Mi 07-12-22 Das siebte Türchen …

Schoki für die Kleenen – Glühwein für die Größeren …

Nach unserem gestrigen Ausflug in die Welt der Adler und Lateiner ist unser heutiges virtuelles Türchen strikt lebenspraktisch service-orientiert. So geht Glühwein alter Schule:

1 Flasche Rotwein (trocken, of course)
1/2 l Wasser (sonst wird’s zu heftig)
1 Zimtstange dazu und 3 Nelken (alles bio, of course)

Alles in einen Topf geben, erhitzen und kurz vor dem Kochen in eine Kanne umfüllen und auf ein Stövchen stellen. Falls Deine Geschmacksknospen es zulassen: dieser Glühwein kommt ohne weiteres ohne Zucker aus. Orangenschalenabrieb und/oder Orangenscheiben überhaupt kann, muß aber nicht.

Daß Bolle ausgesprochen klassisch tickt, ist ihm selber durchaus klar. Gleichwohl freut sich der Mensch über gelegentliche Bestätigung. Hier ein Rezept, das wir in einem Kochbuch für ›alte Rezepte aus Grossmütters Küchenschubladen‹ gefunden haben. Dort heißt es:

„(aus Kochbuch von 1932): 1 Flasche Rotwein, 1/2 Liter Wasser, 1/2 Pfd Zucker, 1 fingerlanges Stück Zimt, 6 Nelken. – Das Wasser wird mit den Gewürzen und Zucker 1/4 Stunde gekocht. Dann wird der Wein hineingegeben, die Flüssigkeit recht heiss gemacht, in erwärmte Gläser gegossen und heiss gereicht.“

Die Zubereitung ist also geringfügig aufwendiger. Die Zutaten allerdings sind, wenn wir von dem Zucker einmal absehen wollen, exaktemente identisch. Auch kommt Bolle mit 3 statt 6 Nelken aus, weil sie bei seiner Easy-cooking-Technik genügend Zeit haben, sich zu entfalten.

Hier für alle Freunde der kanonischen Kochkunst der Link: https://doazmol-rezepte.ch/archive/6846

Die Glaskanne gibt’s übrigens bei Ikea unter dem Suchwort „Ikea 365+ Glaskanne“ für wohlfeile 10 Euro, das Stövchen bei amazon unter „NP Bamboo Nary Stövchen“ für nicht minder wohlfeile 25 Euro. So, damit wären wir unseren Influencer-Pflichten für heute aufs Getreulichste nachgekommen. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Di 06-12-22 Das sechste Türchen  – Nikolausi …

Genießen oder nutzen – das ist hier die Frage.

Und schon sind wir bis Nikolausi vorgerückt – und haben damit bereits ein Viertelchen unseres virtuellen agnostisch-kontemplativen Adventskalenders hinter uns gebracht. Was uns natürlich nicht davon abhalten muß, gelegentlich in das eine oder andere vergangene Türchen reinzulinsen. Heute wollen wir – weil auch das irgendwann einmal gesagt werden muß – einen kurzen Blick auf das altehrwürdige und meist schwer mißverstandene ›Carpe diem‹ werfen.

›Carpe diem‹ ist – sozusagen als Tüchtigkeits-Tugend – bis weit in Kreise vorgedrungen, die mit Latein ansonsten eher weniger am Hut haben. Da sind konzeptionelle Mißverständnisse durchaus nicht auszuschließen. So wird die Wendung in aller Regel mit „Fasse den Tag“ übersetzt – wobei „fassen“ soviel heißen soll wie ›ergreife ihn, nutze ihn, mach was draus – sei tüchtig‹.

Genau das meint die Wendung aber nicht. Carpe ist der Indikativ 2. Person Singular von carpere ›pflücken, necken‹. ›Fassen, fangen, ergreifen‹ dagegen heißt im lateinischen captare – wie zum Beispiel in dem Sinnspruch aquila non captat muscas – ›ein Adler fängt keine Mücken‹.

›Fasse den Tag‹ müßte demnach also zumindest cape diem heißen – also ohne „r“. Allerdings heißt es in der 2. Person Singular Präsens Imperativ Aktiv capta (und nicht cape). Damit würde ›Fasse den Tag‹ capta diem heißen müssen – und keinesfalls carpe diem.

Was hat das mit uns zu tun? Nun – carpe diem hat wohl mehr mit „verbringe den Tag im agnostisch-kontemplativen Gleichgewicht“ zu tun als mit irgendwelchen Tüchtigkeitsregeln: Springe nicht über jedes Stöckchen, das dir irgendein Dösbaddel vor die sprichwörtlichen Füße hält. Verbringe Deine Tage nicht damit, unentwegt 10 Minuten in der Zukunft zu leben (vgl. dazu So 04-12-22 Das vierte Türchen – der 2. Advent …) . Lebe Dein Leben nach Deiner Fasson. Tüchtig sein kannst Du nebenbei immer noch – weil das eine das andere natürlich nicht ausschließen muß bzw. sogar bedingen kann. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Mo 05-12-22 Das fünfte Türchen …

Not kennt kein Gebot.

Weihnachtszeit ist nicht zuletzt auch Geschenkezeit. Dumm nur, daß Geschenke nicht selten mit einem gewissen pekuniären Aufwand verbunden sind. Aber keine Sorge: Deine Bank weiß Rat – Bonität vorausgesetzt, wie es immer so schön im Kleingedruckten heißt. Und so konnte Bolle nicht umhin, bei einer Routineüberweisung über eine Anzeige zu stolpern: „Endlich wieder Wünsche erfüllen!“ – garniert mit Symbolbildern freudestahlender Christenmenschen unterm Weihnachtsbaume.

Das „Endlich wieder“ übrigens fand Bolle alles andere als stimmig. Paßt es doch eher zu Zeiten des Aufschwunges und weniger mitten in eine ökonomische Dauerkrise, die nunmehr schon fast drei Jahre andauert und deren Ende alles andere als absehbar ist – und die wir uns, vollgepumpt mit Moralintoxin, auch noch selber eingebrockt haben.

Daß es auch würdevoller geht, können wir in Erich Kästners ›Modernem Märchen‹ nachlesen:

Zu Weihnachten malten sie kurzerhand
Geschenke mit Buntstiften an die Wand.
Und aßen Brot, als wär‘ es Konfekt.
Und spielten: wie Gänsebraten schmeckt. –

Das Gedicht findet sich in ›Morgen, Kinder, wird’s nichts geben‹ und kann allen, die es lieber etwas zartbitterer als zu süßlich mögen, nur ans vorweihnachtliche Herz gelegt werden. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

So 04-12-22 Das vierte Türchen – der zweite Advent …

Trial and error.

Gestern war Bolle einkaufen. Nur ganz kurz, of course. Immerhin hat es gereicht, um – wie alle Jahre wieder – ein paar vorweihnachtliche Eindrücke aufzufrischen. Von Kontemplation war da nicht allzu viel zu spüren – auch nicht im weiteren Sinne. Mehr so ein Gedrängele und Geschiebe. Bolle hatte den Eindruck, die Leute leben auf kurze Sicht so in etwa 10 Minuten in der Zukunft. An der Fleischtheke stehen? Wird gleich vorbei sein. An der Kasse stehen? Das gleiche Bild. Irgendwo stehen oder gehen? Dito. Immer sind die Leute nur fast da, wo sie eigentlich sein wollen. Als Gegenbild können wir uns vielleicht Kassiopeia vorstellen, Meister Horas Schildkröte in Michael Endes Momo. Die konnte zwar ein viertel Stündchen in die Zukunft sehen. Bewegt hat sie sich aber in der Gegenwart – und nur in der Gegenwart. Bolle meint: Das hat das deutlich höhere Kontemplationspotential. Auf mittlere Sicht ergibt sich nichts anderes. Jetzt steuern die Leute das Fest der Christenmenschen an. Sind aber nur fast da. Aber dann! Und so weiter, und so fort …

Ob man dagegen sein Leben rückwärts zumindest „verstehen“ kann, hängt natürlich schwer davon ab, was man unter ›verstehen‹ verstehen will. Aus agnostischer Sicht handelt es sich dabei vielleicht einfach nur um eine Form von sich das eigene Leben, bildlich gesprochen, gewissermaßen schönzusaufen – wobei »schön« hier nicht viel mehr als ›stimmig‹ bedeuten soll. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Sa 03-12-22 Das dritte Türchen …

Fakt oder Fake? Oder was?

Auch unser drittes Türchen hat, zumindest am Rande, mit der Phibel, unserer Handreichung zum akademischen Schreiben, zu tun. Es findet sich dort im Abschnitt Lingua potentia est – Sprache ist Macht – was wiederum an Francis Bacons Wissen ist Macht anknüpft. Bacon sah sich seinerzeit – vor immerhin über 400 Jahren – veranlaßt, in seinen Meditationes sacrae (1597) darauf hinzuweisen, daß Wissen beileibe nicht allein der seelisch-geistigen Erbauung dienen mag, sondern daß man damit ganz lebenspraktisch etwas anfangen kann. Der Unterschied ist übrigens heute noch geläufig – etwa in dem Begriffspaar Know that versus Know how.

Wie dem auch sei. Unser heutiges Schildchen ist – in dieser oder ähnlicher Form – ein Netzfund. Einer hat es „gepostet“, viele andere haben es geteilt, und so ging es dann „viral“ – was natürlich die „Faktenchecker“ angezogen hat wie die sprichwörtliche Scheiße die Fliegen. Tenor: „Stimmt ja gar nicht, stimmt ja gar nicht. Alles Fake.“ Also voll das Kindergartenniveau. Dabei ergeben sich zumindest drei Fragen:

Erstens: Was stimmt ja gar nicht? Offenbar läßt sich der Spruch in der Tat nicht auf Dostojewski zurückführen. Zweitens: Warum sieht sich der ursprüngliche Poster veranlaßt, Dostojewski als Quelle anzugeben? Wollte der Poster ein wenig posen und sein Statement mit fremden Federn schmücken? Und schließlich drittens: Welche Rolle überhaupt spielt hier die Autorenschaft?

Wir finden, daß wir es hier mit einem sehr hübschen und ausgesprochen typischen Beispiel für das Niveau kontemporärer Auseinandersetzungen zu tun haben. Der Spruch an sich trifft einen Nerv – soweit scheint das klar. Vor allem bringt er den absurden Grundgedanken, dem Volk Toleranz mit Verboten eintrichtern zu wollen – und überdies zu Lasten von Vernunft und Wissenschaft (Mephistopheles kurz vor dem Auftritt des Schülers) –, aufs Feinste auf den Punkt. Wäre da nicht dieser Zuschreibungsfehler, der alles zu entwerten scheint und bei so manchem zum Gesamturteil „Fake“ führt. Das Beispiel scheint uns recht allegorisch für die um sich greifende Tendenz, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen zu wollen – und läßt sich umstandslos auf alles übertragen, was uns zur Zeit so plagt: Corönchen, Ukraine, Erderhitzung, oder was auch immer.

Nehmen wir an, der Spruch wäre uns im Rahmen der Phibel eingefallen. Wir hätten kühl und wahrheitsliebend mit Bolle als Autor unterschrieben und damit die Faktenchecker dieser Welt mit ihrem „Stimmt ja gar nicht“-Kernargument voll auflaufen lassen. Und dann? Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Fr 02-12-22 Das zweite Türchen …

So oder so kann’s gehen …

Wir haben gestern schon erwähnt, daß unsere Phibel ein wenig auf den diesjährigen Adventskalender abfärben könnte. Und schon geht das los. Unser kluger Professor aus Lima (vgl. Do 01-12-22 Das erste Türchen …) konnte oder wollte sich offenbar – aus welchen Gründen auch immer – weder für die erste noch für die zweite Technik literarischer Betätigung erwärmen. Das Ergebnis haben wir gesehen …

Zunächst aber sollten wir eine Übersetzung wagen – schon deshalb, weil das Bonmot gar nicht so einfach einzudeutschen ist, ohne seinen Bonmot-Charakter zu verlieren. Et voilà:

In meinen jungen Jahren – was nun schon ein Weilchen her ist –
gab es zwei Arten von Schriftstellern.
Die einen waren der Auffassung:
Mach dir zunächst klar, was du sagen willst
und versuche es dann in Worte zu fassen.
Die anderen meinten:
Fang einfach munter an zu schreiben
und mache dir dabei allmählich klar
was du eigentlich sagen willst.

Als Bolle das zum ersten mal gelesen hat – was nun ebenfalls schon ein Weilchen her ist – war er wie vom Donner gerührt. Er stand am Regale so vor sich hin, und nichts spezielles zu finden, das war sein Sinn. Und dann sowas! An die zweite Möglichkeit hatte Bolle noch nie gedacht. Nicht einmal an die Möglichkeit, daß es sich hierbei überhaupt um eine Möglichkeit handeln könnte.

Andererseits – auch das wurde Bolle schlagartig klar – erklärt das Aufbau, Diktion und Timbre von so manchem, was man so zu lesen kriegt. Drittens schließlich wurde ihm klar, daß er das durchaus hätte ahnen können. Hatte es doch Mephistopheles seinerzeit in der Hexenküche exaktemente auf den Punkt gebracht, als er Fausten gegenüber meinte:

Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.

Allein es mangelte Bolle an der „Transferleistung“. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 01-12-22 Das erste Türchen …

So kann’s gehen …

Und schon ist es wieder Zeit für unseren virtuellen agnostisch-kontemplativen Adventskalender. Wir reden hier immerhin vom dritten Jahr in Folge. Und solche uralten Traditionen soll man natürlich nicht ohne Not verlottern lassen.

In den letzten Monaten waren wir voll und ganz mit der Phibel beschäftigt – unserer kleinen Handreichung zur Schreibwerkstatt. Hier und heute sind wir bei 286 Seiten – ohne Vorspann und ohne Literaturverzeichnis. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was es alles zu berichten gibt. Und so müssen wir uns nicht wundern, wenn das ein wenig auf unseren diesjährigen Adventskalender abfärben könnte. Aber in einigen Monaten soll damit Schluß sein, of course.

Den klugen Professor aus Lima gibt es übrigens in der Tat. Bolle ist entfernt bekannt mit ihm. Er schreibt, und schreibt, und schreibt. Allein: nichts ist ihm gut genug. Und so hat er nach einem langen und entbehrungsreichen Leben am Schreibtisch fast gar nichts je veröffentlicht. Wieviel entspannter ist da doch der Weihnachtsrummel: Geschenke einkaufen, eintüten, abschicken. Was soll da groß schiefgehen? Außer vielleicht, daß die Post und ihre Derivate es nicht fertigbringen, die Sachen noch vor dem Feste faktisch auszuliefern. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Ostermontag 18-04-22 Frohe Ostern, urbi et orbi!

De homine sapiente disjuncto.

So, Ihr Lieben – so ziemlich auf den allerletzten Drücker, ein kleiner Ostergruß. Um Euch die anstehende Frühjahrsmüdigkeit zu versüßen – hier ein kleiner agnostisch-kontemplativer Impuls. Darüber nachdenken könnt Ihr dann selber.

Seit Jahren schon unterscheidet Bolle, was die menschliche Art angeht, sauber zwischen dem homo sapiens lubens und dem homo sapiens cogitans. Die Weisheit, sapientia, führen beide im Namen. Wir wollen ja niemandem unnötig auf die Füße treten – schon gar nicht jetzt zum christlichen Osterfeste. Das indes ist aber beinahe auch schon das Ende der Gemeinsamkeiten. Beim homo cogitans handelt es sich um jene Unterart, die, grob gesagt, besser denken kann als fühlen. Beim homo lubens – nicht zu verwechseln mit dem homo ludens, dem spielenden Menschen – ist es umgekehrt. Er (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) kann deutlich besser fühlen als denken.

Zugegeben: Eine solche Unterscheidung ist schon ein wenig krass – wenn auch nicht ganz unsubstantuiert. Von daher ist Bolle froh, daß kein geringerer als Blaise Pascal den Zusammenhang so trefflich auf den Punkt gebracht – und damit gleichzeitig eine regelrechte Steilvorlage für „Bolles Senf dazu“ geliefert hat.

Wer davon ist der „bessere“ Mensch? Wer richtet mehr Unheil an auf der Welt? Wer tut mehr Gutes? Das können und wollen wir – aus der Perspektive des homo cogitans – so nicht entscheiden. Hier soll es uns allein darum gehen, die Begriffe einzuführen. Auffällig ist allerdings, daß der homo lubens in jüngerer Zeit enorm an Boden zu gewinnen scheint. Die – wie Bolle das zu nennen pflegt – wahrlich weltbewegten Besser-Bürger mit ihrem ausgeprägtem „Gutmensch 2.0-Impetus“ sind stets spontan bereit, zu „helfen, retten, schützen“, was das Zeug hält. Ob überhaupt und wie das funktionieren kann, klären wir dann später. So mancher homo cogitans könnt‘ darob kotzen.

Aber ist das alles auch wahr? Bolle meint, hier reiche ein flüchtiger Blick in eine x-beliebige kontemporäre Nachrichtensendung. Da geht es zunehmend gar nicht mehr um Nachrichten im engeren Sinne: Was ist? (Schwester Logik). Vielmehr geht es oft und überwiegend nur noch darum, wie „schlimm“ das alles sei, wie sehr die Beteiligten leiden würden – und daß die „Täter“ unbedingt „schnellstmöglich“ zur Verantwortung zu ziehen seien (Schwester Ethik). Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob wir hier von Corönchen reden, der Klima-Krise, von „Putins Krieg“, von „Frieren für den Frieden“ oder von was auch immer. Das Muster ist stets dasselbe: Erst mal fliegt das Herz voran. Der Verstand kann sehen, wo er bleibt. Warten wir ab, was die Wirklichkeit dazu sagen wird.

Abschließend ein Hinweis in eigener Sache: Die „Phibel“ – das kleine Vademecum für ambitionierte Autoren (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) – macht mächtig Fortschritte. Aber eben auch mächtig Arbeit. Das aber ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel.

Do 20-01-22 Bolles Dichotom

Die Geschmäcker sind verschieden …

Bolle hätte es ja nie für möglich gehalten, daß er auf seine alten Tage rein vernunftvermittelt noch mal richtig gläubig werden würde. Insbesondere einem Agnostiker steht das schließlich schlecht zu Gesichte.

Auf die Frage „Glaubst Du an Gott?“ sollte jede auch nur halbwegs entwickelte Seele (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) unvermittelt mit „Definiere Gott“ antworten müssen. Alles andere macht wirklich wenig Sinn – um nicht zu sagen: gar keinen.

Die Frage hingegen „Glaubst Du an Studien?“ würde nolens volens jede noch so niedrig liegende Latte intellektuellen Anstandes reißen. Hier wird es allen Ernstes wirklich albern. Aber genau das passiert zur Zeit – zumindest wenn man dem, was in kontemporären Talk Shows Abend für Abend verbraten wird, auch nur einen Hauch von Glauben schenken mag.

Da wird von „Faktenverdrossenen“ schwadroniert bzw., als stilistische Variante, von Leuten, die „keine Lust auf Fakten“ hätten. Man muß sich das mal klar vor Augen führen: Was, bitteschön, haben „Fakten“ denn mit „Lust“ zu tun? Wie es scheint, hat da so mancher (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course) jegliche Distanz zu bzw. jegliche Einsicht in „Blubbersprech“ verloren. Was bleibt, ist arrogante Attitüde – die Wahrheit für andere. Die aber manifestiert sich konsequenterweise um so vehementer. Irgendwas muß einem ja bleiben im Leben …

Soll man denn gar nichts mehr glauben dürfen? Natürlich nicht. Allerdings man sollte, falls die Frage das erfordert, die Kurve zum „me“ nicht verfehlen: Wer bin ich, darauf zu antworten? (vgl. dazu, einmal mehr, unsere Grundlagen-Graphik bzw., zuletzt, Fr 10-12-21 Das zehnte Türchen …).

Wirklich wahr?

Also lieber ein bescheidener, demütiger Agnostiker als ein arroganter, besserwisserischer und hochmütiger Klugscheißer – stets redlich bestrebt, andere mit der eigenen Wahrheit zu beglücken. Bolle jedenfalls sieht das so.

Zugegeben: Es hat schon finsterere Zeiten gegeben – mit noch sehr viel durchgeknallteren Potentaten, die – egal ob im demo- oder autokratischen Gewande – von vaterlandskonformen Zeitgenossen sehr viel mehr als nur einen „Pieks“ erwartet und gefordert haben. Aber erstens sollte uns derlei nicht unbedingt als Vorbild dienen und zweitens wäre das dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel …

Fr 31-12-21 Jahr ma wieder alle …

Tür zu — ’s zieht.

Hier spricht der Dichter. Selbst wenn das den wenigsten von uns helle sein dürfte: Auch Einstein hat sich mitunter (und in eher bescheidenem Rahmen) der Dichtkunst hingegeben. Allein, wie er 1923 einmal beiläufig erwähnt hat: „Die größten Wissenschaftler sind immer auch Künstler.“ Na also. Die Glasperlenspieler dieser Welt sind wohl doch unkaputtbar. Und vermutlich ist das auch gut so …

Was hat das mit uns zu tun? Nun – so wie’s aussieht, leben wir zur Zeit in einer Welt, in der das Fensteraufreißen, auf daß die ganze Welt am eigenen Dilettantismus teilhaben möge, nachgerade zur Tugend hochgejubelt wird. Wer „laut“ ist, genießt im Journalismus 2.0 per se ein gewisses Maß an Sympathie. Allerdings liegt zwischen kühlem „Recht haben“ und lautstarker „Rechthaberei“ ja wohl weit mehr als nur ein schmaler Grat.

Guten Rutsch also, fürs erste. Und den Menschen auf Erden ein Wohlgefallen. Und die Hoffnung stirbt zuletzt. Nächstes Jahr wissen wir vielleicht noch mehr (vgl. dazu Do 31-12-20 Guten Rutsch! Und bessert Euch!) …  Aber das ist dann doch schon wieder ein ganz anderes Kapitel …