
Zugegeben: Totgesagte leben länger. Gleichwohl kann sich Bolle des Eindruckes nicht erwehren, daß die Zustände in Deutschland und Europa doch ein wenig an die letzten Zuckungen der ehemaligen DDR erinnern. Da wird gerüttelt und geschüttelt, gelogen und geschroben, gebastelt und gehaspelt, daß sich die sprichwörtlichen Balken biegen. In einer lyrischen Version klänge das, einem alten Seemannslied folgend, in etwa so:
🎶 Das sind die Triebe der Psychosen
Auf die Dauer, dummer Fratz
Gibt’s dafür halt kein‘ Ersatz.
Am Rand, da blühen die Hypnosen
Und für jede, und für jede, und für jede gibt es Platz. 🎶
Wie sowas enden kann, wissen wir ja. Vor allem kann es sehr, sehr schnell gehen. Mit ein wenig glücklicher Fügung sprichwörtlich über Nacht. Erinnern wir uns nur an den seinerzeit völlig unvorbereiteten Günter Schabowski – Gott hab ihn selig – auf der Pressekonferenz im damaligen Ost-Berlin am 9. November 1989: „Nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Und schwupps, da war die Mauer weg.
Was die jüngere Entwicklung angeht: So richtig deutlich – und eigentlich auch für schlichtere Gemüter erkenntlich – wurde die Arroganz der Macht spätestens mit der Corönchen-Hysterie in den Jahren 2020 bis 2022 (vgl. dazu etwa Sa 04-02-23 1000 Tage Dämlichkeit …). Allein, es finden sich nach wie vor Leute, die stramm und fest behaupten, Corönchen habe „Millionen Tote“ gefordert. Bolle sieht das so: Auf diesem Planeten tummeln sich zur Zeit etwa 8 Milliarden Menschen. Bei einer großzügig angenommenen weltweiten Lebenserwartung von 80 Jahren bedeutet das, daß jährlich, also Jahr für Jahr, 100 Millionen Tote zu beklagen sind. Ein Skandal, of course. Aber so geht nun mal Arithmetik. Was davon auf das Corönchen-Konto gehen mag, was schlichter Schnupfen mit Todesfolge gewesen sein mag und was sonstige Mortalitätsgegebenheiten, läßt sich seriöserweise rein gar nicht abschätzen. Für einen soliden Panikmodus im Volke reicht es allerdings allemal.
Das Dumme ist nur: Mit einem übermäßig bangbüchsigen Volk läßt sich kein Staat machen – und schon gar keine Demokratie (vergleiche dazu etwa Mi 21-12-22 Das einundzwanzigste Türchen …). Dort hatten wir gesagt, daß ohne ein gewisses Maß an Urteilsfähigkeit, ohne hinreichende Souveränität (im Sinne von einer gewissen Resistenz gegen Gruppendruck sowie einem gesunden Mißtrauen gegenüber aufgeblasenen Autoritäten) und ohne eine grundsätzliche Freiheit von Bangbüchsigkeit von einem ›Souverän‹ wohl kaum die Rede sein kann.
Und kaum war mit Corönchen kein Staat mehr und vor allem auch keine Sensation mehr zu machen, ging es 2022 nahtlos mit der Ukraine weiter. Mittlerweile haben sich die selbstgefühlten „Eliten“ hier in einen „Whatever-it-takes“-Modus reingesteigert – was nichts anderes meinen kann als die kontemporäre Variante von Goebbels Totalem Krieg. Roger Köppel, der große Journalist der kleinen schweizer Zeitung, nennt das durchaus zutreffend eine regelrechte „Feindbild-Psychose“.
Indes hat Bolle den Eindruck, daß diejenigen, die sich selber gerne als „Elite“ titulieren lassen, durchaus was gelernt haben: Laß den Leuten zunächst tüchtig die Muffe sausen und rede ihnen dann ein, die Rettung in Form der Regierung sei nah – und schon werden sie euch zumindest mehrheitlich willig folgen.
Das kann natürlich, falls der Prozeß sich ungebremst fortsetzt, leicht ins Absurde lappen beziehungsweise gar kippen. Mittlerweile sind wir, in Deutschland und Europa, soweit, nicht nur den Russen, sondern gleichzeitig auch den Yanks (und möglichst auch noch den Chinesen) meinen die Stirn bieten zu müssen: Alles Schlampen – außer Mutti. In Bolles Grundschulzeit gab es dafür die stehende Wendung: Haste wohl Kaba gesoffen? (Für alle, die sich nicht erinnern können: Die Werbung für Kaba, ein kakaohaltiges Getränk, hatte seinerzeit eine ähnliche Stoßrichtung wie heutzutage mancher Energy-Drink).
Im Grunde – so Bolles Vermutung – haben wir es hier im weiteren Sinne mit einer Form von Pfadabhängigkeit zu tun: Das, was einer für die weitere Vorgehensweise für richtig hält, hängt schwer von der bisherigen Vorgehensweise ab – und zwar völlig unabhängig davon, ob die bisherige Vorgehensweise in einem wie auch immer verstandenen Sinne „richtig“ war oder nicht. Und damit wären wir bei Goethes Knopfloch-Theorem:
Wer das erste Knopfloch verfehlt,
kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.
Aber träumen wird man ja wohl dürfen. Das Volk verschrecken ebenfalls. Die Einsicht, daß man mit dem Zuknöpfen in der Tat und ganz, ganz wirklich nicht zurande kommt, darf man sich dann bis ganz zum Schluß aufsparen. Themen wie Klima und so weiter gehen in der allgemeinen Krisen-Kakophonie übrigens glatt unter. An was alles soll man denn noch denken müssen? Sowas sprengt glatt Hülsenfrüchtchens Horizont. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.