Keine Sorge – mit dem ganzen »Laschet gegen Goliath«-Geflatter (vgl. So 11-04-21 Laschet gegen Goliath) wollen wir uns nicht befassen. „Oh Gott, welch’ Überraschung“, hieß es heute, wenig überraschend, quer durch die gesamte Medienlandschaft.
Werfen wir also einen Blick auf die Spannungen, die der Journalismus 2.0, wie’s scheint, mit seinem eigenen Gegenstand hat. Mit Politikern kann man ja noch leben. Aber das Volk? Alles Covidioten – und bringt wohl gar die Pressefreiheit in Gefahr (vgl. dazu auch Do 07-01-21 Journalismus 2.0). Wozu haben wir denn Art 5 I 2 GG?
Das Argument der Medienschaffenden geht dabei in etwa wie folgt: Wir wollen doch nur, friedlich und objektiv, of course, berichten. Das Volk aber wirft, wie gemein ist das denn, mit Gegenständen nach uns. Was für Gegenstände das waren, konnten wir auf die Schnelle leider nicht recherchieren. So ist das nun mal, wenn man auf der Flucht ist.
Das Volk dagegen meckert ob der Oberflächlichkeit und fühlt sich in seinem tiefen Sehnen nicht gesehen. Maske auf? Abstand eingehalten? Alles klar. Korrekte Demo. Brave Demonstranten. Gute Bilder. Das eigentliche Anliegen, also das, worum es geht und was die Leute interessieren könnte, gerät dabei sehr leicht ins Hintertreffen.
Daß man sich im Freien nicht anstecken – und auch andere nicht anstecken kann, erfahren wir, nach nunmehr immerhin zwei Jahren „Pandemie“, eher beiläufig. Bolle meint: Da hätte man schon früher mal einen Physiker fragen können, was es mit Aerosolen so auf sich hat. Aber wenn man doch nun mal so herrlich auf Virologen eingeschossen ist?
Und? Was macht der Journalismus 2.0 statt dessen? Berichtet allen Ernstes von möglichem Fehlverhalten der Ordnungshüter bei einer Demo in Stuttgart. Viel zu lasch – überhaupt nicht wehrhaft und nicht staatstragend genug. Übrigens: Die Demo fand im Freien statt.
Tucholsky, oder auch Kästner, haben sich seinerzeit noch höchstpersönlich die Mühe gemacht, durch Berliner Kneipen zu ziehen – und zwar sowohl durch Nazi- als auch durch Kommunistenkneipen –, sich Aug’ in Auge mit den Leuten unterhalten, um so der Leserschaft die Lage gehörig zu erhellen. Richtiger Journalismus, eben. Was die beiden, um das klarzustellen, dagegen nicht getan haben: Sie haben nicht etwa ihre Ausrüstung aufgebaut – schon gar nicht vor der Kneipe. Auch haben sie keine „Schalte“ aufgemacht, um dann mit aufgeregtem Gestus zu berichten, was drinnen in der Kneipe vor sich geht. Bei so viel journalistischem Feingefühl hätten sie sich übrigens auch nicht wundern müssen, wenn sie ab und an mal eine aufs Maul gekriegt hätten. Soweit zur Hauptstadtberichterstattung. Von Hemingway oder Churchill – also echten Kriegsberichterstattern – wollen wir hier gar nicht reden. Möglicherweise hat Bolle ein übermäßig idealistisches Bild von echtem Journalismus. Indes: schlimmer geht immer.
Eigens für den Irakkrieg hatten die Amerikaner 2003 den Embedded Journalism erfunden – wohl um zu vermeiden, daß sich wehrkraftzersetzende Bilder wie jene aus dem Vietnamkrieg wiederholen können. Die Medienschaffenden wurden dabei mit einem Panzer in Frontnähe spazierengefahren und durften dann darüber berichten – und zwar nur darüber. Friedrich Nowottny, der vormalige Intendant des WDR, fand das damals schon (bzw. noch) wenig kunstgerecht: „Der Blick des Journalisten fällt durch den Sehschlitz des Panzers. Und der ist nicht sehr groß.“ Alte Schule, eben.
Dennoch ist die Grundidee mittlerweile recht salonfähig geworden. Heute würden, falls Bolle nicht ganz falsch liegt, manche Medienschaffenden ihre Demo-Berichterstattung wohl am liebsten vom Polizeipanzer aus erledigen – zumindest aber umgeben von einer schützenden Hundertschaft. Pressefreiheit – frei von jedem Risiko?
Den Medienschaffenden immer gleich eine aufs Maul zu hauen ist natürlich auch keine Art. Aber das macht ja im Grunde auch keiner. Eher haben wir es hier mit „gefühlter“ Bedrohung zu tun, wenn überhaupt. Gleichwohl sind ausgeprägte Mimimichen wohl eher falsch am Platze. Also Augen auf bei der Berufswahl! Mit einem „Irgendwas-mit-Medien“-Studium ist es nach allem wohl nicht getan. Also doch ein Feld allein für halbwegs harte Männer (beider- bzw. allerlei Geschlechts, of course)? Das aber ist dann doch schon wieder ein anderes Kapitel.