Di 23-03-21 Hinterm Argument geht’s weiter …

Hinterm Argument geht’s weiter.

Heute wollen wir uns mal richtig kurz fassen. Bolle hat, wie’s scheint, einen Anflug von übler Laune. Nichts ernstliches – da ist seine Stoa vor. Aber nach durchdachter Nacht auf die grandiose Idee zu verfallen, den Gründonnerstag als vorösterlichen Einkaufstag zu streichen, auf daß die Leute sich am Sonnabend um so heftiger über die Geschäfte hermachen mögen – das war wirklich zu viel des Guten.

Entprechendes gilt für die ›Malle/MeckPomm‹-Alternative. Das aber ist – obwohl strukturell recht ähnlich – dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

So 21-03-21 Die Entdeckung der Minderheit

Freiheit, die ich meine.

Solange es Menschen gibt, gibt es auch Entdeckungen. Denken wir nur zum Beispiel an das Feuer oder das Rad. Und schon wird es kompliziert. Das Feuer wurde ja nicht etwa „entdeckt“. Im Gegenteil: Es war schon immer da. Es wurde lediglich „gezähmt“ und in den Dienst menschlicher Bedürfnisse gestellt. Und auch das Rad macht erst dann Sinn, wenn man zusätzlich die Achse erfindet und einigermaßen befestigte Wege.

Ähnlich verworren verhält es sich mit jenen „Entdeckungen“, die bei Lichte betrachtet eigentlich eher Ideen sind, wie zum Beispiel Luthers „Freiheit eines Christenmenschen“ (1520) oder die grundlegende Idee der Französischen Revolution (1789), die in der Losung „Egalité, Liberté, Fraternité“ ihren knackigen Ausdruck fand. Die Übersetzung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ meint das gleiche, klingt aber weniger musisch. Aber darauf soll es uns hier nicht ankommen.

Auch wollen wir nicht vertiefen, daß es bislang niemandem gelungen ist, auch nur einigermaßen bündig klarzulegen, was genau wir uns denn unter »Freiheit« vorzustellen haben. Thomas Hobbes (1588–1679) etwa hat darunter „das Fehlen jeglicher Bewegungsbehinderung“ verstanden, was Bertrand Russell (1872–1970) spöttisch als „wunderbar präzise Definition“ eingestuft hat. Das Problem: Wenn jeder (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auf „ungehinderte Bewegung“ bestehen würde, wäre absehbar Hauen und Stechen angesagt. Auch hauptamtlichen Denkern wie etwa Kant (1724–1804) oder Hegel (1770–1831) ist hierzu nicht allzuviel eingefallen – außer „Was Du nicht willst, das man Dir tu …“ (Kant) bzw. „Einsicht in die Notwendigkeit“ (Hegel) als begrenzendes Prinzip. Kurzum: Freiheit im Hobbes’schen Sinne mag zwar „wunderbar präzise“ definiert sein, ist aber leider praktisch völlig unbrauchbar. Warum?

Den ultimativen Grund liefert, einmal mehr, die Mathematik – genauer gesagt die formale Logik. Man nennt es dort Polylemma. Egal, was man macht: Man kann es nicht allen rechtmachen. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist vielleicht die »Vater/Esel/Sohn«-Allegorie: Ein Vater ist mit seinem Sohn und einem frisch erworbenen Esel unterwegs. Anfangs gehen alle drei zu Fuß und werden von einem entgegenkommenden Wanderer ausgelacht: „Warum geht Ihr denn beide zu Fuß, so Ihr doch einen Esel habt zum reiten?“ Als dann der Vater aufsitzt, kommt der nächste Wanderer des Weges und bezichtigt den Vater der Kinderschänderei. Also läßt der Vater den Sohn aufsitzen – was von einem weiteren Wanderer dem Sohn als mangelnder Respekt vor dem Alter ausgelegt wird. Also sitzen beide auf – nur um sich den Vorwurf der Tierquälerei einzuhandeln. Schließlich nehmen die beiden ihre ganze Kraft zusammen und tragen den Esel nach Hause …

Kurzum: Wir haben es hier mit fünf Möglichkeiten zu tun, den Weg vom Markt nach Hause zurückzulegen – und keine davon bleibt unbekrittelt. Eine allgemein anerkannte Lösung (i.S.v. ›von allen anerkannt‹) ist nicht in Sicht. Game over.

Wir können das Thema an dieser Stelle nicht ausleuchten. Nur so viel: Die „Entdeckung der Minderheit“ führt mit mathematischer Notwendigkeit dazu, daß sich immer irgendwer in seinem höchstpersönlichen „Für-richtig-halten“ (im weiteren Sinne also in seiner „Freiheit“) eingeschränkt fühlen wird. Immer, immer, immer. Und – das kommt erschwerend hinzu: Je mehr Minderheiten wir als solche anerkennen, desto krasser wird es werden mit der gefühlten Einschränkung der Freiheit. Sind wir nicht letztlich alle „Andersdenkende“?

Schon aus diesem Grunde hält Bolle die Idee für noch nicht ganz zuende gedacht. Was dann? Begnügen wir uns an dieser Stelle mit einem Verweis auf Do 28-01-21 Sozialisation. Wird schon? Oder Hohn? Ansonsten ist das dann wohl doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 20-03-21 Ende Gelände?

Ende Gelände.

Auf unser heutiges Thema sind wir eher zufällig gestoßen. In der Ankündigung eines neuen Sendeformates hieß es, man habe Sigmar Gabriel „als kundigen Erklärer einer immer undurchsichtigeren Welt“ gewinnen können.

Die erste Frage, die sich aufdrängt: Ist es wirklich die Welt, die immer undurchsichtiger wird? Neudeutsch: „komplexer“? Oder könnte es nicht vielleicht sein, daß die Fähigkeit, irgendwas zu durchdringen, allgemein nachläßt? Falls letzteres der Fall sein sollte, dann nützt uns auch ein weiterer Erklärer wenig – und sei es der kundigste. Bolle befürchtet, daß Durchdringen furchtbar viel mit Eigenleistung zu tun hat. Ein gerüttelt Maß an Tiefgang kann da überhaupt nicht schaden.

Das Zitat des Tages hat Bolle übrigens einem Lehrbuch über Verfassungsrecht entnommen. Darauf kommt es allerdings nicht an. Das ist ja das Gute an Methode, daß sie sich nicht so leicht auf einzelne Fachgebiete festnageln läßt. Im Zusammenhang liest sich das ganze wie folgt:

Es gibt unendlich viele Probleme. Man kann aber nur endlich viele lernen. Das bedeutet, dass irgendwann ein Problem kommt, das man nicht gelernt hat. Die eigentlich zwingende Konsequenz aus dieser Überlegung: Man muss nicht die Probleme selbst lernen, sondern den Weg zu ihnen und die Methode, sie zu lösen.

Und weiter:

Ein Problem ist immer die Abweichung von etwas Normalem. Um ein Problem finden und lösen zu können, muss man also das Normale lernen. Was normal ist, kann man aber erst dann beurteilen, wenn man die Zusammenhänge kennt. Die Summe aller Zusammenhänge ist das dahinter stehende System.

Schöner kann man es kaum sagen: Das Normale kennen – Zusammenhänge gar. Leichter gesagt als getan. Zusammenhänge nämlich erschließen sich nicht aus der konkreten jeweiligen Situation, sondern aus einer furchtbar vielfältigen Fülle von abstrakten Hintergründen. Tiefgang, eben. Im Grunde haben wir es hier mit dem sogenannten hermeneutischen Zirkel zu tun: Was einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) possibly erfassen kann, hängt schwer davon ab, was er bis dato bereits erfaßt hat. Ein Teufelskreis also, der allerdings in beide Richtungen losgehen kann. Aber von selber passiert da nüscht. Man muß schon was tun – bzw., genauer, bereits einiges getan haben – und zwar unabhängig von einem konkreten Problem. Doch wer findet dafür Zeit in einer Welt, die – husch, husch, husch – auf möglichst schnelle Resultate aus ist –  und im übrigen voller Ablenkungen?

Im Gegenteil: Wie es aussieht, scheint der Zug der Zeit zur Zeit eher in die falsche Richtung zu fahren. Und wenn der Zug erst mal in die falsche Richtung fährt – das wußte schon Franz Josef Strauß –, dann sind halt auch alle Stationen falsch. Vorläufig geht es den Leuten anscheinend mit hoher Prio darum, verbliebene Reste klarer Sprache, unser wohl wichtigstes Werkzeug im Kampf gegen Widrigkeiten, nach Kräften abzuschaffen oder zumindest aufzuweichen. Einfach mal sagen, was ist, kommt zunehmend aus der Mode. Man könnte ja jemandem (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auf die empfindlichen Pfötchen treten. Wenn’s aber doch dem Fortschritt und der Rücksicht dient? Bolle meint: Definiere »Fortschritt«. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Do 18-03-21 Empörend verstörend

Stoa 1808.

Es ist aber auch verstörend – empörend verstörend. Klären wir zunächst die Begriffe: »verstören« meint svw. ›aus der Fassung bringen‹, aus dem „seelischen Gleichgewicht“ gar.  »Sich empören« ist dabei kaum mehr als die affektive Reaktion auf eine kognizierte Verstörung. Kurzum: das Weltbild wackelt.

Und? Wer ist schuld? Die wahrgenommene Wirklichkeit? Oder das Weltbild? Eigentlich sollte man ja meinen, daß sich das Weltbild, mit dem einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) durch sein Leben rennt, im Laufe der Zeit an der wahrgenommenen Wirklichkeit ausrichtet – von jugendlichen Flausen einmal abgesehen. Warum so rum, und nicht umgekehrt? Nun, es ist sehr viel naheliegender (und auch sehr viel aussichtsreicher), das Weltbild anzupassen. Die Wirklichkeit ist einfach zu tough für ein einzelnes „Köpfchen“, wie Mephistopheles das nennt.

Wenn da nur der belief in a just world (Lerner 1980) nicht wäre, der durch nichts zu rechtfertigende und jeder Empirie spottende Glaube, daß es im großen und ganzen „gerecht“ zugehe auf der Welt. Bolle meint: Den Zahn laß dir man ziehn.

Hier und heute ist es so, daß ausgerechnet Joe Biden, der 46. Präsident der Vereinigten Staaten, als Verstörungs-Trigger wirkt. Nach seiner „America first“-Ansage (vgl. dazu Fr 12-03-21 America first!) ballert er zur Zeit nach bester Cowboy-Manier gleichzeitig in Richtung Iran, China – und natürlich auch Richtung Russen. Kostprobe: Ein Journalist fragt: „So you know Vladimir Putin. You think he’s a killer?“ Von der Suggestiv-Frage mal abgesehen: „Sleepy Joe“ soll kurz und knackig, dabei aber alles andere als staatstragend oder auch nur diplomatisch, und überhaupt nicht schläfrig, schlicht mit: „I do.“ geantwortet haben. Mr Biden als upgrade von Mr Trump? Bolle meint: Den hamse woll als Kind zu heiß jebadet.

Immerhin: Die Empörung zur Verstörung, die affektive Reaktion also, ist bislang noch ausgeblieben. Warum? Nach allem und trotz allem sind die Amis doch die Guten – von wegen Weltbild. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Di 16-03-21 Null Toleranz!

Das optimale Leben.

An der Corönchen-Front ist mal wieder der Bär los. Es ist aber auch ärgerlich. Erst macht man das Volk über Monate jeden, wirklich jeden Tag mit den jeweils auf die Einerstelle genauen Inzidenz- und Todesfällen so richtig rappelig, um sie dann gezielt auf die nahende Rettung einzustimmen. Wahrlich, wir sagen Euch: Gehet hin und lasset Euch pieksen. Und Ihr werdet eingehen in das ewige Leben auf Erden. Bolle meint: Geht’s noch?

Und dann so was. „AstraZeneca tötet.“ Zwar hat das keiner so gesagt – aber so kommt es rüber. Wir hatten ja schon öfters mal angedeutet, daß es sich bei Corönchen zu einem guten Teil um ein sozialpsychologisches Phänomen handeln dürfte und weniger um ein virologisches. Aktuell scheint es so zu sein, daß sich beim Volk eine Art Frustrations-Reaktion einstellt. »Frustration« meint fachsprachlich die affektive Reaktion auf das Ausbleiben einer erwarteten Belohnung. Damit sind wir beim passenden Stichwort. Was erwarten die Leute? Sie erwarten offenbar, daß alles gut wird. So wie früher. Gelegentlich shoppen gehen, ab und an mal in ein Café, abends in die Kneipe oder ins Kino. Die Kinder morgens in die Schule schicken, damit man wenigstens den halben Tag lang seine Ruhe hat. Ins Büro dürfen – aus den gleichen Gründen. Gern auch mal ins Museum oder in ein Konzert. Unbeschwert reisen dürfen. Und so weiter, und so fort. Und all diese Erwartungen wurden an einem einzigen Punkt festgemacht: den „segenbringenden“ Vakzinen.

Und nun stellt sich, Wunder über Wunder, heraus, daß Vakzine eben nicht nur „segensreich“ wirken können, sondern gelegentlich, eher selten, höchst selten, auch Komplikationen mit sich bringen. Wir reden hier von zur Zeit 14 (in Worten: vierzehn) Fällen unter 10 Millionen. Mikro-Peanuts, im Grunde. Für eine ausgeprägte kollektive Frustrations-Reaktion aber anscheinend völlig ausreichend. Die Leute wünschen sich halt gerne „Das optimale Leben // Mit TÜV und Garantie“. Bolle meint: Habt Ihr mal einen Blick auf einen x-beliebigen Beipackzettel geworfen? Da bleibt wenig Raum für „Null Toleranz“. Keine Wirkung ohne mögliche Nebenwirkung – es sei denn, Ihr werft Euch wirklich nur noch Placebos ein. Und selbst da hätte Bolle so seine Bedenken. Indes: die Leute lesen ja nicht mal die Inhaltsstoffe beim Lebensmittel-Einkauf. Statt dessen begrüßen sie, wohl aus Gründen der kognitiven Sparsamkeit, den „Nutri-Score“. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Sa 13-03-21 Mimimi

Von das kommt das.

Unser heutiger Sinnspruch geht zurück auf Herodot (etwa 490–430 v. Chr.), der seit Cicero vielen als pater historiae ›Vater der Geschichtsschreibung‹ gilt. In seinem Hauptwerk, »Historien«, erwähnt er beiläufig, daß dem Perserkönig Kyros einmal der Vorschlag unterbreitet wurde, das angestammte karge Siedlungsgebiet zu verlassen und sich und seinem Volke fruchtbarere Gefilde zu erschließen. Kyros indessen lehnte ab mit der Begründung, daß übermäßig kommode Lebensbedingungen das Volk nur unnötig verweichlichen würden.

Bolle meint, daß das Prinzip bis heute trägt und daß man es ohne weiteres von ›Herrschaftsgebiet‹ im engeren Sinne auf ›systemrelevante Umwelt‹ im weiteren Sinne übertragen kann. Wenn den Leuten zu wohl wird, führt das nicht etwa dazu, daß sie sich einfach nur wohler fühlen. Dagegen wäre ja nichts einzuwenden. Nein, oft genug führt es dazu, daß sie, wie wir das heute noch nennen, der sprichwörtliche Hafer sticht. Sie drehen einfach durch.

Wir hatte das Thema schon einmal gestreift, wenn auch nur am Rande, und es in Anlehnung an das „ideale Gasgesetz“ der Thermodynamik »Soziales Gasgesetz« genannt (vgl. dazu Sa 19-12-20 Das neunzehnte Türchen …).

Was hat das mit uns zu tun? Nehmen wir, weil naheliegend, Harry und Meghan, das Dream Team der Zersetzung des englischen Königshauses. Da geriet die wohl eher beiläufig in den Raum geworfene Frage, mit welcher Tönung bei dem zu erwartenden „royalen“ Baby denn möglicherweise zu rechnen sei, sofort und unmittelbar zum krassen „Rassismus“-Vorwurf. Bolle sieht sich veranlaßt, hier hart gegenzuhalten: „Ein Stuhl wird nicht diskriminiert, wenn man feststellt, dass er kein Tisch ist. Eine Grenze kategorial zu ziehen, bedeutet noch nicht, zu werten.“ (Liessmann 2012: Lob der Grenze; vgl. dazu auch Fr 15-01-21 Von Tischen und Stühlen). Kurzum, und in Anlehnung an Gertrude Stein: Eine Farbe ist eine Farbe ist eine Farbe. Und keine Wertung.

Und? Was macht der Journalismus 2.0? Greift den „Vorwurf“ begierig auf und zeigt sich schockiert: Streit in der Familie sei das eine. Rassistische Diskriminierung dagegen habe ein ganz anderes Kaliber. Und schwupps – schon ist aus dem „Vorwurf“ eine handfeste „rassistische Diskriminierung“ geworden – und keiner hat’s gemerkt.

Um das ganze noch zu toppen, läßt Maghan die mehr oder weniger interessierte Öffentlichkeit – gegen royales Honorar, versteht sich – auch noch an ihren royalen „Suizid-Gedanken“ teilhaben.

Und? Der Journalismus 2.0? Lobt das auf breiter Front als „offen und furchtlos“. Da muß Bolle schon auf die Neue Zürcher Zeitung zurückgreifen, um zu erfahren, daß es ganz so einfach dann wohl doch nicht sei.

„Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß was“ – so der Schlachtruf eifriger Eleven in der Grundschule. Wie sich die Bilder gleichen. Heute werden, mit der gleichen Verve und in der Hoffnung und Erwartung, sich sein Scheibchen abzuschneiden vom Skandälchen, vorauseilende Sozial-Bollerchen ins Volk gestreut: „Ich bin auch dagegen. Ich bin auch empört. Ich schäme mich dafür. Hört nur her: Ich bin einer von den Guten.“ Bolle meint: Souveränität geht anders. Denken und urteilen übrigens auch. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Mi 10-03-21 Wellenreiter

Wellenreiter.

Deutschland braucht, wie’s scheint, einen neuen Fußball-Bundestrainer. Jogi Löw hat offenbar das Schnäuzchen voll. Statt einfach nur zu sagen, was ist (Rudolf Augstein), konnten es die Medienschaffenden mal wieder nicht lassen zu spekulieren, wer denn nun möglicherweise der nächste Bundestrainer sein könnte. Statt aber ein souveränes und dabei auch ein wenig ironisches „beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course“ einzustreuen – Bolle wird ja nicht müde, das nahezulegen – konnte es sich eine Moderatorin nicht verkneifen, ein fröhliches „oder Bundestrainerin“ – Betonung auf „rin“, of course – dazwischenzukrähen.

Bolle ist es herzlich egal, ob das Bundestrainer ein Schwänzchen hat oder nicht. Bolle ist es sogar herzlich egal, ob es überhaupt ein Bundestrainer-Bärchen (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course)  gibt.

Auf Bolles Liste ewiger Probleme, die uns plagen, nimmt ›Erregungsneigung‹ einen prominenten Platz ein. Man denke nur an „Wutbürger“, die unsägliche Wortschöpfung aus 2010 – die es seinerzeit übrigens aus dem Stand zum „Wort des Jahres“ gebracht hatte und sich bis heute einer ungebrochenen Popularität im Journalismus 2.0 erfreut.

Mit der Erregungsneigung des Volkes, der sozialen Libido sozusagen, werden wir vermutlich leben müssen. Das Problem ist so alt wie die Demokratie. Allerdings wußten die Griechen, falls Bolle das nicht zu sonnig sieht, es einigermaßen in Grenzen zu halten. Zumindest hatten sie schon mal einen Begriff dafür. Begriffsfindung galt den alten Griechen – das nur am Rande – als erster (und mitunter übrigens auch als letzter) Schritt zur Problemlösung. Polybios (um 200–118 v. Chr.) hatte in seiner Staatsformenlehre dafür »Ochlokratie« vorgeschlagen – was man ohne große Übertreibung als ›Herrschaft der Empörten‹ umschreiben könnte.

Muß man die dann noch massenmedial verstärken? Wenn wir die Erregungsneigung „soziale Libido“ nennen, dann liegt es nahe, die Erregungsverstärkung als „soziales Viagra“ zu umschreiben. Bolle meint: Muß man nicht. Lieber einfach nur schreiben, was ist (vgl. dazu Di 22-12-20 Das zweiundzwanzigste Türchen …).

Läßt sich das noch toppen? Aber Ja doch. Indem der Journalismus 2.0 nämlich „Erregungsvorlagen“ liefert – also Dinge, über die man sich, falls einem sonst die Puste ausgeht, überdies empören könnte. Ein soziales Porno-Heftchen, sozusagen, um im Bilde zu bleiben. Auf unseren Aufhänger bezogen: Warum ist der Bundestrainer keine Frau? oder, in der Steigerungsform: Warum darf der Bundestrainer keine Frau sein? Und, schwuppdiwupp, schon wieder hat man eine Sau, die man stunden-, tage- oder gar monatelang durchs mediale Dörfchen treiben kann. Bolle meint: Ernstzunehmender Journalismus sollte sich lieber nicht als Wellenreiter betätigen. Und erst recht nicht als Wellenerzeuger. Aber das ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Di 09-03-21 Die große und die kleine Welt

Die große und die kleine Welt.

Gestern hat uns eine Rückmeldung erreicht, die lobend hervorgehoben hat, daß sich unser kleiner Blog bemüht, nach Möglichkeit ein wenig die Tiefen auszuleuchten, statt immer nur stramm an der Oberfläche zu paddeln. Wir hatten das an anderer Stelle (Do 14-01-21 Derangierte Demokraten) einmal „Schwimmflügel-Journalismus“ genannt. Im Grunde wollen wir ja Journalismus überhaupt vermeiden, da der Begriff die Oberflächlichkeit ja schon im Namen trägt: »Journalismus« leitet sich ab von frz. journal ›jeden einzelnen Tag betreffend‹. Das kann ja nichts werden, meint Bolle – zumindest dann nicht, wenn man’s damit übertreibt. Danke also für die Blümis.

»Eduards Traum« übrigens ist eine kleine, aber feine Erzählung, die alle verwundern und vielleicht auch entzücken dürfte, die Wilhelm Busch sonst nur von »Max und Moritz« her kennen. Kann nicht schaden, sich das im Rahmen seiner agnostisch-kontemplativen Bestrebungen gelegentlich mal zu Gemüte zu führen – 39 Seiten sollten eigentlich zu schaffen sein.

Die „Masken-Mörder“ (viel fehlt ja nicht mehr bei der ganzen Uffregung) jedenfalls entwickeln sich zum tagesaktuellen Dauerbrenner – falls das kein Widerspruch in sich ist. Werfen wir einen kurzen Blick in die Schlagzeilen: Die ›Bild‹ macht damit auf, wie die „Masken-Raffkes“ weiter abkassieren. Die FAZ berichtet über einen geplanten „strengeren Verhaltenskodex“ für Abgeordnete. Bolle fragt sich: Warum jetzt erst – nach über 70 Jahren Herrschaft der Guten? Und auch die ›Süddeutsche‹, der ›Tagesspiegel‹ und ›Die Welt‹ sind mittenmang dabei – die ›taz‹ natürlich sowieso. „Eine Sau durchs Dorf treiben“, nennt man so etwas seit alters her. Bolle meint: Weckt mich, wenn’s was zu berichten gibt.

Der eigentliche Hintergrund vons Janze – den wir an dieser Stelle aber unmöglich ausleuchten können – scheint Bolle das Zeiterleben zu sein: Während sich ein mittelalterlicher Bauer die Zeit zyklisch vorgestellt hat – Frühling, Sommer, Herbst und Winter, das Kirchenjahr mit seinen immer wiederkehrenden Festen, Geburt, Taufe, Hochzeit, Tod – und immer wußte, was wann ansteht, stellen wir uns die Zeit heute eher linear vor. Statt also jahrein, jahraus das mehr oder weniger Gleiche zu machen, versuchen wir, auf ein Ziel zuzusteuern. Dumm nur, daß niemand zu wissen scheint, was dieses Ziel denn eigentlich sein mag. Mehr Wohlfahrt und mehr Wachstum? Mehr „weiter so“? (vgl. dazu auch etwa Mo 18-01-21 So sein — oder so sein …?). Bolles Vermutung: Viel zu dünn, um zu tragen. Doch davon später mehr …

Zum Schluß noch der Schluß von »Eduards Traum«: „Ein Buch, wenn es so zugeklappt daliegt, ist ein gebundenes, schlafendes, harmloses Tierchen, welches keinem was zuleide tut. Wer es nicht aufweckt, den gähnt es nicht an; wer ihm die Nase nicht grad zwischen die Kiefer steckt, den beißt’s auch nicht.“ Bolle meint: Kein Grund, es zugeklappt zu lassen. Nur eben auf die Nase achten. Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Mo 08-03-21 Wunsch und Wirklichkeit

Wunsch und Wirklichkeit.

Wünsche werden Wirklichkeit. Ein alter Menschheitstraum. Allein: Die Welt ist schlecht. Zumindest aus der Perspektive der Wunschbeseelten. Nie sind die Dinge so, wie sie sein sollen. Liegt das nun an der zu harschen Wirklichkeit – oder an den überschäumenden Wünschen? Die Frage ist müßig, weil längst entschieden.

Berlin feiert heute seinen Weltfrauentag als regulären Feiertag. Totaler Lockdown in den Geschäften. Viel los ist also nicht. Aber Berlin ist ja auch nicht die Welt. Obwohl auch das einmal der Wunsch bestimmter Kreise war – dann aber doch an der Wirklichkeit zerschellt ist.

Was also war sonst noch so los? Greifen wir, weil thematisch naheliegend, noch einmal kurz auf Löbel und seine Freunde zurück (vgl. dazu So 07-03-21 Gut zerknüllt, Löbel). Die wollen ihr Mandat partout nicht hier und heute niederlegen. Müssen sie auch nicht. Da ist die Verfassung vor. Sollen sie aber, wenn es nach ihren Parteifreunden geht – von SPD und Opposition mal ganz zu schweigen. Was Bolle irritiert, ist, mit welcher Lässigkeit die bereit sind, selbstauferlegte Regeln – und die Verfassung ist eine selbstauferlegte Regel – über Bord zu werfen, wenn denn die Wünsche überschäumen. Selbst ein Untersuchungsausschuß ist im Gespräch. Als ob es da was zu untersuchen gäbe. Nun gut – es ist Wahlkampf-Auftakt. Das sieht Bolle ein. Lieber wäre es ihm indes, wenn sich einer der Empörten hinstellen würde und dem Volk reinen Wein einschenken: Die dürfen das! Und? Was macht der Journalismus 2.0? Blubbert von „mutmaßlichen“ Provisionen – als ob die in irgendeiner Weise strittig wären. Blubbert von „Unschuldsvermutung“, die schließlich für alle gelte, also auch für Parlamentarier. Als ob es hier um irgendein Vergehen ginge. Aber so ist das eben, wenn der Wunsch mit der Wirklichkeit wackelt.

Der Beispiele fänden sich noch viele. Allein, heute ist Weltfrauentag und Bolle hat noch einiges vor. Nur so viel: Da hätten wir zum einen den Wunsch nach dauerhafter Enteignung der Hohenzollern, obwohl die Wirklichkeit das nur schwerlich hergeben wird. Da hätten wir die „Katastrophenstimmung“ bei den Behörden an Amerikas Südgrenze wegen „papierloser Migranten“, wie es in der NZZ heißt, nur weil Joe Biden partout sein Trump-Trauma therapieren will. Da hätten wir die Taliban, die in Afghanistan so stark sind wie nie seit ihrem Sturz 2001. Und schließlich hätten wir da noch Ursula von der Leyen mit ihrer verträumten „EU-Impfallianz“. Bolle meint, frei nach Goethe: Der Wünsche sind genug gewechselt. Nun laßt uns endlich Wahrheit sehn! Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.

Mi 03-03-21 Wolle mer se eroilosse?

Wolle mer se eroilosse?

Seinerzeit schon, vor über 50 Jahren, hatte sich Pippi Langstrumpf im Namen der Ideosynkrasie souverän nicht nur über die Mathematik bzw. Arithmetik an sich, sondern sogar über deren Axiomatik hinweggesetzt. Damals war das noch spaßig und erfrischend. Allerdings dürfte kaum ein Schüler (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) auf die Idee gekommen sein, das bei Pippi Langstrumpf gelernte im Rechenunterricht praktisch anzuwenden. Heute, 50 Jahre später, wird aus Spaß langsam Ernst. Wenn man den aktuellen Meldungen Glauben schenken darf, dann keimt in den USA, dem Land of the Free, allen Ernstes eine Debatte auf, die Pippi Langstrumpf locker in den Schatten stellt. Damit aber hätte der Ideosynkrasie-Virus eine Artengrenze übersprungen – vom Sozialen zum Formalen. Aber der Reihe nach.

Hier zunächst ein Beispiel für das Soziale: Wolfgang Thierse, der ehemalige Bundestagspräsident und SPD-Urgestein, hat neulich in einem Gastbeitrag in der FAZ beklagt, daß Debatten über Rassismus, Postkolonialismus und auch Gender-Sprech immer aggressiver geführt würden, und sich dabei über Cancel Culture eher kritisch geäußert. Auch sei Blackfacing nicht weiter bedenklich. Prompt zeigte man sich in der SPD-Spitze „beschämt“ über ein solch „rückwärtsgewandtes“ Bild, das so nicht länger zur Partei passen würde. Bolle meint: Woher wissen die eigentlich immer so genau, wo vorwärts und wo rückwärts ist? Und aus welcher Quelle speist sich eigentlich das Schamgefühl?

Hier nun das Formale. Anscheinend wird in den USA neuerdings ernstlich darüber debattiert, ob die Idee, daß  2 + 2 = 4 sei, nicht doch eher kulturelle Gründe habe, und nicht letztlich eine Folge von westlichem Imperialismus sei bzw. der Kolonisierung der Welt.

Dabei scheint sich die Virulenz bereits in einem fortgeschrittenem Stadium zu befinden: So heißt es in einem Rundbrief des Kultusministeriums (!) in Oregon, die Forderung an Mathematik-Schüler, in ihren Klausuren nur ein einziges, überdies auch noch möglichst zutreffendes Ergebnis vorzulegen, sei ein Zeichen „weißer Vorherrschaft“. Recht so, meint Bolle. Nieder mit den alten, weißen Männern und ihrer rassistischen Arithmetik – von Mathematik zu reden wäre hier wohl schwer übertrieben.

Bolle fragt sich ernstlich, ob er nicht vielleicht übertrieben stumpf ist bzw. zu wenig aufgeschlossen für neue Wege der Mathematik. Auch ist ihm klar, daß man eine Mathematik auch auf anderen Axiomensystemen aufbauen könnte. Weiterhin ist ihm allerdings auch klar, daß kein einziges dieser Axiomensysteme dazu führen würde, daß für ein und dieselbe Aufgabe mehrere „korrekte“ Lösungen möglich sind. Mehrere Lösungswege wohl – das aber ist hier offenkundig nicht gemeint. Und so kommt er nicht umhin, sich in Anspielung an einen running gag bestimmter Karnevalssessionen zu fragen, wer diese Leute reingelassen haben mag in die Uni oder ins Kultusministerium – und überdies ein Hygienekonzept zu fordern. Das aber ist vielleicht dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.