Do 04-02-21 Höret auf den Herrn …

Höret auf den Herrn.

Die Blöße des Fleisches bedecken von der Nase bis ans Kinn wider seinen Nächsten? Kommt einem bekannt vor. Offen bleiben muß indes, ob es in dieser Adaption in der Tat der Herr ist, der das fordert – und bei Zuwiderhandlung seinen Zorn ergrimmen läßt –, oder ob es sich hierbei nicht doch eher um schnödes Menschenwerk (in Gestalt von Bolle, etwa) handelt.

Für ein solides Zwischenfazit ist es – auch ein Jahr nach „Ausbruch“ der „Pandemie“ – wohl noch zu früh. Vorläufig bleibt nur das Erstaunen darüber, was plötzlich alles möglich ist und vor allem, wo, wenn es zum Schwur kommt, die Werte der Gesellschaft liegen. Was geht, Alter? Was guckst Du? Leben sticht Würde – das haben wir schon geklärt (vgl. dazu Mi 16-12-20 Das sechzehnte Türchen …). Was anderes war von notorischen Bangbüchsen auch nicht zu erwarten. Allerdings versteht Bolle unter diesen Umständen immer noch nicht, wieso bei der gegebenen Prioritätenlage Autofahren nach wie vor erlaubt ist (vgl. dazu So 03-01-21 Step by step …). Von öffentlichem Nahverkehr – der zur Zeit vermutlich noch sehr viel gefährlicher sein dürfte als Autofahren – ganz zu schweigen.

Was Bolle einleuchten würde: Wir steuern mit Schmackes auf eine Gerontokratie zu (neudeutsch: „Seniorendemokratie“) – und ausgerechnet dieses Jahr wird ein „Superwahljahr“ werden. Wenn Bolle sich nicht verzählt hat, dann stehen neben der Bundestagswahl nicht weniger als 5 Landtagswahlen an. Und Senioren sind nicht zuletzt auch Wähler – so ist das nun mal in einer Demokratie. Wie heißt es doch sinngemäß bei Faust? Zum Amte drängt, // Am Amte hängt // Doch alles. Ach wir Armen! (Zeilen 2802–2804). Das würde auch erklären, warum ein Impfstoff in der Hand so viel wichtiger ist als ein Impfstoff auf dem Dache – also in anderen Ländern. Im übrigen wünscht Bolle allen und jedem (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) ein langes, glückliches und erfülltes Leben. Aber das ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Do 28-01-21 Sozialisation. Wird schon? Oder Hohn?

Bolles Definition von Sozialisation.

Zugegeben: Eine regelrechte Definition im aristotelischen Sinne, von wegen „omni definitio fit per genus proximum et differentiam specificam“, ist das natürlich nicht. Bolle mag sie trotzdem. Bleiben wir also dabei – und suchen wir uns einen cartesianischen Ausgangspunkt. Clare et distincte, eben. Den zu finden ist allerdings gar nicht allzu schwer.

Erstens: Man kann es, egal was man tut, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene unmöglich allen recht machen – es sei denn, alle sind per se der gleichen Meinung bzw. haben eine ähnliche Vorstellung davon, was eine „gute“ Gesellschaft ausmacht. Davon allerdings können wir weiß Gott nicht ausgehen.

Zweitens: Je „homogener“ eine Gesellschaft, desto wahrscheinlicher ist es, daß die Vorstellungen von einer „guten“ Gesellschaft einigermaßen deckungsgleich und damit politisch handhabbar sind. Sowohl die Werte als auch das Verhalten und nicht zuletzt auch das Erscheinen bilden sich – und zwar von Kindertagen an – in der Auseinandersetzung mit den jeweils Anderen. Niemand, wirklich niemand, entwickelt sein Weltbild out of thin air.

Drittens: In einer „heterogenen“ Gesellschaft ist das grundsätzlich anders. Hier treffen nicht selten Leute, die die Verfassung sprichwörtlich unterm Arm tragen, auf Leute, die – nur zum Beispiel – die Sharia für verbindlich halten. Dürfen die das? Aber Ja doch. Jeder mag nach seiner Façon glücklich werden – das hat der Alte Fritz vor über 250 Jahren schon so gesehen. Allein: Eine gelingende Sozialisation – i.S.v. „Du wirst so wie die Leute um Dich herum“ – ist auf diese Weise nicht möglich. Warum nicht? Weil „Die Leute um Dich herum“ einfach nicht mehr definiert sind.

Daraus folgt, viertens: Je heterogener eine Gesellschaft aufgestellt ist, desto heftiger wird sich ein Teil der Gesellschaft in ihrer Freiheit eingeschränkt bzw. in ihren Werten (i.S.v. ›allgemeines Für-richtig-halten‹) verraten fühlen.

Damit stellt sich die Frage, wie eine „Mehrheitsgesellschaft“ mit so etwas umgehen soll. Die naheliegendste Möglichkeit wäre eine Art von Werte-Relativismus („Macht doch, was Ihr wollt“). Eine charmante Idee – nur läßt sich darauf kaum eine Gesellschafts- und schon gar nicht eine Rechtsordnung aufbauen. Demnach haben wir es hier also mit einer „Null-Lösung“ zu tun: fein – aber nicht funktional.

Die anthropologisch bzw. sogar biologisch seit Jahrmillionen eingeführten „Konflikt-Bereinigungsstrategien“  sind Unterwerfung, Vertreibung und schließlich auch Vernichtung – in dieser Reihenfolge (Schwarz’sche Konfliktlösungsstufen). Guckt Ihr denn nie Tierfilme? Oder glaubt Ihr etwa, das sei nicht vergleichbar und homo sapiens stünde über den Dingen? In diesem Falle würde Bolle Darwin gerne herzlich grüßen lassen.

Kurzum: daß in einer Gesellschaft verschiedene Werte vorherrschen, ist unabänderlich. Dabei gilt: Je heterogener, desto verschiedener. Einfach laufen lassen ist dabei keine Option – jedenfalls nicht auf längere Sicht. Für die drei restlichen Optionen brauchen wir dringend – um in der Tierreich-Analogie zu bleiben – so eine Art Beißhemmung. Nicht alles, was technokratisch „zielführend“ scheint, ist humanistisch auch vertretbar und könnte – um auf Darwin zurückzukommen – einen evolutionären Rückschritt um einige Millionen Jahre bedeuten. Es sei denn, wir finden eine sophistischere Definition von Evolution. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Auch und vor allem die Frage, was das alles mit dem 76. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zu tun haben soll, ist so was von ein anderes Kapitel, daß wir an dieser Stelle unmöglich darauf eingehen können.

Mi 27-01-21 Wahn und Wirklichkeit

Wahn und Wirklichkeit in der Dreigroschenoper.

„Wahn“ – das ist den meisten nicht klar – ist ein uraltes Wort. Der Ursprung läßt sich zurückverfolgen bis ins Althochdeutsche und darüber hinaus ins Germanische, Gotische und Altnordische. Und überall bedeutet es das gleiche – nämlich ›Hoffnung, Erwartung‹. Man könnte auch sagen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die semantische Nähe zu „Wahnsinn“ dagegen ist vergleichsweise jung. Um vermeidbaren Konfusionen vorzubeugen, sollten wir uns besser auf „Wunsch und Wirklichkeit“ verständigen.

Die Wirklichkeit taucht regelmäßig im Singular auf – auch wenn die Perspektiven darauf höchst vielfältig sein mögen. Der Wünsche dagegen gibt es furchtbar viele. Auf den Brecht’schen Punkt gebracht: Wer plant, muß wählen. Damit ist zwar noch lange nicht gesagt, daß der Plan dann auch „geht“. Aber immerhin: It’s a start. Aber wählen – man könnte auch sagen: entscheiden – ist beileibe nicht jedermanns Sache. Und das ist karrieretechnisch ja auch durchaus klug. Wenn einer sagt: Dieses will ich, jenes nicht – dann hat er, namentlich in einer pluralistischen und massenmedial gesteuerten Gesellschaft, sofort alle am Hals, die exaktemente das Gegenteil wollen. Und wenn sich – rückblickend betrachtet – mehr oder weniger „nachweisen“ läßt, daß das ursprünglich Gewollte in eine Sackgasse geführt hat oder zumindest schwere „Nebenwirkungen“ mit sich gebracht hat, dann steht’s schlecht um die weitere Karriere. Folglich produziert „das System“ scharenweise Leute, die sich vernünftigerweise immer schön bedeckt halten. Einer Problemlösung, die den Namen verdient, kommt das allerdings  weniger zugute. So ist das nun mal bei Nash-Gleichgewichten. Sei’s drum.

Was hat das alles mit Corönchen zu tun? Corönchen – das scheint Bolle das Gute daran – wird uns zwingen, unsere vielfältigen Wünsche mit der einen Wirklichkeit abzugleichen. Im Zweifel gewinnt die Wirklichkeit – egal, was wir für wünschenswert halten. Im Moment sieht es ganz danach aus, als würden die „Markt-Taliban“ – die die letzten Jahrzehnte absolut die Oberhand hatten –  ein wenig in die Defensive geraten. Und das ist wohl auch gut so – andererseits dann aber doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Fr 22-01-21 Vom Wollen und Verwirklichen

Der Turing-Test in Bolles Adaption.

Die IT-Technologie hatte in den 1940er Jahren für damalige Verhältnisse gigantische Fortschritte gemacht. Weder der Bau der Atombombe noch die Entschlüsselung der ENIGMA wäre ohne „Maschinen“ – wie die Rechner damals noch hießen – möglich gewesen. Damit kam die Frage auf, was passieren müsse, um eine Maschine als „intelligent“ einstufen zu können bzw. gar zu müssen. So kam es 1950 schon zum (später) so genannten „Turing-Test“: Wenn ein Mensch sich über längere Zeit mit einer Maschine austauschen würde, ohne seinen „Gesprächspartner“ als Computer „entlarven“ zu können, dann müsse man – so Turing – davon ausgehen, daß die Maschine „intelligent“ sei. Der Clou dabei: Wir reden hier nicht von humanoider Intelligenz. Der konnten und wollten die frühen Nerds schon damals nicht allzu viel zutrauen. Falls Ihr Zweifel habt: Fragt Euch doch mal kurz, was die dritte Wurzel aus 4711 ist? Und dann fragt mal Euren Taschenrechner. Die Antwort ist etwa 16,76374. Und? Wer war schneller? Oder zählt mal kurz durch, wie oft der göttliche Zuspruch „Fürchte Dich nicht“ in der Bibel vorkommt. Eine Maschine erledigt so etwas in sekundenschnelle. Oder versucht mal, einen modernen Schachcomputer zu schlagen. Fassen wir zusammen: Maschinen ticken anders – und können dabei sehr, sehr vieles sehr viel besser als humanoide Intelligenz das jemals können wird. Damit stellt sich früher oder später – nach heutigem Stand eher früher – die Frage: Wer hat auf Dauer das Sagen? Maschinen oder Menschen? Diese und ähnliche Überlegungen veranlaßten Turing damals schon zu der verschärften Fassung – daß also Maschinen auf die Idee kommen könnten, daß Menschen letztlich gar nicht denken können.

Und? Was sagt Bolle? Schlimmer geht immer. Wir hatten diesen Punkt am Rande schon mal kurz gestreift – vgl. dazu Fr 04-12-20 Das vierte Türchen … Bei ›Alice in Wonderland‹ heißt es ganz treffend:

– Könntest Du mir bitte sagen,
wie ich von hier aus am besten weiterkomme?
– Das hängt schwer davon ab, wo Du hin willst …

Kurzum: Solange man nicht weiß, wo man hin will, muß man sich nicht wundern, wo man ankommt – falls überhaupt irgendwo. Können die Maschinen das nicht für uns ausrechnen? Nein, können sie nicht. Wo wir hinwollen, müssen wir schon selber wissen. Und wenn wir uns nicht trauen zu wollen, sieht’s finster aus – furchtbar finster. Übertrieben? I wo. Hier ein einziges, klitzekleines Beispiel aus den heutigen Nachrichten: Wir wollen (1) „Freie Grenzen in Europa“ und wir wollen (2) „Die Pandemie eindämmen“. Ja, was denn nun? Idealerweise beides – und zwar gleichzeitig. Das funktioniert aber absehbar nicht.

Eine Maschine würde kühl zwei Eingaben erwarten:
Was sind die Zielparameter (was wollt Ihr erreichen)?
Was sind die Aktionsparameter (an welchen Stellschrauben ließe sich drehen)?

Und wenn wir dann bei Zielparameter „Friede, Freude, Eierkuchen“ nebst „Demokratie und Freiheit“ und vielleicht auch noch „heal the world“ eingeben, dann wird jede Maschine – und sei es die intelligenteste – ein fröhliches „Error“ ausspucken: Gleichungssystem nicht lösbar. Ein humanoides soziales System – insbesondere eine Demokratie – braucht da deutlich länger, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen. Das indes geht absehbar so lange so weiter, bis die Maschinen dann letztlich doch zu dem Ergebnis kommen, daß Menschen in der Tat nicht denken können – und nicht einmal zu wollen wissen. Aber das ist dann wirklich doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Do 21-01-21 Heil everybody

Heal the world …

Wenn ein alter weißer Mann – bzw. auch, wie hier, ein deutlich jüngerer, originär schwarzer Mann – von „healing“ redet, dann klingt das doch gleich sehr viel sympathischer als wenn ein derangierter Österreicher „Heil“ im Munde führt. Dabei ist der Begriff an sich ebenso alt wie unschuldig: Von „Heile, heile Gänschen“ bis hin zum Heiland der Christenmenschen – überall kommt er vor. Nur ist er im deutschen Sprachgebrauch halt völlig verbrannt. „Heal“ kommt da sehr viel unverfänglicher rüber. Doch das ist gar nicht unser Thema heute.

Jetzt haben die Vereinigten Staaten also endlich einen großen weißen – vielleicht sogar ja weisen? – Heiler am Start. Was indes das „Heilen“ oder auch nur – geht’s ne Nummer kleiner? – das „Einen“ angeht: Die Amerikaner hatten dafür nunmehr 400 Jahre Zeit. Und doch ist das Land heute noch immer ähnlich zerrissen wie das England der nach-elisabethanischen Zeit, dem die Pilgram Fathers (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) 1620 auf der Suche nach einem besseren Leben entflohen waren. 400 Jahre – das entspricht 13 Generationen und damit geradezu biblischen Maßstäben. Viel mehr kommen selbst im Alten Testament nicht zusammen.

Was läuft da schief? Nun – erst mal haben die zugereisten Amerikaner stolze 250 Jahre (von 1620 bis 1865) gebraucht, um auch nur die Sklaverei abzuschaffen. Und das auch erst nach einem regelrechten Bürgerkrieg – in dem es übrigens bestenfalls am Rande um die Sklavenfrage ging. Einheit der Nation? Bis zur (zumindest offiziellen) Aufhebung der Rassentrennung in Jahre 1964 sollte es übrigens noch weitere 100 Jahre dauern.

Daß es ausgerechnet jetzt darum gehe, „das zerrissene Land“ wieder „zu versöhnen“, hält Bolle daher mehr für professionelle Polit-PR und weniger für historische Gegebenheit. Und daß ausgerechnet der abgewählte 45. Präsident der Vereinigten Staaten, Mr. Donald Trump, mit albernen vier Jahren Regierungsverantwortung für die „Spaltung des Landes“ verantwortlich sein soll, ist durch die historische Brille betrachtet schon ziemlich naiv. Immerhin durfte J.Lo im Rahmen der Inauguration (Wörter gibt’s, die kennt keener …) This land is made for you and me zum besten geben – einen Woody-Guthrie-Song von 1940. Bei Lichte betrachtet war das seinerzeit wie heute mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Hier die Gretchenfrage: Was ist, wenn es „for you and for me“ einfach nicht reicht – zumindest „gefühlt“ nicht? Dann kommt, das würde viel erklären, ein anderes ur-amerikanisches Leitmotiv ins Spiel: The winner takes it all – was sich übrigens bis heute im amerikanischen Wahlrecht unangenehm bemerkbar macht. „Einen“ oder gar „heilen“ – da ist sich Bolle sicher – läßt sich unter solchen Leitlinien kaum. Indes – das sind halt immer noch die alten Cowboys. Kurzum: The land of the free ist noch lange nicht the place to be – jedenfalls nicht für die unteren Schichten, die aus eigener Kraft eigentlich kaum eine Möglichkeit haben, sich aus ihrer Lage zu befreien – zumindest nicht in der Breite. Eine Chance zu haben ist die eine Sache. Diese Chance auch verwirklichen zu können, eine völlig andere. Aber genau darauf – diesen Unterschied nicht zu kapieren – baut der „amerikanische Traum“ auf. Bolle meint: Träumt weiter.

Und? Was macht der Journalismus 2.0? Rückt den Healer in bedenkliche Nähe zum Heiland der Christenmenschen. Das könnte durchaus als gottlos durchgehen – auch wenn das so wohl nicht gemeint sein mag. Aber so kann es gehen, wenn ein ganzer Berufsstand von jeglichem Ausbildungserfordernis freigestellt ist und dabei Leute anlockt, die professionelle Distanz für „nicht mehr zeitgemäß“ halten. Von wegen „Schreiben, was ist“ (Rudolf Augstein).

Im übrigen: Wenn ein alter weißer Mann als „Healer“ auftritt – wie sonst nur indigene Schamanen –, dann ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis jemand von der Sittenpolizei mit „kultureller Aneignung“ um die Ecke kommt. Wir werden sehen. Aber das ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Mi 20-01-21 Maaslosigkeiten

Recht haben — und Recht haben dürfen.

Neuerdings gibt es in Deutschland – falls man dem amtierenden Außen(!)-minister folgen mag, zwei Gruppen von Grundrechtsträgern: Solche, die ihre Grundrechte „ausüben“ dürfen – und solche, bei denen das nicht der Fall ist. Bolle meint – ketzerisch, wie er nun mal ist: Ein Grundrecht, daß ich nicht „ausüben“ darf, ist keinen Schuß Pulver wert. Dann kann man’s auch gleich knicken. Das wäre wenigstens ehrlich.

Rudolf von „Ih-Hering“ – wie er unter Jura-Studenten als kleine Gedächtnisstütze auch gerne genannt wird – hatte damals mit seinem Spruch einiges an Aufsehen erregt. Seinerzeit glaubte man überwiegend („herrschende Lehre“) noch daran, daß sich das Recht aus göttlicher Güte und Vollkommenheit naturgegeben ableiten ließe. Das indes ist 150 Jahre her. Heute – deutlich säkularisierter – glauben viele, daß die Demokratie (i.S.v. ›die Herrschaft der Guten‹) auch zu „gutem“ Recht führen müsse bzw. zumindest werde. Mit solchen „Hammer-Sprüchen“ dürften heutzutage viele nicht mehr allzu viel anfangen können. Hohe Zeit also, daß wir zumindest daran erinnern. Mit äußerst feinen Unterscheidungen indes wie „Rechte haben“ vs. „Rechte ausüben dürfen“ brillieren traditionsgemäß in erster Linie wohl nur Juristen – wie nicht zuletzt unser Außenminister. Gute Argumente? Lassen sich immer finden. So was lernt man im Studium. Aber das ist vielleicht schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 14-01-21 Derangierte Demokraten

Esse vera — wirklich wahr?

Bolle, sollen wir das übersetzen? Unbedingt!

Weiter ist aber auch das Wissen erforderlich,
daß alles das, was wir
klar und deutlich einsehen,
und in eben der Weise, wie wir es einsehen,
wahr ist.

Zugegeben: Das läßt noch Spielraum für die Wahrheitsfindung.

Was allerdings die Demokraten in God’s own country sich derzeit leisten, sprengt jede Grenze zwischen Wahrheit und Wahnsinn. Da wird allen Ernstes wenige Tage vor dem Ablauf der Amtszeit eines vom Volke gewählten Präsidenten unter Bemühung an den Haaren herbeigezogener Verfassungszusätze ein Amtsenthebungsverfahren initiiert. Mit dem gegenwärtigen Präsidenten kann das schon rein aus Zeitgründen nichts zu tun haben. Was dann? Es geht ganz offensichtlich und ganz allein um den möglichen 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten im Jahre 2025 – Mr. Donald Trump, schon wieder. Horror horribilis. Kann man so sehen – muß man aber nicht. Natürlich steht es jeder Partei frei, ihre politischen Widersacher zu bekämpfen. Aber völlig ohne Maß und Mitte? Und voll am Volk vorbei – indem man potentiell aussichtsreiche Kandidaten gleich im Vorfeld abschießt? Und das ausgerechnet von Leuten, die sich „Demokraten“ nennen? Schon Aristoteles etwa hätte so etwas vor 2.300 Jahren, vorsichtig gefaßt, wohl eher als untugendhaft empfunden.

Letztlich muß man sich wirklich fragen, wessen Demokratie-Verständnis am krassesten unterentwickelt ist: Das von Trump, das der Demokraten, das von Twitter und Konsorten („Twitter & Co.“) – oder womöglich gar das der Presse?

Wenn eine private Firma wie Twitter dem amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Maulkorb verpaßt, dann heißt es in den Systemsendern, für Trump habe es sich „ausgezwitschert“. Ein bemerkenswertes Verständnis von Meinungsfreiheit und Demokratie.

In der Tat hat es nach der Sperrung des Twitter-Accounts Tage gedauert, bis sich die nachdenklicheren, und wohl auch klügeren, Vertreter der schreibenden Zunft zum Beispiel wie folgt geäußert haben (Garbor Steingarts Morning-Briefing vom 12. Januar):

[…] die Meinungsfreiheit ist unter die Räuber gefallen. Diese Räuber bleiben auch dann Räuber, wenn sie sich selbst dem Publikum als Samariter vorstellen.

Aber auch zuvor schon, fast 300 Jahre zuvor, haben ganz offenkundig hellere Geister – wie zum Beispiel Alexis de Tocqueville in seinem Werk „Die Demokratie in Amerika“ (1835 / 1840) – vor der „Tyrannei der Mehrheit“ gewarnt.

Derlei indes kann zeitgenössischen Journalismus 2.0 kaum anfechten. Hier geht es überwiegend darum, wer aufgrund welcher Mehrheitsverhältnisse welche Chancen hat, mit welcher Missetat durchzukommen. „Schwimmflügel-Journalismus“ nennt Bolle das: alles tun, um immer hübsch an der Oberfläche zu bleiben. Ist ja auch sicherer. Das hat man nun davon, wenn man – seinerzeit aus guten Gründen, übrigens – einen ganzen Berufsstand von jeglichem Ausbildungserfordernis freistellt. Aber das ist dann doch schon wieder wohl ein anderes Kapitel.

Nachtrag in eigener Sache: agenda 2028  wird heute 9 Jahre alt. Allet Jute zum Jeburtstach! Hoch sollse leben!

So 10-01-21 Das Imperium schlägt zurück …

Von alten Eseln und Säcken …

Die Wendung stammt ursprünglich von Titus Petronius Arbiter, einem römischen Senator und gleichzeitig Vertrauensperson von Kaiser Nero – Arbiter heißt wörtlich ›Schiedsrichter‹ –, und findet sich in seinem Sittenroman »Satirae« bzw. »Satyricon«. Wörtlich heißt es dort: Qui asinum non potest, stratum caedit – wer den Esel nicht (schlagen) kann, haut dafür halt auf die Satteldecke.

Da fragen wir uns doch: Wer oder was ist hier der Esel, und wer oder was der Sack? Nun, der Sack ist in diesem Fall der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, Mister Donald Trump. Noch nie wurde, falls Bolle sich recht erinnert, auf einen amtierenden Präsidenten dermaßen eingedroschen – wenn wir von Franklin D. Roosevelt (der 32. Präsident, von 1933–1945) vielleicht einmal absehen wollen. Aber damals waren die Zeiten allgemein noch gesitteter. Und? Was ist der Esel? Die gesamte Ausrichtung wohl, die einer Menge Leute so ganz und gar nicht ins Weltbild passen will – angefangen mit dem äußerst griffigen „America First“. Man könnte sich ja durchaus fragen: Ja, was denn sonst? Ein Staatenlenker, und sei es der Präsident der westlichen Führungsmacht, hat bitteschön zuförderst für seine Leute da zu sein – und nicht als Weltenretter zu brillieren. Könnte man meinen – muß man aber nicht. Die mediale Einigkeit indessen, mit der letzteres als Selbstverständlichkeit präsentiert wurde, ist schon bemerkenswert.  Was ist nun „wahr“? Das wird die Geschichte zeigen – und nur die Geschichte.

Auf Mr. Trump indes kommen absehbar harte Zeiten zu. Allem Versöhnungs-Gesäusel zum Trotze werden seine politischen Gegner, sekundiert von einigen opportunistischen Parteifreunden, jetzt erst mal so richtig auf ihn eindreschen. In einem Land, in dem man (wie Julian Assange) allein für solide journalistische Arbeit 175 Jahre einsitzen kann, könnte das durchaus unangenehm werden. Bolle fragt sich schon länger: Warum tut sich einer sowas überhaupt an? Zivilcourage? Übermut? Das aber ist schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 09-01-21 Und? Wie geht’s weiter?

Humans go Borg.

Borg, das sind diese etwas gruselig anmutenden Mischwesen – zum Teil organisch, zum Teil technisch-maschinell –, wie wir sie aus Star Trek kennen. „Definitely not Swedish“, also – vgl. dazu etwa den Film ›Der erste Kontakt‹ (USA 1996 / Regie: Jonathan Frakes). Das Gute aus menschlicher Sicht: Wenn man ihnen einen ihrer vielen Stecker zieht, fallen sie sofort tot um. Und das ist wirklich praktisch, weil ansonsten wird man rucki-zucki „assimiliert“ und damit selber zum Borg – ganz ähnlich wie bei den schwarzen Schlümpfen. Widerstand ist zwecklos – so der bekannte Borg-Schlachtruf.

Was hat das mit Corönchen zu tun? Nun ja – Bolle sieht eine besorgniserregende Tendenz, daß wir uns, wenn auch vielleicht nur ungern, in eine ähnliche Richtung bewegen. Ohne medizinische Voll- und Dauerversorgung ist ein großer Teil der Menschheit, zumindest in fortgeschrittenen Gesellschaften, eigentlich nicht mehr überlebensfähig. Umgekehrt gewendet: Wenn man ihnen den Stecker zieht …

Wir wollen hier die erheblichen Fortschritte der Medizin nicht kleinreden. Wenn man sich eine Fernsehserie wie etwa ›Charité‹ (ARD, gibt’s aber auch auf Netflix) unter diesem Gesichtspunkt anguckt und sich klarmacht, daß das alles gerade mal gut 100 Jahre her ist, dann wird man die Fortschritte kaum leugnen können. Aber schneller noch als die Fortschritte sind die Ansprüche gewachsen. Ableben ist heutzutage offenbar keine Option mehr.

Mit dem „Kampf gegen Corona“ – so einer Art „bio-chemischer Kriegsführung“ – haben wir, wie’s scheint, ein ganz neues Faß aufgemacht. Wir werden sehen, was draus wird. Eines indes – und hier kommt der Ökonom in Bolle durch – scheint sich deutlich abzuzeichnen: die Abhängigkeit breiter Schichten wird zunehmen.

Bolle teilt die Welt stumpf ein in begüterte Schichten und weniger begüterte Schichten – wobei den begüterten Schichten eine Tendenz innewohnt, ihre Begüterung weiter auszubauen. Das kann man machen, indem man die weniger Begüterten als Pächter auf „seinem“ Grund und Boden arbeiten läßt (vgl. dazu etwa ›Der kleine Lord‹ (GB 1980 / Regie: Jack Gold). Man kann es aber auch machen, indem man auf alles zugreift, was eine zeitlang zur sog. „Daseinsvorsorge“ gehörte – also alles, was für ein „normales“ Leben der weniger begüterten Schichten schlechterdings unverzichtbar ist: Dazu gehören etwa Wohnen, Wasser, Energieversorgung und Infrastruktur. Kann man alles „privatisieren“ – muß man aber nicht.

Wenn es jetzt so weit kommt, daß der eigene Körper ohne technische Hilfe von außen nicht mehr funktioniert, dann erschließen sich den begüterten Schichten völlig neue und nie versiegende Einnahmequellen. Aber zahlt das nicht die Krankenkasse oder „der Staat“? Sicherlich. Und wer bezahlt die Krankenkasse oder den Staat? Eben. Aber das ist vielleicht schon wieder ein anderes Kapitel.

Fr 08-01-21 Corönchen-Sendepause

Von Eulen und Nachtigallen.

Immer nur Corönchen-Berichterstattung, Corönchen-Sondersendungen, Corönchen-Inzidenz­zahlen auf die Einer-Stelle genau – nebst dem regelmäßigen belehrenden Hinweis, daß die „Daten nur bedingt vergleichbar“ seien. Das hält man ja im Kopp nich aus. Zum Glück hat sich mit dem Neuen Jahr ein frisches Thema ergeben. Wir reden hier vom „Sturm auf das Kapitol“, der – allen Ernstes – „Herzkammer der Demokratie“. Das hätte 1789 mal einer den Franzosen erklären sollen. Wir wollen hier nicht weiter auf die „Fakten“ eingehen. Allerdings wäre Bolle entzückt, wenn wir die folgenden drei Punkte etwas klarer auf die Reihe kriegen würden:

Erstens: Definiere »Demokratie«. Ist das a) die Herrschaft der Guten? oder b) die Herrschaft der Mehrheit? Wenn es nämlich b) die Herrschaft der Mehrheit sein soll – und sei sie noch so knapp, dann ist es natürlich nur gerecht, wenn Teile der Minderheit im Staatsfunk ganz offen und unverhohlen als „Mob“, als „Dummköpfe“ oder auch als „Verrückte“ bezeichnet werden. Aber wenn es sich dabei um die Hälfte der amerikanischen Gesellschaft handelt? Wat den eenen sin Uhl …  Vor allem aber ist Bolle völlig schleierhaft, wie man mit einem solchen Sprachgebrauch zur besten bildungsbürgerlichen Sendezeit zur „Versöhnung der Gesellschaft“ beizutragen gedenkt. Das klingt doch eher konfrontativ.

Zweitens: Definiere »Volk«. Sind das a) Stimmzettel-Einwerfer? oder b) Mitgestalter? In den USA versteht sich das Volk potentiell als Mitgestalter – sofern der Zweit- oder auch Drittjob dafür noch Raum läßt. Hey, it’s a free country after all. Muß man deswegen den Mitarbeitern im Kapitol Angst und Schrecken einjagen? Natürlich nicht. Indes: Auch zum Angst und Schrecken-Einjagen gehören immer zwei.

Drittens: Definiere »Gespaltene Gesellschaft«: Ist das a) eine Gesellschaft, deren Mitglieder verschiedener Meinung sind? oder b) eine Gesellschaft mit deutlich auseinanderklaffenden Lebensbedingungen in der Bevölkerung? Fall a) ist schlechterdings trivial – wenn wir von durchsozialisierten Stammes-Gesellschaften einmal absehen wollen. Für Fall b) bleibt unverblümt festzuhalten, daß sich die USA diesbezüglich noch nie mit Ruhm bekleckert haben. Bolle sagt: Schwarze und Hispanos. Bolle sagt: Indianer. Bolle sagt: working poor. Daß die USA eine abgrundtief gespaltene Gesellschaft sind, wird man auch bei maximalem Widerwillen nicht einmal Donald Trump, dem „Lord Voldemort“ der USA, ankreiden können.

Ein vierter möglicher Punkt wäre demnach: Definiere »Trump«, den Stachel im Fleisch des internationalen Journalismus, den ›Friede, Freude, Eierkuchen-Multilateralismus-Leugner‹. Ist das …?  Ja – das ist, da ist sich Bolle sicher, ein völlig anderes Kapitel …