Wie das Leben so spielt. Gestern noch mußten wir uns fragen, wie in drei Teufels Namen jemand auf die Idee kommen kann, einen Stockschirm auf den Massenmarkt zu werfen, der wahrscheinlich schon als Schirm, aber ganz sicher nicht als Stock taugen dürfte. Bolle meint: Wenn schon Zwergenschirm, dann doch besser einen Knirps.
Natürlich sieht Bolle ein, daß der Gebrauch eines Stockes wohl ein wenig aus der Mode gekommen ist. Wenn schon Gehhilfe, dann nutzt der rüstige Rentner (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) doch eher einen Rollator. Allerdings: Kaum war die Tinte trocken, kam Bolle eine alte Folge von ›Mit Schirm, Charme und Melone‹ unter – wie sie auf ›One‹ dankenswerterweise seit geraumer Zeit ausgestrahlt werden. Es handelte sich um ›Die fehlende Stunde‹ aus der vierten Staffel (England 1965) mit Patrick Macnee alias Mr. John Steed und Emma Peel („Karate-Emma“) alias Mrs. Diana Rigg, einer ›Dame Commander‹ des Order of the British Empire.
Warum wir das alles erwähnen? Unsere Großeltern hatten seinerzeit zwar noch keine Smartphones und dergleichen – dafür aber hatten sie Stil. Unnötig zu erwähnen, daß Bolle das ausgesprochen sympathisch findet.
Nun – in der Folge war es so, daß Mr. Steed mächtig mit seinem Stockschirm gewedelt hat. Offenbar hatte er richtig Spaß dabei. Da sage noch einer, Engländer seien steif. Und da sage noch einer, Schirme seien nur bei Regen brauchbar. So sehr hat er gewedelt, daß (bei damaliger Bildauflösung) die Schirmspitze nicht mehr scharf zu erkennen war. Wir mußten, um den Eindruck nicht zu verfälschen, die Spitze eigens nacharbeiten.
Und nun stellen wir uns vor, Mr. Steed hätte einen Stockschirm, wie wir ihn gestern vorgestellt haben, dabeigehabt: Die Schirmspitze wäre ziemlich genau auf Höhe der Baumkronen gewesen. Bolle meint: Wie albern wäre das denn? Manchmal kommt es eben doch auf Größe an.
Mittlerweile übrigens haben beide längst das Zeitliche gesegnet. Patrick Macnee 2015 im gesegneten Alter von 93 Jahren und Diana Rigg 2020 mit 82 Jahren in einem Alter, über das man sich wohl auch nicht beschweren kann. Philosophisch gewendet findet Bolle ja immer, das sei das bitter-süße an alten Filmen: Die Möglichkeit der Verwandlung in andere Figuren und Schauplätze (André Heller: Abendland 1976) beziehungsweise das Erleben längst vergangener Zeiten als definitives Kontrastprogramm – wenn auch nur aus der Zuschauerperspektive. Man sagt ja, Reisen bildet. Bolle findet, für Zeitreisen gilt das mindestens ebenso: Hilft es einem doch sehr, die eigene Gegenwart als das zu sehen, was sie ja schließlich auch ist. Vanitas – eitler Schein. Der Wimpernschlag eines Wimpernschlages – wenn überhaupt. Manchen mittelalterlichen Philosophen war das übrigens durchaus noch klar – auch ohne alte Filme gucken zu müssen. Das alles aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.