Dieser Tage hatte Bolle Weihnachtspost im Spam. Normalerweise löscht sich sowas ja von selber. Aber dieses mal – schließlich ist bald Weihnachten, das Fest der Liebe – wollte Bolle ausnahmsweise auch mal lieb zu seinem Spam sein. Also klick und auf.
Dort hieß es, die Adventszeit stehe vor der Tür – was Bolle ein wenig befremdlich fand: schließlich ist die Adventszeit bereits zu einem Drittel um. Von wegen vor der Tür. Nun sei das – hieß es weiter – die Zeit für besonders gute Weine. Das war Bolle neu. Zwar liegen Wein und Weihnachten rein phonetisch nicht allzu weit auseinander. Aber von Glühwein einmal abgesehen war Bolle der Zusammenhang bislang nicht helle.
Richtig ist allerdings, daß der Heiland höchstselbst gelegentlich gepichelt hat. So ist er, zumindest in David Safiers ›Jesus liebt mich‹ (2008) geradezu ins Schwärmen geraten, als er nach zweitausend Jahren Abstinenz im Himmelreich in Gestalt eines Joshua mit Marie, einem Erdenwesen, in einer Pizzeria saß und bei einem Glas Rotwein meinte: „Den habe ich vermißt.“
Jedenfalls sollte Bolle, so der Vorschlag, ein Sechser-Pack „einzigartiger“ festlicher Weine erstehen und „genießen“. Dazu noch vier Gläser – wohl, damit man den Wein nicht aus der Flasche trinken muß. Irgendwie hat man da an alles gedacht.
Was man womöglich weniger bedacht hat: Wieso im Namen des Herrn – um nicht zu sagen: in drei Teufels Namen – sollte einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) ausgerechnet in der Adventszeit mit neuen Sorten rumexperimentieren, statt die Zeit froh und besinnlich – kontemplativ gar – zu verbringen und das zu trinken, was er kennt und mag? Oder ist das jetzt zu konservativ gedacht? Bolle jedenfalls ist derlei völlig fremd.
Immerhin erinnert ihn das an eine alte Geschichte. Damals, vor furchtbar vielen Jahren, sollte oder wollte er im Rahmen eines Studentenjobs ganz ähnliche Dinge telephonmarketingmäßig anpreisen – und zwar nicht nur zur Weihnachtszeit.
Beim allerersten Briefing mit dem Verkaufsleiter meinte Bolle ohne Arg, Weintrinker hätten wohl höchstwahrscheinlich bereits ihre Quellen. Was denn da der Telephonverkauf ausrichten könne? Der Verkaufsleiter – das weiß Bolle noch wie heute – hatte ihn damals angeguckt als käm‘ er von ‘nem anderen Stern. Kurzum: Bolles Karriere als Telephonverkäufer für einzigartige Weine endete am ersten Tag in der allerersten Stunde. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.