Di 23-02-21 Wo bleibt denn da das Positive?

Wo bleibt denn da das Positive?

Nichts liegt Bolle ferner als übertriebener Zynismus. Und das, obwohl in seinem semantischen Netz »Zynismus« lange nicht so abwertend („negativ“) besetzt ist wie der Geist der Zeiten das gegenwärtig sehen mag. Wir hatten diesen Punkt neulich schon mal gestreift (vgl. So 07-02-21 Shit happens). Wer mag, mag dort nachlesen.

Wo zeigt sich nun das Positive? Womöglich nur im Corönchen-Test. Wirklich aufbauend ist das nicht – das sieht Bolle ein. Nun gibt es, um einen „positiven“ Corönchen-Test zu vermeiden, im Grunde genau zwei Möglichkeiten: a) sich nicht infizieren oder b) sich gar nicht erst testen lassen. Auf Dauer aber – auch das sieht Bolle ein – wird sich letzteres wohl kaum vermeiden lassen. Nicht in Urlaub fahren dürfen mangels „negativem“ Testergebnis? Geschenkt. Bolle entspannt sich regelmäßig bei der Arbeit und ist demnach wenig urlaubs-affin. Nicht in den Klub dürfen aus gleichen Gründen? Ebenfalls geschenkt. Spätestens dann aber, wenn man ohne „negativem“ Testergebnis nicht mal mehr in den Supermarkt darf, wird’s eng. Genau das aber wird kommen. Zwar traut sich bislang noch kein einziger der demokratischen Würdenträger, das offen auszusprechen. Aber der Journalismus 2.0 arbeitet erkennbar und mit Fleiß daran, das Volk auf ebendieses einzustimmen. Bürgerliche Freiheitsrechte? Selbstverständlich – wir leben ja schließlich in einem demokratischen Rechtsstaat. Aber bitteschön doch nur für „gute“ Bürger – und nicht für jeden Lumpi, der verantwortungslos „sich und die anderen“ gefährden tut. Demokratie ist schließlich, wie wir bereits gesehen haben, ›die Herrschaft der Guten‹ (siehe So 06-12-20 Das sechste Türchen — Nikolausi …). Nur brauchen die Guten manchmal eben ein Weilchen, bis sie einsehen, was gut ist und was nicht: „Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum“ (Ihr werdet sein wie Gott und Gut und Böse unterscheiden können). Das hat ausgerechnet Mephistopheles dem jugendlichen Schüler in sein „Stammbuch“ geschrieben (Faust I, Zeile 2048) – nicht ohne hinzuzufügen: „Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!“ (Zeile 2050). Im Grunde war das – obschon nicht ganz neu – der Anfang demokratischer Rechthaberei. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Mo 22-02-21 Von Wissenschaft, Wahrheit und Wirkung

Von Wissenschaft, Wahrheit und Wirkung.

Heute gönnen wir uns mal wieder was leichteres zur Entspannung  – auch als praktischen Nachtrag zu unserem Thema von neulich (vgl. Sa 16-01-21 Wirklich wahr?). Aber es gibt nun mal Themen, die einen geradezu anspringen. Bei der heutigen Morgenlektüre hat Bolle erfahren, daß „alle zwölf Berliner Amtsärzte“ geschlossen darauf hingewiesen haben, daß die gemessenen „Inzidenzen“ nicht nur davon abhängen, wie viele Leute sich frisch infiziert haben, sondern auch davon, wie viele Leute sich testen lassen – und damit lange nicht so aussagekräftig sind, wie wir das gerne hätten. Kiek ma eener an. Als Donald Trump sich vor einiger Zeit ganz ähnlich geäußert hatte, war voll der Teufel los. Warum dann tagtäglich die tagesgenaue massenmediale Vermittlung der Werte? Bolle meint: Das soll so wirken, als habe man, wenn schon nicht Corönchen an sich, so doch zumindest „die Daten“ im Griff. Und dann so was. Das zieht dem Orientierungsbedürfnis – einem der vier kognitiven Grundbedürfnisse und damit essentiell für das seelische Wohlbefinden – doch glatt den Boden unter den Füßen weg. Ja, dürfen die das denn?

Wir hätten diesen Punkt vielleicht gar nicht erwähnt – hätte da nicht ein Hamburger Wissenschaftler ein 105-seitiges Thesenpapier veröffentlicht, das einen Laborunfall in Wuhan als Ursache der Corönchen-Pandemie nahelegt. Ja, darf man das denn als Wissenschaftler? Eine abweichende Meinung vertreten und damit das Orientierungsbedürfnis der Leute erschüttern? Die Leute erwarten von der Wissenschaft die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Dumm nur, daß Wissenschaft so nicht funktioniert. Wissenschaft ist, auf den Punkt gebracht, ein Wettbewerb um Wahrheit (neudeutsch: ein Trial-and-Error-Prozeß), der naturgemäß mehr Versuch und mehr Irrtum hervorbringt als abschließende Wahrheiten. Und? Was kommt pressevermittelt beim Volk an? „Hört auf die Wissenschaft“ – die haben die Weisheit mit Löffeln gefressen. Bolle meint: Hört, hört. Und so wird auch unverzüglich die unzureichende „Wissenschaftskommunikation“ der Uni Hamburg angemeckert. Im Grunde läuft das auf das Ansinnen hinaus, dem Volk nur wirkliche, abschließende Wahrheiten zu servieren – möglichst mainstream-kompatibel. Allerdings liegt es im Wesen der Wissenschaften, daß damit bis auf weiteres nicht zu rechnen ist. Dumm, das.

Das letzte Beispiel für heute: Die Energie-Effizienzklassen, etwa von Kühlschränken, sollen von inflationären A + + + für die beste Einstufung auf eine Skala von A bis G umgestellt werden – wobei A für die schlechteste und G für die höchste Energie-Effizienz stehen soll. Bolle meint: Ist aber auch verwirrend. Wo sind eigentlich die Marketing-Experten und Sprach-Designer, wenn man sie mal braucht? Aber das ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

So 21-02-21 Die große Schwester der Freiheit …

Die große Schwester der Freiheit.

Erst mal übersetzen? Besser isset. „ … der Ruf nach „Recht“ und „Freiheit“ hallt allenthalben durch die Lüfte. Aber was meinen wir mit „Freiheit“? Als man sich darauf verständigt hatte, Raub und Diebstahl zu verbieten, hat das die Freiheit ausgedehnt – und nicht etwa eingeschränkt.“ Und so geht es weiter im Text: „Einzelne, die sich an die Logik der Allmende halten, erreichen lediglich die Freiheit, den allgemeinen Ruin herbeizuführen. Erst wenn wir die Notwendigkeit verbindlicher Regeln einsehen, gewinnen wir die Freiheit, uns edleren Taten zu widmen. Ich glaube, es war Hegel, der gesagt hat: „Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit.“ Soweit der Text.

Was aber ist die ›Logik der Allmende‹? Hier die Ultra-Kurzfassung: Wenn ein Bauer seine Kuh auf die Gemeindewiese (Allmende) treibt, auf daß sie dort möglichst viel fressen möge, macht das aus seiner Sicht Sinn. Wenn das aber alle so machen, wird die Wiese überweidet und macht schlapp – zum Nachteil aller Bauern. Das ist es, was Hardin mit „allgemeinem Ruin“ meint. Eine naheliegende Lösung: Verbindliche Regeln, was das Weiderecht angeht. Das hat, historisch gesehen, auch zufriedenstellend funktioniert. Zumindest so lange, bis liberale, also „freiheitsliebende“ Ökonomen auf den Plan getreten sind und verkündet haben: Ganz im Gegenteil: Die Weide muß einem gehören, der sie, gegen Geld natürlich, verpachtet. Der „Herr der Weide“ wird dann schon im eigenen Interesse dafür sorgen, daß es zu keiner Überweidung kommt. Kann man das so sehen? Natürlich. Muß man das so sehen? Natürlich nicht. Den freiheitsliebenden Ökonomen hat es bekanntlich schon immer, Hegel 2.0, an Einsicht in die Sozialverträglichkeit gemangelt. Diesen Punkt wollen wir heute aber nicht weiter vertiefen. Hier bleibt nur festzuhalten: Verantwortung ist die große Schwester der Freiheit. Wir hatten es bereits erwähnt (vgl. Sa 06-02-21 Multiples Organversagen: Der Globus quietscht und reihert …).

Was hat das mit uns zu tun? Werfen wir einen Blick in die Welt. Da hätten wir „Libertad Pablo Hasél“ – also den Ruf nach Freiheit für einen spanischen Rapper, der wegen Majestätsbeleidigung zu 9 Monaten Haft verurteilt wurde. Da hätten wir Alexei Nawalny, der wegen Verunglimpfung eines Kriegsveteranen zu einer Geldbuße von umgerechnet zwei mittleren russischen Jahreseinkommen verurteilt wurde. Warum? Beide haben in ihren Freiheitsbestrebungen gegen die jeweils geltenden Regeln verstoßen und wurden dafür zur Verantwortung gezogen. Aber darf ein Staat, egal ob Spanien oder Rußland, so was denn? Einfach Regeln aufstellen? Bolles Befürchtung: er darf nicht nur – er muß sogar. Aber sind die Regeln nicht viel zu hart? Nun, auch in Deutschland ist „Majestätsbeleidigung“ strafbewehrt. Nur heißt es hier „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“, § 90 StGB, und führt auch zu bis zu 5 Jahren Haft. Aber auch „Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des öffentlichen Lebens“, § 188 StGB, ist in Deutschland gleichermaßen strafbewehrt. Und selbst für die „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“, § 189 StGB, sind noch bis zu 2 Jahren Haft oder Geldstrafe fällig.

Aber kann man das denn überhaupt vergleichen? Ist Spanien nicht eine Diktatur? Aber Ja doch. Erstens kann man ganz grundsätzlich alles mit allem vergleichen – was allerdings nicht heißen soll, daß man alles mit allem gleichsetzt. Aber laßt uns besser nicht trivial werden. Übrigens: Hardin’s Hegel-Zitat ist definitiv nicht von Hegel. Aber das ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 20-02-21 Fast forward …

In der Kürze liegt die Würze.

Der Sinnspruch heute stammt in der Tat aus Shakespeare’s Hamlet – das war Bolle durchaus nicht klar – und ist damit auch schon wieder 400 Jahre alt. Höchste Zeit, sich dran zu halten. Oft genug passiert aber glatt das Gegenteil. So hat sich zum Beispiel, Ironie pur, ein deutscher Aphoristiker bemüßigt gesehen, da einen Sechszeiler draus zu machen. Aber das soll hier nicht unser Thema sein. Was dann?

Bolle hat sich schon öfters mal gefragt, wie es sein kann, daß jeden Tag genau so viel passiert, daß es exakt die Seiten einer Zeitung füllt oder auch das vorgegebene Zeitfenster etwa der Abendnachrichten. Irgendwas kann da nicht stimmen. Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Trick – wie es ›Wir sind Helden‹ in ihrem Lied ›Geht auseinander‹ 2005 schon recht trefflich (und fast wörtlich so) gefaßt haben. Und? Wie geht Bolles Trick?

Im Grunde ist der Trick, wie die meisten guten Ideen, so simpel, daß Bolle sich im Nachhin­ein gefragt hat, wieso er da nicht sehr viel früher schon drauf gekommen ist. Zeitung lesen scheidet seit langem aus, weil es da ja offenkundig weniger um Nachrichten an sich geht als um journalistische Selbstverwirklichung. Im übrigen ist Bolle der Zeitverzug zwischen Ereignis und Übermittlung zu groß. Und was die bildungsbürgerlichen Nachrichtensendungen angeht – die Bolle wenigstens kursorisch zur Kenntnis nehmen will: Die lassen sich, zumindest im Internet, im Fast forward-Modus goutieren. So bietet etwa die ARD ihre jeweils letzte Nachrichtensendung unter ›tagesschau.de/sendung/letzte-sendung/‹ als Video-Stream an – mit dem unschätzbaren Vorteil, daß man die ganzen Propaganda-Einlagen und sonstigen Banalitäten bequem via Pfeiltaste überspringen kann. Fast forward, eben. Eine durchschnittliche Sendung von etwa 15 Minuten schafft Bolle so locker in 2 bis 3 Minuten – wenn überhaupt. Wenn das kein Fortschritt ist. Außerdem befreit einen das von der Bindung an alberne Sendezeiten. Aber das ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Fr 19-02-21 Die fetten Lieferketten retten?

Die fetten Lieferketten retten?

In einer mittelalterlichen Siedlung wurden, so hört man, geschätzte 98% aller verbrauchten Güter in einem Umkreis hergestellt, den man von der Kirchturmspitze aus überblicken konnte. Lieferketten waren demnach unbekannt. Natürlich hat es immer schon Handel gegeben mit Gütern, die eben nicht in Kirchturmspitzen-Entfernung zu haben oder herzustellen waren. So sollen zum Beispiel ägyptische Pharaonen seinerzeit einen Narren an Bernstein gefressen haben. Bernstein findet sich aber vorwiegend in der Ostsee und nicht etwa im roten Meer. Und so hat es in der Bronzezeit schon einen mehr oder weniger schwungvollen Bernstein-Handel gegeben. Regelrechte Lieferketten waren das allerdings noch nicht.

Etwas anders sieht die Sache aus, wenn wir von der Ostsee zur Nordsee schwenken und von Bernstein zu beispielsweise Krabben. Die in der Nordsee gefangenen Krabben werden heutzutage allen Ernstes nach Marokko gekarrt, dort von Hand gepult und dann wieder zurückgekarrt, um auf einem Häppchen-Teller in, sagen wir, Buxtehude zu landen. Noch krasser wird das ganze, wenn, wie in einigen hoch-industrialisierten Bereichen, so ziemlich alles irgendwo anders hergestellt und hier nur noch zusammengeschraubt wird, um zum Abschluß mit einem fröhlichem „Made in Germany“-Etikett verziert zu werden. So richtig seriös will Bolle das nicht scheinen.

Was tun? Sprichwörtlich ›Zurück auf Los‹ – zurück zur mittelalterlichen Dorfgemeinschaft? Das wäre vermutlich übertrieben. Schließlich profitieren ja alle von der „internationalen Arbeitsteilung“ – wie das gerne und etwas euphemistisch auch genannt wird. In erster Linie profitieren aber die Länder, die die höherwertigen Güter anbieten – egal ob selber hergestellt oder einfach nur zusammengesteckt. In allererster Linie profitieren aber die Unternehmen, die das Lohngefälle ausnutzen (in Marokko liegt der übliche Stundenlohn nun mal deutlich unter dem in Buxtehude), und überdies die Gefälle in den Sozial- und Umweltstandards. Wenn in Marokko jemand nach einem langen Arbeitsleben einfach tot umfällt statt in Rente zu gehen, spart das eine Menge Geld. Und wenn den Krabben-Pulern (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course – wir wollen ja gender-korrekt sein und bleiben) im wahrsten Sinne des Wortes die Fabrikdecke auf den Kopf fällt, weil man in Marokko mit den Bauvorschriften noch nicht so weit ist: Betretene Mienen am Häppchen-Buffet. Wer hat’s vermasselt? Kaum feststellbar – zumal die marokkanischen Auftragnehmer die Aufträge ja regelmäßig längst an Sub-, Subsub- und Subsubsub-Unternehmen weitergereicht haben. „Diversifikation der Verantwortung“ nennt man das dann in der Betriebswirtschaftslehre. „Schulterzucken“ könnte man auch sagen.

Und? Wer ist schuld? Der Verbraucher (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) natürlich, der seine Krabben ein paar Cent billiger haben möchte. Der Verbraucher – und nicht etwa die bösen Konzerne – ist immer schuld an allem, of course, und meint dabei auch noch, nicht mal betreten gucken zu müssen. Die Lieferketten sind aber auch zu schlecht zu überblicken (neudeutsch: zu „komplex“) – vor allem, wenn man gar nicht erst hingucken mag. Bolle fragt sich: Wäre die agnostisch-kontemplative Corönchenzeit, in der wir alle ja nun mal feststecken, nicht eine feine Gelegenheit, über diese und ähnliche Fragen mal ganz grundsätzlich nachzudenken? Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Do 18-02-21 Vom kernigen Lifestyle

Vom kernigen Lifestyle.

Und, Bolle? Übersetzen? Aber Ja doch: „Ich saufe ziemlich viel, schlafe wenig, und rauche eine Zigarre nach der anderen. Das hält mich zweihundertprozentig fit.“

So hat Churchill das, soweit wir wissen, nie gesagt. Ganz aus der Luft gegriffen ist diese Lifestyle-Regel aber dennoch nicht. Sie geht in recht ähnlicher Form zurück auf den britischen Generalfeldmarschall und Bezwinger von Erwin Rommels Panzerarmee in Afrika, Sir Bernard Montgomery. Übrigens nicht zu verwechseln mit dem gegenwärtigen Vorstandsvorsitzenden des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery. Aber auf derlei Feinheiten soll es uns hier gar nicht ankommen.

Worauf dann? Nun, Bolle hat den Eindruck, daß beide, sowohl Churchill als auch Montgomery, einen sehr viel „kernigeren“ Lifestyle gepflegt haben als das heutzutage den meisten zuträglich erscheinen will. Gleichwohl: beide sind rund 90 Jahre alt geworden – und das unter eher widrigeren Lebensumständen. Von wegen „Mimimi“.

Was hat das mit uns zu tun? Nun, Bolle fällt von Zeit zu Zeit immer wieder mal auf, welche geringe Rolle in der gegenwärtigen medizin-hysterischen Debatte die Tatsache spielt, daß offenbar nur um die 5% der Corönchen-Infizierten Raucher sind. Ein Ergebnis, das sich mit sämtlichen der zur Zeit geläufigen Vakzine messen kann. Aber ist das überhaupt wahr? Falls Ja: Darf das überhaupt wahr sein? Oder ist da Christian Morgenstern vor – von wegen „Weil, so schließt er messerscharf, // nicht sein kann, was nicht sein darf“?

Wir wissen es nicht. Auch wissen wir nicht, ob man in der gegenwärtigen Lage mit einem kurzfristigen Wandel zu einem kernigeren Lifestyle noch groß was reißen kann. Falls Ihr es ausprobieren wollt: Fragt auf jeden Fall zunächst Euren Arzt oder Apotheker. Aber das ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Mi 17-02-21 Na, und denn — ?

Na, und denn — ?

Die Textstelle stammt aus Kurt Tucholskys bitter-süßem Gedicht »Danach«. Das ist auch schon wieder 90 Jahre her bzw. für alle, die kleine Zahlen und große Einheiten lieber haben, drei Generationen. Ja, passiert denn nie was wesentliches auf der Welt? Und so endet Tucholskys Gedicht auch recht nüchtern:

Der olle Mann denkt so zurück:
wat hat er nu von seinen Jlück?
Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch und Langeweile.
Und darum wird beim happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.

Vabrühte Milch und Langeweile. Herrlich. Bolle liebt es, wenn Dichter die Dinge auf den Punkt bringen. Zur Zeit tun wir so, als sei Corönchen – ein Begriff, der vielen nur als Determinativ-Kompositum und ohne Diminutiv, also ›Corona-Pandemie‹ über die Lippen gehen will – eine Ausgeburt des Leibhaftigen. Also nüscht wie weg – und zwar so schnell wie möglich.

Auch über den Weg zum „weg“ herrscht Einigkeit. Wir haben das an anderer Stelle einmal »Humans go Borg« genannt (vgl. Sa 09-01-21 Und? Wie geht’s weiter?). Na, und denn – ? Denn kieken wa ma. „Back to normal“ heißt die Devise. Which normal?, fragt sich Bolle. Aus den corönchenbedingten Staatsschulden wollen wir, wenn man den Verlautbarungen Glauben schenken darf,  mir nichts dir nichts mal eben „rauswachsen“. Na toll. Die Umwelt läßt grüßen – und Perspektive geht irgendwie anders.

Bolle hat es vor einiger Zeit unternommen, eine Liste zu erstellen mit allem, was uns seit längerem schon plagt, und ist dabei auf schlanke 19 Punkte gekommen. Auf zwei, drei Punkte mehr oder weniger kommt es hier nicht an. Das klingt im Grunde noch beherrschbar – geht aber wohl nicht ohne Plan. Hier Bolles abgespeckte Liste, gekleidet in drei grundlegende Fragen:

Erstens: Wie kann es sein, daß die Weltbevölkerung in toto so wenig kreislaufkritisch ist?  Die hervorstechendsten Punkte sind hier vor allem der Atommüll und, weit abgeschlagen, der Plaste-Müll. Zweitens: Wie kann es sein, daß die Weltbevölkerung in toto ernstlich glauben kann, daß dieser Planet Platz für 8 Milliarden Erdenbürger bietet? Und drittens: Wie können wir glauben, daß sich die zu lösenden Probleme auf dem Wege von Mehrheitsentscheidungen werden lösen lassen – wo uns doch die Nash-Gleichgewichte (übrigens ein weiterer Punkt auf Bolles Liste) regelrecht ins Gesicht springen? Wir werden darauf zurückkommen. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Di 16-02-21 Von Systemen und Relevanz …

Von Systemen und Relevanz.

Bei unserem heutigen Beitrag soll es uns mehr um Kontemplation gehen und weniger ums Lesen. Bei der Textstelle handelt es sich um einen Schlager aus den frühen 1970er Jahren. Das ist fast 50 Jahre her. Wie kommt Bolle auf so was? Nun, einerseits hieß es in den Nachrichten, daß zur Zeit bestimmte Grenzen nur noch passiert werden dürfen, wenn das jeweilige Unterfangen „systemrelevant“ ist. Andererseits hatte Bolle mit einem halben Ohr in eine Rosenmontagsparty reingehört, in der unter anderem ein Puppenspieler seine Kunst zum besten gab. Der Rest war freie Assoziation.

Davon ab wirft sich hier mit Wucht eine Frage auf: Was ist eigentlich „systemrelevant“ bzw., klarer noch, was wird von einer Gesellschaft als systemrelevant angesehen? Noch klarer: Was bleibt eigentlich von einer Zivilisation, wenn die Lichter ausgegangen sind? Am ehesten ja wohl die Kultur. Können wir uns vorstellen, daß Roberto Blanco den Wasserträger von Mexiko besungen hätte? Oder vielleicht den Haareschneider von Mexiko? Oder gar den Altenpfleger von Mexiko? Möglich, aber unwahrscheinlich.

Wie gesagt: Ein Beitrag zum vielleicht ein wenig In-sich-gehen. Alles weitere wäre dann schon wieder ein anderes Kapitel.

Mo 15-02-21 Der Weisheit letzter Schluß …

Der Weisheit letzter Schluß.

Es sind doch immer wieder die Dichter, und nicht etwa Wissenschaftler, denen es gelingt, die Dinge auf den Punkt zu bringen – und das mit einer prophetischen Perspektive von mehreren Jahrhunderten, oder auch noch sehr viel mehr. Die Fertigstellung des Faust II datiert auf 1831. Das war nur wenige Jahre nach den sogenannten Befreiungskriegen gegen den doch etwas übermütig gewordenen kleinen Korsen, der, nach zunächst beachtlichen Erfolgen mit dem erklärten Ziel, Europa zu „einen“, 1812 in Rußland hatte lernen müssen, was es heißt, ein wirklich großes Land erobern zu wollen. Ähnliches, doch das nur am Rande, mußten auch andere Feldherren, und seien es die größten, immer wieder erleben. Die Parallelen ziehen sich bis in die Gegenwart. Hatten wir schon erwähnt, daß sich Bolle, im Kern souverän, wie er nun mal ist, das Recht herausnimmt, alles, wirklich alles mit allem zu vergleichen? Gegebenenfalls auch Äpfel mit Birnen – wohl wissend, daß sie nicht gleich sind? Doch nun Ende Exkurs. Nur ein Jahr später schon, 1813, mußte der kleine Korse, der Lektionen zweiter Teil, in der sogenannten Völkerschlacht bei Leipzig leidvoll lernen, daß auch kleinere „Flickenteppiche“ wie etwa Europa nicht ganz leicht zu erobern sind, wenn sich alle, wirklich alle anderen – im wesentlichen also Preußen, Russen, Habsburger und auch die Briten –, einig sind, wenn auch nicht im erwünschten Sinne geeint. Wiederum nur zwei Jahre später, 1815, nach einer Rekonvaleszenzphase auf der Insel Elba, mußte er dann sein ganz persönliches Waterloo erfahren und wurde von den Briten, safety first, bis auf weiteres auf St. Helena in Sicherungsverwahrung genommen. Ende Gelände. Schluß mit Einiges Europa.

Was hat das mit uns zu tun? Von solcher Weisheit letztem Schluß sind wir heute, in doch eher friedensbewegten Zeiten, zumindest in Europa, weit, weit entfernt. Freiheit? Steht so in der Verfassung (Art. 2 GG). Leben? Das zu schützen ist Aufgabe der Regierung (ebenfalls Art. 2 GG). Und wehe, sie macht ihren Job nicht ordentlich – etwa weil sie zu spät oder zu wenig Impfstoff bestellt oder, mangels besserer Möglichkeiten, gar die Kommunikation per Fax erledigt. Wie haben wir’s so herrlich weit gebracht. Einerseits kann man das ja durchaus als zivilisatorischen Fortschritt durchgehen lassen. Wer will sich schon, wie Goethe das nennt, „täglich“ mit der Grande Armée her­umschlagen müssen? Versteht man ja. Aber wie so oft im Leben hat auch das seinen Preis. Für je selbstverständlicher Freiheit und auch Leben erachtet werden, desto mehr sinkt die Bereitschaft, sie „täglich zu erobern“ – und damit, nach Goethe, der eigene Verdienst daran. Und damit, das läßt sich nun mal nicht vermeiden, wird das ganze hohl und schal. Willkommen in der Gegenwart. Schöne, heile Welt (analog Huxley 1932 – noch so ein Prophet, by the way). Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

So 14-02-21 Corönchen-Proportiönchen

Rechenschieber reicht. Allemal.

Bekanntlich hält Bolle ja nicht viel davon, wie das Kaninchen auf die Zahlenschlange zu starren – vor allem dann nicht, wenn sich die Schlange auf die Einerstelle genau aufplustert. Als ob Schlangen sich aufplustern könnten. Halten wir also einen Moment inne und werfen einen Blick auf die Proportionen. Bis heute sind, wenn man den Zahlen glauben mag, 64.990 Leute an Corönchen gestorben. Vor einem Monat, am 14. Januar, waren es 45.209. Demnach sind in den letzten 31 Tagen 19.781 Leute „an oder mit“ Corönchen gestorben. Das klingt auf den ersten Blick nach richtig viel – bedeutet pro Tag aber „nur“ 638. Nun ist es so, daß in Deutschland 82,8 Mio Leute leben, die im Schnitt (sagen wir) 82,8 Jahre leben. Das bedeutet, daß pro Jahr 1 Mio Leute sterben – so oder so. Conditio humana, eben. Pro Tag sind das 2.740. Wenn wir die Zahlen ins Verhältnis setzen, dann würde das bedeuten, daß zur Zeit fast ein Viertel aller Todesfälle (638 geteilt durch 2.740 = 23%) auf das Corönchen-Konto gehen. Bolle meint: Möglich, aber unplausibel. Selbst wenn wir davon ausgehen, daß die Corönchen-Toten samt und sonders zusätzlich sterben – wovon wir nach allem, was wir wissen, aber nicht ausgehen können – dann wären wir immer noch bei knapp einem Fünftel (638 geteilt durch die Summe aus 2.740 und 638 = 19%). Bolle hält auch das für noch nicht sonderlich überzeugend.

Eher deutet alles darauf hin, daß Corönchen weniger die Ursache der Todesfälle ist (egal ob „mit“ oder „an“) als vielmehr der Auslöser (neudeutsch: Trigger). Das wiederum könnte bedeuten, daß Corönchen in der Tat eher ein sozialpsychologisches Problem ist und weniger ein virologisches. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.