Mo 15-12-25 Das fünfzehnte Türchen: Frohe Weihnachten – oder was?

Anachronistische Eierplage.

Eier liegen in der Luft, wie’s scheint: Ei is in the air (Bolle featuring John Paul Young 1977) – um das mal neuzudeutschen. Nachdem wir uns gestern mit Ei-risch Breakfast befaßt hatten, kommt nun dieses – eine durchaus anachronistische Eierplage – noch hinzu. Und überhaupt: steckt das Ei nicht auch in so harmlos klingenden Wörtern wie zum Beispiel und nicht zuletzt in W-ei-hnachten?

Um es, passend zur Jahreszeit, mit Professor Crey – dem aus der Feuerzangenbowle (Heinrich Spoerl 1933) – zu sagen: Bolle – sä send etwas albern. Also genug geblödelt. — Neulich beim Wochenendeinkaufsbummel wurde Bolle der Eier-Auslage unseres heutigen Bildchens angesichtig. Wie? Schon wieder Ostern? – war das allererste, was ihm, ohne weiter nachzudenken, blitzeschnelle durch die Sinne schoß. Aber Nein – noch sind wir ja mittenmang mit den Vorbereitungen auf die Menschwerdung des Erlösers der Christenmenschen befaßt. Andererseits: Wenn es Ende August schon Spekulatius gibt – warum sollte dann ein erwerbsfleißiger Einzelhandel Mitte Dezember keine Ostereier haben im Sortiment?

Aber weit gefehlt. Der eigentliche Grund ist dieser: Die gibt’s das ganze Jahr – wie Bolle aus fachkundigem Munde in Erfahrung bringen konnte. Aber warum nur – warum? Nun, offenbar gibt es Leute – und wohl gar nicht mal so wenige, sonst würde es das Angebot nicht geben: insofern ist auf den Kapitalismus Verlaß –, die zwischendurch gerne mal ein gekochtes Ei naschen – und zwar zu jeder Jahreszeit, und ohne jeweils eigens kochen und abkühlen lassen zu müssen. Ein dreifach Hoch auf die Spontaneität! Um nun nicht aus Versehen in ein rohes Ei zu beißen, macht es natürlich Sinn, daß erstere und letztere sich deutlich unterscheiden. Was liegt da näher, als sie farblich kräftig zu markieren? Und so kommt es, daß es Ostereier gibt, die mit Ostern rein gar nichts zu tun haben sollen: Buntes Ei gleich hartgekochtes Ei. Mehr Logik steckt da offenbar nicht drin.

Natürlich mußte Bolle sich fragen, warum ihm derlei nicht früher schon mal aufgefallen war. Aber so kann’s gehen, wenn man schwer fokussiert durch den Supermarkt stürzt – von wegen Einkaufserlebnis. Bolle möchte gar nicht wissen, was es da – neben Ostereier-Mimikry – noch so alles geben mag, dessen er noch wirklich niemals angesichtig wurde. Die Welt ist voller Wunder – durchaus nicht nur zur Weihnachtszeit. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 14-12-25 Das vierzehnte Türchen – der 3. Advent: Irish Breakfast

GuMo – gottgefällig!

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. An dieser Stelle fühlt sich Bolle definitiv auf der sicheren Seite – kann er doch auf das Deuteronomium, das 5. Buch Mose, verweisen, und zwar auf Vers 8, 3, wo es erläuternd ausdrücklich heißt: „ … sondern von allem, was aus dem Mund des Herren geht“. Also auch Whisky.

Irgendwann war Bolle aufgefallen, daß es für seine gelegentlichen Frühstücksgepflogenheiten eines griffigen Begriffes bedarf. Und so kam es dann zum ›Irish Breakfast‹. Dabei hatte sich im Rahmen seiner Feldforschung herausgestellt, daß der Begriff mitnichten auf Befremden gestoßen ist, sondern irgendwie als gegeben angesehen wurde: Irish Breakfast? Kennt man, irgendwie.

Aber Whisky? Das war manchem Mäuschen (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) dann doch too much. Bolles übliche Entgegnung: Sind halt Iren. Was will man machen? In aller Regel war dann Ruhe.

Allerdings gab es auch kritischere Geister, die sich so leicht nicht wollten abspeisen lassen. Whisky gleich zum Frühstück? An dieser Stelle konnte Bolle – meist recht erfolgreich – darauf verweisen, daß es schließlich auch sowas wie Sektfrühstück gebe. Wo bitte sei der Unterschied? Im Übrigen habe er zuweilen so etwas wie eine Kaffee-Allergie.

Woraufhin die ganz Hartgesottenen meinten entgegnen zu müssen, es sei ja wohl ein Unterschied, ob man Sekt zum Frühstück goutiere oder aber „harte Sachen“ wie Whisky. Allein auch hier wußte Bolle zu erwidern: Sein Frühstücks-Whisky bestehe zu einem Drittel aus Whisky und zu zwei Dritteln aus rein veganem Wasser – was im Ergebnis eine Trinkstärke ergebe, die sich durchaus mit der eines üblichen Sektfrühstückes vergleichen lasse.

Aber warum dann Whisky? Warum nicht einfach Sekt? An dieser Stelle pflegt Bolle dann in aller Regel darzulegen, daß Sekt an sich nicht wirklich überlebensfähig sei. Bolle glaubt nun mal an Selektion – und fühlt sich auch hier auf der sicheren Seite. Genau aus diesem Grunde nämlich muß Sekt – nicht anders als Wein im allgemeinen – tüchtig mit Sulfiten gepampert werden. Und? Braucht Bolle Sulfite zum Frühstück? Natürlich nicht.

In den alten Zeiten – das ist wirklich lange her –, als Bolle noch seinen eigenen Wein gekeltert hat, hatte er den Gärungsprozeß so eingestellt, daß der Wein auf 16  bis 17 Prozent kam – ein Wert, bei dem auch die stärkste Hefe ihren Geist aufgibt und der Wein ein stabiles Gleichgewicht erreicht. Lecker war er allemal. Sulfite? In diesem Falle voll verzichtbar.

Spätestens an dieser Stelle war den meisten durchaus helle, daß es furchtbar wenig Sinn macht, sich auf vertieftere Diskussionen mit Bolle einzulassen – außer man will was lernen, of course. Wir hier im Hause wissen, wovon wir reden. Es macht wirklich keinen Sinn. Bolle hat halt so ziemlich immer Recht. Manchmal gruselt es ihm selber – wie wir intern zu wissen glauben. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 13-12-25 Das dreizehnte Türchen: Abendrot im Rauchverbot

Abendrot im Rauchverbot.

Manche warten auf die Post. Andere auf die Bahn. Der wesentliche Unterschied scheint Bolle darin zu bestehen, daß man auf die Post immerhin in der warmen Stube, hinter dem Ofen gewissermaßen, warten kann. Auf Züge dagegen wartet man in aller Regel auf zugigen Bahnsteigen.

Allein auch das kann recht romantisch sein: Dann nämlich, wenn es Sommer ist, der Bahnsteig überhaupt nicht zugig – und die Fügung einem eine regelrechte Sonnenuntergangsidylle direkt vor die Kamera spielt. Für unser heutiges Bildchen mußte sich Bolle seinerzeit nicht einmal bücken – im übertragenen Sinne. Tatsächlich mußte er nicht einmal auf der Bank am Bahnsteig hin oder her rutschen oder sonstige Anstalten machen, die Szene einzufangen. Sitzen und knipsen – das war’s. Das sind Momente, in denen Bolle – aller ausgeprägten Agnostik zum Trotze – doch dazu zu glauben neigt, daß es ein Universum gibt. Um ein Zigarettchen zu rauchen, hätte er sich, zumindest wenn es nach der Bahn geht, dagegen allen Ernstes in eine der einschlägig eingekästelten „Bereiche“ begeben müssen. Schon ist die Skepsis wieder da.

Bei der Bahn gibt es ja die Regel, die besagt, daß ein Zug dann und nur dann als verspätet gilt, wenn er sechs Minuten (genauer: 5‘59‘‘) oder mehr hinter dem Fahrplan herhinkt. Als ob es der Bahn ansonsten jemals auf ein Sekündchen ankäme. So oder so – Bolle hält das für ein recht kurioses Konzept von Pünktlichkeit.

Übrigens wäre nach dieser Definition auch das eingefangene Sonnenlicht verspätet gewesen – und zwar um gut acht Minuten sogar. Und das bei völlig freier Strecke zwischen Sonne und Erde – und praktisch ohne jede Masse im Wege, die die schnurgerade Bahn des Lichtes würde übergebührlich zu krümmen vermögen.

Selbst wenn wir Bolles Theorem – Das Universum existiert – würden folgen wollen: Einfach ist das alles nicht – nicht in diesem Universum. So ist Bolle angelegentlich im Netz über einen Nutzer gestolpert, der von einer KI wissen wollte, wieviel Jahre denn ein Lichtjahr sei? – und dem völlig zutreffend zur Antwort ward, daß ein Lichtjahr irritierenderweise leider keine Zeiteinheit sei. Bolle meint, jetzt fehlte nur noch, daß so einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) Ingenieur wird und bei der Bahn für die Fahrpläne verantwortlich zeichnet. So leicht und lässig nämlich könnten sich letzte Fragen lösen, wenn man nur genauer hinguckt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 12-12-25 Das zwölfte Türchen: Post-Crashing

Tragische Weihnachtszeit.

Nach unserer gestrigen Humoreinlage wollen wir heute, rein aus Gründen der Ausgewogenheit, auch die tragische Seite der Weihnachtszeit nicht zu kurz kommen lassen. Auch wollten wir uns dieses Jahr eigentlich deutlich kürzer fassen. Allein die Zeit der guten Vorsätze kommt ja erst noch.

Ursprünglich sollte unser heutiges Türchen ja ›Post-Bashing‹ heißen. Allein Bolle fand, ›Post-Crashing‹ treffe es wohl noch besser. Was nämlich wäre die schönste Weihnachtszeit, ohne nicht wenigstens einmal tüchtig auf der Post herumzuhacken?

Unser Bildchen zeigt einen stolzen, stattlichen und ursprünglich völlig intakten Nikolausi, der aber, wie’s scheint, im Verlaufe einer Reise – womöglich mit einer Postkutsche gar? – seine strukturelle Integrität so ganz und gar hat fahrenlassen müssen. Bolle findet ja, es bedürfe schon einer gewissen kriminellen Energie – zumindest aber überschießenden Kreativität –, um einen von einem Postpäck im Grunde doch wie in Abrahams Schoß behüteten Nikolausi derartig „nachhaltig“  (Hülsenfrucht, ick hör dir trapsen) zu frakturieren.

Längst nicht so kreativ war die Post übrigens bei ihrer eigenen Namensfindung. DHL steht für Dalsey, Hillblom und Lynn, den Namen der Gründer eines Yankee-Start-Ups, das sich die Post seinerzeit unter den Nagel gerissen hat. Bolle meint: Wenn einem sonst nichts einfällt – bitteschön: dann eben so.

Übrigens gebietet es die journalistische Sorgfalt, darauf hinzuweisen, daß diese Nikolausi-Tragödie auch schon wieder zwei Jahre zurückliegt. Allerdings hat sich in der Zwischenzeit wenig zum Besseren gewendet. Es ist und bleibt ein Abenteuer mit den Postkutschen dieser Welt – und zwar alle Jahre wieder. Also immer feste druff.

Auf dem fein säuberlich drapierten Kärtchen sehen wir übrigens Bolle beim Meditieren in seiner Mupfel. Dabei handelt es sich natürlich um ein Symbolbild, of course. Bolle hat, im Gegensatz zu ganz, ganz früher, längst nicht mehr so große Ohren – was allerdings seine Fähigkeit, das sprichwörtliche Gras wachsen zu hören, offenbar nicht weiter beeinträchtigt hat. Heute nennt er’s Urteilskraft. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 11-12-25 Das elfte Türchen: Hirnschmalz und Humor

Der Absatz vom Schuh vom Kanu vom Manitu.

Zugegeben: so richtig weihnachtlich ist auch unser heutiges Türchen nicht. Allerdings meint Bolle, ein bißchen was zum Kontemplieren, zumindest aber doch zum Reflektieren, könne wohl kaum schaden – auch nicht in der Weihnachtszeit.

Bolle hatte sich seit Oberstufenzeiten schon gefragt, woher es wohl kommen könne, daß exaktemente genau die Leute, die Bolle in durchaus etwas arroganter Manier – gleichwohl aber mit einem gerüttelt Maß an Demut, of course  –  für ein wenig denkbehindert hält, sich gleichzeitig durch eine augenfällige Humorlosigkeit auszeichnen. Gibt es womöglich einen verborgenen, nachgeradezu okkulten gar, Zusammenhang zwischen Hirnschmalz und Humor?

Wie das Leben so spielt, hat es Bolle neulich die Programmabkündigung für ›Das Kanu des Manitu‹ (D 2025 / Regie: Michael ›Bully‹ Herbig) – einem, wie soll man sagen, Aufguß von ›Der Schuh des Manitu‹ (D 2001) – in die Timeline gespült. Das Original gilt immerhin als einer der erfolgreichsten deutschen Filme seit 1945. Was den Humorgehalt der beiden Streifen angeht, möchte Bolle lieber stille schweigen, of course.

Ganz großes Kino dagegen ist das zu unserem Bildchen gehörige Statement der Betreiber. Dort heißt es, man nehme den Film aus dem Programm, da es sich dabei um eine kulturelle Aneignung handele, die im übrigen auch nicht mehr zeitgemäß sei. Bolle meint ja immer, ›nicht zeitgemäß‹ sei das neue ›nicht gottgefällig‹, mit dem Pfaffen aller Couleur ihre Schäfchen jahrhundertelang zur Ordnung gerufen haben. Auch entschuldige man sich für eventuelle emotionale Verletzungen, die sich womöglich bereits durch den Trailer oder das bloße Lesen des Filmtitels gar ergeben haben könnten.

Allen Ernstes. So steht das da. Bekanntlich ist das gemeine Hülsenfrüchtchen ja sowas von sensibel. Weiterhin heißt es, man verstehe sich als sicheren Raum – schon wieder so ein humoriges Highlight – in dem keine, so wörtlich, unbeaufsichtigte Pointen geduldet würden.

Eine ›unbeaufsichtigte Pointe‹. Da muß man erst mal drauf kommen. Ganz großes Kino, wie gesagt. Daß in der Abkündigung vom ›Kanu des Manitou‹ statt, wie der Filmtitel nun mal heißt, vom ›Kanu des Manitu‹ die Rede ist, sei nur am Rande erwähnt – kann Bolles Verdacht einer möglichen kognitiven Mangellage aber nur unterfüttern. Doch laßt uns nicht kleinlich sein. Irren ist nun mal menschlich.

Roger Köppel, der große Journalist der kleinen Schweizer Zeitung, hat in diesem Zusammenhang für einen Anstoß gesorgt, als er meinte, jedweder Humor benötige eine gewisse Fallhöhe. Wenn aber der Geist der Zeiten will, daß alles und ein jegliches (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) per se unterschiedslos gleich zu sein habe – Bolle würde das im Ergebnis glatt ›niveaulos‹ nennen –, dann sei es eben Essig mit Fallhöhen jedweder Art – und damit auch mit Humor. Das übrigens würde umstandslos erklären, warum auf die Spitze getriebener Sozialismus – hier im Sinne von ›Gleichmacherei‹ – notwendigerweise humorlos sein muß. Ob er daneben auch noch witzlos ist, sei hier mal dahingestellt.

Kurzum: Macht alles platt, was sich in irgendeiner Weise abhebt: Nein, nein, nein – das darf nicht sein. Und wenn es schon nicht so ist, dann tut wenigstens so. Alles andere wäre schließlich diskriminierend (wörtlich – und entlarvend harmlos: ›unterscheidend‹) und könnte so manch Sensibelchen doch arg verdrießen in seiner durchplanierten Welt. Das durchzuhalten ist zwar wenig praktikabel – aber immerhin ist es humorlos. Und was tut man nicht alles für ein besseres Universum? Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 10-12-25 Das zehnte Türchen: Langmut und Latenz

Hülsenfrüchtchens Hauptproblem − eines von ganz vielen …

Eigentlich sollte das heutige Schildchen ja schon in unseren agnostisch-kontemplativen Adventskalender vor zwei Jahren Eingang finden. Allein: ars longa vita brevis – lang ist die Kunst, kurz der Kalender. Diesmal aber paßt es aufs Feinste zu unseren Türchen der letzten Tage: Wer nicht schreit, der geit – wie wir uns veranlaßt gesehen hatten festzustellen. Zwar gilt lautes Lärmen nicht gerade als wissenschaftliche Kardinaltugend. Allein die Verhältnisse sind nun mal so.

Und soll nicht auch Martin Luther (1483-1546) schon, eine seiner vielen Reden einleitend, proklamiert haben: ›Mach’s Maul auf, tritt fest auf, hör bald auf‹? Namentlich die ersten beiden dieser Punkte scheinen sich bei manchem Wissenschaftler ins kollektive Credo eingefressen zu haben.

Bolle hatte sich als Oberstufenschüler schon gefragt, wie es sein kann, daß manche Wissenschaften, allen voran die Physik, von Erfolg zu Erfolge eilen, während andere Disziplinen – allen voran zum Beispiel Erziehungswissenschaften, Soziologie, und manches andere mehr – hilflos auf der Stelle oszillieren. Genderforschung und dergleichen – doch dies nur am Rande – gab’s damals noch nicht. Mehr als ephemere Moden vermochte Bolle in derlei schon damals nicht zu erkennen. Und daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: schlimmer geht immer.

Woran wird’s wohl liegen? Heute unterscheidet man in Bolles Kreisen streng zwischen Repro- und Non-Repro-Disziplinen. Dabei sind Repro-Disziplinen solche, in denen man so lange und so hartnäckig ein und dieselbe Frage an die Natur stellen kann, bis sie geneigt ist nachzugeben. Wenn also jemand – wie Galileo (1564–1642) das getan hat – eine Kugel so lange schiefe Ebenen verschiedener Neigungswinkel herunterrollen läßt, dann wird irgendwann klar, wie die Dinge sich verhalten. Und wer’s nicht glauben mag, der kann das gerne überprüfen. Kurzum: wir reden hier von kurzen Feedbackschleifen.

In den Non-Repro-Disziplinen ist das anders. Hier ist es praktisch unmöglich, ein und dieselbe Versuchsbedingung jemals wieder zu reproduzieren. Wenn also, um mal ein ausgesprochen tragisches Beispiel herauszugreifen, ein Karl Marx (1818–1883) meinte, wenn dies oder jenes geschehe, dann werde sich dies oder jenes ergeben. Kaum war die Tinte trocken, hatte sich die Welt schon weitergedreht – und alles war vergebens. Vanitas – eitler Schein! Alles, bis auf die Wirkungsmacht solcher Ideen. Heute, fast 200 Jahre später, meint so manches Hülsenfrüchtchen immer noch, da müsse doch was dran sein an der Lehre.

Natürlich soll Karl Marx nur exemplarisch sein, of course. Am Prinzip – tröten, ohne wirklich was zu wissen – ändert sich aber nichts, wenn zum Beispiel jemand behauptet, das Licht sei verantwortlich für die Insomnie bei Vollmond oder Ballaststoffe seien reiner Ballast. Das Prinzip ist gleich – nur die Wirkungsmacht ist nicht so drastisch.

Obwohl: wenn Bolle die geradezu kultische Hingabe betrachtet, mit der manche – sagen wir: Veganer – im Labor angerührte Plempe goutieren oder weite Kreise meinen, ein Jahrmillionen altes Immunsystem mal eben flott „optimieren“ zu können, ist er sich da gar nicht mal mehr so sicher, was die Wirkungsmacht angeht. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 09-12-25 Das neunte Türchen: Himmel und Erde

Sachen gibt’s …

In gewisser Weise hält Bolle einen kleinen Nachtrag zu unseren letzten beiden Türchen für angebracht: Schlafforscher, die nächtliche Insomnie bei Vollmondenschein mit der Helligkeit im Schlafgemach zu erklären versuchen, Ernährungsphysiologen, die Ballaststoffe erst für überflüssig halten und dann in höchsten Tönen hypen. Bolle findet: Is doch nicht seriös.

Grundsätzlich gesehen ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, daß Wissenschaft nicht alles weiß. So etwas erwarten wohl nur bildungsfernere Schichten. Bei Lichte betrachtet nämlich ist Nicht-Wissen sogar eine ihrer Existenzbedingungen. Sogar das Bundesverfassungsgericht hatte 1973 schon Wilhelm von Humboldts Wahrheitsbegriff als „etwas noch nicht ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes“ zitiert, um dann später (1994) noch einmal zu bekräftigen: „Konstitutiv ist die Wahrheitssuche und die prinzipielle Unabgeschlossenheit des Erkenntnisprozesses.“ Total so!

Eine alte Professoreneinsicht dagegen besagt: Wer schreibt, der bleibt! In der angelsächsischen Variante klingt das noch drastischer: publish or perish – schreibe oder gehe unter!

Die modernisierte Variante dieser Einsicht scheint dagegen zu lauten: Wer nicht schreit, der geit. Dabei übersetzt sich das norddeutsche ›geit‹ mit ›gehen‹, aber auch mit ›sterben‹ oder eben ›untergehen‹. Schreien statt schreiben, also. Ob das aber eine gottgefällige Entwicklung ist, wagt Bolle schwer zu bezweifeln. Heißt es doch bei Jesaja, dem ersten der prophetischen Bücher des Alten Testaments: Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. (Jes. 42, 2). In ›De Bibl auf Bairisch‹ klingt selbiges noch eindringlicher: Dös ist kain sölcherner Schreier, der wo auf dyr Straass umaynanderplerrt. Einen Vers zuvor heißt es dort: Siehe, das ist mein Knecht – ich erhalte ihn – und mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat. (Jesaja 42, 1). Bolle meint, aus all dem sollte man durchaus schließen dürfen, daß der Herr (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) wenig Gefallen an Schreihälsen findet.

Kurzum: Ein bißchen mehr Dehybrierung – Bolles neue Wortschöpfung: von Hybris ›frevelhafter Stolz, Übermut, frevelnde Selbstüberhebung‹ (DWDS) – stünde manchem Wissenschaftler prächtig zu Gesichte. Genaugenommen dem ganzen System einschließlich des gesamten angekoppelten Journalismus 2.0. Bolle sagt da nur: Corönchen! Allein in diesem Jammertale ist so manches nicht so, wie es sollte. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel – und soll uns nicht die Weihnachtszeit verdrießen.

Mo 08-12-25 Das achte Türchen: Kein Franzos‘ frißt Faserstoffe

Zen und die Kunst, ein Baguette aufzuschneiden.

Gestern war es uns um die oft doch recht leichtfüßigen Erklärungen mancher Mediziner bestellt – die immer dann zur Anwendung kommen, wenn man sich am Ende fühlt mit seinem Latein. Statt einfach zu sagen: Nichts Genaues weiß man nicht, muß für womögliche Schlaflosigkeit in Voll­mond­näch­ten dann eben das helle Mondlicht herhalten. Licht leuchtet ein! Auch wenn es im Ergebnis noch so absurd werden mag: Verbleibende Ungereimtheiten werden mangels eigentlicher Argumente abgeräumt, indem man sich mächtig in die Brust wirft und – wenn alles nichts hilft – mit ›Fragt die Wissenschaft‹ oder Ähnlichem daherkommt. Heute vor fünf Jahren übrigens hatte man die Absurdität corönchenmäßig zum bislang Äußersten getrieben. 

Neulich ist Bolle eher zufällig über die Frage gestolpert, wieso Ballaststoffe eigentlich ›Ballast­stoffe‹ heißen. Bolle hätte es ahnen können: Wenn einer nur Nährstoffe kennt, dann muß alles, was nicht nährt, nun mal Ballast sein – und damit bestenfalls überflüssig. Leuchtete allen ein – damals. Die Tatsache dagegen, daß sich Verdauungsprozesse im Laufe von Jahrtausenden – von Jahrmillionen, muß man sagen, Abermillionen gar – evolutionär eingespielt haben und daß das alles im Großen und Ganzen schon seine Richtigkeit und seine Funktion haben wird, mußte man offenbar erst einmal einzusehen geruhen. Gegenwärtig sind Ballast­stoffe natürlich voll der heiße Scheiß, of course – um es mal salopp zu sagen. Wir hatten das Thema im Sommer schon mal gestreift (wer nachlesen mag: So 20-07-25 Friß wie früher).

Bolle zum Beispiel nimmt nie Vitamine zu sich – und erst recht keine Vitaminpräparate. Obwohl die doch so gesund sein sollen … Und kein Franzos‘ frißt Faserstoffe (ein ungefähres Synonym für Ballaststoffe, das wir in unseren heutigen Titel allein der Tripel-Alliteration halber eingesetzt haben). Man ißt Baguette. Das muß genügen! Und sollte sich der ein oder andere Ballast- oder Faserstoff darin befinden: Bitteschön! – da wollen wir nicht mäkeln. Aber die Idee, ein Baguette zu essen, um (final!) Ballast­stoffe zu sich zu nehmen, will Bolle nachgerade derangiert anmuten.

Unser Bildchen übrigens zeigt die – man ist versucht zu sagen – legendäre Szene aus dem damaligen Kultfilm ›Diva‹ (F 1981 / Regie: Jean-Jacques Beineix), in der ein ausgewiesener Lebenskünstler seinen Eleven in die Kunst, ein Baguette aufzuschneiden, einführt. In Bolles Augen hat das mehr mit Nahrungsaufnahme zu tun als alle Ballaststoffe der Welt. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 07-12-25 Das siebente Türchen – der 2. Advent: Vollmond

Vollmond im Dörfchen.

Heute ist Vollmond und die Nacht ruft nach mir // Komm mit mir tanzen, und ich küß dich dafür. So heißt es auf Nenas erstem Album (1983).

Zwar ist nicht gerade heute Vollmond – das war schon in der Nacht auf Freitag, unserem fünften Türchen. Auch hat Bolle niemanden rufen hören – und schon gar nicht die Nacht. Und tanzen? Küssen? Mädchen (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) womöglich gar? Da sei Gott vor – sprach der Agnostiker.

Immerhin war es ein „Supermond“ – wie der Journalismus 2.0 marktschreierisch zu vermelden wußte. „Der letzte des Jahres“, wie es weiter hieß. Bolle meint nur: Ja, was denn sonst? Vollmond – egal ob super oder normal – ist nun mal nur alle gut vier Wochen. Angesichts der Jahreszeit bleibt da wohl nicht mehr allzu viel Spielraum.

Jedenfalls war Bolle nach zwei Stunden tiefen Schlafes kurz nach Mitternacht plötzlich putzmunter. Wegen Vollmond? Kann sein – kann Zufall sein. Bolle findet es durchaus nicht abwegig, ersteres ernstlich ins Auge zu fassen. Seit Jahrhunderten behauptet das Volk in seiner Weisheit ja, daß es einen Zusammenhang gebe zwischen Vollmond und Schlaflosigkeit. Und zumindest seit Jahrzehnten halten Mediziner – gestützt auf empirische Daten aus sogenannten Schlaflaboren – dagegen, das sei ja wohl alles Humbug, und ziehen sich auf das zurück, was zu verstehen ihnen nahe liegt: das Licht! Bei Vollmond – und erst recht bei Supermond – sei es nun mal heller in der Nacht, und damit auch im Schlafgemach. Daß die Leute heute Jalousien haben? Paßt nicht zur Theorie – kann demnach also auch nicht sein. Daß Bolle nie im Dunkeln schläft – die Beleuchtung seines Schlafgemaches dürfte auch den krassesten Supermond um ein Vielfaches übertreffen – auch das will ganz und gar nicht passen.

Schiere Einbildung? „Heute ist Vollmond – und das heißt, die Nacht ruft nach mir“ will Bolle als wissenschaftliche Erklärung auch nicht so recht einleuchten. Im Grunde weiß er nicht einmal, ob er überhaupt mitgekriegt hat, daß gerade Vollmond ist. Bleibt die unbewußte Aufmerksamkeit: Irgendwie wird Bolle es schon gemerkt haben. Hier allerdings wird es allmählich recht windig mit den wissenschaftlichen Erklärungsversuchen.

Wie weiter? Bolle hält den Vollmond – und erst recht den Supermond – für ein höchst lebenspraktisches Beispiel für die Vorzüge der Agnostik. Statt nur in Kategorien wie ›Ist so / Ist nicht so‹ zu operieren, behält sich ein Agnostiker die Kategorie ›me‹ vor: „Wer bin ich, das zu entscheiden? Ich lasse das mangels hinreichender Datenlage einfach mal offen.“ (Wer kurz nachschlagen beziehungsweise auffrischen mag: vgl. etwa Fr 10-12-21 Das zehnte Türchen …).

Natürlich muß man sich das erst einmal trauen. Üblicherweise ist das Bedürfnis nach Klarheit ja sehr viel stärker ausgeprägt als das Bedürfnis nach Wahrheit – selbst dann, wenn sich die Wahrheit dem Suchenden hartnäckig zu verschließen beliebt. Ein schlichtes ›Wir wissen es nicht – ich zumindest nicht‹ ist durchaus nicht jedermanns Sache. Auch dann nicht, wenn sich damit hunderte von Fehlurteilen oder, ganz allgemein, eine gravierende Schräglage im Umgang mit der Welt vermeiden ließe. Wie heißt es doch gleich bei Mephistopheles: Spotten ihrer selbst und wissen nicht wie. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 06-12-25 Das sechste Türchen – Nikolausi: Stiefelknechte

Stiefelknechte im Laufe der Zeit (Carl Spitzweg 1845).

So schnell kann’s gehen. Heute schon ist Nikolausi. Außerdem ist Wochenende. Letzteres kann im allgemeinen Weihnachtszauber ja durchaus schon mal untergehen. Eigentlich wollten wir heute was zu den Stiefelknechten in der hohen Politik sagen. Allerdings meinte Bolle in einem seltenen Anflug von Sensibilität, das sei ja wohl kaum das richtige für unseren Adventskalender: kaum kontemplativ und viel zu laut und lärmend. Im Grunde hat er Recht: das läuft uns nicht weg. Verschieben wir es also auf das nächste Jahr.

Heute morgen in aller Herrgottsfrühe hat Bolle den Sankt Nikolaus durch die heimischen Hallen huschen und – sind’s gute Kind, sind’s böse Kind? (Theodor Storm 1862) – Äpfel, Nuß und Mandelkern in die hoffnungsvoll bereitgestellten Stiefel tüten sehen. So etwas kann man natürlich nur beobachten, wenn Kinder im Hause sind und insofern man vor Tau und Tag schon froh und munter ist. Bei Bolles hochsittlichem Lebenswandel ist letzteres natürlich der Fall, of course.

Doch zurück zu den Stiefelknechten. Bei den ›Stiefelknechten‹ – da gibt es kein Vertun – handelt es sich definitiv um ein Teekesselchen. Einerseits können damit die praktischen Ausziehhilfen gemeint sein – gewissermaßen das Gegenstück eines Schuhlöffels als Anziehhilfe –, andererseits aber auch eine Arbeitsplatz- oder doch zumindest Tätigkeitsbeschreibung für weniger hochgestelltes Gesinde. Was die Herrschaften (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) halt so brauchen …

Unser heutiges Bildchen – bei dem es sich um eine Karikatur von Carl Spitzweg handeln soll: Bolle hält es eher für eine Auftragsarbeit als Werbegraphiker – zeigt beides: Im oberen Teil sehen wir die praktische Ausziehhilfe, wie es sie heute noch käuflich zu erwerben gibt, und im unteren Teil einen Stiefelknecht aus Fleisch und Blut bei der Arbeit. Falls das Bild nicht trügt, scheint das – zumindest „bis vor 1452“, wie Spitzweg meint – durchaus nicht die angenehmste aller Arbeiten gewesen zu sein – gutgemeinter hilfreicher Tritt in den Allerwertesten inklusive.

Ob auch Sankt Nikolaus sich eines Stiefelknechtes bedient – im Fleische oder im Holze, möglicherweise Knecht Ruprecht gar? – weiß Bolle unmöglich zu sagen. Und wie hält es Letzterer? Ist man sich womöglich gegenseitig Stiefelknecht? Fragen über Fragen. Wir wissen es nicht. Auch wär‘ das alles doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.