Fr 04-10-19 Klimabremse

Wer tritt auf die Klima-Bremse? Die CSU. Eigentlich wollte das Bundeskabinett am Mittwoch den nächsten „großen Wurf“ beschließen. Zusätzlich zu ihrem Klimapaket wollte die Regierung in dieser Woche einen 180-seitigen Katalog verabschieden – ein Konvolut an Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele 2030 in den Bereichen Energie, Wärme, Verkehr und Industrie.

Gefunden in der Tagesspiegel-Morgenlage: Das Wort „eigentlich“ sollte eigentlich presserechtlich verboten werden. Und über „große Würfe“ sollte man nur mit gehöriger ironischer Distanz berichten dürfen. Warum? Um die Nerven der Leser zu schonen. Der „große Wurf“ hat schon bei Mao nicht funktioniert – auch wenn er da noch „großer Sprung“ hieß.

Man wolle das 180-Seiten-Papier erst einmal in Ruhe lesen, sagt Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Na toll. Da werden großspurig Ziele präsentiert, ohne auch nur den Hauch einer Idee zu haben, wie man sie denn erreichen möchte (Plan) bzw. ob man sich das Problem, das man lösen möchte, überhaupt leisten kann (Check der Mittel). Das Heilige Gretchen von Thunberg läßt grüßen. „How do you think?“ wäre vielleicht angebrachter als „How dare you?“. Dabei könnte alles so einfach sein:

Der Managementzirkel.

Egal, worum es geht: Wir haben es immer und immer wieder mit dem gleichen, überaus schlichten Ablaufschema zu tun. Wer also keinen Plan hat, sollte besser stille schweigen. Wer absehbar nicht über ausreichende Mittel und Möglichkeiten verfügt – und noch sieht es ganz danach aus –, der sollte sich im ersten Schritt zunächst darum kümmern – und dann erst das „eigentliche“ Problem angehen. Ob aus einem „großen Plan“ auch tatsächlich ein „großer Wurf“ wird, entscheidet sich ohnehin erst im Feld „Soll / Ist-Abgleich“ – nachdem man einige Schritte gegangen ist. Immerhin: Ein Beispiel für einen solchen Abgleich findet sich an gleicher Stelle wenige Absätze später:

Merkel lobt das Erreichte seit der Wiedervereinigung: […] Auch heute sei zu beobachten, wie viele Deutsche die Ursache für Schwierigkeiten vor allem und zuerst beim Staat und den sogenannten Eliten suchten. So zu denken, führe jedoch ins Elend.

So hat sich das beim „zentralen Festakt zum 3. Oktober in Kiel“ angehört. So richtig „lobend“ klingt das in Bolles Ohren allerdings nicht. Eher nach Verelendung des Volkes aufgrund selbstverschuldeter Unmündigkeit. Wenn wir Kant folgen, können wir »selbstverschuldete Unmündigkeit« locker mit „mentaler Bräsigkeit“ übersetzen. Da mag was dran sein. Goethe schließlich hat seinerzeit noch eins draufgesetzt: Es ist nicht genug, zu wissen, man muß auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muß auch tun (siehe Managementzirkel). Da ist es doch einfacher, „die Ursache für Schwierigkeiten vor allem und zuerst beim Staat und den sogenannten Eliten“ zu suchen. Die werden schließlich dafür bezahlt. Ob zu Recht (siehe oben), sei dahingestellt. Übrigens ist Kants Diktum mittlerweile 235 Jahre alt. So richtig funktioniert hat die „Aufklärung“ ja wohl noch nie – wenn wir von einigen technokratischen Entgleisungen einmal absehen wollen. Aber das ist ein anderes Kapitel. Eine Randnotiz sei aber noch erlaubt:

Sachsens Grünen-Vertreter für Koalitionsverhandlungen mit CDU und SPD: […] Die sogenannte Kenia-Koalition ist die einzige derzeit realistische Möglichkeit für die CDU, eine regierungsfähige Mehrheit zu organisieren.

Wie es scheint, gehen der Demokratie langsam die aufrechten Demokraten aus. Womöglich sind die Sachsen hier nur Vorreiter. Wo soll das hinführen? All-Parteien-Koalitionen – Außer für Deppen (AfD)? Ganz nach dem Motto: Die sind zwar demokratisch gewählt und bilden somit einen Teil des „Wählerwillens“ ab. Wir finden sie aber trotzdem deppert. So deppert, daß wir mit denen kein Wort wechseln und erst recht keinen Gedanken austauschen wollen – von Koalieren ganz zu schweigen. Nun, das wird nur so lange gutgehen, wie es für „Alle außer die da“-Koalitionen noch reicht. Bis dahin sollten wir uns Gedanken über das Wahlrecht machen. Deppen dürfen demokratisch wählen? Das kann nicht sein! Weg mit den „Hate Votern“. Mit der Hate Speech haben wir ja schon fleißig vorgelegt. Aber auch das ist ein anderes Kapitel.

Fr 04-10-19 Klima Kölsch

Er ist der anarchistische Bruder von Greta Thunberg. Sie redet, er zündelt. Sie fordert, er sendet verstörende Botschaften: Klimaschutz sei „größer als die Demokratie“, sagte er jüngst im „Spiegel“.

Gefunden in Gabor Steingarts Morning Briefing. Gemeint ist Roger Hallam, einer der Mitbegründer der Klimaschutzbewegung „Extinction Rebellion“. Die dazu gehörige Gretchenfrage – Wollen wir die Demokratie retten oder das Klima? – hat in dieser Klarheit wohl als erster Jan Fleischhauer aufgeworfen. Dafür gebührt ihm Dank. Aber vielleicht ist er ja einfach nur übermäßig pessimistisch gestimmt. Das natürliche Gegengift gegen solchen Defätismus findet sich in Artikel 3 vons „Rheinisch Jrundjesetz“: „Et hätt noch emmer joot jejange.“ Da haben wir doch alles zusammen, was man für einen gelungenen Weltuntergangs-Cocktail braucht. Im günstigsten Falle übt sich das Klima in Langmut und wartet zu, bis die aufrechten Demokraten mit ihrer kaum zu leugnenden sprichwörtlichen Lahmarschigkeit in die nicht minder sprichwörtlichen Pötte kommen. Das wäre Artikel 3. Oder aber das Klima tut genau das nicht: Damit wären wir in der Tat und unversehens bei der Fleischhauer-Doktrin. Ausgang vorerst offen. In the long run ist natürlich klar, wer gewinnt: Bislang zumindest war es immer das Klima. Zwar hat das Klima seinerzeit nicht die römische Demokratie vom Platz gefegt, sondern lediglich die römischen Kaiser (Stichwort: Völkerwanderung). Das allerdings dürften aus Klima-Sicht lediglich historische Peanuts sein. Damit aber wären wir bei Artikel 2: „Et kütt, wie et kütt.“ –  oder, wiederum in the long run, Artikel 4: „Wat fott es, es fott.“ Das indessen spitzt sich zu auf die Frage: Wat es fott? Klima oder Demokratie? Aber das ist ein anderes Kapitel.

Mo 30-09-19 Schwäbische Hausfrau

Vorsätzlich missachtet sie eine Grunderkenntnis der Volkswirtschaftslehre: Das Sparvermögen ist nichts anderes als Kaufkraft im Wartestand.

So heißt es in Gabor Steingarts Morning Briefing von heute. Gemeint ist die EZB mit ihrer Zinspolitik, die potentiell „Sparvermögen“ abschmelzen läßt. Die interessante Frage an dieser Stelle: Worauf, bitteschön, wartet das Sparvermögen? Die eigentliche „Grunderkenntnis“ der Volkswirtschaftslehre geht eher wie folgt: Der produzierte Güterberg einer Volkswirtschaft und die sich daraus ergebenden Einkommen sind betragsmäßig identisch. Einkommen sind nichts anderes als geldvermittelte Ansprüche an den Güterberg. Wenn nun diese Ansprüche „im Wartestand“ sind – also nicht zu tatsächlicher Nachfrage führen, dann bedeutet das notwendigerweise, daß mehr produziert als nachgefragt wird bzw. daß mehr produziert wird als abgesetzt werden kann. In der Folge werden die Unternehmen ihre Produktion zurückfahren: Der produzierte Güterberg wird kleiner – und damit auch die Einkommen. Kurzum: „Kaufkraft im Wartestand“ führt unvermittelt in eine Rezession. Griechenland läßt grüßen. Dem kann man nur entgehen, indem man die überschüssige Produktion im Ausland absetzt, und zwar auf Kredit – Stichwort „Exportweltmeister“. Die gelegentlich zitierte „Schwäbische Hausfrau“ mag ihren privaten Haushalt kaufmännisch solide führen. Der Volkswirtschaft, in der sie lebt, wird sie aber schaden – und damit auf längere Sicht auch ihrem eigenen Haushaltseinkommen. „Harmlos“ ist etwas an sich so tugendhaftes wie Sparen nur dann, wenn es als tatsächliches Angebot auf tatsächliche Nachfrage am Kapitalmittelmarkt stößt. Davon indessen sind wir zur Zeit weit entfernt. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Keynes, dem vielleicht gebildetsten und weitsichtigsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, war das übrigens vor fast 100 Jahren schon klar. Dazu findet sich ganz aktuell ein hübscher kleiner Podcast (21 min) auf der ARD-Mediathek. Liebsten Dank an Katha, an der übrigens eine Star-Ökonomin verlorengegangen ist, für die Mitteilung.

https://audiothek.ardmediathek.de/items/68154586

Fr 20-09-19 Klima-Rente

Wenn die Große Koalition nicht über das Klima streitet, dann über die Grundrente. Nun zeichnet sich offenbar ein Kompromiss ab […]

Gefunden im Handelsblatt Morning Briefing. Wenn das alles so flott geht mit dem „Streit unter aufrechten Demokraten“, dann wird das Klima sich wohl noch ein wenig gedulden müssen. Greta läßt grüßen.

Statt einer Bedürftigkeitsprüfung sollen Bezieher der Grundrente eine Einkommensprüfung durchlaufen. Die Grundrente würde dann nur gezahlt, wenn das Haushaltseinkommen unterhalb einer bestimmten Grenze liege.

Wer Grenzen zieht, erzeugt notwendigerweise Abgrenzungsprobleme: Wer nur soundso viel verdient, bekommt den Grundrentenzuschlag. Wer einen einzigen Euro mehr verdient, bekommt ihn nicht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis hier „Gerechtigkeits“-Debatten losgetreten werden und, in der Folge, das „Nachbessern“ der „handwerklichen Fehler“ versichert wird – die üblichen betröppelten [rheinischer Sprachgebrauch] Mienen inklusive. Bolle fragt sich: Was zum Teufel treiben die denn die ganze Zeit in ihren Kommissionen und ihren ewigen Nachtsitzungen? Immerhin: „Die Regierung tut was.“ Na toll.

Beide Seiten sehen sich als Sieger: Die Union, weil die Grundrente nicht bedingungslos gezahlt wird. Die SPD, weil sie ein zentrales Wahlkampfversprechen durchsetzen kann.

Na, das ist doch das wichtigste, meint Bolle. Gesichtswahrung vor Problemlösung – muß doch alles seine Ordnung haben. Das Klima läßt grüßen.

In der Sache bleibt das Ergebnis vor allem eins: ein fauler und teurer Kompromiss.

Ein fauler Kompromiß? Definitiv. Allerdings liegt es im Wesen eines Kompromisses, „faul“ zu sein – namentlich in einer Demokratie. Ein echter Konsens – verstanden als der aufrechte Bruder des Kompromisses – ist sehr viel anspruchsvoller und nur mit sehr viel mehr Gehirnschmalz (Sitz des Denkens) und überdies mit sehr viel mehr  „Bauchschmalz“ (Sitz des Wollens) zu bewerkstelligen. Bevor man nämlich auch nur anfangen kann zu denken, muß man notwendigerweise wissen, worüber man eigentlich nachdenken will. Kurzum: Man muß wissen, was man will [vgl. dazu auch »Fr 04-10-19 Klimabremse« – dort heißt das Baby, wie üblich, »Zieldefinition«]. Genau hier, da ist sich Bolle sicher, liegt das demokratietheoretische Problem: Wenn einer klipp und klar sagt, was er will, verprellt er umgehend all diejenigen potentiellen Wähler, die genau das eben nicht wollen. Wer traut sich das schon? Außerdem kommt rucki-zucki die (übrigens in keiner Weise demokratisch legitimierte) Sprachpolizei um die Ecke und rügt, daß man das – egal, worum es im Einzelfall gehen mag – so nicht sagen könne oder dürfe. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Warum aber eigentlich „teuer“? Teuer für wen? Für die Bezieher der Grundrente sicher nicht. Ganz im Gegenteil. Des Einen Kosten sind des Anderen Einkommen. Immer! In einer Volkswirtschaft kommt – ähnlich wie in einem Universum – nichts weg. Es gibt schlechterdings kein „weg“. Aber auch das ist ein anderes Kapitel.