Mo 11-11-19 Proportionen

Bis zu 1,5 Millionen Menschen können künftig eine Grundrente erhalten, die höher liegt als die vom Sozialamt gewährte Grundsicherung. […] Die Gesamtkosten belaufen sich auf bis zu 1,5 Milliarden Euro.

Gefunden in Garbor Steingarts Morning Briefing. Gleich oder ähnlich lautend findet sich die Meldung allerdings im gesamten Blätterwald. Aber bei Steingart liest es sich nun mal am amüsantesten. Überschlagen wir die Proportionen: 1,5 Milliarden bei 1,5 Millionen Rentnern macht, easy, 1.000 Euro pro Rentner und Jahr – mithin also 83 Euro pro Monat. Na toll, meint Bolle. Voll der „Meilenstein“ bei der Bekämpfung der Altersarmut. Da wir schon mal bei Proportionen sind: Vergleichen wir die abgehängten Rentner mit einer anderen schwer diskriminierten Gruppe – den Flüchtlingen bzw., wie es neuerdings heißt, den „Schutzsuchenden“. Bolle fragt sich: Welche Sprach-Designer sind hier eigentlich am Werk? Und vor allem: Wer bezahlt die? Aber das ist ein anderes Kapitel. Der Vergleich von „abgehängten Rentnern“ und „Schutzsuchenden“ bietet sich schon deshalb an, weil sie größenordnungsmäßig gaanz vorsichtig geschätzt in etwa gleich stark sind: etwa 1,5 Millionen. Das erleichtert den Vergleich. Deren jährliche Kosten allerdings belaufen sich nach mehreren mehr oder weniger übereinstimmenden Quellen auf etwa 50 Milliarden jährlich – mithin also auf das über 30-fache (!). Bolle sieht das ganz pragmatisch, wenn er meint, daß er der seinerzeit ausgegebenen Losung „Wir schaffen das“ mehr Glauben würde schenken können, wenn die Proportionen nicht derart unproportioniert wären. Entweder wir sind „ein reiches Land“, wie es in diesem Zusammenhang immer heißt. Oder wir sind ein dann doch nicht ganz so reiches Land, das es nötig hat, seine „abgehängten Rentner“ mit 83 Euro pro Monat abzuspeisen und das dem Volk als „sozialpolitischen Meilenstein“ zu verkaufen – vor allem vor dem Hintergrund solcher Proportionen. In diesem Zusammenhang muß Bolle oft an die Geschichte vom barmherzigen Samariter denken (Lukas 10, 25-37). Was wäre gewesen, fragt er sich, wenn „die Mörder“ nicht nur einen, sondern zehn, oder hundert – oder noch viel mehr – hätten „halbtot liegen lassen“? Irgendwann, so sein vorläufiger Schluß, wird sich auch der warmherzigste Samariter entscheiden müssen, ob er seinem ethischen Impuls („alle retten“) oder seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten wird folgen wollen oder müssen. Im Bibel-Beispiel ging es um „zwei Groschen“ (plus der Option auf Begleichung weiterer Auslagen des zur Pflege eingespannten Wirtes, Lukas 10, 35). Somit – und das ist Bolles zweiter Schluß – dreht sich die gesamte Kontroverse, die Deutschland seit nunmehr mindestens vier Jahren quält, im Kern um die Frage: Schaffen wir das – oder schaffen wir das dann doch eher doch nicht? Wenn ich abgehängter und abgespeister Rentner wäre, so Bolle, würde ich wohl eher auf letzteres tippen – und mich dabei schwer dagegen verwahren, allein deswegen von bessergestellten Kreisen als „Nazi“ oder zumindest „Fremdenhasser“ diffamiert zu werden. Aber das ist ein anderes Kapitel.

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