albern. Ehnen fählt die settliche Reife.“ Kurzum: Der Kanzler wollte, wie seit Jahren gang und gäbe, einmal mehr den wōken Weg (funktioniert zwar nicht wirklich, ist aber doch ’ne dolle Sache) gehen, während sein Minister, wohl nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Verfassung, den squaren Weg (wäre zwar schön – ist aber leider nicht möglich) als „alternativlos“ angesehen hat.

Das Ende vom Lied ist, rein historisch gesehen, immer das gleiche. Wenn endlich klar ist, daß das alles dann eben doch nicht und wirklich nicht funktioniert: Betreten gucken, lange Gesichter machen – und im wind of change verkünden, daß man schließlich selber auch schon immer dagegen war. Dann nämlich schlägt die Stunde der Widerstandskämpfer, die alsdann wie Pilze aus dem Boden schießen. Neue Runde, altes Spiel. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 04-08-24 Fast fashion / Slow fashion

Sherlock Holmes im feinen Frack (Illustration im Strand von Sidney Paget 1901)

In letzter Zeit hat Bolle ja vermehrt auf die Mütze gekriegt: die Texte seien in der Tendenz zu überkandidelt, man müsse sich zu sehr reindenken, überhaupt seien die Modelle und die Graphiken zu schwer verständlich, und dergleichen mehr, of course. Bolle meint: Ihr habt ja Recht, und würde am liebsten mit Lessings ›Abschied an den Leser‹ (1751) parieren:

Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
So sei mir wenigstens für das verbunden,
Was ich zurück behielt.

Kurzum: es hätte schlimmer kommen können. Es gibt nun mal Zusammenhänge, die sind vergleichsweise einfach, und es gibt Zusammenhänge, die eher schwierig zu verstehen sind. Daneben gibt es Erklärungen, die verständlich sind, und solche, die ziemlich kauderwelschig sind. Damit kommen wir, wie so oft, auf vier Möglichkeiten. Das dumme daran ist, daß es stets der Leser ist, der entscheidet, was verständlich ist und was nicht. Für heute ginge das also zu weit.

Folglich begnügen wir uns mit einer 4-Felder-Tafel am harmlosen Beispiel von Fashion. Wenn man sich traut, klare, harte Schnitte zu machen, dann können Klamotten minderwertig sein oder hochwertig. Andererseits können sie tiefpreisig sein oder hochpreisig. Tertium non datur – eine dritte Möglichkeit gibt es nun mal nicht in einer dichotomen Welt.

Damit sieht das ganze aus wie folgt:

Fashion dichotomisiert.

Fehlt nur noch, ein paar knackige Begriffe in die weiß unterlegten Felder zu füllen. Nennen wir minderwertig/tiefpreisig also ›Fast Fashion‹ und hochwertig/hochpreisig ›Slow Fashion‹. Natürlich können hochwertige Klamotten ggf. auch günstig zu haben sein – Fein! Umgekehrt können minderwertige Klamotten auch zu einem stolzen Preis vermarktet werden. Das wäre dann also Grrr! Obwohl: das ist nicht das Schlechteste für Leute, die das Bedürfnis haben, sich – wenn schon nicht über den Geschmack, so doch zumindest über den Preis – vom Rest des Volkes abzuheben. In der Werbung heißt es dann, unfreiwillig komisch: Es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.

Ursprünglich war Slow Fashion einmal „alternativlos“, wie man das heute nennen würde. So hat Bolle, vor vielen Jahren schon, in einem Benimm-Buch einmal gelesen, daß ein englischer Gentleman (ausdrücklich nicht beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) einen neuen Anzug zunächst jahrelang nur bei sich zuhause in den eigenen vier Wänden getragen hat. Sich mit einem nigelnagelneuen Anzug in die Öffentlichkeit zu begeben, hätte man als schockierend ungentlemanlike, nachgerade dandyhaft  empfunden.

Und im 5. Kapitel – dies nur als Beispiel – von Sir Arthur Conan Doyles ›Hund von Baskerville‹ (1901/1902) erfahren wir, daß Sir Henry, obwohl 740.000 Pfund schwer – das entspricht heute einem Vermögen im dreistelligen Millionenbereich – gerade mal drei Paar Schuhe sein eigen nannte: alte schwarze, neue braune, sowie ein Paar Lackschuhe – wenn es einmal darum ging, sich stadtfein zu machen (vgl. dazu etwa das Bildchen oben). Das jedenfalls ist gelebte Slow Fashion.

Daß derlei nicht nur in der Literatur vorkommt, können wir sehr schön am Beispiel Bolle beobachten: Seinen letzten Mantel – seinen einzigen, wohlgemerkt – hat er 20 Jahre lang getragen. Allerdings nur im Winter, of course. Und seinen neuen Mantel trägt er seit nunmehr 12 Jahren. Dabei geht es ihm, wie wir erfahren konnten, mitnichten um ethisch hochwertiges Verhalten – als solches nämlich wird Slow Fashion zur Zeit hochgejubelt bzw. (Branchen-Sprech) vermarktet. Bolle hat einfach Null Neigung, pausenlos was anderes anzuziehen. Wenn man aber umgekehrt bedenkt, daß Fast Fashion angeblich für 8–10 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sein soll, kann einem schon etwas schwindelig zumute werden.

Manchmal wird Bolle wirklich ganz mulmig ums Herz, wenn er an die ganzen Hülsenfrüchtchen mit ihren wundgescheuerten Egos denken muß – an Leute also, die sich nur in neuer Klamotte wohlzufühlen meinen, auch wenn sie durchaus minderwertig ist. Dazu gibt es übrigens reichlich „Studien“. Insbesondere die sog. Generation Z steht in dem Ruf, hier eine ziemliche „Absichtslücke“ (intention-action-gap), wie rührige Soziologen das zuweilen nennen, aufzuweisen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 02-06-24 Stramm auf Linie

Wahrlich ich sage Euch …

Heute können wir festhalten, daß der Wonnemonat Mai schon wieder zuende ist. Wir haben Juni. Das scheint – zumindest der üblichen Übereinkunft entsprechend – wahr zu sein. Allerdings handelt es sich hierbei auch um nichts Weltbewegendes. Heute ist halt der 2. Juni. So what?

Die Wahrheit, die ganze Wahrheit, und nichts als die Wahrheit – wie es bei Zeugenvernehmungen mitunter heißt, ist deutlich schwieriger zu fassen. Theoretisch streng genommen gar nicht (vgl. dazu unseren Beitrag von letzter Woche: So 26-05-24 Das bessere Argument). Was natürlich den Journalismus 2.0 – und hier in allererster Linie die sogenannten Faktenchecker – nicht davon abhält, sich selbst für im Inbegriff der reinen Wahrheit zu wähnen. Schließlich, so heißt es dann etwa, habe eine Studie selbiges ergeben. Ohne greifbare Studie tut es durchaus auch ein „Experte“, der im Gewande des Wissenschaftlers seine Meinung – mehr ist es meist nicht – als unumstößliches Faktum zum Besten gibt.

Wie wir ja wissen, gibt es immer vier Möglichkeiten. Man hält etwas für wahr – und die meisten anderen tun das auch (A1). Sozialpsychologisch unproblematisch. Ebenso verhält es sich mit B2. Interessant sind allein die Fälle A2 (Verschwörungsopfer) und B1 (Verblödungsopfer). Woher – das ist hier die Frage – nehmen die Linientreuen, also die A1-ler, ihre Zuversicht, daß sie im Vollbesitz der reinen Wahrheit sind und jeder, der die Dinge anders sieht, folglich (!) ein Verschwörungsopfer sein muß? Soviel Chuzpe muß man erst mal aufbringen. Bolle vermutet, daß das was mit kognitiver Kapazität zu tun hat. Aktuell etwa zeigt sich – langsam, aber immer sicherer –, daß so ziemlich alles, was uns während der Corönchen-Hysterie als reine Wahrheit aufgetischt wurde, sich als alles andere als wahr erwiesen hat. Die angeblichen Verschwörungsopfer hatten – leider kann man das kaum anders sagen – durch die Bank Recht.

Daraus könnte man was lernen. Könnte. Tut man aber nicht. Zur Zeit werden uns stramm linientreu die nächsten ultimativen Wahrheiten aufgetischt. Und jeder, der das nicht glauben mag, ist ein Verschwörungsopfer, of course.

Im Grunde könnten – beziehungsweise sollten sogar – an dieser Stelle irgendwann mal Lernprozesse einsetzen. Tun sie aber nicht. Das übrigens ist ein Punkt, der sehr für Bolles ›Mangelnde kognitive Kapazität‹-Theorem spricht.

Übrigens scheint es so zu sein, daß die Leute, die so verbissen an ihrem Zipfelchen Wahrheit hängen – beziehungsweise dem, was sie dafür halten –, genau die gleichen Leute sind, die völlig humorabstinent durchs Leben laufen. Beides nämlich scheint eine gewisse mentale Offenheit vorauszusetzen, die einem in diesem Universum leicht flötengehen kann. Um das zu erläutern, müßten wir unser Wirklich-Wahr-Schema allerdings auf 9 Felder erweitern (vgl. dazu etwa Fr 10-12-21 Das zehnte Türchen …). Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 22-12-22 Das zweiundzwanzigste Türchen …

Wat den eenen sin Uhl …

Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall. Die Einsicht ist, wie’s scheint, uralt. Die Geschmäcker sind nun mal so verschieden, daß es wenig Sinn macht, darüber zu streiten: de gustibus non est disputandum.

Wir haben hier eine x-beliebige Eigenschaft – nennen wir sie ›ping‹ – nebst ihrem Gegenteil – nennen wir es ›pong‹ – nebst deren möglichen Ausprägungen, ›maßvoll‹ vs. ›extrem‹, in eine 4-Felder-Tafel einsortiert. Die Technik läßt sich übrigens bis mindestens auf Aristoteles zurückverfolgen – auch wenn der, soweit wir wissen, noch keine 4-Felder-Tafeln benutzt hat.

Im Beispiel gehen wir davon aus, daß jemand von Haus aus ein vorsichtiger Mensch ist, ›ping‹. Das Gegenteil, ›pong‹, wäre demnach, mutig zu sein. Wir hätten übrigens ebensogut ›Yin und Yang‹ sagen können. Das allerdings sind keine Adjektive im engeren Sinne. Bleiben wir also bei ›ping‹ und ›pong‹ für Teil und Gegenteil.

Das interessante an dieser Stelle: Jemand, der sich selbst als vorsichtig einstufen würde, würde jemanden, der das Gegenteil verkörpert, also eher „mutig“ ist, keinesfalls als mutig einstufen, sondern eher als – leichtsinnig. Umgekehrt würde jemand, der sich selbst für eher mutig hält, sein Gegenstück nicht etwa vorsichtig nennen, sondern eher „ängstlich“. Kurzum: Es gibt eine gewisse Neigung, alles, was uns fremd oder zumindest unverständlich anmutet, zumindest sprachlich abzuwerten. Daß eine solche pejorative Kategorisierung wenig der Toleranz und erst recht nicht der Akzeptanz förderlich sein kann, dürfte unmittelbar einleuchten. Und doch scheint es so zu sein.

Hier ein Beispiel aus dem richtigen Leben. Bolle war zu einer Geburtstagsparty eingeladen. Die Party wurde über eine WhatsApp-Gruppe organisiert. Nach Wochen des kommunikativen Hin und Her’s kam dann der erste damit raus, daß ja wohl alle getestet sein würden. Sonst könne er, leider, leider, nicht kommen. Aus seiner Sicht offenbar der Typ ›vorsichtig‹. Aus Bolles Sicht natürlich eher der Typ ›ängstlich‹. Also, was tun?  Helwigs Werte (so heißen solche 4-Felder-Tafeln) in der WhatsApp-Gruppe ausdiskutieren? Absehbar wenig erfolgversprechend und damit sinnlos. Bleibt wegbleiben. Mit oder ohne Abmeldung? Die guten Sitten verlangen nach einer Abmeldung – der Erhalt der guten Laune spricht allerdings dagegen.

Wie allgemein damit umgehen? Alles zu unterlassen, was irgend jemanden (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auch nur stören könnte, kann aus rein mathematischen Gründen nicht die Lösung sein. Es gibt nun mal absehbar dermaßen viele Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten, daß die Lösungsmenge rucki-zucki auf die leere Menge zusammenschnurren würde. Eine Diskussion darüber zu führen, ob es „besser“ ist, vorsichtig zu sein oder ob es besser ist, mutig zu sein, ebensowenig. Wir befinden uns hier in der Domäne von Schwester Ethik (vgl. dazu So 24-01-21 Dreschflegel) – und die ist für Argumente nun mal völlig unzugänglich.

Und so wurde die Spaltungsdynamik, hier im ganz Kleinen schon, um einen weiteren Fall bereichert. Eine grundsätzliche Lösung ist, wie’s scheint, nicht in Sicht. Das soll uns aber nicht die Weihnachtsstimmung verderben – und wäre im übrigen auch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 18-12-22 Das achtzehnte Türchen – der vierte Advent …

Murphy totalmente …

Bekanntlich gibt es immer zwei Möglichkeiten. Zumindest in einer dichotomen Welt ist das so. Gleichzeitig bedeutet das, daß es in einer zweidimensionalen dichotomen Welt immer vier Möglichkeiten gibt. So auch hier. ›Etwas‹ – in der 4-Felder-Tafel etwas hochtrabend ›System‹ genannt – kann entweder funktionieren oder nicht funktionieren. Und es ist möglich, daß man weiß, warum es funktioniert oder nicht funktioniert. Oder man weiß es eben nicht.

Wenn etwas funktioniert und man weiß warum (Fall #1), ist alles fein. Der Fall, daß etwas nicht funktioniert, man aber weiß, warum das so ist (Fall #2), ist weniger schön. In diesem Fall muß man den Fehler halt beheben, das System reparieren. Wenn etwas nicht funktioniert und man weiß nicht warum (Fall #4), dann ist die sprichwörtliche Kacke am Dampfen. So etwas führt unmittelbar zu innerer Unruhe. Hier hilft es nur, solange zu insistieren, bis man weiß, warum es nicht funktioniert. Rücke vor zu Fall #2, sozusagen. Oft genug allerdings reichen die eigenen Fähigkeiten nicht aus und man ist auf fremde Hilfe angewiesen. Immerhin ist das allemal besser als mit nicht-funktionierenden Systemen zu arbeiten – was ja schließlich per se sinnlos wäre.

Eine sehr eigenartige Konstellation ist Fall #3. Etwas funktioniert, wir haben aber keine Ahnung, warum. Hier scheiden sich die Geister. Während die einen froh sind, daß es überhaupt funktioniert und die Gründe hierfür Gründe sein lassen, gibt es andere, die so etwas schier in den Wahnsinn treibt. Es soll so mancher schon bei der Erklärungssuche so lange am System rumgefummelt haben, bis es schließlich nicht mehr funktioniert hat. Immerhin wußte er (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) dann, warum und fühlte sich gleich besser. So weit würde Bolle – bei aller Aversion gegen Fall #3 – dann allerdings lieber doch nicht gehen wollen. Manchmal muß man eben einfach ganz pragmatisch die sprichwörtlichen Fünfe gerade sein lassen.

Natürlich gibt es im richtigen Leben oft doch noch mehr Möglichkeiten als in der binären Logik. So kann es etwa sein, daß etwas nicht funktioniert und man weiß nicht, daß es nicht funktioniert. Die Warum-Frage stellt sich hier also gar nicht erst. Genau das ist uns vorgestern abend passiert. Die Ankündigungs-Email war geschrieben, ins System eingetütet – und tschüß. Sollte man meinen. Daß sie aber nicht ankommen würde wie vorgesehen, hatte sich erst am nächsten Morgen herausgestellt. Und schon waren wir wieder in vertrauten Bahnen – in diesem Falle Fall #4. Nach ein bißchen Insistieren sind wir dann über Fall #2 zu Fall #1 gekommen: es funktioniert und wir wissen, warum. Zumindest wollen wir davon bis zum Erweis des Gegenteiles ausgehen.

Was das alles mit der Adventszeit, der Ankunft des Heilands der Christenmenschen zu tun hat? Nun, wenn wir uns zu Weihnachten nicht zuletzt auch ›Frieden‹ wünschen, sollten wir nicht vergessen, daß es beim Navigieren durch die 4-Felder-Tafel auch um eine Art von Frieden geht, die wir aus rein kontemplativen Gründen niemals geringschätzen sollten: Den Seelenfrieden – wie ihn unseres Wissens Robert M. Pirsig in seinem ›Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten‹ (1974) präsentiert und popularisiert hat. Wir werden morgen oder in den nächsten Tagen darauf eingehen. Für heute aber wär das dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 23-12-21 Das dreiundzwanzigste Türchen …

Wirklich wahr?

Laßt uns heute – gegen Ende unseres kleinen virtuellen Adventskalenders – noch einmal unser Spielbrett von vor fast zwei Wochen (vgl. Fr 10-12-21 Das zehnte Türchen …) aufklappen.

Dabei wollen wir weiterhin davon ausgehen, daß etwas für einen (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) subjektiv wahr sein kann („true“) oder auch nicht („false“). Das zu ermitteln ist relativ easy: Man muß einfach nur fragen – zum Beispiel:

Wenn die Jugend von heute eine Straße wäre:
Wäre sie dann eher die A7 oder die B27?

Selbst auf solche Fragen finden die meisten Leute allen Ernstes eine Antwort – man mag es glauben oder nicht. (Bolle lieebt ja Selbstbezüglichkeiten). Nur einzelne Agnostiker werden mit einem fröhlichen „me“ antworten: „Wer bin ich, das zu entscheiden? Frag mich was leichteres.“

Das wirft natürlich kein gutes Licht auf das Meinen (im Sinne von subjektiver Wahrheit). Hier ist in der Tat alles möglich: Vom ›Ruf aus dem Gulli‹ („ick finde aber …“) bis hin zum wohlbegründeten Theorem (im erweiterten Sinne von ›Lehrmeinung‹). Immerhin: Hier tut sich ein gigantisches Feld für ebenso inbrünstige wie witzlose Endlos-Debatten auf. Ein demütiger Agnostiker geht da glatt unter im Gewühle.

Damit bleiben im wesentlichen zwei Fragen offen. Erstens: Wie steht es um die objektive Wahrheit, also „pos“ bzw. „neg“? Ist wenigstens hier alles zum Besten bestellt – wie manche zu wissen meinen, mitunter gar auf dem Niveau eines Theorems? So formuliert läßt die Frage schon Unheil erahnen. Zweitens und vor allem aber: Warum sind nicht viel mehr Leute agnostisch drauf? Woher dieses geradezu verzweifelte Bedürfnis nach „Wahrheit“? Bolle meint ja immer: Wahrheit oder vanitas – das ist hier die Frage. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel …

Fr 10-12-21 Das zehnte Türchen …

Glauben und Wissen.

Heute wollen wir nicht mehr tun als uns mit einem kleinen agnostisch-kontemplativen Verwirrspiel vertraut zu machen. Sinn vons janze ist natürlich, wie immer, ein Lichtlein anzuzünden, statt über die Finsternis zu klagen. Und das paßt doch aufs feinste zur Adventszeit der Christenmenschen (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course).

Hier unser Spielbrett:

Wirklich wahr?

Ein kleiner Hinweis: Wir ersetzen »Glauben« durch ›subjektiv wahr‹ und »Wissen« durch ›objektiv wahr‹ und gehen davon aus, daß es jeweils nur zwei Möglichkeiten gibt: ›Ist so‹ oder ›ist nicht so‹, also „true“ oder „false“, was den Glauben angeht, bzw. „pos“ oder „neg“, was das Wissen angeht. Und schon sind wir einen Schritt weiter.

Dabei ergeben sich zunächst genau vier Möglichkeiten: Wir können richtig liegen (konsistent), „true / pos“ bzw. „false / neg“, oder wir können falsch liegen (fehlerhaft), „true / neg“ bzw. „false / pos“.

Wem das noch nicht reicht, der mag das Spielfeld erweitern um die Möglichkeiten „me“ bzw. „mu“. Dabei steht „me“ für individuelle Agnostik: „Wer bin ich, diese Frage zu beantworten?“, und „mu“ steht für universelle Agnostik: Das Universum höchstselbst traut sich nicht so recht eine Antwort zu.

Kann sowas sein? Aber ja doch. Bei Schrödingers Katze, zum Beispiel. Aber das ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel …