Sa 07-12-24 Das 7. Türchen: Wollense Toast …?

Sapienti sat – Der Philosoph wird davon satt.

Vorab muß man wissen, daß „Hölzerbrot“, so lange Bolle denken kann, das Essen am Heiligen Abend ist, bzw. in der Weihnachtszeit ganz allgemein. Wir hatten das vor Jahren schon mal am Rande erwähnt (vgl. Do 24-12-20 Das vierundzwanzigste – und für dieses Jahr letzte – Türchen …), aber nicht weiter ausgeführt.

Nun – Hölzerbrot ist wohl noch schneller zubereitet als zum Beispiel Würstchen mit Kartoffelsalat. Denjenigen, die meinen, am Heiligen Abend der Christenmenschen Gans servieren zu müssen, ist ohnehin nicht zu helfen.

Das Wesentliche am Hölzerbrot: Es ist durch und durch minimalistisch. Das bedeutet, daß sowohl Zutaten als auch innere Haltung stimmen müssen. Die Zutaten, das sind eine dicke Scheibe Kastenweißbrot, Kochschinken, und zwar ungeräuchert, Chester-Junk-Käse und Ketchup. Ananas wär‘ albern. Im Grunde verhält es sich damit nicht anders als mit der Kunst, ein Baguette aufzuschneiden. Wer wissen will, was wir meinen, sei an die einschlägige Szene aus Diva (F 1981 / R: Jean-Jacques Beineix) erinnert, in der einer der Protagonisten, Serge Gorodish, genau eben das unternimmt: Zen und die Kunst, ein Baguette aufzuschneiden. Total so!

Als fünfte, und namensgebende, Zutat brauchen wir übrigens noch jeweils zwei kopflose Streichhölzer. Angeblich sollen sie verhindern, daß sich Schinken und Käse beim Backen verlaufen. Seit Bolle aber nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt, mag er auch nicht mehr so recht an eine regelrechte Funktion der Streichhölzer glauben. Schinken und Käse halten wohl auch so. Allerdings kann das kein ernstlicher Grund sein, Hölzerbrote ohne Hölzer herzustellen. Wie albern wär‘ das denn?

Nun – was seinerzeit höchst einfach war, gestaltet sich, wie Bolle feststellen muß, zunehmend immer schwieriger. So gibt es in ganz Prenzlauer Berg offenbar nur noch einen einzigen Laden, in dem ein ehrliches Kastenweißbrot (also ohne Dinkel und Geminkel) verkauft wird – und das meist auch nur auf Bestellung. Neulich – ohne Vorbestellung: „Ick hätte gern ein Kastenweißbrot.“ – „Ham wa nich. Wollense Toast?“ Ne – wollen wa nich. Mit dem Schinken verhält es sich ganz ähnlich. Man findet – möglicherweise der umsichgreifenden Geschmacksabstumpfung geschuldet – fast nur noch geräucherten Kochschinken. Das aber ist nicht das gleiche und stört die weihnachtliche Zen-Anmutung doch sehr. Selbst den traditionellen Ketchup findet man nur noch mit Mühe. Ist das jetzt schlimm? Sagen wir so: schön ist es nicht. Vor allem deshalb nicht, weil Bolle meint, hier einen allgemeinen Trend zur Verrohung der Sitten ausmachen zu müssen. Aber vielleicht ist Bolle ja einfach nur unglaublich old-fashioned.

›Sapienti sat‹ ist übrigens, ordentlicher übersetzt, eine abgeschliffene Form der Wendung ›Dictum sapienti sat est. – Dem Verständigen genügt’s.‹ des karthageischen Dichters Terenz (2. Jhd. vor der Geburt des Erlösers der Christenmenschen). Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 06-12-24 Das 6. Türchen – Nikolausi

Tripel-Nikolausi 2009.

Es kommt ja eher selten vor, daß man den Nikolaus gleich in einer Tripel-Version zu Gesicht bekommt. Manchmal aber eben doch. Immerhin ist hier von den Knechten Ruprecht (muß hier konsistenterweise wohl Plural sein), den Schrecken aller Kinder – zumindest in vergangenen Zeiten war das so – keine Spur zu sehen. Von Rentieren und goldenen Schlitten ganz zu schweigen. Aber laßt uns den Realitäts-Check nicht überstrapazieren. Geschenkt.

Das Bildchen stammt aus 2009 und schlummert seitdem auf Bolles vielen Festplatten. Die Qualität ist nicht wirklich „zeitgemäß“ – dafür aber ist es historisch. Heute würde man so etwas womöglich „vintage“ nennen.

In Bolles Bildersammlung ist es geraten, weil eine schon immer aufmerksame Zeitgenössin (und heute noch gelegentliche Leserin unserer kleinen agnostisch-kontemplativen Sonntagsfrühstückchen) mit Blick für die kleinen Skurrilitäten des Alltags helle und schnelle genug war, hurtig ihr Handy zu zücken – mit dem man damals übrigens auch schon ansatzweise photographieren konnte –, um die Begebenheit für die Ewigkeit (oder was immer man mitunter dafür halten mag) zu manifestieren. Et voilà: Bolle meint, nach 15 Jahren Festplattenschlummer – Kinder, wie die Zeit vergeht – könne es nicht schaden, das einer (etwas) breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Übrigens hatte unsere Photographin seinerzeit noch berichtet, daß sich die drei Nikolausis schließlich noch in eine regelrechte Keilerei verwickelt hatten. Genaueres können wir nicht wissen – liegt es doch im Wesen einer jeden U-Bahn, ohne jede Sensibilität für die Faszination des Augenblickes einfach stumpf weiterzufahren. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 05-12-24 Das 5. Türchen: Würde oder Würmchen?

Sic crustula friatur – Da geht er hin, der Keks …

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. So steht es in der Verfassung, gleich im 1. Artikel und dort auch gleich im 1. Absatz. Damit steht sie an ähnlich prominenter Stelle wie das „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ des alten Testaments der Christen- und vor allem auch der Judenmenschen (1. Mose 1, 1). Auch hier haben wir es einmal mehr mit einem Fall von ›Helfen, retten, schützen‹ zu tun – was wenig Gutes ahnen läßt. In der Tat handelt es sich bei ›Würde‹ um das, was die Juristen einen ›unbestimmten Rechtsbegriff‹ nennen: Nichts Genaues weiß man nicht. Zur Zeit jedenfalls macht sich im deutschen Strafrecht eine Tendenz breit, die Würde dermaßen hochzuhängen, daß keiner mehr drankommt. Das ist zwar rechtsdogmatisch ärgerlich – hat für interessierte Kreise aber den Vorzug, daß man alles, wirklich alles, was beliebt, darunter fassen kann. Gegenwärtig jedenfalls muß der arme Art. 1 GG dafür herhalten, die Bösen von den Guten zu scheiden. Du bist frauenfeindlich? – was immer das heißen soll: Klarer Fall von Verfassungsfeindlichkeit. Sexistisch? Nicht minder. Antisemitisch? Dito. Es ist unschwer zu erkennen, daß hier die unbestimmten Rechtsbegriffe Ringelreihen tanzen – was der Auslegung beziehungsweise, allgemein gesagt, dem jeweils herrschenden Zeitgeist ungeahnte Spielräume eröffnet. Das Ergebnis ist Rechtswissenschaft, wie’s grade paßt. Und wenn das erst mal losgetreten ist, gibt es kaum ein Halten mehr. Bolle kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß wir uns gerade in einer solchen Phase befinden. Übel, übel – aber muß man wohl durch.

Versucht man dennoch, die ›Würde‹ halbwegs begrifflich zu fassen – was wir hier und heute unmöglich tun können – landet man ganz schnell beim ›Kantischen Moralprincip‹ (Schopenhauer), wonach die Würde auf der Moralität des Menschen beruht und die Moralität auf der Würde. Na toll. Und so kommt Schopenhauer auch zu dem Schluß, daß es eigentlich nur ironisch gemeint sein kann, weihevolle Worte wie Würde auf „ein am Willen so sündliches, am Geiste so beschränktes, am Körper so verletzbares und hinfälliges Wesen, wie der Mensch ist“, anzuwenden. Vielmehr solle man, so Schopenhauer, die Würde nicht aus der Großspurigkeit der Menschen ableiten wollen (Homo sapiens oder Homo sapiens sapiens, gar), sondern vielmehr, ganz im Gegenteil, aus seiner Minderbemitteltheit. Das allein führe zu einer Haltung sublimierter Menschenliebe, agápē, zu der schließlich auch das Evangelium der Christenmenschen aufrufe.

Daß das Ganze schwer selbstwertbeschädigend sein mag, versteht sich. Aber ist es nicht erquicklicher, mit einer soliden Ent-Täuschung zu leben als sich dauerhaft in die eigene Tasche zu lügen? Bolle findet, auch und vor allem die Adventszeit bietet sich geradezu an, derlei mal zu kontemplieren. Tut ja nicht wirklich weh. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mi 04-12-24 Das 4. Türchen: Keine Zeit für Weihnachtszeit?

Weihnachtszeit Friedrichstraße 2007.

Dieser Tage ist Bolle die ›Vorweihnachtszeit‹ mitunter recht unangenehm aufgestoßen – etwa in einer Wendung wie „Wir wünschen Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit“ – die sich offenbar zunehmender Beliebtheit erfreut.

Was aber ist ›Vorweihnachtszeit‹? Bei Wiki etwa wird man schlicht auf ›Advent‹ weitergeleitet. Ende Gelände. Ein kleiner sachlicher Unterschied läßt sich allerdings, so man etwas tiefer schürft, dann doch feststellen. Der Einzelhandel benutzt den Begriff als logistischen Ausdruck für seine mit Abstand umsatzstärkste Jahreszeit. Und damit kann man, wenn sich’s lohnen soll, offenbar gar nicht früh genug anfangen. So kommt es, daß so mancher bereits Ende August Weihnachtsgebäck „genießen“ soll – wie die Werbung das zu nennen pflegt. Unterm Tannenbaum werden ihm die süßen Sachen dann wohl gründlich zum Halse raushängen. Aber bis dahin ist das Zeug ja schon verkauft.

Aber selbst wenn dem so ist: Muß man deswegen dazu übergehen, sich gegenseitig eine „Schöne Vorweihnachtszeit“ zu wünschen? Bolle findet, eine schlichte „Schöne Weihnachtszeit“ tut’s auch.

Vielleicht aber traut sich mancher (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) einfach nicht, seinen jahresendzeit-geplagten Mitmenschen mit derlei zu kommen. Wer gegen Jahresende von ellenlangen „To Do“-Listen, vulgo Weihnachtsstreß, besessen ist, wird von schöner Weihnachtszeit womöglich lieber wenig wissen wollen.

Wann aber ist Weihnachtszeit – wenn wir das verschämte „Vor-“ mal außen vor lassen wollen? Zumindest einmal vom 1. Advent bis zum 2. Weihnachtsfeiertag. Damit kommen wir auf rund drei bis vier Wochen.

Entspanntere Gemüter werden die Zeit „zwischen den Jahren“ noch dazu packen wollen und kommen so auf mindestens einen vollen Monat. Bei Bolle ist ja ohnehin ab Hallowe’en Weihnachtszeit – auch wenn er im November noch keine entsprechenden Grüße äußern würde.

Offiziell beendet ist die Weihnachtszeit übrigens erst am 6. Januar – dem Epiphaniasfest bei den Protestanten bzw. den Heiligen Drei Königen bei den Katholiken. Bolle findet: Weihnachtszeit vom 31. Oktober bis zum 6. Januar – so geht Entschleunigung als Grundlage für ein Vita Contemplativa bzw. als Antidot gegen ein besinnungsloses Leben. Daß man zwischendurch durchaus ein wenig was tun kann, versteht sich, of course. Die Mischung macht’s. Die Mischung und die Stimmung. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 03-12-24 Das 3. Türchen: Warum nich drinnen?

Stilvoll geht die Welt zugrunde … (Symbolbild, of course).

Neulich hatte Bolle – kurz vor Wiedereintritt in den heimischen Orbit – eine Begegnung der transzendentalen Art. Nahe seiner Eingangstür hockte eine Frau vor einem Office. Rauchend. Und offenbar auch frierend. „Warum roochen se nich drinnen? Is doch wärmer!“ Manchmal ist das Mundwerk halt schneller als das Gehirn.

Die Frau guckte Bolle von schräg unten direkt in die Augen. Das war ja schon mal ein gutes Zeichen. Dann dachte sie nach. Wenigstens zwei Sekunden. Bolle findet ja, es macht Spaß, Leuten beim Denken zuzugucken – vor allem, wenn die Prozesse in Zeitlupe ablaufen. Dann überlegte sie – zumindest schien es so –, was sie nun antworten solle. Wieder etwa eine Sekunde. Schließlich entschied sie sich, Bolle anzustrahlen – und es dabei zu belassen. Reden ist Silber – Schweigen ist Gold. Kennen wa ja.

Bedenklich mutet Bolle an, daß es noch gar nicht allzu lange her ist, daß derartig verworfene Sitten Einzug gehalten haben. Hier etwa gilt das ›Berliner Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Nichtraucherschutzgesetz / NRSG)‹ erst seit dem 1. Januar 2008. Das sind nur 17 Jahre bzw. etwa eine halbe Generation.

Allerdings greift das alles viel zu weit, als daß wir uns hier und heute und vor allem zur Adventszeit damit beschweren wollen. Nur so viel: Sinn und Zweck von‘t Janze beziehungsweise, vornehmer ausgedrückt, die ratio legis besteht, wie der Kurzname schon besagt, im Schutze von Nichtrauchern. Also haben wir es einmal mehr mit einem Fall von ›Helfen, retten, schützen‹ zu tun. Auch hier könnt‘ Bolle kotzen, wie so oft, wenn Schafsnatur (Goethe) den Stil und gute Sitten schleift.

Übrigens guckt Bolle vorzugsweise nur noch ältere Filme. Filme also, wo die gesellschaftlichen Verhältnisse – um es mal hochtrabend marx-mäßig zu fassen – längst noch nicht so verlottert waren wie heute. Und? Haben die Raucher von damals überlebt? Natürlich nicht. In diesem Universum überlebt auf Dauer niemand, wirklich niemand – vom Erlöser der Christenmenschen vielleicht einmal abgesehen. Hätten sie nicht wenigstens ein, zwei Jährchen länger leben können? Möglich wär’s. Rückblickend betrachtet allerdings ohne jeden Belang. Das alles aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mo 02-12-24 Das 2. Türchen: Wie handgefiltert

Der GuMo-Weihnachtskaffee.

Nach dem vielleicht doch etwas herben Charme unseres gestrigen Türchens wollen wir uns heute einem im Kern völlig bodenständigen Thema zuwenden: Der morgendlichen Tass Kaff.

Bei einem seiner virtuellen Weihnachtsbummel ist Bolle vor Tagen eine Kaffeemaschine untergekommen, die, man höre und staune, Kaffee „wie handgefiltert“ kochen kann. Dabei handelt es sich um eine Maschine, die man mit ca. 250 Euro durchaus schon der Luxusklasse – zumindest aber dem höherpreisigen Segment zuordnen kann. Anspruch verpflichtet – und so begnügt sich unser Luxus-Maschinchen nicht damit, schlicht Kaffee zu kochen. Vielmehr wird der Kaffee laut Herstellerangaben „gebrüht“.

Bolle meint: Na toll. Bei uns wird Kaffee auch gebrüht. So viel Noblesse muß sein. Dabei ist er nicht nur „wie handgefiltert“ – er ist handgefiltert, in der Tat.

Warum dann sich eine Maschine in die Küche stellen, die nichts weiter kann als das, was ein versierter Kaffee-Koch sowieso kann? Dazu muß man wissen, daß Bolle die Vorzüge der chinesischen Kochkunst zu schätzen weiß. So sagt man, daß ein traditioneller chinesischer Koch noch in der Kochnische einer Studentenbude problemlos ein 4-Gänge-Menü für, sagen wir, 10 Personen zu zaubern weiß. Das mag leicht idealisiert sein, aber der Kern ist wahr – wie Bolle aus eigener Erfahrung versichern kann. Chinesisches Indianerehrenwort. Von Knoblauch pürieren bis Ente tranchieren: ein guter chinesischer Koch braucht dafür nicht mehr als ein Hackbeil und ein Bambusbrettchen als einzige Küchengeräte. Bolle findet das voll pragmatisch-philosophisch. Außerdem spart es Abwasch. Die Kaffeemaschine dagegen, die nicht mehr kann als das, was Bolle ohnehin kann, hat einen Raumbedarf von satten 20 Litern. So etwas erfährt man natürlich nur, wenn man sich die Mühe macht, das Kleingedruckte zu lesen.

Spart unser Kaffee-Roboter wenigstens Zeit? In Bolles Lehrveranstaltungen heißt es ja immer, der eigentliche Witz einer Maschine bestünde darin, die Arbeit leichter und schneller zu machen. Die Antwort ist erstaunlich „komplex“. Wir werden im Rahmen unseres diesjährigen Adventskalenders wohl noch darauf zurückkommen. Im übrigen trinkt Bolle seinen Weihnachtskaffee natürlich nicht nur zur Weihnachtszeit und auch nicht nur am Guten Morgen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 01-12-24 Das 1. Türchen – der 1. Advent: Last Christmas …?

Es weihnachtet wieder …

So, Ihr Lieben. Es weihnachtet wieder – schon wieder. Bei Bolle ist es vorausschauenderweise ja so, daß die Weihnachtszeit mit Hallowe’en beginnt – also mit rund einem Monat Extra-Vorlauf. Das entspannt die Dinge doch sehr. Dabei haben wir es dieses Jahr mit dem eher seltenen Fall zu tun, daß 1. Advent und 1. Dezember auf den gleichen Tag fallen. Das erleichtert die Orientierung ganz erheblich.

Unseren agnostisch-kontemplativen Adventskalender gibt es heuer (wie man in Österreich sagt) immerhin das fünfte Jahr in Folge. Mehr Weihnachtsgruß geht kaum. In England gibt es – oder gab es zumindest – die Sitte, an alle, die man kennt, ein Weihnachtskärtchen zu verschicken. Damit das Ganze nicht zu teuer wird, ist (oder war) es Sitte, daß die Weihnachtsindustrie eigens Low-Budget-Kärtchen auf den Mark wirft, die sich auch weniger begüterte Teenager leisten können.

Bei dem Bildchen heute handelt es sich um eine Rückmeldung unserer geneigten Leserschaft: Ein herkömmlicher Lichterbogen (oder auch Schwibbogen), der noch mit echten in Reihe geschalteten Glühbirnchen funktioniert – und nicht etwa mit LEDs. Dabei liegt an jedem Lichtlein eine Spannung von etwa 30 Volt an – von wegen 220 geteilt durch 7. Wem das nicht auf Anhieb einleuchten will: das soll uns die Weihnachtsstimmung nicht verdrießen. Über die Leistungsaufnahme ist nichts bekannt. Auf jeden Fall werden die Birnchen warm genug, um sich glatt die Finger daran leicht verbrennen zu können. Wie hat man das früher gehalten? Bolle meint ja immer: Wer zu doof ist, den bestraft das Leben. Vielleicht waren die Kinder seinerzeit ja noch nicht ganz so doof. Falls doch: so lernt man’s. Trial and error, eben. Der Rest ist eine Frage der natürlichen Auslese. So etwas aber – das sieht Bolle ein – ist heutzutage durchaus nicht mehr „zeitgemäß“. Sich die Finger verbrennen und dabei was lernen – das geht gar nicht. Sprach das Hülsenfrüchtchen.

Zum heutigen Titel: „Last Christmas“ kann ja zweierlei bedeuten: Erstens ›Weihnachten letztes Jahr‹, wie in dem Lied der englischen Pop-Band Wham! aus dem Jahre 1984. Es kann aber auch bedeuten: Das letzte Weihnachten überhaupt.

Nun ist Bolle mitnichten der hysterische Typ. Indes hatten wir schon letztes Jahr (vgl. Mi 13-12-23 Das dreizehnte Türchen …) daran erinnert zu bedenken:

Keine Macht der Welt kann dir garantieren,
daß du noch eine Minute länger leben wirst.

Ist es nicht schön, daß wir in Zeiten leben, wo man nicht leichtfertig sagen kann: „Ja, ja, schon klar. Red‘ Du nur.“ Daß wir vielmehr in agnostisch-kontemplativ hochwertigen Zeiten leben, wo das jederzeit und sehr, sehr plötzlich richtig real werden kann? Bolle meint ja immer – in Abwandlung seiner Standard-Aufmunterung: Genießt der Zeit – wer weiß, wie sehr die spinnen … Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 24-11-24 Denken, wem Denken gebührt

Mathematiker-Schnelltest.

Kinder, wie die Zeit vergeht! Heute ist der 24. November. Zumindest bei den protestantischen Christenmenschen ist das der Totensonntag, an dem man, passend zur Jahreszeit – das Jahr ist nunmehr zu 90 Prozent von hinnen geschieden – versucht, der letzten Dinge zu gedenken. Die letzten Dinge, das sind Tod, Gericht und Himmel oder Hölle – je nachdem.

So weit wollen wir hier und heute nicht gehen. Immerhin kann es nicht schaden, sich klarzumachen, daß am kommenden Sonntag bereits der 1. Advent der Christenmenschen ist. Gleichzeitig – und das hat man wahrlich nicht jedes Jahr – ist das der 1. Dezember, an dem die kleinen und auch manch größere Kinder das erste Türchen an ihrem Adventskalender öffnen. Auch für unseren virtuellen agnostisch-kontemplativen Kalender – den es dieses Jahr das fünfte mal in Folge geben soll – ist es dann wieder soweit.

Was haben wir gedacht?
Was davon gemacht, was angebracht?
Mitunter auch: was haben wir gelacht.

Natürlich ist vieles liegengeblieben. Noch viel mehr ist noch am Reifen. Schließlich soll es mitnichten unser Ansinnen sein, dem Zeitgeschehen hinterherzuhecheln. Dem Zeitgeist zu begegnen ist sicherlich Anspruch genug.

So wollen wir das Jahr gemütlich ausklingen lassen und nicht versäumen, Euch einen – wie Bolle das nennt – Mathematiker-Schnelltest vorzustellen. Die Aufgabe, um die es geht, lautet wie folgt: Gegeben sei eine normale Telephon-Tastatur. Was kommt raus, wenn wir alle Ziffern miteinander multiplizieren? Ende vom Test.

Ein wahrlicher Schnelltest, also. Manche unter uns werden sagen: Wie – das war’s schon? Manch andere dagegen werden Unrat wittern und geheime Tücken suchen – und womöglich sogar finden. Kurzum: Der Test hat es in sich – wenn auch nicht unbedingt auf der mathematischen Ebene.

Auch lappt er ein wenig ins pragmatisch-philosophische. So hieß es – auch, aber beileibe nicht nur in diesem Jahr – zuweilen, man müsse für dieses oder jenes Vorhaben nur soundso viele Milliarden „investieren“ – dann werde alles gut. Bolle dagegen meint in Anlehnung an einen gelungenen Werbespruch: Geld ist wie Beton. Es kommt drauf an, was man draus macht. Sagen wir so: Wer sich mit dem Mathematiker-Schnelltest schwertut – oder zumindest nicht ganz leicht –, wird, tout au contraire, nicht die geringste Mühe haben, die eine oder andere Milliarde mal eben schnell im Orkus der Geschichte zu versenken. Die Zeitgeschichte wimmelt nur so von Beispielen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 17-11-24 Und niemals wieder landen

Signale hör ick wohl, allein …

Manchmal will es Bolle ja so scheinen, als gäbe es eine Clique von unverdient Hochgestellten, die eine regelrechte Freude daran haben, brave Bürgersleut zu drangsalieren. Das machen sie natürlich nicht mit Absicht. Gleichwohl aber mit Absichten – und zwar mit guten, versteht sich, of course. Im Kern ist es wohl so, wie Diedrich Dörner das 1989 schon in seiner ›Logik des Mißlingens‹ so trefflich formuliert hat. Wir werden ja nicht müde, es immer wieder zu erwähnen (vgl. dazu etwa Fr 23-04-21 Vive la France! – ein Beitrag, der immerhin schon 3½ Jahre alt ist).

Meines Erachtens ist die Frage offen,
ob ›gute Absichten + Dummheit‹
oder ›schlechte Absichten + Intelligenz‹
mehr Unheil in die Welt gebracht haben.
Denn Leute mit guten Absichten
haben gewöhnlich nur geringe Hemmungen,
die Realisierung ihrer Ziele in Angriff zu nehmen.

Nun – momentan scheinen wir von ›gute Absichten + Dummheit‹ regelrecht überschwemmt zu werden. Dabei wollen wir unter ›Dummheit‹, wie stets, nicht mehr verstehen als das kognitive Unvermögen, Gegebenheiten bzw. Zusammenhänge erkennen zu können. Mit anderen Worten: unzureichende prognostische Kompetenz (vgl. dazu auch So 27-10-24 Vorausschauend fahren! Können vor Lachen).

Anlaß zu diesem Beitrag war folgendes: Da hatte ein ansonsten völlig braver Bürger einen der unverdient Hochgestellten als „Schwachkopf“ bezeichnet. Genau genommen hatte er selbst ihn gar nicht bezeichnet. Vielmehr hatte er einfach ein ziemlich süßes TwitteX-Bildchen mit einigem an Witz „geliked“. Die Folge: Strafanzeige wegen Majestätsbeleidigung, § 188 StGB. Bemerkenswert ist also, daß unser braver Bürger den „Schwachkopf“ nicht einmal selbst in den Mund genommen hat. Er fand das einfach nur niedlich. Wir kennen das von früher, als das reine Weitererzählen von politischen Witzen strafbar war – wenn auch nicht unbedingt unter dem Slogan „wehrhafte Demokratie“, dessen sich die unverdient Hochgestellten so gerne befleißigen.

Auch ist es interessant, wie solche Strafanzeigen überhaupt zustandekommen. Hat sich da unser „Schwachkopf“ persönlich beleidigt gefühlt und zum Schutze seiner Ehre Strafanzeige erstattet? Mitnichten. Mittlerweile wird von darauf spezialisierten Firmen das Netz mittels KI auf möglicherweise unbotmäßige Äußerungen durchforstet und die Strafanzeigen in einem automatisierten Prozeß an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die sich – so viel Rechtsstaat muß sein – dann eben darum zu kümmern hat.

Doch das ist noch nicht alles. So hat ein offenbar höchst ambitionierter Staatsanwalt nebst einem wohl nicht minder ambitionierten Richter eine Hausdurchsuchung bei unserem ansonsten braven Bürger angeordnet. Man muß sich das vorstellen: Eine Hausdurchsuchung! Wegen eines Likes!

Bolle hält es ja eher mit der gewohnheitsrechtlichen britischen Regel ›My home is my castle‹. Eine Burg, in der der Staat, von Verfehlungen der krasseren Art einmal abgesehen, rein gar nichts zu suchen hat. Eben dies war in den vergangenen Jahrzehnten auch durchgängig gute juristische Praxis.

Von Winston Churchills Milchmann-Parabel jedenfalls entfernen wir uns zur Zeit geradezu im Sauseschritt:

Wenn es morgens klingelt an der Tür
und ich weiß, daß es der Milchmann ist,
dann merke ich, daß ich in einer Demokratie lebe.

Eher läuft es wohl auf Bolles Dystopie hinaus:

Wenn es morgens klingelt an der Tür
und ich denk‘, das könnt‘ der Staatsschutz sein,
dann war’s das erstmal mit der Demokratie.

Das alles ist ohne den Journalismus 2.0 natürlich völlig undenkbar, of course. Aber was erfährt der geneigte Durchschnitts-Medien-Konsument? Werfen wir einen Blick auf ein Original:

Journalismus 2.0

Der Beitrag läuft unter der doch recht verqueren Dachzeile ›Start-up‹, nennt ein edles Motiv („gegen Hass“) und erwähnt die erfolgreiche Akquisition „prominenter Mandanten“. Der Kern vons Janze, der nucleus granuli also, wird den Autoren offenkundig nicht helle. Bolle meint, da wundere ihn rein gar nichts mehr. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 10-11-24 Die freiere Zeit

Der Preis der Freiheit.

So kam es, daß es in der Abenddämmerung, drei Tage nach Molotows Hinscheiden, in diesem Teil des Sörmländer Waldes so schlimm knallte wie seit den zwanziger Jahren nicht mehr. Der Fuchs flog in die Luft, ebenso wie Allans Hühner, Hühnerhaus und Holzschuppen. Doch der Sprengsatz reichte bequem auch noch für die Scheune und das Wohnhaus.

So heißt es in Jonas Jonassons ›Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand‹ aus dem Jahre 2009 im 28. Kapitel.

Hundert Jahre später, wieder in den zwanziger Jahren, genau genommen just diese Woche, hat es einmal mehr richtig geknallt: Mr Donald Trump wurde – gemessen am Wunschdenken und an den Schmähschriften eines weitgehend woken Journalismus 2.0 geradezu „erdrutschartig“ – zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten designiert.

Dagegen nimmt sich beispielsweise ein Scholz’scher „Doppel-Wumms“ (2022) geradezu harmlos aus. Bolle jedenfalls fand das die spannendste Fernsehnacht seit der Mondlandung. Und das ist durchaus schon ein Weilchen her.

Natürlich war niemand vorbereitet. Hoffen und Harren // Macht viele zum Narren. Das war dem römischen Dichterfürsten Ovid schon vor zweitausend Jahren klar. Bis zuletzt hat man in der politischen Klasse ganz, ganz dolle daran geglaubt, daß dieser Kelch an ihnen vorübergehen werde. Ist er aber nicht. Nun heißt es eben auslöffeln.

In der ersten Schockstarre hieß es etwa, daß Trump bislang offengelassen habe, wie er seine vielen Ziele denn erreichen wolle. Das in der ersten Stunde nach dem Wahlsieg! Seriös ist das nicht. Bolle weiß von Polit-Prominenten zu berichten, die nach Jahren noch nicht wissen, wie sie ihre Ziele erreichen wollen – die, schlimmer noch, nicht einmal klar zu sagen wissen, was ihre Ziele überhaupt sind. Wenn wir von Friede, Freude, Eierkuchen nebst Rettung vor der Klimakatastrophe, Wohlstand für alle und Tod den Tyrannen nebst Rettung „unserer“ Demokratie, of course, einmal absehen wollen.

Vor einigen Wochen war Bolle auf einem 100-Jahre-Abi-Treffen. Das Schöne an solchen Veranstaltungen ist, daß man Leute trifft, die man ewig nicht gesehen hat, die aber ein Bild von einem von damals im Kopf haben. Dabei ergab sich am Rande die Frage nach den Grenzen der Meinungsfreiheit. „Wenn sich jemand verletzt fühlt“, meinte eine ehemalige Mitschülerin. „Nein“ – entfuhr es Bolle, schneller als er denken konnte. Und doch muß er sich im Nachhinein Recht geben. Natürlich soll man nicht unnötig grob werden. Aber letztlich scheint ihm die in den letzten Jahren um sich gegriffen habende PC (Political Craziness) nachgerade ein Einfallstor für fortschreitende Goethe’sche Schafsnatur zu sein (vgl. dazu So 09-06-24 Erst wählen, dann zählen).

Und auf vorgeschriebnen Bahnen
Zieht die Menge durch die Flur;
Den entrollten Lügenfahnen
Folgen alle. – Schafsnatur!

Das jedenfalls, soviel ist jetzt schon klar, will Mr Trump ändern – und dafür hat er durchaus gute Argumente. So heißt es etwa in einer Entscheidung des amerikanischen Supreme Court:

Das Recht zu denken ist der Beginn der Freiheit, und die Sprache muß vor der Regierung geschützt werden, weil die Sprache der Beginn des Denkens ist.

Lyrischer noch hat es Karl Kraus in seinem ›Pro domo et mundo‹ (1919) vor nunmehr 100 Jahren gefaßt.

Die Sprache ist die Mutter,
nicht die Magd des Gedankens.

Aber macht das mal einem Analphabeten oder auch nur einem Hülsenfrüchtchen klar.

Letztlich geht es wohl um die grundsätzliche Ausrichtung: Wollen wir eine politische Landschaft mit einem Souverän, der souverän ist, und seinen gewählten Vertretern tüchtig auf die Finger klopft, wenn sie außer Rand und Band geraten? Oder wollen wir eine mittelalterliche politische Landschaft, wie sie Umberto Eco in seinem ›Der Name der Rose‹ (1980) so trefflich beschreibt: Mit Hirten, Hunden und vielen gefügigen Schäfchen? Wie unsere Hirten derzeit mit dem Recht auf Redefreiheit umgehen, ist jedenfalls durchaus mittelalterlich. Kant hätte glatt ‘n Knall gekriegt – von wegen sapere aude (Bediene Dich Deines Verstandes). Haben vor Lachen? Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.