Mo 18-12-23 Das achtzehnte Türchen …

Das 12chen (Symbolbild, of course …)

Wir hatten am letzten Mittwoch, eher beiläufig, die 12chen erwähnt (vgl. Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …). Nun ist es mit Andeutungen ähnlich wie mit Gerüchten: Sie wecken mitunter mehr Aufmerksamkeit als eigentlich beabsichtigt war. Dabei geht es hier mitnichten um Geheimes Know-How – auch nicht im weiteren Sinne. Und da wir ohnehin unter uns sind, soll es an ein paar klärenden Worten nicht fehlen.

Die 12chen heißen 12chen, weil sie den 12. Teil der wachen Lebenszeit in Anspruch nehmen. Das ergibt sich rein arithmetisch: 5 min pro voller Stunde (entsprechend 60 min) ergibt nun mal ein zwölftel. Demnach müßten sie eigentlich, wenn es nicht sinnlos sperrig wäre, Zwölftelchen heißen. Tun sie aber nicht. Allein das soll uns hier nicht weiter bekümmern, denn erstens kommt es darauf nicht an, und zweitens ist Sprache ohnehin selten sonderlich logisch.

Worauf es dagegen ankommt, ist, zumindest nach Bolles Ansicht, einen gewissen kontemplativen Abstand zu wahren zu der um einen herum wogenden Welt (vornehm: vita activa). Ansonsten nämlich kriegt man leicht einen Knall – zumindest auf Dauer.

Technisch gesehen sind die 12chen alles andere als anspruchsvoll. Abstand nehmen – und nur das – ist der Dreh- und Angelpunkt. Das erreicht man, indem man in eben jenen 5 Minuten etwas grundsätzlich anderes macht als in der restlichen Stunde seines aktiven Lebens. Dabei empfiehlt es sich, zumindest einen Raum-Anker zu setzen (wie die NLP-Leute das nennen würden). Wer also beispielsweise den ganzen Tag am Schreibtisch verbringt, sollte sich – so viel Zeit muß sein – in einen Nebenraum begeben. Wer keinen Nebenraum zur Hand hat, könnte sich – das ist durchaus eine Möglichkeit –  zum Beispiel unter den Schreibtisch setzen. Hauptsache weg!

Und? Was tut man dann da unter dem Schreibtisch? Eigentlich nur Abstand nehmen. Wer unbedingt was zu tun braucht, mag es mit Atmen probieren. Atmen und zählen, zum Beispiel. Bolle für sein Teil würde bis 10 zählen – zehn mal einatmen, zehn mal ausatmen … Und schon sind die 5 Minuten um.

Wie sitzen? Eigentlich wie immer für solche Zwecke: aufrecht und bequem. Die Alten (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) übrigens nennen das seit jeher sthira-sukham-asanam. Aber auch darauf kommt es nicht weiter an. Sitzen, das kann der Fersensitz sein – mit oder ohne Yoga-Bänkchen –, der Schneidersitz oder auch ein halber Lotus (mit oder ohne Pölsterchen für das Popöchen). Wer auf diese Weise unmöglich bequem sitzen kann, mag sich notfalls mit einem Stuhl begnügen. Allerdings sollte das (siehe oben) nicht der Stuhl sein, auf dem man ohnehin die ganze Stunde gesessen hat – von wegen Abstand, Raum-Anker.

Wem nach einer Stunde am Schreibtisch nach ein wenig Recken und Strecken zumute ist: Bitteschön. Dann atmet man eben nur 5 mal, bis die 5 Minuten um sind.

Ach so: Eieruhr stellen nicht vergessen. Schließlich wollen wir wissen, wann es wieder Zeit ist für das aktive Leben, ohne zwischendurch auf eine Uhr schielen zu müssen. Aber wer ein Handy hat, hat auch eine Eieruhr.

Ein Moslem – die machen ganz ähnliche Dinge, wenn auch mit sehr viel mehr Vorgaben verbunden – hat es Bolle bei einer Taxifahrt durch Kairo einmal wie folgt erklärt: „Ich komme gar nicht so recht dazu, was Schlechtes zu tun. Kaum will ich damit anfangen, ist schon wieder Zeit für mein Gebet. Und danach kann ich unmöglich so weitermachen.“ Wie man sieht – Abstand hilft. In jeder Hinsicht. Egal, unter welcher Flagge. Warum also nicht auch agnostisch? Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 17-12-23 Das siebzehnte Türchen – der 3. Advent …

Weihnachtsvorbereitungen …

Heute ist der dritte – und dabei im Grunde auch schon letzte Advent. Die vielleicht finale Gelegenheit also, sich vorweihnachtlich zu besinnen. Denn wer wollte sich am kommenden Sonntag am Nachmittag auf die Ankunft des Herren (meinetwegen beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) vorbereiten, wenn selbige ohnehin am gleichen Abend noch ins Haus steht – und die lieben Kleinen womöglich schon mit den Füßen scharren?

Vorgestern war Bolle im Rahmen seiner festlichen Vorbereitungen auf dem Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Charlottenburg (oder ist es Wilmersdorf? das weiß hier keiner mehr so genau) – also justamente dort, wo vor sieben Jahren ein islamistisch inspiriertes Glühwürmchen meinte, das Gleichgewicht dieser Welt ein wenig zum Besseren wenden zu müssen, indem es eine handvoll Christenmenschen kurz vor dem Feste noch zur Hölle schickt – oder wie auch immer sein diesbezügliches Konzept ausgesehen haben mag.

Bolle indes sieht derlei ganz pragmatisch-kontemplativ. Falls dies meine letzte Tat auf Erden sein sollte (vgl. dazu Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …) – dann wenigstens mit einem guten Grog. Glühwein geht ja nimmer (wie man in Österreich sagt), seit man sich von doch eher unappetitlichem Diethylenglykol (C2H6O2) auf schlichten Haushaltszucker (Saccharose, C12H22O11) als Hauptbestandteil des Glühweines verständigt hat. Bolle dagegen würde ja ganz klassisch für Wein als Hauptbestandteil plädieren. Ein ehrlicher Grog dagegen – ehrlichen Rum vorausgesetzt, und gerade die günstigeren und damit auf Weihnachtsmärkten wohl verwendeten Sorten sind in diesem Sinne ehrlich – ist praktisch zuckerfrei. Womöglich gar vegan? Da fühlte sich Bolle – von grundsätzlicheren Zweifeln einmal abgesehen – gleich auf der „richtigen Seite der Geschichte“.

Passend zum Grog hat Bolle von seiner charmanten Begleitung noch ein Anekdötchen erfahren zum Thema Zucker und Überzeugung. Daß so etwas wie Zuckerwatte aus Zucker – und im Grunde nur aus Zucker – besteht, dürfte allgemein klar sein. Aber sonst? Dem Anekdötchen zufolge soll – anderenorts, also nicht auf dem Breitscheidplatz – ein Händler mit gewisser Menschenkenntnis Zuckerwatte „normal“ verkauft haben und daneben auch „vegane“ Zuckerwatte, zum doppelten Preis. Übrigens kamen beide Sorten – doch dies nur am Rande – aus ein und derselben Maschine. Wenn es aber doch besser ist, sprach das weltbewegte Glühwürmchen der Anekdote zufolge, und griff mit heißem Herzen zu der veganen Variante. Nun müssen Anekdoten nicht unbedingt wahr sein. Trefflich reicht. Wenn wir uns aber umgucken auf der Welt, dann finden wir ganz Ähnliches zuhauf. Denken wir nur zum Beispiel an russisches Öl oder Gas aus Indien (das ist schließlich eine Demokratie!) und manches andere mehr. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 16-12-23 Das sechzehnte Türchen …

Wer nicht fragt, bleibt dumm …

Und wieder gibt es Anlaß zu einer Jubelmeldung in eigener Sache: agenda 2028 feiert heute ihren 10. Geburtstag als juristisch vollwertiger Mensch, sozusagen. (vgl. dazu So 15-01-23 agenda 2028: 11 Jahre nun schon – and still going strong …).

Als Schildchen haben wir zur Feier des Tages einen Schnipsel gewählt, den Bolle vor einiger Zeit schon rein zufällig bei einem Party-Smalltalk aufgeschnappt hatte.

Zu einem solchen Anlaß sollte man vielleicht einmal mehr einen Schritt Abstand nehmen von der lauten und lärmenden Welt und sich fragen: Was tun wir hier eigentlich? Oder eben, deutlicher noch im Duktus: Wie verdödeln wir so unser Leben?

Die Frage nach dem guten, oder gar gottgefälligen Leben ist uralt, of course. Von Echnaton, der schon um 1.350 v. Chr. eine monotheistische Religion durchsetzen wollte – und damit womöglich Mose schwer beeindruckt hat – über Buddha (um 500 v. Chr.) bis zum Erlöser der Christenmenschen, of course, und weiter noch bis hin zu Mohammed (um 600 n. Chr.).

Von den vielen Philosophen, die sich parallel zu den Religionsstiftern einschlägig betätigt haben, wollen wir hier gar nicht erst anfangen. Es sind derer einfach zu viele.

Apropos viele: Ob viel dabei herausgekommen ist bei all diesen Bestrebungen, mag wohl im Auge des Betrachters liegen. Bolle jedenfalls beschleicht regelmäßig der Verdacht, daß selbst über Ziel und Zweck des guten Lebens bislang wenig Einigkeit besteht. Soll es darum gehen, möglichst munter und recht froh durchs Leben zu laufen – ganz viel Spaß zu haben, wie das heutzutage heißt? Hören wir, wie Mephistopheles das sieht:

Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier’gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zugrunde gehn!

Oder soll es, glühwürmchen-like, darum gehen, die jeweiligen Werte – etwa Friede, Freude, Eierkuchen, Demokratie und Fortschritt – mit aller Macht zu verteidigen? Kurzum: das Böse in der Welt nach Kräften auszurotten? Sancta simplicitas, meint Bolle da nur.

Oder geht es gar darum, ein Leben für die Ewigkeit zu leben? Etwa indem man wichtige Werke hinterläßt? Möglichst hochbegabte Kinder? Oder zumindest ewige Höllenqualen vermeidet? Die Menschheit nachhaltig beglücket? Wir wissen es nicht.

Wenn’s zum Schwur kommt, neigt Bolle ja dazu, mit den drei Töchtern der Philosophie zu flirten:

Die Wahrheit liegt –
kaum anders als die Schönheit –
im Auge des Betrachters.
Und so nach allem auch die Ethik.

Kurzum: Die Welt ist letztlich ein Gefühl. Umgekehrt bedeutet das: Gar nichts, oder nur sehr wenig fühlen kann es demnach auch nicht sein. Darum ja der gelegentliche Abstand, die Kontemplation – was immer auch dabei herauskommen mag. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 15-12-23 Das fünfzehnte Türchen …

Witz vergeht, Humor besteht …

Neulich ist Bolle ein kommerzieller Weihnachtsgruß auf den Schreibtisch geflattert. Als bildungsbürgerlichen Einstieg hatte man eines der berühmteren Bonmots von Werner Heisenberg gewählt:

Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat.

Das klingt natürlich geradezu zen-mäßig. Zumindest aber wirft es die Frage auf, wozu dann überhaupt jemand jemals irgend etwas lernen sollte, wenn doch nach Abzug des Gelernten – gleichviel, wieviel es war – ohnehin Bildung übrigbleibt? So allerdings wird Heisenberg das sicherlich nicht gemeint haben. Schließlich stammt der Spruch aus einer Rede zu einer 100-Jahrfeier eines Gymnasiums.

Im Kleingedruckten des Weihnachtsgrußes heißt es dann: „Die Herausforderungen unseres Alltags werden komplexer und wandeln sich immer schneller.“ Was ist davon zu halten? Nun, übersetzen wir ›Herausforderungen‹ nach alter Väter Sitte (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) durch ›Probleme‹ und definieren wir ›Problem‹ mit Dietrich Dörner als ›Soll/Ist-Diskrepanz mit momentaner Transformationsbarriere‹ (vgl. dazu etwa Mo 22-03-21 Plan, Prognose, Plausibilität). Etwas ist nicht so, wie es sein soll, und wir haben keine Ahnung, wie wir das auf die Schnelle ändern könnten. So hat das ganze gleich mehr Witz. Umschreiben wir schließlich ›komplex‹ noch mit ›Ich blicke nicht mehr durch‹, dann macht das alles auch noch richtig Sinn.

Auch sind Wendungen wie „unser Alltag“ (als womöglich lieb gemeinter Pluralis communitatis bzw. Gemeinschaftsplural) rein stilistisch natürlich immer etwas bedenklich. Bei Bolle jedenfalls regt sich da sofort ein gewisser Reaktanz-Reflex. Das äußert sich so, daß er ganz humorlos meint: Mich wollt ihr damit ja wohl nicht meinen. Laßt mich doch mit Eurem Alltag in Frieden. Macht das bitteschön mit Euch selber aus. Von manchen Konzepten nämlich hält sich Bolle tunlichst fern. Und Alltag ist eines davon.

Weiter heißt es im Text: Bildung hört nie auf. Das paßt jetzt aber wirklich rein gar nicht mehr zu Heisenbergs Umschreibung. Versteht man unter ›Lernen‹ einen Prozeß (im Sinne von ›Veränderung in der Zeit‹), dann kann hier nur „Lernen hört nie auf“ gemeint sein. Alles andere wär‘ wirklich witzlos.

Was will Bolle damit sagen? Wenn man dermaßen liederlich mit Wörtern umgeht, dann muß man sich nicht wundern, wenn die Welt, in der man sich befindet, in der Tat immer „komplexer“ wird und man immer mehr das Gefühl entwickelt, überhaupt nicht mehr durchzublicken. ›Überhaupt nicht mehr‹ heißt dann gemeinhin „hochkomplex“. Das aber liegt womöglich nicht vornehmlich an der Welt, sondern eher am Zustand des eigenen Hirns. Womit wir bei den Glühwürmchen (Homines candentes vulgares) wären. Aus der Sicht des Homo cogitans ein äußerst betrüblicher Zustand. Völlig witzlos, das – und wohl wirklich nur noch mit Humor zu nehmen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 14-12-23 Das vierzehnte Türchen …

Schöner scheißen.

Gestern war Bolle bummeln. Und wie es manchmal so gehen mag, entdeckt man Dinge, die kannte man bislang noch nicht. Zum Beispiel einen Basketball-Korb fürs Häusl (wie man das in Österreich zu nennen pflegt).

Als erstes kam Bolle natürlich Sokrates in den Sinn: „Ich finde es immer wieder erstaunlich, was die Athener alles brauchen.“ (vgl. dazu auch Sa 10-04-21 Wir müssen leider draußen bleiben). Dann, gewissermaßen on second thought, mußte Bolle an Moshé Feldenkrais denken. Der meinte seinerzeit in seinem ›Bewußtheit durch Bewegung – Der aufrechte Gang‹ (1967), daß sich so ziemlich alle menschlichen Betätigungen in drei Stufen unterteilen lassen: die natürliche Art und Weise, wie einer etwas macht, die individuelle Herangehensweise und schließlich die systematische, professionalisierte Methode. Dabei, so Feldenkrais weiter, sei es so, daß je fundamentaler eine Tätigkeit sei, desto später gelange sie in das systematische Stadium. Als Beispiel nennt er dabei „Gehen, Stehen und andere fundamentale Tätigkeiten“. Wenn Bolle das richtig verstanden hat, wäre hier ›scheißen‹ unbedingt noch anzufügen.

Unter kontemplativen Gesichtspunkten will es Bolle mehr als fraglich erscheinen, das stille Örtchen in eine Mini-Basketball-Arena zu verwandeln. Auf daß man ja nie jemals zu sich kommen möge.

Entschiedener noch sind da, einmal mehr, die Zen-Leute. Hier die einschlägige Szene aus Janwillem van de Weterings ›Der leere Spiegel – Erfahrungen in einem japanischen Zen-Kloster‹ (1972). Dort meinte der Vorsteher (also so eine Art Obermönch):

„Was du auch tust, tu es, so gut du kannst. Und sei dir bewußt, was du tust. Tu nicht zwei Dinge auf einmal, zum Beispiel pissen und dir die Zähne putzen.“

Nun, Zen-Geist ist Anfänger-Geist. Und so ließe sich das Tun auf dem Häusl wohl ohne weiteres als Vorstufe zu den 12chen auffassen. (vgl. dazu den Eintrag von gestern, Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …). Rein zeitlich – und möglicherweise auch vom Kontemplationspotential her – kommt es ja so ziemlich hin. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …

Total so …

Und schon kommen wir in die zweite Halbzeit unseres agnostisch-kontemplativen Adventskalenders für dieses Jahr. Kinder, wie die Zeit vergeht. Ein wenig hat unser heutiges Schildchen mit dem von gestern zu tun. Allerdings setzt es vielleicht noch eins drauf. Es handelt sich dabei um einen Dialogfetzen zwischen einem mexikanischen Indianer unbekannter Herkunft – einem Wilden, sozusagen – und einem Mann der Wissenschaft westlicher Prägung.

Der Mann der Wissenschaft reagierte nach eigenem Bekunden verärgert: Natürlich werden wir alle sterben. Das ist mir klar. Folglich macht es keinen Sinn, sich deswegen’n Kopp zu machen. Die Replik des Wilden kam stante pede – und hart, aber trefflich: Wenn dies deine letzte Schlacht auf Erden wäre, dann würde ich sagen, daß du ein Narr bist. Du verschwendest deine letzte Tat auf Erden auf eine törichte Laune.

Das klingt natürlich alles wie aus dem ›Leitfaden für Erlöser – Hinweise für die fortgeschrittene Seele‹, wie es Richard Bach in seinen ›Illusionen‹ so trefflich gefaßt hat, und ist sicherlich eher harter Tobak. Aber warum nicht jetzt, inmitten der besinnlichen Weihnachtszeit, ein wenig kontemplieren oder zumindest darüber nachdenken? Wie meint doch Bolle gleich so gerne? Nachdenken nützt. Und wenn es nicht beim Nachdenken bleibt: um so besser. Genau aus diesem Grunde pflegt Bolle ja seine 12chen – eine regelmäßige 5-minütige Abkehr von den Wirren der Welt, möglichst zu jeder vollen Stunde. Das geht natürlich nur, soweit Zeit und Umstände es zulassen, of course. Gleichwohl ist es ein probates Gegengift gegen törichte Launen im weitesten Sinne. Auch – und das ist tröstlich – reagiert das Universum in aller Regel recht wohlwollend, falls der Yogi (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) die nötige Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit an den Tag legt. Und tut auch gar nicht weh. Also: Nur Mut – und gutes Gelingen!

Nun kann es natürlich passieren, daß irgend so ein Glühwürmchen, das zufällig diese Zeilen liest, auf die Idee verfallen könnte zu meinen, daß es unschicklich sei, „Indianer“ zu sagen. Es müsse schließlich ›Mitglied einer indigenen Bevölkerungsgruppe‹ heißen. Allein das wollen wir hier nicht weiter kommentieren. Das nämlich wär‘ dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 12-12-23 Das zwölfte Türchen …

Form und Inhalt.

Vor lauter vorweihnachtlicher Kontemplation wollen wir nicht vergessen, daß es auch noch andere Leute gibt auf der Welt. Leute, die mit dem Erlöser der Christenmenschen jetzt nicht soo viel am Hut haben. Leute etwa, denen das gesamte Erlöser-Konzept an sich eher fremd ist. Zen-Leute, zum Beispiel.

In solchen Sphären kreisend, mußte Bolle gestern, mitten im Weihnachtsrummel, an seinen lieben guten alten Zen-Meister denken. Und so ergab eines das andere. Bolle mußte daran denken, wie er damals – Berlin war seinerzeit noch proper von einer Mauer umrundet – jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe mit seinem alten Strich-Achter (Mercedes-Benz-Baureihe von 1968 bis 1976) von Kreuzberg nach Steglitz gedüst ist – nur um ein Stündchen auf seinem Zafu (Sitzkissen) zu sitzen und stille zu schweigen. Danach gab es Tee – von tüchtigen Novizen in einem Nebenraum gelassen, aber doch zeremoniell angerichtet. Und? Was machte der liebe gute alte Meister? Steckte sich ein Zigarettchen an. Wer wollte, tat es ihm gleich. Für Aschenbecher war gesorgt. Bolle fand das einen höchst charmanten, geradezu kultivierten Unterschied zu seinem Yoga-Umfeld, in dem Rauchen als sowas von pfui-bäh galt. „Wo man raucht, da laß Dich nieder“, ging es Bolle durch den frisch aufgeräumten Sinn.

Und sonst? Die Straßen waren noch bequem befahrbar. Parkraumbewirtschaftung? Noch nicht erfunden. Parkplätze gab es überall und reichlich. Auto abschließen? Nicht unbedingt nötig. CO2? Gab es wohl damals schon. War aber nicht weiter der Rede wert. Glühwürmchen? Liefen unter ferner liefen, wenn überhaupt. Kurzum: Irgend etwas – dieser Schluß scheint unabweisbar – ist da seitdem in die Binsen gegangen. Ach ja: Damals, damals, sagen die Leute …

Dann zurück nach Kreuzberg. Für Bolles WG übrigens hatten seine morgendlichen Exkursionen den nicht geringzuschätzenden Vorzug, daß es – immer noch in aller Herrgottsfrühe – täglich frische Schrippchen gab. Und zwar ehrliche Schrippchen – ohne Körner, ohne Dinkel, und schon gar nicht vegan. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mo 11-12-23 Das elfte Türchen …

Vorwärts immer. Rückwärts nimmer.

Wir hatten ja bereits erwähnt, daß ein Modell – so es denn Taug hat – weit mehr erhellen kann als es auf den ersten Anschein erscheinen mag. Wohlan denn.

Suchen wir uns zunächst ein Gegenstück zu einem Sozialisten – denn das gibt der Volkswitz nicht her, und wählen wir dabei nicht ›Reaktionär‹ und schon gar nicht ›Nazi‹. Das könnte den Sozialisten so passen. Vielmehr wollen wir uns mit einem ›Konservativen‹ begnügen. Damit lautet der zweite Teil – weniger witzig, aber begrifflich präziser: Wer mit 40 nicht konservativ ist, hat keinen Verstand. Als nächstes greifen wir in die Klamottenkiste der Vorurteile und definieren einen ›Konservativen‹ als einen, der sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert, beziehungsweise der, auf die Spitze getrieben, darauf aus ist, seinen persönlichen Wohlstand zu mehren und auch zu vererben. Übertriebene Steuerlast stört da nur, übertriebene Einmischung des Staates in private Angelegenheiten ebenso, übertriebene Formen von Solidarität mit den entrechteten und geknechteten dieser Welt nicht minder.

Aus der Perspektive eines Sozialisten mag das alles furchtbar „spießig“ sein – was uns hier aber nicht weiter bekümmern soll. Man mag das finden, wie man will. Eines aber wird man nicht leugnen können: Dieses so skizzierte Zerrbild eines Konservativen hat eine Ausrichtung. Er (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) weiß, was er will, und ist weit davon entfernt, sich im Raum der Möglichkeiten (vornehm: Kontingenzraum) oder gar im Raum der Unmöglichkeiten zu verlaufen.

Ganz anders das Zerrbild eines Sozialisten – zumindest wie Bolle den Volkswitz versteht. Der Sozialist will alles und noch viel mehr – und das möglichst sofort. Ob das wie auch immer zusammenpaßt, interessiert ihn erst mal nicht – falls die Frage überhaupt einer Überlegung für Wert befunden wird.

Nun wird der geneigte Leser unschwer erkennen, daß ein so umschriebener Sozialist umstandslos alle Merkmale eines Glühwürmchens in sich vereint: „Wenn die Herzen heiß entflammen, und das Hirn hinkt hinterher …“.

Das kann man machen – vor allem mit 20, wenn der Sommer des Lebens beginnt. Allein es führt zu nichts – es fehlt am Fokus. Mit 40, zum Beginn des Herbstes des Lebens, sollte man da tunlichst etwas weiter sein. Daß das alles trotz aller Überspitzung nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, mag das Beispiel gewisser Parteien illustrieren, die ihre besten Leute rauswerfen, allein weil sie denken können und das auch tun.

Im übrigen hält Bolle das ganze Lechts/Rinks-Schema ohnehin für nicht mehr „zeitgemäß“ – und damit auch die Unterteilung in Sozialisten und Konservative. Bleiben wir also, wenn wir schon typisieren wollen, beim Homo candens (der glühende Mensch) und beim Homo cogitans (der denkende Mensch). Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 10-12-23 Das zehnte Türchen – der 2. Advent …

Au Backe!

Und schon ist der zweite Advent. Es könnte alles so besinnlich sein – wären da nicht die Glühwürmchen dieser Welt mit ihrem schier unerschöpflichen Eifer, die Welt nach Gusto zu verbessern. Sagen wir so: Bolles Geschmack ist es nicht.

Und so hat sich unser Schildchen für heute nach dem Motto „hart, aber herzlich“ gestaltet. Große Dichtkunst ist es nicht – das sieht Bolle ein. Immerhin handelt es sich dabei um ehrliche reine Reime – wenn auch nach dem nicht übermäßig originellen Haufenreim-Schema aaa. Gewisse mundartliche Anklänge wollen wir Bolle nachsehen – schließlich ist bald Weihnachten.

Gestern wollte Bolle – an sich harmlos – eine Tüte Milch für seinen Haferbrei öffnen. Indes die Verpackungskünstler hatten es so eingerichtet, daß Deckel und Milchtüte aufs Unauflöslichste miteinander verbunden waren – ein Phänomen, das Bolle schon von Cola-Flaschen her bekannt ist. Vermutlich steckt dahinter irgendeine der vielen EU-Weltverbesserungsbestrebungen. Wenn Deckel und Korpus – so wohl die Überlegung – über ein dünnes, aber zähes Plaste-Bändchen miteinander fest verbunden sind, wird wohl keine Hausfrau (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auf die Idee verfallen können, den Deckel achtlos in die Pampa zu werfen. In die Pampa ihrer eigenen Küche, versteht sich. Nichts anderes kann hier gemeint sein – jedenfalls nichts, was Bolle einleuchten würde. Vielmehr wird sie ihn – weil ja fest verbunden mit dem Korpus – getreulich und ordentlich im heimischen Müll entsorgen.

Kurzum: Was bei Cola-Dosen bei hinreichender Milde der Betrachtung vielleicht noch einleuchten mag – bei Milchtüten scheint das Bolle dann wohl doch eher ein Fall von gewisser Überambitioniertheit zu sein. Im übrigen geht Bolles Lösung ohnehin ganz anders. Getreu dem Motto „Ein deutscher Junge hat immer sein Taschenmesser dabei“ (mit solchen Sprüchen ist er nun mal aufgewachsen) – ein scharfer Schnitt, und zack, sind sämtliche einschlägigen Bestrebungen überambitionierter EU-Funktionäre auf einen Schlag zunichte gemacht.

Ein ähnliches Phänomen übrigens begegnet Bolle seit Jahren schon mit der Kindersicherung von Feuerzeugen. Doch auch hier wieder: Ein scharfer Schnitt (im weiteren Sinne) – und Schluß damit. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 09-12-23 Das neunte Türchen …

Himmel und Erde …

Falls Bolles Kalender nicht lügt, ist morgen schon der zweite Advent. Kinder, wie die Zeit vergeht … Selbst die Post hat ihre Schuldigkeit getan und die meisten Packerl von ihrer Odyssee erlöst.

Wir hatten unsere kleine Glühwürmchen-Miniserie lyrisch begonnen – und so wollen wir uns heute einen nicht weniger lyrischen kleinen Zwischenstop gönnen. Dabei sollten wir uns nicht daran stören, daß das Glühwürmchen – Form und Versmaß folgend – hier in Gestalt eines Schneeflöckchens erscheint. Zwar ist das nicht ganz das gleiche. Aber immerhin ist es, wie Bolle das zu fassen pflegt, wahr genug.

Natürlich gäbe es hier noch manches nachzutragen, um den Themenkreis gebührlich zu erden. Nicht zuletzt etwa die Frage, wie es wohl sein kann, in höh’ren Sphären schwebend eine solch traurige Figur zu machen. Das aber wär‘ dann doch schon wieder – zumindest für heute – ein ganz anderes Kapitel.