So 05-10-25 Drama Queen

Ja, eure Reden, die so blinkend sind …

Und immer wieder erreichen uns Briefe,
in denen der ein oder andere schreibt:
„Treibt’s nicht zu arg mit der geistigen Tiefe,
damit uns des Sonntags mehr Frohsinn bleibt.“

Das Epigramm lehnt sich natürlich an an ›Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner?‹ (1930). Allerdings meint Bolle, hier passe es auch ganz gut. Laßt es uns also – zumindest öfters mal – etwas geruhsamer angehen und ›Polit/Presse/Populus – Der Tragödie dritter Teil‹ fürs erste zurückstellen. Aufgeschoben ist ja bekanntlich mitnichten aufgehoben. Auch wollen wir uns etwas knapper fassen, da den letzten Sonntagsfrühstückchen ja ein gewisser Hang zum Überschwang eigen war. Wohlan, denn!

Unser Schildchen zeigt eine hochgestellte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens – die wir natürlich via Augenbalken anonymisiert haben, da es uns stets nur um die Strukturen gehen soll und nie um einzelne Personen – bei einer Rede anläßlich irgendeines Anlasses. Offenbar ergriffen und bewegt von den eigenen Worten fing besagte Person auf offener Bühne und vor laufender Kamera an, ein wenig aus der Form zu fallen: Schmerzverzerrtes Gesicht inmitten der Rede – und womöglich Tränchen gar. So genau wollte Bolle das gar nicht wissen – dafür ist er nun mal zu dezent.

Das allererste indes, was Bolle dazu einfallen wollte, war eine Stelle aus ›Wag the Dog‹ (USA 1997 / Regie: Barry Levinson / mit Dustin Hoffmann und Robert de Niro).

Räuspern und ein Schlücken Wasser …

Im Film sollte der Präsident eine Rede halten – natürlich wie üblich vom Teleprompter abgelesen. Interessant fand Bolle, daß da nicht nur der reine Text steht, sondern auch regelrechte Regieanweisungen – ähnlich wie etwa die Anweisung ›pesante‹ (getragen), wie man es aus Partituren kennt. Hier also „sich räuspern und ein Schlückchen Wasser nippen“. Wer’s nicht glauben mag: Die Szene findet sich im Film an der Stelle 58´58´´. Und nun sage keiner, das sei eben Hollywood – mitnichten aber das wirkliche Leben. Hollywood bringt es womöglich nur auf den Punkt, das wirkliche Leben. Wir hatten es schon öfters mal erwähnt: Alle ein, zwei Jahre mal wieder diesen Film zu gucken, rein zur Auffrischung, scheint Bolle nachgerade eine Frage der geistigen Hygiene zu sein, eine Art Immunisierung gegen schädliche Einflüsse vielerlei Art  – so ähnlich wie Zähneputzen, nur eben nicht ganz so oft.

Aber vielleicht ist das alles ja auch gar nicht so. Vielleicht war besagte Person in der Tat von ihrer eigenen Rede so angegriffen (wie man bei unseren südlichen Nachbarn sagt) beziehungsweise so aufgewühlt, daß es halt kein Halten mehr gab. Unwahrscheinlich – aber möglich wär’s. Allein Bolle mag‘s nicht glauben.

Im übrigen: Der Sommer war sehr groß – wenn auch mitnichten der vom Journalismus 2.0 herbeihysterisierte Superhöllenhitzesommer mit fast 50 Grad im Schatten. Und in einem Monat schon beginnt – zumindest bei Bolle ist das so – die Weihnachtszeit und damit der besinnlichere Teil des Jahres. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 17-08-25 Wir tolerieren uns zu Tode

Rein — oder raus …?

Wir haben uns natürlich überlegt, ob wir Donald Trump heute mal auf unser Schildchen heben wollen. Schließlich soll es ja Leute geben, die durchaus der Ansicht sind, daß, egal was Mr. Trump so von sich gibt, das per se nicht stimmen könne. Mancher würde gar bestreiten, daß 2+2=4 ist, falls der das behaupten sollte. Bolle aber war dafür. Schließlich – so sein Argument – sei oft der Scherz ja wohl das Loch, durch das die Wahrheit pfeife. Vor allem aber fand er das alles ausgesprochen allegorisch. Im übrigen – das kam noch hinzu – war Bolles lieber guter alter Großpapa – Sanitätsoffizier in gleich zwei Weltkriegen – ganz ähnlich drauf. Bevor er sich hat irgendwo Essen servieren lassen, hatte er regelmäßig erst mal heimlich einen Blick in die Küche geworfen. Falls ihm die Zustände nicht zusagen wollten, dann blieb es halt beim Bier. Wer braucht schon Futter mit Bazillen?

Beim Titel haben wir uns von Neil Postmans ›Wir amüsieren uns zu Tode‹ anregen lassen. Es trägt den Untertitel ›Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie‹, ist schon 1985 – vor nunmehr 40 Jahren also – herausgekommen und noch immer (beziehungsweise gar schon wieder) ausgesprochen lesenswert. Mit Urteilskraft und Urteilsbildung ist es zur Zeit ja nicht allzuweit her, könnte man meinen.

Der letzte Satz des Gleichnisses meint natürlich die gegenwärtigen Aufräumarbeiten – falls man das so nennen mag – in Washington, D.C. Mr. President ist nämlich der Ansicht, daß es der Hauptstadt von God’s own country nicht schlecht zu Gesicht stünde, wenn sie keinen allzu verwahrlosten Eindruck machen und auch keinen Spitzenplatz im Mord- und Totschlag-Ranking einnehmen würde. Die rivalisierenden Demokraten, die dort mit überwältigender Mehrheit regieren, waren natürlich aufs blankeste entsetzt ob der präsidialen Einmischung in ihre – wie sie es sehen – inneren Angelegenheiten. Schließlich versteht man sich dort als durch und durch liberal – was sich am besten mit ›links‹ übersetzen läßt – und da legt man nun mal einen gewissen Wert auf ›anything goes‹ (Paul Feyerabend 1975). Nun aber könnte zwischen der wörtlichen Übersetzung ›Man kann alles machen‹ und der lebenspraktischen Aussicht ›Wird schon alles funktionieren‹ ein kleiner, aber feiner semantischer Unterschied liegen, der, so Bolles Vermutung, der „Liberal Crowd“ nicht immer voll bewußt zu sein scheint.

Damit aber wären wir dicht an der Allegorie. Garrett Hardin hatte, in etwa um die gleiche Zeit (1968), in seinem Aufsatz ›The Tragedy of the Commons‹ zum Thema Freiheit folgendes angemerkt:

Der Ruf nach „Rechten“ und nach „Freiheit“ liegt allenthalben in der Luft. Aber was bedeutet Freiheit? Als man übereingekommen war, zum Beispiel Raub unter Strafe zu stellen, wurden die Leute dadurch freier – und nicht etwa weniger frei.

Dem könnte man natürlich widersprechen, of course – so mancher Raubritter würde genau das tun –, muß man aber nicht. Spätestens seit Thomas Hobbes‘ ›Leviathan‹ (1651) dürfte den allermeisten einleuchten, daß ein Gemeinwesen, und sei es das liberalste (beziehungsweise freiheitlichste) einer gewissen inneren Ordnung bedarf, damit die Dinge eben nicht in Mord und Totschlag ausarten. Schließlich, so Hobbes, sei im Naturzustand der Mensch dem Menschen nun mal Wolf und neige dabei ›zum bellum omnium contra omnes‹ – dem Kriege aller gegen alle.

Aber schweifen wir nicht ab und beschränken wir uns für heute auf eine zumindest leidlich adrette Erscheinung als Parallele zu Trumps adretter Eingangstüre. So hat, wie man hört, die Mailänder Scala diesen Sommer erst eine explizite Kleiderordnung eingeführt: Wer sich untersteht, in Shorts, in Flip-Flops oder ärmellosen Hemdchen zu erscheinen, muß künftig leider draußen bleiben – ohne daß die Kosten für die Eintrittskarte in irgendeiner Form erstattet würden, versteht sich. Bolles liebe gute alte Großmama hätte in solchen Fällen nicht versäumt zu erwähnen, daß auf einen groben Klotz nun mal ein grober Keil gehöre.

Natürlich gab es umgehend Diskussionen – bis hin zu heftigem Protest. Aber was will man machen? ›Form follows function‹ ist nun mal nicht alles – auch wenn eine Menge Leute (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) namentlich der jüngeren Generationen nichts anderes gelernt zu haben scheinen. Zu der ›Form‹ im Spruch gehört, wie Bolle ernstlich meinen will, nun mal auch eine gewisse Form.

Übrigens: Wie man weiterhin hört, sollen die Yanks den Ukrainern gesteckt haben, daß Selenski beim nächsten Treffen doch bitteschön im Anzug zu erscheinen habe. Anderenfalls fände leider kein Treffen statt. Ist das jetzt Powerplay? Arroganz der Macht? Oder Pflege guter Sitten und Wahrung bewährter Umgangsformen? The wind of change, womöglich gar? Fragen über Fragen. Apropos Selenski: Der Journalismus 2.0 ätzt zur Zeit aus allen Rohren ob des Treffens der beiden Präsidenten am Freitag. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 13-07-25 Sicilia est insula

Reif für die Insel …

Nachdem unsere letzten Sonntagsfrühstückchen mitunter doch ein wenig haarig ausgefallen waren, wollen wir uns heute einem höchst harmlosen Sujet zuwenden. Dabei handelt es sich um die allerersten Sätze aus Bolles erster Latein-Fibel seinerzeit. Autor und Verlag haben sich mittlerweile im Dunkel der Zeiten verloren. Aber Bolle bleibt natürlich dran, of course.

Sizilien ist eine Insel.
Sardinien ist eine Insel.
Sizilien und Sardinien sind Inseln.

Bolle findet, das ließe sich möglicherweise selbst bei rudimentären beziehungsweise gar nicht vorhandenen Lateinkenntnissen durchaus noch erfassen. Sein erster Gedanke damals jedenfalls war: krass – ich kann Latein! Das dickere Ende sollte erst sehr viel später kommen, of course. Das dickere, wohlgemerkt, nicht etwa das dicke. Im Kern ist Latein ja durchaus logisch – was Bolle seinerzeit sehr entgegenkommen sollte.

Nun hat sich Bolle die Mühe gemacht, selbiges in eine gendergerechte beziehungsweise nachgerade woke Version zu transformieren. Am Informationsgehalt – der Tatsache nämlich, daß es sich sowohl bei Sizilien als auch bei Sardinien um Inseln handelt – ändert sich dabei nichts, und zwar rein gar nichts. Bolle wollte lediglich korrekterweise berücksichtigt wissen, daß auch die männliche Version gegebenenfalls „mitgedacht“ beziehungsweise mitberücksichtigt sein will. Und so kommen wir auf die alternative Version, die sich in manch jung-modern-aufgeschlossenen Kreisen ja durchaus einer gewissen Beliebtheit erfreuen dürfte – falls man dort überhaupt Latein sprechen würde.

Nun, bei der Kontemporärisierung hat sich der Text leider, leider, von ursprünglich 72 Zeichen auf 135 Zeichen aufgebläht – also auf fast das Doppelte. Bolle meint, wenn das damals schon so Sitte gewesen wäre, hätte er sicherlich nie Latein gelernt – und frühzeitig schon das Handtuch geworfen. Zum Glück waren das diesbezüglich seinerzeit deutlich weniger ambitionierte Zeiten.

Die Tatsache, daß sowohl Sizilien als auch Sardinien auch gegengeschlechtlich „gelesen“ werden können, beziehungsweise möglicherweise gar müssen, ist natürlich auch eine Information, of course – spielt aber im vorliegenden Falle keine, und zwar wirklich rein gar keine Rolle. Keinesfalls jedenfalls sollte derlei Blubbersprech eine Verdoppelung des Textumfanges rechtfertigen können. Wir hatten das vor langer Zeit schon mal thematisiert und dabei auf Schopenhauers § 287 in seinem ›Über Schriftstellerei und Stil‹ (1851) verwiesen und das mit ›Deutlich denken‹ unterschrieben (vgl. dazu So 06-09-20 Laber Rhabarber).

Der leitende Grundsatz der Stilistik
sollte seyn, daß der Mensch nur einen
Gedanken zur Zeit deutlich denken kann;
daher ihm nicht zuzumuthen ist,
daß er deren zwei, oder gar mehrere,
auf ein Mal denke. –

Bolle würde ja mitnichten meckern wollen – wenn das Ganze nicht allmählich pandemische Ausmaße angenommen hätte. Dabei handelt es sich hierbei nicht einmal um Redundanz – was als stilistisches Mittel ja durchaus seine Berechtigung haben mag. Vielmehr handelt es sich schlicht und ergreifend um thematischen Overflow: ruinierte Stilistik ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn bei verdoppeltem Textvolumen. Aber wie heißt es in Bolles Kreisen doch gleich so schön: Irren ist menschlich – wirren ist wöklich. Oder – auch das kursiert als Kurzformel: Gestern irre – heute wirre.

In jüngerer Zeit ist Bolle der Begriff ›suggestive Desinformation‹ untergekommen. Das mag auf den ersten Blick recht geschmeidig klingen. Wenn wir aber bedenken, daß wir ›Information‹ als ›entscheidungsrelevantes Wissen‹ aufzufassen haben, dann haben wir es hier nicht einmal mit Information zu tun – und folglich auch nicht mit Desinformation. Also sollte womöglich besser von ›manipulativer Null-Information‹ die Rede sein: Rüber kommt rein gar nichts – jedenfalls nichts Entscheidungsrelevantes. Allerdings soll, wie es scheint, auf die Einstellung – im weiteren Sinne: die mappa mundi – der Empfänger (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) Einfluß genommen werden – und zwar möglichst, ohne daß sie es überhaupt merken. Damit aber berühren wir den Wesenskern der Manipulation – und befinden uns mittenmang auf einem ergiebigen Tummelplatz woker Weltenrichter. Wobei vorläufig offenbleiben muß, ob wir ›richten‹ hier im Sinne von ›geraderücken, in Ordnung bringen‹ oder nicht eher doch im Sinne von ›beurteilen‹ beziehungsweise gar ›verurteilen‹ auffassen wollen oder gar müssen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 15-06-25 Immer auffem Sprung

Immer auffem Sprung.

Unser Bildchen heute zeigt eine Szene aus Bolles derzeitiger Vogelwarte, die sich praktischerweise direktemang auf dem Balkon befindet. Die Entfernung von A nach B – also von Amsel nach Bolle – beträgt dabei gerade mal 2 Meter Luftlinie.

Warum machen Amseln – und auch andere Gefiederte, also Drossel, Fink und Star und der ganze Rest der Vogelschar – sowas? Von eher kitschigen Erklärungen wie „Die mögen halt die Menschen“ einmal abgesehen, haben wir es hier wohl mit dem unabänderlichen Spannungsverhältnis zweier elementarer Bedürfnisse zu tun: dem physiologischen Grundbedürfnis nach Nahrung einerseits und dem Bedürfnis nach Sicherheit andererseits. Beides sind wohl Aspekte des – letztlich natürlich sinnlosen – Versuches zu überleben. Wenn das Bedürfnis nach Nahrung Überhand nimmt, dann muß man das schützende Nest eben vorübergehend verlassen. Gleichwohl bleibt man tunlichst immer auf der Hut – jederzeit bereit, die Prios anzupassen. Was nützt das schönste Futter, wenn man am Ende selber zu Selbigem wird? Daß Bolle keine Katze hat, kann Amsel ja nicht ahnen.

Wie friedlich und wie harmonisch aber könnte die Welt doch sein – ein alternatives Grundkonzept vorausgesetzt. So findet sich als Umschlagsillustration auf Bolles alter Kinderbibel eine Szene, die wohl das Paradies darstellen soll. Löwen und Gazellen liegen da friedlich und einträchtig Seit‘ an Seit‘ im Grase, zusammen mit manch Blümelein. Hosianna, Hallelujah, halt. Selbst in Bolles Kinderaugen schien das damals schon nicht das realistischste aller Konzepte – und zwar lange, bevor er je etwa von Ludwig Thomas ›Der Münchner im Himmel‹ (1911) gehört hatte: „Luja sog i.“

O nein, die Welt ist weiß Gott kein friedlicher Ort. Und das wird sich auch nicht ändern, solange Leute was zu futtern brauchen oder sonstige Interessen meinen verfolgen zu müssen: big fish eats small fish. Oder, wie Woody Allen in seinem ›Die letzte Nacht des Boris Gruschenko‹ (USA 1975 / Originaltitel: Love and Death) im Rahmen einer tiefschürfenden philosophischen Debatte über den Sinn des Lebens und den ganzen Rest zu seiner angehimmelten Sonja meinte: „Mir kommt das alles vor wie ein großes Restaurant.“

Allein auf diesen Umstand hinzuweisen kann einem in Deutschland allerdings schon mal leicht als Billigung eines Angriffskrieges ausgelegt werden und, wenn’s dumm läuft, bis zu 3 Jahren Knast einbringen (§§ 140 Nr. 2, 138 I Nr. 5 StGB i.V.m. § 13 VStGB). Dabei kann eine vergleichsweise harmlose Aufmunterung wie zum Beispiel „Bravo Putin“ – zumindest, wenn es nach dem LG München I gegangen wäre (Urteil vom 2. August 2023) – durchaus schon genügen, um ernstlich mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Interessant wird es indessen, wenn man anfängt, Parallelen zu ziehen – was nach Hülsenfrüchtchens Heuristik natürlich strikt verboten ist und gerne mit der Argumentationsattrappe ›Whataboutism‹ pariert zu werden pflegt. Parallelen zu ziehen, Dinge einzuordnen überhaupt, ist nach dieser Vorstellung tunlichst zu unterlassen – zumindest aber höchst unerwünscht. Derlei mache die Dinge nur unnötig „komplex“ – im Sinne von ›dann blick ich nicht mehr durch‹.

Beispiel gefällig? Eines für alles mag hier genügen. Da bombt seit längerem schon ein Land auf ein anderes ein – und Politik und Presse überschlagen sich förmlich und unaufhörlich mit „Kriegsverbrecher“-Krakeele. Nun bombt neuerdings ein anderes Land auf ein anderes ein, nur weil ihm dessen Politik nicht paßt – und schon heißt es, das sei schließlich vorbeugende Selbstverteidigung beziehungsweise, vornehmer formuliert, Präventivnotwehr. Schließlich habe man ein Existenzrecht zu verteidigen – und im übrigen sei das eine Demokratie. Bolle meint nur: Ach herrje!

Völkerrecht ist, allem gutgemeinten Gedusel zum Trotze, im Wesentlichen noch immer Faustrecht – mit Betonung auf Faust und weniger auf Recht. Das war eines der ersten Dinge, die Bolle beim Studium dieses Faches helle wurden. Und allen Bestrebungen, das zum Besseren zu wenden, war bislang nur höchst mäßiger Erfolg beschieden. Hinzu kommt: Recht ist, nach allem, im Wesentlichen ja kaum mehr als geronnene Macht. Folglich empfiehlt Bolle, lieber die Füße ein wenig stiller zu halten, gleichwohl aber auf dem Sprung zu bleiben. Klingt doch fast schon nach Zen – und damit vielleicht nicht ganz unrealistisch. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 01-06-25 Rauchen wie Gott in Frankreich

Twins – Zwillinge (1988).

Um es mal mit Obelix zu sagen: Die spinnen, die Franzosen. Aber nicht nur die. Bei Lichte betrachtet sind es wohl eher die Zeiten an sich, die spinnen. Bolle meint ja, wie so oft, als erstes: Definiere ›spinnen‹. Probieren wir es mit einer Umschreibung: Vielleicht ist ›Spinnen‹ ja nur so eine Art „Realitätsunwilligkeit“ – wie Roger Köppel, der große Journalist der kleinen Schweizer Zeitung, das neulich mal genannt hat.

Was ist passiert? Die Grande Nation hat sich zu der Idee verstiegen, Rauchen ab demnächst nicht nur mehr in geschlossenen Räumen verbieten zu wollen, sondern weitestgehend auch unter freiem Himmel – also in Parks und öffentlichen Gärten, aber auch an Bushaltestellen, bei Sport und Spiel auf den Tribünen, und natürlich in der Nähe von Schulen, of course.

Wo Kinder sind, da muß der Tabak weichen. Soweit die Argumentations-Attrappe. Es gebe nun mal ein Recht der Kinder auf saubere Luft. Im Freien! Hört, hört! Bolle meint, hier durchaus einen Hauch von Hysterie ausmachen zu können, und – let’s go crazy – auch einen Hauch von Filigran-Faschismus, der definitionsgemäß ja will, daß alle gleich sein wollen sollen. Von wegen liberté toujours. Die ganze Liberté-Idee scheint Bolle mittlerweile ja ohnehin so eine Art Auslaufmodell zu sein. Wie nur kann es möglich sein, daß die Grande Nation sehenden Auges im Kern zu einer Grande Imitation, also einem seelenlosen Abklatsch ihrer selbst, verkommt? Aber vielleicht hängt Bolle das alles auch einfach nur zu hoch. Wer weiß?

Im übrigen handelt es sich hier auch um einen Fall von ›Edel versus Eigentlich‹, also Bolles EvE-Theorem: Jedes eigentliche Vorhaben, und sei es noch so schändlich, läßt sich bei hinreichender konstruktivistischer Kreativität locker mit einem Zuckerguß edler Absichten glasieren. Alles für die lieben Kleinen. Und die Freiheit? Die stirbt natürlich unterm Zuckerguß.

Und wie schnell das alles ging und geht – zumindest in der Rückschau im Schnelldurchlauf. Unser Bildchen zeigt eine Szene aus ›Twins – Zwillinge‹ (USA 1988 / Regie: Ivan Reitman / mit Arnold Schwarzenegger, Danny DeVito, Kelly Preston und Chloe Webb). Dort hatten sich die beiden Zwillingsschwestern bei einem Einkaufsbummel im Supermarkt – also drinnen – noch ganz entspannt ein Zigarettchen brüderlich geteilt. Im Supermarkt! So weit hat es Bolle nie getrieben. Und das alles ist gerade mal knapp 40 Jahre her – also nur etwa gut eine Generation. Was nur mag da schiefgelaufen sein bei der Aufzucht der kleinen Racker (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course)? Wie nur kann es sein, daß ›Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll‹ zu ›Veganismus, Laktose-Intoleranz und Helene Fischer‹ verkümmern konnten? (Womit natürlich mitnichten irgendwas gegen Helene Fischer gesagt sein soll, of course). Und wie kann es sein, daß sich Lucky Luke etwa – im Nachdruck der Hefte auch rückwirkend, versteht sich – mit einem Grashalm im Mäulchen begnügen muß statt mit ‘ner ehrlichen selbstgedrehten Ziggi?

Seinerzeit, das weiß Bolle noch ganz genau, gab es im ›Schwarzen Café‹ am Savignyplatz noch ein ›Schwarzes Frühstück‹ für Minimalisten (oder vielleicht auch Existentialisten) zu haben. Eine Tasse schwarzen Kaffees mit einer schwarzen Zigarette. Sapienti sat – Der Philosoph wird davon satt.

Aber muß man denn unbedingt rauchen? Natürlich nicht. Ein jeder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) mag das halten, wie es ihm zu Nutz und Frommen scheinen mag. Auf die Frage einer Studentin, warum er denn rauche, ist es Bolle – ohne nachzudenken, also so richtig zenmäßig – in einer großen Pause einmal rausgerutscht: „Weil ich irgend etwas brauche im Leben, das völlig sinnlos ist.“ Ansonsten käme er sich vor wie der Arbeitsgaul ›Boxer‹ in Orwells ›Animal Farm‹ (1945) oder wie einer dieser deprimierend derangierten Borgs aus ›Star Trek‹. Bolle hatte sich immer schon gefragt, worin die wohl ihren Lebenssinn sehen mögen. Indes: am klügsten ist es wohl, wenn man erst gar nicht fragt. Immerhin: Bolles Begründung hatte, wie es schien, durchaus einiges an Überzeugungskraft – wie das mit Zen-Sprech ja öfters mal so ist. Jedenfalls war diesbezüglich Ruhe im Karton.

Übrigens: Frankreichs private Terrassen sollen „selbstverständlich“ von der Regelung ausgenommen bleiben, of course. Bolle meint, dann is ja jut. Kieken wa ma, was die Zukunft bringen mag. Beim Zeitgeist weiß man schließlich nie. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 11-05-25 Muttertag

Ich ging im Garten so für mich hin …

Neulich lief ›Let It Be‹ in Mutters Radio – ein alter Beatles-Song von 1970. Da werden natürlich Erinnerungen wach, of course. Neben dem Lied an sich mußte Bolle daran denken, wie seinerzeit ein vielleicht doch ein wenig klugscheißerischer Radiomoderator meinte zum Besten geben zu müssen, daß er sich nicht sicher sei, ob das wirklich „words of wisdom“ seien, die da gewispert wurden – wie es im Text heißt.

Nun, die Antwort hängt natürlich nicht zuletzt schwer davon ab, ob man unter ›let it be‹ ein abgeklärtes ›So-sein-lassen‹ verstehen will oder ein eher resignatives ›Bleibenlassen‹ im Sinne von widerspruchs- und tatenlos hinnehmen. Im Grunde verhält es sich wie mit dem ›Gelassenheitsgebet‹ in Bolles agnostisch-kontemplativer Fassung (vgl. dazu Fr 23-12-22 Das dreiundzwanzigste Türchen …).

Wenn Du etwas ändern kannst auf der Welt −
dann sei tüchtig in dem, was Du tust.
Wenn Du aber etwas nicht ändern kannst,
dann mach Dir klar: Shit happens −
und verliere darüber nicht Dein Gleichgewicht.
Zuweilen braucht es großen Seelenfrieden,
die beiden Fälle zu unterscheiden.

In ganz jungen Jahren war es in Bolles Kreisen üblich, der Mama zum Muttertag ein Bild zu malen. Große Kunst wird das kaum gewesen sein. Allein es kam von Herzen – und die Mütter dieser Welt haben viele dieser Werke getreulich aufbewahrt.

Mit zunehmender Adoleszenz setzte dann oft ein gewisses Abgrenzungsbedürfnis ein: Man versucht herauszufinden, wer man selber ist, was man gutfindet und was nicht. Dabei ist das, was man selber gutzufinden meint, selten das, was auch die Eltern – namentlich die Frau Mama – gutfinden. Oft genug im Gegenteil. Das muß natürlich zu gewissen Spannungen führen. Jedenfalls werden keine Bilder mehr gemalt – und auch ersatzweise passiert oft recht wenig.

Immerhin darf Bolle sich zugutehalten, daß er nie so doof war, irgendwelchen Ideologen auf den Leim zu gehen, die zum Beispiel meinten, der Muttertag sei ja wohl eine Nazi-Erfindung und schon von daher abzulehnen. Im Gegenteil: Bolle kann sich noch lebhaft an eine Sternstunde seines Sozialkundeunterrichtes in der Oberstufe erinnern, als sein Studienrat, ein alter 68er immerhin, meinte: „Die haben pubertäre Probleme und machen ein politisches Konzept daraus.“ Bolle – damals wohl im Kern schon agnostisch-kontemplativ – war entzückt.

Die originär-adoleszente Abgrenzung funktioniert ja in etwa wie folgt: Ein Jüngling (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) verfährt nach dem Motto ›I am o.k.‹ – das muß wohl so sein als gesunde pubertäre Grundeinstellung – und weiterhin ›Du bist folglich not o.k.‹, wenn Du nicht meiner Meinung bist oder meine Werte (im Sinne von ›allgemeines Für-richtig-halten‹) nicht teilen willst. Damit aber lehnt er alles ab, was er als vorgesetzt oder gar als aufgesetzt empfindet. Mit der Ablehnung ist regelmäßig eine entsprechende Abwertung verbunden, of course. Schließlich steht man ja noch ziemlich am Anfang der Menschwerdung. Und wer oder was würde sich hier besser als Projektionsfläche eignen als die eigene Mama?

Fortgeschrittenere Adoleszenz – man könnte auch sagen: Altersmilde – dagegen besteht wohl darin, daß man andere, also nicht zuletzt die eigene Frau Mama, in ihrem So-Sein so lassen kann, wie sie nun mal ist – ohne nervig-penetrant stets Wahrheit für andere meinen haben zu müssen. Letztlich ist das wohl weniger eine Frage der Überzeugung als vielmehr eine Frage der Haltung. Ohne ein gewisses Maß an Haltung aber windet man sich wohl im Wesentlichen als Würmchen durch das Weltgeschehen. Und wer will das schon – bei Lichte betrachtet?
 

Paul McCartney übrigens meinte zur Entstehungsgeschichte seines ›Let It Be‹, mit ›Mother Mary‹ sei in der Tat seine eigene Frau Mama gemeint gewesen, die ihm in rauhen Zeiten – die Beatles waren seinerzeit in Auflösung begriffen – im Traum erschienen sei. Dabei fügte er hinzu: „Sie starb, als ich 14 war. Folglich hatte ich ziemlich lange wenig von ihr gehört.“ Bolle findet, hier wie auch sonst so oft: Gebraucht der Zeit – sie eilt so schnell von hinnen. Später ist es oft zu spät – und führt dann regelmäßig zu den üblichen langen Gesichtern. Nicht nur, was den Muttertag angeht. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 20-04-25 Frohe Ostern, urbi et orbi!

Ei forbibbsch.

Kaum ist Weihnachten vorbei – die Menschwerdung des Heilandes der Christenmenschen –, da rüsten die Gläubigen auch schon zum Osterfeste – in Erinnerung an das Ereignis, da der Erlöser denen, die da glaubten, zugerufen hatte:

Zwar habt Ihr Menschen mich am Kreuze vom Leben zum Tode gebracht. Aber sehet: Hier stehe ich – voll unkaputtbar. So gehet denn hin in alle Welt und verkündiget die Frohe Botschaft.

Allerdings hatte der Heiland es vorgezogen, auch seinen Anhängern nur noch höchst ghostly zu erscheinen – um dann, am 40. Tage, endgültig vom Antlitz der Erde zu verschwinden. Leibhaftig in diesem Jammertale aufgetaucht ist er dann erst wieder in jüngerer Zeit – zumindest, wenn man David Safiers Roman ›Jesus liebt mich‹ (2008) Glauben schenken mag. Hier ein kleiner Auszug aus einem Dialog zwischen Joshua (Jesus‘ nom de guerre auf Erden) und Marie, einem höchst irdischen Wesen, in einer Kirche in Malente, einem Städtchen in Ostholstein. Jesus hatte berichtet, daß er es seinerzeit als Kind schon nicht leicht gehabt habe – zum Beispiel was seine Erziehung anging. Aus Maries Perspektive verlief das Gespräch wie folgt:

– „Wie erzieht man denn Jesus?“, fragte ich erstaunt.
– „Mit Strenge. Josef verbot mir eine Zeitlang, vor die Tür zu gehen.“
– „Was hast Du denn angestellt?“
– „Ich habe mit fünf Jahren am Sabbat zwölf Spatzen aus Lehm geformt.“
– „Und warum war das so schlimm …?“
– „Weil man am Sabbat so etwas nicht tun darf. Und weil ich die Spatzen zum Leben erweckt habe.“

So hat jeder seine Sorgen. Allein – Marie, dem höchst irdischen Wesen, war klar, daß es für Maria und Josef seinerzeit schon nicht ganz leicht gewesen sein dürfte, so etwas den Nachbarn zu erklären.

Bolle meint: Leute sind halt sonderbar. Vor allem aber sind sie sklerotisch. Kaum ist etwas auch nur etwas anders als gewohnt, werden sie rappelig. Das geht schon los, wenn die Aktienkurse mal ein bißchen hin und her hüpfen (vgl. dazu letzte Woche, So 13-04-25 Die sklerotische Gesellschaft). Bei zum Leben erweckten Spatzen setzt dann natürlich alles aus.

Was tun, sprach Zeus? Ein erster Schritt in die richtige Richtung könnte es sein, hin und wieder ein wenig in sich zu gehen und sich ernstlich zu fragen:

Um was kümmern? Um was nicht?

Dabei wird man – so jedenfalls Bolles Eindruck – sehr schnell feststellen, daß vieles – wenn nicht gar fast alles – mit dem man sich tagein, tagaus befaßt, durchaus belanglos ist. Vanitas. Eitler Schein. Das letzte Hemd hat nun mal keine Taschen – wie Bolle seit frühester Kindheit weiß. Was also, könnte man sich fragen, braucht es für eine veritable Auferstehung? Wenn schon nicht von den Toten – so vielleicht doch zumindest von den Tölpeln? Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Ostern!

So 06-04-25 Wie bei Muttern

🎶 Always look at the bright side of life 🎶

Mel Brooks‘ Einsicht, daß einem vieles nicht mehr möglich ist, wenn man selber nicht mehr ist, findet sich in seiner Komödie ›Das Leben stinkt‹ (USA 1991), für die er in Tausendsassa-Manier das Drehbuch geschrieben, Regie geführt, das Ganze selber produziert und – zusammen mit Lesley Ann Warren – auch noch die Hauptrolle gespielt hat.

Man mag den Film finden, wie man will. An der Einsicht an sich führt aber wohl kein Weg vorbei – da beißt die sprichwörtliche Maus kein‘ Faden ab. Allerdings läßt sie sich durchaus auch umkehren – gewissermaßen ins Optimistische wenden: Kaum ein Ärgernis in diesem Jammertale, das sich nicht mit größter Nonchalance hinnehmen ließe.

Die Synthese – so kann man wohl meinen – findet sich in der höchst lebenspraktischen alten Indianerregel, daß man den Tod als Ratgeber annehmen möge, da auf diese Weise ungeheuer viel Belangloses von einem abfallen werde.

In Monty Pythons ›Das Leben des Brian‹ (UK 1979 / Regie: Terry Jones) heißt es dazu – und wohl nicht ganz unzutreffend:

For life is quite absurd
And death’s the final word
You must always face the curtain with a bow.
Forget about your sin – give the audience a grin
Enjoy it – it is your last chance anyhow.

Das ist mal wieder – wie wohl so vieles – ganz schlecht übersetzbar. Hier ein Versuch:

Das Leben? Recht absurd.
Der Tod? Die letzte Furt.
Verbeug Dich, wenn der Vorhang für Dich fällt.
Jetzt bloß nicht schwächeln – gönn uns ein Lächeln.
Was sonst mag bleiben einem Held?

Und so finden wir uns unversehens und stante pede im Agnostisch-Kontemplativen wieder. Vanitas – eitler Schein. Oder eben ›Eh scho Wuascht‹ – so heißt ein Würstelstand am Wiener Zentralfriedhof. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 19-01-25 Hefeteig und Hysterie

Schlicht und elegant – und ohne Etikett.

Manchmal – und das findet Bolle höchst charmant und auch durchaus elegant an diesem Universum – stellt sich die eine oder andere Einsicht auf faszinierend verschlungenen Pfaden ein. Neulich – das war noch während der Weihnachtszeit – kam es Bolle blitzartig in den Sinn, daß man das für Hölzerbrot unverzichtbare Kastenweißbrot (vgl. dazu Sa 07-12-24 Das 7. Türchen: Wollense Toast …?), wenn schon kaum noch kaufen, so doch immerhin durchaus auch selber backen kann – ganz nach dem alten Kinderlied: Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen. Wer will guten Kuchen backen, der muß haben sieben Sachen … Kennen wa ja. Auf Eier, Milch und Schmalz können wir dabei getrost verzichten – und auf Safran sowieso. Easy cooking! Etwas Hefe allerdings muß sein. Als Rührschüssel hatte Bolle auf die Schnelle nur seinen alten Wok zur Hand. Sapienti sat – der Philosoph liebt’s autotroph (im weiteren Sinne, of course). Zum Glück gab es auch nicht viel zu rühren.

Was aber, wenn? Wenn der Philosoph – Genügsamkeit hin, Genügsamkeit her – auf die Idee verfällt, eine regelrechte Rührschüssel brauchen zu müssen? In früheren Zeiten hätte man das Haushaltswarengeschäft seines Vertrauens aufgesucht – und dort in aller Regel schnell gefunden, was einem in Form und Funktion angenehm deucht.

Heute führt der erste Weg meist erstmal ins Netz. So auch bei Bolle. Dabei hat das Netz den großen Vorzug, daß man mit Rückmeldungen der Nutzer auf Tuchfühlung kommt. Bolle kennt kaum einen schöneren und unverstellteren Zugang zu Hülsenfrüchtchens Leben und Erleben.

So meinte eine Nutzerin zu einer der feilgebotenen Schüsseln, selbige sei ja wohl „lamentable“ – was so viel wie ›erbärmlich‹ oder ›bemitleidenswert‹ heißen soll. Ein schönes Wort, das Bolle noch nicht kannte. Im weiteren hieß es, man habe das Material, aus dem die Schüssel gefertigt ist, als „gesund“ angepriesen – was immer auch das heißen mag. Allein – und hier wird’s kritisch – klebte auf der Innenseite der Schüssel ein garstig Etikett, das mit mechanischen Mitteln zu entfernen sich als praktisch unmöglich erwiesen habe. Bolle greift in solchen Fällen ja stets zur chemischen Lösung – etwa einem Tröpfchen Benzin. Dem konnte bislang noch kein Etikett widerstehen. Allein unsere Nutzerin war der Ansicht, daß dadurch etwas appliziert würde, das schädlich sei für Lebensmittel. Folglich sei das Material der Schüssel mitnichten gesund – und von einem Kauf müsse demnach abgeraten werden.

Bolle meint da nur: Sancta simplicitas! Immerhin ist es ein hübsches Beispiel dafür, wie ein vergleichsweise miniscules Problem (Tröpfchen Benzin) der Lösung eines viel größeren Problems (Etikett muß ab) „nachhaltig“ – um mal eines von Hülsenfrüchtchens Lieblingswörtern zu verwenden – im Wege stehen kann. Und selber steht man da – und muß heillos verheddert durchs Leben hoppeln. Aber so kann’s gehen, wenn‘s an Urteilskraft gebricht. Dann doch lieber fleißig Fakten checken – zum Beispiel „Benzin böse“. Kann es da verwundern, daß Bolle derartiges als heillos hysterisch einzustufen geneigt ist? Wie hoch etwa der Nagellackverbrauch besagter Nutzerin sein mag – Nagellack statt Benzin tut’s nämlich auch –, will Bolle lieber gar nicht wissen. Und was das mit dem aktuell ablaufenden „Wahlkampf“ nebst seiner Wahlvolk-Dynamik zu tun haben mag, ebensowenig. Bolle meint, ein flüchtiger Blick auf die Plakate sollte vorläufig vollends genügen. Das alles aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 01-01-25 Ein gutes Neues Jahr Euch allen!

Dum spiro spero – Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Und schon wieder – und wie so oft. Ein altes Jahr ist um – ein neues fängt an. Der König ist tot – es lebe der König. Irgendwie muß man damit ja umgehen. Letztlich sind es doch immer wieder die gleichen Fragen:

Was haben wir gedacht?
Was davon gemacht, was angebracht?
Mitunter auch: was haben wir gelacht.

Und? Wie meinte Erich Kästner 1950 schon – also vor nunmehr 75 Jahren? Hier in der Bolle-Version:

„Wird’s besser? Wird’s schlimmer?“
fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich:
Leben ist immer
höchst ungefährlich.

Dabei soll mit ›ungefährlich‹ natürlich nicht ›frei von Gefahr‹ gemeint sein, sondern, ganz im Gegenteil, eine Adjektivierung des adverbiellen ›ungefähr‹. Soll heißen: Wir kennen die Zukunft, kaum anders als das Leben selbst,  nur höchst ungefähr – wenn überhaupt. Nichts Genaues weiß man nicht – und wird man auch nie wissen können. Und vielleicht ist das auch ganz gut so.

Wenn man schon nichts wissen kann – so kann man doch was hoffen. Das ist zwar kein vollwertiger Ersatz – fühlt sich aber zumindest gut an. Und so meinte schon Cicero (106–43 v. Chr.) in einem seiner Briefe: Dum spiro spero (solange ich atme, hoffe ich) – was wir hier mit ›Die Hoffung stirbt zuletzt‹ frei übersetzen wollen. Und vielleicht ist auch das ganz gut so.

Unser Bildchen stammt übrigens aus dem Jubiläumsprojekt ›Lichtgrenze – 25 Jahre Mauerfall‹, das sich der Berliner Senat für das Jahr 2014 ausgedacht hatte. Damals sollten – und sind auch – knapp 7.000 leuchtende Luftballons gen Himmel aufgestiegen, um aller Welt zu zeigen, wo die Grenze zwischen Gut und Böse seinerzeit verlief – mitten durch die Stadt. Einem aufgeweckten jugendlichen Ossi kann man das heute kaum mehr vermitteln. Lieber wählt er, zum Entsetzen der Guten, die AfD. Doch das nur am Rande. Das alles ist nunmehr auch schon wieder 10 Jahre her. Dabei dient das Photo Bolle seitdem als Hintergrundbild auf allen seinen Geräten – und hat es, in Postergröße, auch schon in eine Photographie-Ausstellung geschafft. Eine klitzekleine Ausstellung zwar – aber immerhin. Es zeigt eine Mutter mit ihrem Sohn, wie sie gerade eine oder zwei der knapp 7.000 Luftballon-Abschußrampen, die entlang der alten Mauer aufgestellt waren, in räuberischer Absicht entwenden. Sie waren die einzigen nicht. Bolle sieht darin in reiner Form Hoffnung – oder zumindest Zukunftsgewandheit, vielleicht garniert mit einem Schuß Erwerbsfleiß – verkörpert. Bolle mußte seinerzeit hoch und heilig versichern, daß man auf dem Photo niemanden wird identifizieren können. Ehrensache, of course. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.