Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …

Total so …

Und schon kommen wir in die zweite Halbzeit unseres agnostisch-kontemplativen Adventskalenders für dieses Jahr. Kinder, wie die Zeit vergeht. Ein wenig hat unser heutiges Schildchen mit dem von gestern zu tun. Allerdings setzt es vielleicht noch eins drauf. Es handelt sich dabei um einen Dialogfetzen zwischen einem mexikanischen Indianer unbekannter Herkunft – einem Wilden, sozusagen – und einem Mann der Wissenschaft westlicher Prägung.

Der Mann der Wissenschaft reagierte nach eigenem Bekunden verärgert: Natürlich werden wir alle sterben. Das ist mir klar. Folglich macht es keinen Sinn, sich deswegen’n Kopp zu machen. Die Replik des Wilden kam stante pede – und hart, aber trefflich: Wenn dies deine letzte Schlacht auf Erden wäre, dann würde ich sagen, daß du ein Narr bist. Du verschwendest deine letzte Tat auf Erden auf eine törichte Laune.

Das klingt natürlich alles wie aus dem ›Leitfaden für Erlöser – Hinweise für die fortgeschrittene Seele‹, wie es Richard Bach in seinen ›Illusionen‹ so trefflich gefaßt hat, und ist sicherlich eher harter Tobak. Aber warum nicht jetzt, inmitten der besinnlichen Weihnachtszeit, ein wenig kontemplieren oder zumindest darüber nachdenken? Wie meint doch Bolle gleich so gerne? Nachdenken nützt. Und wenn es nicht beim Nachdenken bleibt: um so besser. Genau aus diesem Grunde pflegt Bolle ja seine 12chen – eine regelmäßige 5-minütige Abkehr von den Wirren der Welt, möglichst zu jeder vollen Stunde. Das geht natürlich nur, soweit Zeit und Umstände es zulassen, of course. Gleichwohl ist es ein probates Gegengift gegen törichte Launen im weitesten Sinne. Auch – und das ist tröstlich – reagiert das Universum in aller Regel recht wohlwollend, falls der Yogi (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) die nötige Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit an den Tag legt. Und tut auch gar nicht weh. Also: Nur Mut – und gutes Gelingen!

Nun kann es natürlich passieren, daß irgend so ein Glühwürmchen, das zufällig diese Zeilen liest, auf die Idee verfallen könnte zu meinen, daß es unschicklich sei, „Indianer“ zu sagen. Es müsse schließlich ›Mitglied einer indigenen Bevölkerungsgruppe‹ heißen. Allein das wollen wir hier nicht weiter kommentieren. Das nämlich wär‘ dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 12-12-23 Das zwölfte Türchen …

Form und Inhalt.

Vor lauter vorweihnachtlicher Kontemplation wollen wir nicht vergessen, daß es auch noch andere Leute gibt auf der Welt. Leute, die mit dem Erlöser der Christenmenschen jetzt nicht soo viel am Hut haben. Leute etwa, denen das gesamte Erlöser-Konzept an sich eher fremd ist. Zen-Leute, zum Beispiel.

In solchen Sphären kreisend, mußte Bolle gestern, mitten im Weihnachtsrummel, an seinen lieben guten alten Zen-Meister denken. Und so ergab eines das andere. Bolle mußte daran denken, wie er damals – Berlin war seinerzeit noch proper von einer Mauer umrundet – jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe mit seinem alten Strich-Achter (Mercedes-Benz-Baureihe von 1968 bis 1976) von Kreuzberg nach Steglitz gedüst ist – nur um ein Stündchen auf seinem Zafu (Sitzkissen) zu sitzen und stille zu schweigen. Danach gab es Tee – von tüchtigen Novizen in einem Nebenraum gelassen, aber doch zeremoniell angerichtet. Und? Was machte der liebe gute alte Meister? Steckte sich ein Zigarettchen an. Wer wollte, tat es ihm gleich. Für Aschenbecher war gesorgt. Bolle fand das einen höchst charmanten, geradezu kultivierten Unterschied zu seinem Yoga-Umfeld, in dem Rauchen als sowas von pfui-bäh galt. „Wo man raucht, da laß Dich nieder“, ging es Bolle durch den frisch aufgeräumten Sinn.

Und sonst? Die Straßen waren noch bequem befahrbar. Parkraumbewirtschaftung? Noch nicht erfunden. Parkplätze gab es überall und reichlich. Auto abschließen? Nicht unbedingt nötig. CO2? Gab es wohl damals schon. War aber nicht weiter der Rede wert. Glühwürmchen? Liefen unter ferner liefen, wenn überhaupt. Kurzum: Irgend etwas – dieser Schluß scheint unabweisbar – ist da seitdem in die Binsen gegangen. Ach ja: Damals, damals, sagen die Leute …

Dann zurück nach Kreuzberg. Für Bolles WG übrigens hatten seine morgendlichen Exkursionen den nicht geringzuschätzenden Vorzug, daß es – immer noch in aller Herrgottsfrühe – täglich frische Schrippchen gab. Und zwar ehrliche Schrippchen – ohne Körner, ohne Dinkel, und schon gar nicht vegan. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Ostersonntag 09-04-23 Frohe Ostern, urbi et orbi!

Lachen und Scherzen // Begleitet die Herzen, // Denn unser Heil ist auferweckt.

Kenner werden es erraten haben: Bei unserem heutigen Schildchen handelt es sich um einen Ausschnitt aus der Partitur zu Bachs Oster-Oratorium. Das ist sozusagen die Bach’sche Kurzfassung (etwa eine dreiviertel Stunde) zur Einstimmung auf das Osterfest. Wer es ausführlicher mag, sei auf die Matthäus-Passion verwiesen (etwa 2¼ Stunden). Beides läßt sich leicht und locker auf YouTube finden – das Oratorium in der von Bolle geschätzten Interpretation von Sir John Eliot Gardiner etwa hier:

Die Geschichte – oder das „Narrativ“, wie man heute sagen würde – ist hinlänglich bekannt. Der Heiland der Christenmenschen in spe wurde zwei Tage zuvor, übrigens auf Veranlassung jüdischer Kleriker, von den Römern wegen Häresie an ein Kreuz genagelt, um dort erwartungs- und bestimmungsgemäß zu verscheiden. Allein damit sollte es nicht sein Bewenden haben. Zwei Tage später war der Heiland fort. Mögliche Erklärungen: a) Leichenraub oder eben b) Auferstehung.

Während die jüdischen Hohenpriester eindeutig die Version a) favorisierten, fanden Jesu Anhänger Version b) plausibler. Wörtlich heißt es dazu bei Matthäus 28, 12 ff. (in der Fassung der Lutherbibel 1912):

„Und sie kamen zusammen mit den Ältesten und hielten einen Rat und gaben den Kriegsknechten Gelds genug und sprachen: Saget: Seine Jünger kamen des Nachts und stahlen ihn, dieweil wir schliefen.“ Mehr noch: „Und sie nahmen das Geld und taten, wie sie gelehrt waren. Solches ist eine gemeine Rede geworden bei den Juden bis auf den heutigen Tag.“ (Matth. 28, 15).

Hier haben wir es also einmal mehr nicht nur mit einem frühen Fall von Korruption zu tun, sondern auch mit einem Anwendungsbeispiel unserer „Wirklich wahr“-Matrix:

Sind die Gläubigen nun Verschwörungsopfer, weil sie Unsinn für wahr halten? Oder sind, im Gegenteil, die Hohenpriester Verblödungsopfer, weil sie die Wahrheit („Jesus lebt“) nicht wahrhaben wollen?

Da tut es gut zu wissen, daß man sich als Agnostiker nicht zwischen „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ entscheiden muß. Vielmehr bleibt einem eine durchaus wohltuende dritte Möglichkeit: ME: „Wer bin ich, das zu entscheiden?“ Damit kommt man der Wahrheit nicht selten am nächsten. Das alles ist dann aber doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Frohe Ostern, also! Glaubt doch, was Ihr wollt!

Sa 04-02-23 1.000 Tage Dämlichkeit …

Total so!

Kürzlich war Bolle bei einem Neujahrsempfang mit angeschlossener Mitgliederversammlung. Kur und Kür aufs Innigste verwoben, sozusagen. Im Grunde kommt man da ja gerne. Nach drei Jahren Corönchen-Exzeß war sich Bolle allerdings unschlüssig, ob er die Kür nicht lieber sausen lassen und die Kur der neuen Verbandsfürsten nicht lieber per Stimmübertragung erledigen sollte. Eine Party mit Maske vorm Mäulchen wäre nämlich so ziemlich das letzte, was Bolle zu goutieren weiß. Wie soll man da gepflegt ein Zigarettchen rauchen? Von anderen diversen Kalamitäten bzw. Unwürdigkeiten mal ganz zu schweigen.

Allein es sollte anders kommen. Nicht nur, daß auf der Party niemand was von Masken-Mätzchen wissen wollte. Vor allem hatte die Verkehrsgesellschaft ihre „Zutritt nur mit Maske“-Schildchen nach genau 1.011 Tagen (!) pünktlich zur Party endlich wieder abmontiert. Freie Fahrt für freie Bürger! – um mal einen ADAC-Slogan von 1974 in einen zeitgemäßen Zusammenhang zu stellen. Immerhin hat die schiere Zahl der Tage (wer zählt sowas eigentlich?) Bolle zur heutigen Titelfindung inspiriert – in Anlehnung an Gabriel García Márquez‘ Roman aus ebenjener Zeit (1970), of course.

Im übrigen findet Bolle: Stoa – nie war sie so wertvoll wie heute. Begründet um 300 v. Chr., sollte es noch etwa 2.000 Jahre dauern, bis es Friedrich von Logau gelingen wollte, die Quintessenz auf fünf schlanke Zeilen zu verdichten. Bolle hält ebendiese fünf Zeilen für ein geradezu magisches Gegengift gegen das „Miep, wir werden alle sterben“-Mantra der Corönchen-Schisser jedweder Couleur (und beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course). Aber vielleicht sieht Bolle das auch zuu streng.

Der Stoa-Slogan jedenfalls hat sich geschmeidig in Anlehnung an einen Werbeslogan für Schnaps-Ersatz aus dem Jahre 1925 ergeben. Daran kann sich Bolle noch lebhaft erinnern – wenngleich er auch damals schon einen ehrlichen Whisky als Muskel- bzw. Seelenrelaxans vorgezogen hat. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 01-01-23 Ein gutes Neues Jahr Euch allen!

Ode an die Leude …

So, Ihr Lieben. Wieder ist ein altes Jahr von hinnen geschieden. Hier zur Einstimmung auf das Neue Jahr ein Verschen für Euer virtuelles Poesiealbum. Der Text hat sich Bolle neulich regelrecht aufgedrängt zwischen einer Last-Minute-Weihnachtsgans und einer rein jahreszeitlich doch etwas deplazierten Geburtstagsfeier. Gesungen wird es nach der Melodie von „Was müssen das für Bäume sein …“, of course.

Das Jahr 2022 war ja nicht zuletzt wohl auch ein Jahr der Sprüche – namentlich was die Volksbeglückung seitens der Politik-Prominenz angeht. Wenn man schon nichts – oder doch nur wenig – kann, dann muß man den Leuten wenigstens versuchen einzureden, daß man im Grunde doch voll toll ist. Bei „63%“ – so der einschlägige Code auf Twitter – mag das sogar fruchten. Der Rest vom Volk muß dafür um so mehr leiden ob solcher leistungsfreien Anmaßungen.

Was den Text unseres Liedchens angeht, mußten wir im Interesse größtmöglicher Nähe zum Original einige harte Kompromisse eingehen. Aber was soll’s. Wobei die ›Zwiebelfische‹ übrigens gar nicht mal so unpassend sind, wie man auf den ersten und möglicherweise doch eher flüchtigen Blick hin vielleicht meinen könnte. Im engeren Sinne handelt es sich bei ›Zwiebelfischen‹ um unpassende Lettern, wie sie sich beim Bleisatz mitunter ergeben haben – etwa weil der Stift (so hießen die Lehrlinge früher) es beim Zurücklegen der einzelnen Lettern in die passenden Schachteln an der nötigen Sorgfalt hat mangeln lassen und dabei etwa ein kursives „s“ in der Schachtel für die normalen „esse“ gelandet ist – was dem Gesellen beim Setzen eines frischen Textes unmöglich auffallen konnte. Von der ursprünglichen Wortbedeutung her meint ›Zwiebelfisch‹ allerdings ›minderwertige Ware‹. Von hier aus aber ist es nicht allzuweit zur Übertragung auf ›Leute, vor denen man nicht allzu ehrerbietig den Hut zu ziehen braucht‹. Damit ist eine rein sachliche Feststellung gemeint, of course, und nicht etwa ein wie auch immer gearteter möglicher Mangel an „Wertschätzung“ per se im weitesten Sinne. Bolle ist schließlich altmodisch genug zu meinen, daß Wertschätzung etwas ist, das man sich erwerben muß – und nicht etwa leistungsfrei und mit frecher Stirn mal eben so „einfordern“ kann.

Und damit wären wir mittenmang beim ›Demokraten-Profil‹ (vgl. Mi 21-12-22 Das einundzwanzigste Türchen …). Dort hatten wir (1) Urteilsfähigkeit, (2) Souveränität und (3) Freiheit von übertriebener Bangbüchsigkeit als das Holz bestimmt, aus dem sich Demokraten schnitzen lassen. An dieser Stelle liegt – davon ist Bolle mehr denn je überzeugt – wohl doch noch einiges im Argen. Aber nächstes Jahr wird ja bekanntlich alles besser, of course.

Soviel für heute. Wir wünschen Euch ein gutes Neues Jahr. Auch werden wir, versprochen ist versprochen, in Bälde wieder voneinander hören – falls uns bis dahin nicht der Himmel auffen Kopp fallen sollte. Möglich wär’s sehr wohl – beim gegenwärtigen Zustand von Volk und Vaterland (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course). Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 24-12-22 Das vierundzwanzigste – und für dieses Jahr letzte – Türchen …

Die Welt von gestern …

So schnell kann’s gehen. Auch die längsten 24 Tage des Jahres – das gilt zumindest, wenn wir die Welt durch Kinderaugen betrachten – gehen einmal vorüber. Heute schon also feiern die Christenmenschen die Menschwerdung ihres Heilandes.

Und so wollen wir schwer hoffen, daß die letzten Wochen Euch in der Grundstimmung eher besinnlich waren denn übermäßig turbulent – auch wenn das wohl nicht immer ganz einfach sein mag. Aber so ist das nun mal mit dem Seelenfrieden. Er stellt sich nicht von alleine ein. Vielmehr muß man andauernd was dafür tun. Aber wir arbeiten ja dran.

Gestern jedenfalls war Bolle Ente essen – oder war es Gans? Der Unterschied hat sich ihm bislang nicht so recht erschließen wollen – wohl weil es bislang an einem Direktvergleich gemangelt hat und die Erinnerung, wie dieses gemundet hat und wie jenes, im Laufe der Monate in Bolles Hirn so sehr verblaßt, daß ihm eine klare Unterscheidung bislang noch nicht gelungen ist. Heute vormittag jedenfalls steht der traditionelle Weihnachtsbummel an: Hände tief in die Manteltaschen und dort belassen. Ohne jegliches Gepäck – und vor allem ohne jede Absicht, irgendwas zu tun – außer den Leuten dabei zuzusehen, wie sie last minute ihre letzten Besorgungen erledigen.

Wie dem auch sei. In erster Linie geht es Bolle um die Würdigung der Jahreszeit. Ähnlich wie er zumindest versucht, im Sommer wenigstens einmal Erdbeeren zu essen (mit Schlagsahne, of course, und nur mit Schlagsahne), im Herbst Zwetschgenkuchen nach dem Rezept seiner lieben guten alten Großmama – und so fort.

Wir wünschen Euch also frohe und besinnliche Weihnachten und allen Menschen auf Erden – gleich, was sie sonst so glauben mögen – ein Wohlgefallen.

Hier noch ein Hinweis in eigener Sache: Im abgelaufenen Jahr haben wir Euch neben dem agnostisch-kontemplativen virtuellen Adventskalender ja nur zweimal ein Frühstückchen serviert – einmal im Januar und einmal im April, zum Osterfeste. Das ist natürlich äußerst dürftig und soll keinesfalls so bleiben. Wir hoffen also, daß wir im kommenden Jahr – falls uns nicht der Himmel auf den Kopf fällt, of course – etwas öfter voneinander hören werden.

Übrigens: Das letzte mal, daß Bolle ›Die Welt von gestern‹ gelesen hat, muß wohl mindestens schon vorgestern gewesen sein. Aber darauf kommt es nicht wirklich an. Wichtiger ist es wohl, einen gewissen Abstand zum Gewühle der Welt zu pflegen und sich zu bewahren. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 23-12-22 Das dreiundzwanzigste Türchen …

Ein Unterschied, der einen Unterschied macht …

Zwar ist noch lange nicht Silvester – die guten Vorsätze können also noch warten. Gleichwohl kann es kaum schaden, über die besinnlichen Weihnachtstage hinweg agnostisch-kontemplativ nicht ganz untätig zu bleiben – falls das nicht ein Widerspruch in sich ist. Nicht umsonst unterscheiden sich seit alters her vita contemplativa und vita activa, das tätige Leben. Bolle allerdings meint: papperlapapp! die Unterscheidung ist ein reines Konstrukt – ohne dabei rasend konstruktiv zu sein. Und wer würde sich schon ausgerechnet zum Fest der Liebe mit Bolle anlegen wollen?

In jüngeren Jahren hatte Bolle einmal eine Disputation mit seiner Yoga-Schülerschar (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) über die Frage, ob es möglich sei, daß ein Yogi Manager sein könne. Bolle meinte seinerzeit: Wenn nicht der – wer dann? Die Geschichte endete damit, daß Bolle einen nicht unerheblichen Teil seiner Lebenszeit als selbiger verbracht hat – ohne seine Yoga-Schülerschar dabei zu vernachlässigen, of course.

Aber all das soll heute nicht unser Thema sein. Vielmehr wollen wir ein weihnachtliches Lichtlein auf die kleinen Shit-happens-Momente werfen, wie sie etwa die allfälligen Besorgungen mit sich bringen können.

Daß es Menschen gibt, die ihrer Zeit am liebsten immer in etwa 10 Minuten voraus wären, hatten wir schon erwähnt (vgl. dazu So 04-12-22 Das vierte Türchen – der 2. Advent …). Von solchen Anfängerfehlern einmal abgesehen, kann man gleichwohl einiges erleben – auch im Weihnachtstrubel.

Dieses Jahr zum Beispiel hat sich die Post nebst ihrer Späti-Derivate recht unvorteilhaft hervorgetan. Da sollte etwa ein Päckchen, das an Herrn „Dipl.-Ing. Müller“ adressiert war, an „Ina Mühler“ ausgeliefert werden. Aus dem „Ing.“ wurde also „Ina“ – und was man bei „Müller“ falschmachen kann, wollte sich Bolle rein gar nicht erschließen. Obwohl – das läßt sich toppen: So wurde ein Päckchen, daß nach „Glinde“ in Schleswig-Holstein gehen sollte, nach „Indien“ verschickt. Zumindest fast. Irgendein Postler muß dann doch noch geschnallt haben, daß Glinde kaum in Indien liegen wird – auch wenn es rein phonetisch eine gewisse Ähnlichkeit geben mag. Auch war das Päckchen ganz regulär mit Inlandsporto versehen.

Über derlei könnte man sich amüsieren – wäre es nicht so, daß man sich doch wünschen würde, daß die Weihnachtsschoki spätestens zum Feste ihren Bestimmungsort erreicht und nicht etwa unter der heißen Sonne Indiens dahinschmilzt.

Ein dritter Vorfall – bleiben wir bei der Post als vorweihnachtlichem Abenteuer-Spielplatz: Bolle stand in einer (langen) Schlange, als vor ihm am Schalter ein rechter Rüpel seinen Unmut laut vernehmlich in die Schalterhalle ergoß. Der Grund: „aus technischen Gründen“ sei eine Bezahlung mit Bargeld „heute leider nicht möglich“. So stehe es auch auf einem Schild am Eingang. Man könne aber gerne mit der Bankkarte bezahlen. Natürlich hatte auch Bolle nur Bargeld dabei – zum Glück aber seine Weihnachtsgrüße in Heimarbeit schon ausreichend frankiert. Das war noch einmal gutgegangen. Knapp verfehlt ist schließlich auch getroffen.

Beim Rausgehen hatte Bolle in der Tat besagtes Schild gefunden. Man konnte es klar erkennen – sofern man wußte, daß es da hängt. Laßt uns also froh und munter sein bei den letzten Weihnachtsvorbereitungen und uns in der Kunst der Kontemplation im richtigen Leben üben. Im Detail wär das dann aber doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mo 19-12-22 Das neunzehnte Türchen …

Seelenfrieden …

Wir hatten gestern ja angedeutet, daß alles – oder jedenfalls sehr vieles – letztlich auf etwas so altmodisch oder gar schon mystisch klingendes wie ›Seelenfrieden‹ hinausläuft. Dabei ist Seelenfrieden – wie wohl alle tiefergehenden Begriffe – ein Teekesselchen. Damit kann einmal die Stimmung gemeint sein, mit der man sich einer Sache – egal welcher – zuwendet. Zum anderen kann damit das Ergebnis ebendieser Zuwendung gemeint sein – also die Stimmung, in der man sich befindet, wenn ein System funktioniert und man weiß warum. Das würde also dem Fall #1 unseres gestrigenTürchens (So 18-12-22 Das achtzehnte Türchen – der vierte Advent …) entsprechen.

In Pirsigs ›Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten‹ ist Phaidros (gewissermaßen der Protagonist und Ich-Erzähler) mit anderen zu Gast bei einem befreundeten Künstler. Phaidros schreibt zum Broterwerb technische Handbücher und Gebrauchsanleitungen. In einem früheren Leben, das er umständehalber aufgegeben hat, war er Hochschullehrer für das Fach Englisch. Phaidros hat ein Anliegen und wirft es als Thema in die Runde:

„Ich wollte nur sagen“, fange ich nochmal an, als ich mich endlich durchsetzen kann, „daß ich zu Hause eine Anleitung habe, die ungeahnte Möglichkeiten zur Verbesserung technischer Texte erschließt. Sie beginnt mit den Worten: ›Die Montage japanischer Fahrräder erfordert großen Seelenfrieden.‹“

Damit erntet er natürlich als erste Reaktion einen freundschaftlichen Lacher. Gleichwohl spürt die Runde, daß dahinter sehr viel mehr stecken könnte als nur ein guter Joke, und er erweckt ernstliche Aufmerksamkeit. Einer der Freunde fordert den „Herrn Professor“ auf, das Gesagte näher zu erläutern, und Phaidros hebt an:

„Seelenfrieden ist genaugenommen überhaupt nichts Oberflächliches“, erläutere ich. „Es ist das einzige, was zählt. Was ihn fördert, ist gute Mechanikerarbeit; was ihn stört, ist schlechte Mechanikerarbeit. Was wir als die Brauchbarkeit einer Maschine bezeichnen, ist nur eine Objektivierung dieses Seelenfriedens. Der letzte Prüfstein ist immer unsere eigene Gemütsruhe. Wenn man die nicht hat, wenn man beginnt, und sie sich nicht während der Arbeit bewahrt, dann läuft man Gefahr, seine eigenen persönlichen Probleme buchstäblich in die Maschine einzubauen.“

Hier finden sich also, in bestmöglicher Verdichtung, die beiden Begriffsinhalte des Teekesselchens. Einerseits die Stimmung, mit der man an eine Sache herangehen sollte – etwa wenn man ein „japanisches Fahrrad“ montieren will, und andererseits die Stimmung, in die „gute Mechanikerarbeit“ – also etwa das fertig montierte Fahrrad – einen versetzt.

Für heute wollen wir uns damit bescheiden – bis auf einen kleinen Hinweis in eigener Sache, vielleicht. Bolle liebt ja ganz grundsätzlich Selbstbezüglichkeit – wenn also etwa die Dinge, über die man redet, plötzlich im richtigen Leben in Erscheinung treten. So war es auch hier. Nach einem System-Update, das nicht wirklich zwingend nötig gewesen wäre, sah sich Bolle unversehens mit einer ganzen Reihe von Fall #4-Konstellationen konfrontiert und hatte reichlich Gelegenheit, das Dozierte – Wie bewege ich mich möglichst geschmeidig in der 4-Felder-Tafel, ohne einen Knall zu kriegen? – ganz lebenspraktisch anzuwenden. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 18-12-22 Das achtzehnte Türchen – der vierte Advent …

Murphy totalmente …

Bekanntlich gibt es immer zwei Möglichkeiten. Zumindest in einer dichotomen Welt ist das so. Gleichzeitig bedeutet das, daß es in einer zweidimensionalen dichotomen Welt immer vier Möglichkeiten gibt. So auch hier. ›Etwas‹ – in der 4-Felder-Tafel etwas hochtrabend ›System‹ genannt – kann entweder funktionieren oder nicht funktionieren. Und es ist möglich, daß man weiß, warum es funktioniert oder nicht funktioniert. Oder man weiß es eben nicht.

Wenn etwas funktioniert und man weiß warum (Fall #1), ist alles fein. Der Fall, daß etwas nicht funktioniert, man aber weiß, warum das so ist (Fall #2), ist weniger schön. In diesem Fall muß man den Fehler halt beheben, das System reparieren. Wenn etwas nicht funktioniert und man weiß nicht warum (Fall #4), dann ist die sprichwörtliche Kacke am Dampfen. So etwas führt unmittelbar zu innerer Unruhe. Hier hilft es nur, solange zu insistieren, bis man weiß, warum es nicht funktioniert. Rücke vor zu Fall #2, sozusagen. Oft genug allerdings reichen die eigenen Fähigkeiten nicht aus und man ist auf fremde Hilfe angewiesen. Immerhin ist das allemal besser als mit nicht-funktionierenden Systemen zu arbeiten – was ja schließlich per se sinnlos wäre.

Eine sehr eigenartige Konstellation ist Fall #3. Etwas funktioniert, wir haben aber keine Ahnung, warum. Hier scheiden sich die Geister. Während die einen froh sind, daß es überhaupt funktioniert und die Gründe hierfür Gründe sein lassen, gibt es andere, die so etwas schier in den Wahnsinn treibt. Es soll so mancher schon bei der Erklärungssuche so lange am System rumgefummelt haben, bis es schließlich nicht mehr funktioniert hat. Immerhin wußte er (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) dann, warum und fühlte sich gleich besser. So weit würde Bolle – bei aller Aversion gegen Fall #3 – dann allerdings lieber doch nicht gehen wollen. Manchmal muß man eben einfach ganz pragmatisch die sprichwörtlichen Fünfe gerade sein lassen.

Natürlich gibt es im richtigen Leben oft doch noch mehr Möglichkeiten als in der binären Logik. So kann es etwa sein, daß etwas nicht funktioniert und man weiß nicht, daß es nicht funktioniert. Die Warum-Frage stellt sich hier also gar nicht erst. Genau das ist uns vorgestern abend passiert. Die Ankündigungs-Email war geschrieben, ins System eingetütet – und tschüß. Sollte man meinen. Daß sie aber nicht ankommen würde wie vorgesehen, hatte sich erst am nächsten Morgen herausgestellt. Und schon waren wir wieder in vertrauten Bahnen – in diesem Falle Fall #4. Nach ein bißchen Insistieren sind wir dann über Fall #2 zu Fall #1 gekommen: es funktioniert und wir wissen, warum. Zumindest wollen wir davon bis zum Erweis des Gegenteiles ausgehen.

Was das alles mit der Adventszeit, der Ankunft des Heilands der Christenmenschen zu tun hat? Nun, wenn wir uns zu Weihnachten nicht zuletzt auch ›Frieden‹ wünschen, sollten wir nicht vergessen, daß es beim Navigieren durch die 4-Felder-Tafel auch um eine Art von Frieden geht, die wir aus rein kontemplativen Gründen niemals geringschätzen sollten: Den Seelenfrieden – wie ihn unseres Wissens Robert M. Pirsig in seinem ›Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten‹ (1974) präsentiert und popularisiert hat. Wir werden morgen oder in den nächsten Tagen darauf eingehen. Für heute aber wär das dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 17-12-22 Das siebzehnte Türchen …

Das kann man so sehen – oder so …

Wir haben uns in diesem Jahr hier in unserem agnostisch-kontemplativen Adventskalender noch nicht ein einziges mal dem Thema ›Corönchen‹ zugewendet. Und das soll auch so bleiben. Schließlich hat sich die Lage – von gewissen Resterscheinungen etwa in den Öffis sowie wackeren „Get vaccinated“-Appellen seitens offizieller Stellen einmal abgesehen – ja auch wieder weitestgehend beruhigt. Man kann wieder ohne Negativ-Nachweis und ohne Maskenmätzchen auf den Weihnachtsmarkt – ja, man darf dort sogar wieder einen Glühwein trinken.

Aus der Distanz betrachtet stellt sich Bolle der ganze, völlig unweihnachtliche Zauber letztlich als Ausfluß des Weltbildes oder zumindest des Körperbildes dar. Für Bolles lieben guten alten Yogalehrer ist der Körper der Tempel, den seine Eleven – nicht anders als andere Leute auch – nun mal brauchen, um sich auf und in der Welt bewegen zu können. In dieser Welt sind Viren schlechterdings nicht definiert. Was aber, wenn trotzdem einer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) einen Schnupfen kriegt? Dann ist das halt so. Schließlich hat auch der schönste Tempel von Zeit zu Zeit einen gewissen Renovierungsbedarf. Und wenn er daran sogar stirbt? Auch dann ist das halt so. So ein bißchen sterben kann einen echten Yogi nicht umhauen – wie der Meister stets, wenn auch mit rechtem Schalk im Auge, betont hat. Wieder eine Episode im ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens abgeschlossen.

Ganz anders die kontemporär-modernistische medizinisch-wissenschaftliche Sicht. Hier leben wir in einer Welt voller Widrigkeiten. An jeder Ecke lauern tödliche Gefahren. Ein mal nicht aufgepaßt, einmal die Impfung versemmelt – und zack, schon ist man tot. Wie furchtbar! Nicht einmal der Wetterbericht, der Bolle mehrmals täglich auf sein Handy flattert, kommt ohne dauernde „Warnungen“ aus. Da wird vor Hitze gewarnt, vor Kälte, vor Glätte, vor Regen, vor Sturm … Kurzum: vor dem Wetter an sich. „Volk unter Strom“ hat Bolle das an anderer Stelle einmal genannt.

Aber ist das nicht alles reichlich zynisch? Das wiederum hängt, wie so oft, schwer davon ab, was wir uns unter ›zynisch‹ vorstellen wollen. Ursprünglich, bei Diogenes und den anderen Kynikern – also den Vorläufern der Stoa – hatte man darunter die Einsicht verstanden, daß es keinen Sinn macht, sich das Leben mit der Angst vor dem Tode zu vermiesen. Und da ist durchaus was dran. Die moderne Deutung nebst pejorativem Beiklang (›Gefühllosigkeit gegenüber den Leiden anderer‹) kam jedenfalls erst sehr viel später auf – was unter den gegebenen Umständen natürlich nicht weiter verwundern kann. Gleichwohl bleibt es dabei: Hier haben die Kyniker bzw. die späteren Stoiker durchaus einen Punkt (wie man so etwas heutzutage zu nennen pflegt).

Die kontemplative Grundeinsicht – nämlich daß wir sterbliche Wesen sind und daß es uns ohnehin nicht vergönnt ist, uns mehr als nur eine sehr, sehr kurze Spanne auf dieser Wonderful World (Satchmo 1967) zu tummeln, und daß wir folglich nicht allzu viel Wind um das eigene Dasein machen sollten – vor allem dann nicht, wenn wir damit das Leben verfehlen – kann da schon mal leicht ins Hintertreffen geraten. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.