Fr 13-12-24 Das 13. Türchen: Alles ist relativ

Voll auffem Teppich – oder doch daneben?

Neulich war Bolle mit zwei durchaus aufgeschlossenen Mitmenschen beim Gänse-Essen. Irgendwann gegen Ende des Treffens ging es dann allgemein um die Schlechtigkeit der Welt und im Speziellen, wie sehr sich manche Leute in letzter Zeit doch „radikalisieren“ würden.

Bolle, nicht faul, fühlte sich sofort veranlaßt, eine wohlverstandene relativistische Perspektive ins Spiel zu bringen. Dazu heißt es in Bertrand Russells ›ABC der Relativitätstheorie‹ (1925) – also vor nunmehr 100 Jahren:

Es gibt eine Sorte ungemein überlegener Menschen, die gern versichern, alles sei relativ. Das ist natürlich Unsinn, denn wenn alles relativ wäre, gäbe es nichts, wozu es relativ sein könnte.

Auch hatte Bolle das Schildchen mit dem Schneemann nicht dabei. Aber ein Bierdeckel für den Teppich und Bolles Feuerzeug für unseren Protagonisten tun es natürlich auch.

Im Ausgangspunkt – so wollen wir annehmen — stehe unser Schneemann (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) voll auf dem Teppich. Nun gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten:  Der Schneemann bewegt sich ein paar Schritte nach links (Pfeil a) – was wir hier rein räumlich und mitnichten politisch verstehen wollen. Und schon steht er nicht mehr auf dem Teppich. Oder aber – die zweite Möglichkeit – jemand zieht den Teppich ein Stück weit nach rechts (Pfeil b) und – Wunder über Wunder – auch in diesem Falle steht unser Schneemann nicht mehr auf dem Teppich – obwohl er sich keinen Millimeter von seiner Ursprungsposition wegbewegt hat. Allein die Lage des Teppichs ist eine andere.

Damit aber ist die Frage, ob sich der Schneemann „radikalisiert“ hat – oder nicht vielleicht eher der Teppich – so offen, wie sie nur sein kann. Wir machen wohl keinen allzu großen Fehler, wenn wir das Beispiel auf die politische Sphäre übertragen. Unser Schneemann stünde dann für einen einzelnen Wähler und der Teppich – wie soll man sagen? – für das, was wir gemeinhin Zeitgeist nennen. Wie meinte doch gleich Faust in der Nacht-Szene zu Wagner?

Was Ihr den Geist der Zeiten heißt,
das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.

Abgesehen von der Frage, wer hier die „Herren“ sein sollen, ist das alles im Grunde doch furchtbar selbstverständlich. Allein nicht jeder denkt jederzeit daran. Beim Gänse-Essen nämlich hatte sich Bolle zu der Bemerkung hinreißen lassen, im AfD-Parteiprogramm würde im Prinzip nichts stehen, was nicht auch in einem, sagen wir, CDU-Parteiprogramm von vor 20 Jahren hätte stehen können.

Der Effekt war, wie öfters mal bei Bolles Vorlesungen, zumindest verblüffend. Das heißt natürlich nicht, daß stante pede eine entsprechende Einsicht folgen würde. So etwas braucht ein wenig Zeit – das ist Bolle durchaus klar. Im Moment aber sieht es ja allgemein eher so aus, daß einer zunehmenden Zahl von Leuten ganz allmählich dämmert, daß weder Glühwürmchen (großes Herz, nicht ganz so großes Hirn) noch Hülsenfrüchtchen (außen grün, innen hohl) – wie Bolle das gerne mit zwinkerndem Auge umschreibt – angesichts einer prinzipiell übermächtigen Realität, die überdies, beziehungsweise gerade deswegen, fast immer Recht hat, keine allzu gute Figur machen. Das alles aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

2 Antworten auf „Fr 13-12-24 Das 13. Türchen: Alles ist relativ“

  1. „Euer arroganter deutscher Weg ist fucking over“ (CEO Ryanair Michael O’Leary) 😉 – da wird wohl der Teppich wieder bewegt … vielleicht trifft sich ja Bolle mal auf ein empathisches Küchengespräch mit unserem Wirtschaftsminister, aber das ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

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